Bahn AG in Sachsen-Anhalt, den Beschäftigten in Stendal, Halberstadt, Blankenburg und Dessau. Vermitteln wir ihnen, dass die Abgeordneten des Landtages es nicht hinnehmen, dass weitere Arbeitsplätze abgebaut werden.
So sollten auch die Eisenbahner die Gewissheit bekommen, dass dieser Landtag sich konsequent dafür einsetzt, dass Lösungen gefunden werden, die den Interessen der Beschäftigten der Deutschen Bahn AG dienlich sind.
Ich möchte mich an dieser Stelle als Eisenbahner bei Herrn Verkehrsminister Heyer bedanken. Es ist selten, dass die Opposition Sie lobt. Ich bedanke mich, dass Sie sich dafür eingesetzt haben und, wie ich hoffe, auch weiterhin einsetzen werden, dass die Schließungen und der Personalabbau verhindert werden. Sie haben die volle Unterstützung sowohl von mir als aktivem Betriebseisenbahner als auch von der Fraktion der FDVP. - Ich bedanke mich.
Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/3774. Eine Überweisung ist nicht beantragt worden. Deshalb ist über den Antrag direkt abzustimmen. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen hat der Antrag insgesamt keine Mehrheit gefunden. Der Tagesordnungspunkt 3 ist damit beendet.
Werte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bahn- oder vielmehr Industriebetriebe wie der Schienenfahrzeugbau sind ein Markenzeichen SachsenAnhalts.
Das geschieht heute unter unvergleichlich härteren Bedingungen und mit nur noch einem Zehntel der Belegschaft, die diese Betriebe Ende der 80er-Jahre hatten.
Die Entscheidung des Konzernvorstandes von Anfang Oktober 2000, vier Bahnwerke in Sachsen-Anhalt bis zum Jahresende zu schließen, wird von unserer Fraktion als konzeptionsloser, ökonomischer und sozialer Kahlschlag insbesondere für die neuen Bundesländer bewertet.
Für Sachsen-Anhalt bedeutete das nach den Feiern zum zehnten Jahrestag der deutschen Einheit einen Abbau von rund 1 200 Beschäftigten, wie hier bereits mehrmals
gesagt, in diesen Werken. Das sind rund 50 % der Industriearbeitsplätze in diesem Sektor. Dazu kommt ungefähr die dreifache Zahl von Arbeitsplätzen bei Zulieferern und Dienstleistern.
Das Amtsblatt der Deutschen Bahn AG, die „Bahnzeit“, schreibt dazu im November - ich bitte, auf den Termin zu achten -:
„Sobald Restaufträge abgearbeitet sind, werden die Spezialwerke Gleisbaumechanik Brandenburg, Stahlbau Dessau, Fahrzeugbau Halberstadt, Fernmeldewerk München-Neuaubing, Stahlbau Vacha sowie das Forschungs- und Entwicklungswerk Blankenburg geschlossen.
Diese Werke verursachen dreistellige Millionenverluste. Verkaufsgespräche mit mehreren Hundert Interessenten scheiterten... Auch in drei der 18 großen Instandhaltungswerke (C-Werke) läuft die Produktion aus: Leipzig-Engelsdorf, München-Neuaubing und Stendal.“
Das teilt die Konzernleitung der DB AG den Mitarbeitern der Deutschen Bahn AG noch im November in der bundesweit vertriebenen Zeitung „Bahnzeit“ mit. Bevor sich überhaupt ein Verantwortlicher aus der Konzernleitung vor Ort wirklich sachkundig machte, wurden von dieser Konzernleitung über die Presse bahneigene Werke als nicht leistungsfähig, nicht innovativ und als Schuldenbringer dargestellt. Das ist eine Plattmacherstrategie, die an die unseligsten Zeiten der Treuhandanstalt erinnert.
Demotivierung der Mitarbeiter, Massenentlassungen, fehlender Service, Pleiten, Pech und Pannen sind der Zustand der Deutschen Bahn AG zu Beginn des dritten Jahrtausends in Deutschland. Bahnchef Mehdorn hat daraus die Konsequenzen gezogen:
Spitzenmanager der Bahn fahren nicht mehr Bahn, sondern bekommen hochwertige Pkws für den dienstlichen und privaten Gebrauch gesponsert.
Wahr ist, seit 1997 gibt es einen Vorstandsbeschluss zur mittelfristigen Ausgliederung von drei dieser Werke aus dem Kernbereich der DB AG. Über drei Jahre war Zeit, den Marktübergang vorzubereiten. Meine Bilanz: Echte Arbeit hat die Konzernspitze in diesem Prozess nicht geleistet, bis bei der Konzipierung der Kahlschlagrunde 2000 das Beschlusspapier wohl rechtzeitig wiederentdeckt wurde und jetzt umgesetzt werden sollte.
Wer sein eigenes Unternehmen schlechtredet, kann es vielleicht noch für eine D-Mark verkaufen. Wer aber seine Personalräte wie „dumme Jungs“ oder wie „dumme Mädchen“ - ich möchte die Demokratie wahren -
(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Na! - Herr Sachse, SPD: Gibt es auch dumme Mädchen? - Ministerin Frau Schubert: Es gibt keine dummen Mädchen!)
Ein Beispiel hierfür: Am 26. Oktober 2000 fand die Betriebsrätekonferenz des Gesamtbetriebsrates der DB AG
(Holding) in Berlin statt. Dazu war am Abend des 25. Oktober die Teilnahme von Herrn Mehdorn wieder wegen eines dringenden Termins abgesagt worden. Herr Dr. Föhr als Arbeitsdirektor sollte Herrn Mehdorn in dieser Sitzung vertreten. Dieser Dr. Föhr kam am 26. Oktober ebenfalls nicht. Nach nochmaliger telefonischer Rücksprache erschien er mit über einer Stunde Verspätung. Das passierte alles in Berlin, eine Zugverspätung kann er als Alibi kaum nennen. Nach ca. 30 Minuten Anwesenheit erklärte Dr. Föhr, dass er nur bis 16 Uhr Zeit habe und verließ ohne ein weiteres Wort den Versammlungsort. Jeder denke sich seinen Teil. Wenn ich so etwas erfahre, meine Kolleginnen und Kollegen, dann habe ich arge Zweifel daran, dass die Bahnspitze überhaupt eine andere Lösung als einen reinen Schrumpfkurs finden will. (Zustimmung bei der PDS, bei der SPD und bei der CDU)
Wir haben in diesem Zusammenhang vom Kanzler dieser Bundesrepublik im Wahlkampf auch eine Beschäftigungsinitiative Ost zugesagt bekommen. Bekanntlich ist Sachsen-Anhalt ein neues Bundesland im Osten der Republik. Eine vorsichtige Hochrechnung für gleichwertige Ersatzarbeitsplätze in unserem Land belief sich auf Kosten für die öffentliche Hand von 600 Millionen DM.
Gleichzeitig muss wieder darauf hingewiesen werden, dass der Bund 100-prozentiger Gesellschafter der DB AG ist und somit die Bundesregierung und der Bundestag mit in der Pflicht stehen. Für Sachsen-Anhalt ist diese Pflicht in einem - ich sage einmal - ersten Schritt auch so akzeptiert worden. Herr Dr. Heyer hat positiv darüber berichten können.
Ich stelle für Sachsen-Anhalt fest: Erstens. Die Schließung der Werke Blankenburg, Dessau, Halberstadt und Stendal zum 31. Dezember 2000 ist aufgrund der konkreten Situation nicht notwendig. Ich hoffe, das nimmt irgendwann auch die bahninterne und bahneigene Presse auf. Das hat, auch mithilfe der Fachministerien des Landes, engagierter Politiker und der Werke, selbst die Konzernspitze der DB AG inzwischen scheinbar begriffen.
Zweitens. Der Weg der sachsen-anhaltischen Werke kann und muss ein unterschiedlicher sein, der auf Konzepten aus den Werken selbst, auf der Unterstützung durch die betroffenen Regionen sowie der Legislative und der Exekutive dieses Landes aufbaut.
Drittens. Eine Grundvoraussetzung für das Agieren der Werke am Markt ist eine komplette Flächenzuordnung aus den DB-Immobilien bzw. auch aus dem Bundeseisenbahnvermögen aus unserer Sicht zu der berühmten Mark. Das ist eine Starthilfe, die wirklich konkret wäre.
Die hierfür notwendigen Entscheidungen sind aber auf der Bundesebene zu treffen. Das muss man deutlich sagen. Beachtet werden muss im Gesamtansatz, dass mit den Entscheidungen zu diesen Werken an den Standorten Blankenburg, Halberstadt und Stendal gleichzeitig die profilbestimmenden industriellen Kerne dieser Orte sterben oder leben werden.
Unter der Verantwortung des Verkehrs- und des Wirtschaftsministeriums, für deren aktuelle Arbeit man nur
danken kann - Herr Gabriel ist leider zurzeit nicht im Saal -, und der Führung durch den Ministerpräsidenten sowie durch die Beteiligung von Legislative und Regionen muss die Situation im Sinne der Etablierung wettbewerbsfähiger Betriebe am Markt gelöst werden.
Über den Weg jedes einzelnen Betriebes und die mögliche politische Begleitung heute im Plenum zu befinden, halten wir für verfrüht. Das sollte besser in den Fachausschüssen behandelt werden. Das muss bis zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen - Herr Dr. Heyer, ich kann das nur unterstützen - ein ständig begleitender Prozess über die Fachausschüsse sein; sei es durch die heutige Information durch die beiden Ministerien oder sei es auf Antrag der PDS-Fraktion durch die Anhörung in den Ausschüssen für Verkehr und für Wirtschaft am 24. November dieses Jahres.
Allerdings haben wir es mit der Bahn schwer. Diesbezüglich kann ich die Ausführungen meiner Vorredner nur bestätigen. Kaum ist ein Problem auf dem Weg zur Lösung, ist die nächste Lawine im Anrollen. Ich möchte Ihnen nur eine nennen.
Die jenseits jeglicher verbindlicher Zeitplanung und mit vielen Mängeln angeblich teilfertig gestellte ExpoReferenzstrecke Halle - Halberstadt - Hannover kostet das Land Sachsen-Anhalt bis zum 31. Dezember dieses Jahres weitere rund 200 Arbeitsplätze. Diesen Abbau haben wir mit Fördermitteln des Bundes und des Landes unterstützt. Der eigentliche Ansatz war: Erhalt moderner Strecken mit mehr Verkehr auf der Schiene, um die vorhandenen Arbeitsplätze sichern zu können. Diese Analyse möchte ich heute nicht zu meinem Thema machen. Sie ist aber dringend notwendig.
Klar ist, dass sich die Bahn nicht selbst wie einst Münchhausen an seinem Zopf aus dem Sumpf ziehen kann. Hier hat die Politik Gestaltungsverantwortung in Form von zukunftsfähigen Rahmenbedingungen. Aufgeschobene Entscheidungen müssen endlich getroffen werden. Wer eine zukunftsfähige Bahn will, das Bahnnetz als Teil der Daseinsvorsorge begreift, muss Wettbewerb zulassen, als Dienstleister im Personenverkehr auftreten und einen Güterverkehr mit dem technischen Standard des dritten Jahrtausends anbieten. Das ist ökonomisch sinnvoll und ökologisch notwendig sowie für die öffentliche Hand und für den Steuerzahler insgesamt am kostengünstigsten.
Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um direkte Zustimmung zu unserem Antrag, der sowohl das politische Votum der Legislative als auch ein Auftrag an die Landesregierung und Unterstützung dieser ist. - Danke schön.
Vielen Dank, Kollege Kasten. - Eine Debatte ist nicht vorgesehen. Wünscht noch jemand das Wort? - Herr Dr. Daehre.