Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank. - Dann spricht für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann.

Herr Gallert hat darauf hingewiesen, dass wir uns mit dem Thema aufgrund eines DVU-Antrages - jetzt ja DVU-FL - nicht zum ersten Mal befassen müssen. Es ist schon früher - damals war die Fraktion noch geschlossen - ein Antrag hier eingebracht worden. Ich denke, die Umstände haben sich nicht verändert. Es war sehr bemerkenswert, wie Frau Wiechmann heute versucht hat, mit linguistischen Pirouetten zu begründen, warum sie heute dagegen ist.

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

- Ja, ja. Ich denke, diejenigen, die es wissen wollen, haben auch vorher gewusst, was plebiszitäre Elemente sind. Sie hätten sich eigentlich den Vortrag ersparen können.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Unser Fraktionsvorsitzender - schreien Sie doch nicht immer so herum, Frau Wiechmann -

(Heiterkeit bei der SPD)

hat damals das Erforderliche gesagt und das vordergründige populistische Anliegen des damaligen Antrages - und das hat sich heute nicht geändert - gekennzeichnet. Ich will das nicht wiederholen.

Sicherlich ließe sich manches über die Sinnhaftigkeit direkter Demokratie auf Bundesebene sagen; aber ich will der Verlockung widerstehen, dazu nähere Ausführungen zu machen. Auch die heutige Einbringungsrede veranlasst mich nicht, an dieser Stelle vertieft darüber nachzudenken.

Nur so viel: Wir sind sehr dafür, auf Bundesebene mehr Demokratie zu wagen. Gerade weil uns das Anliegen so wichtig ist, haben wir etwas dagegen, dass es in dieser Form in Misskredit gebracht wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank. - Für die DVU-FL-Fraktion besteht noch einmal die Möglichkeit zur Stellungnahme. Angemeldet war der Abgeordnete Herr Buder. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sagt, die damaligen Verfassungsgeber seien aufgrund der Erfahrungen aus den 20er- und 30er-Jahren sehr restrik- tiv mit Volksentscheiden gewesen. Nun, das liegt 70 bis 80 Jahre zurück. In diesen Jahren hat sich der Mensch mit seiner Umwelt, mit seinen demokratischen Strukturen sehr geändert. Im Jahr 2000 will der mündige Bürger Demokratie live erleben und mitgestalten.

In der Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland steht unter anderem - Herr Präsident, ich zitiere auszugsweise mit Ihrer Erlaubnis -: „... hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“

Wie bereits erwähnt, besagt Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. - Leider sieht es aber in der Wirklichkeit anders aus. Die Legislative, die Judikative, auch die Exekutive wird in der Regel von den Regierenden zu ihren Gunsten gebeugt. Demokratie, also was Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene betrifft, findet, wenn überhaupt nur auf dem Papier statt.

Wir sind der Meinung, das Volk soll und muss selbst entscheiden, besonders wie es im eigenen Land weitergeht. Auch über Themen wie Zuwanderung, Asylrechtsänderungen hat das Volk mitzuentscheiden. Nur dann wäre Demokratie glaubhaft.

So will die grüne Partei den Bürgern zwar Plebiszite bei der Beteiligung an politischen Prozessen, wie zum Beispiel bei der Änderung der Landesverfassung - die Hürden dazu sind aber sehr hoch - oder bei Kommunalordnungen zugestehen, aber keinesfalls wollen sie Initiativen zu Grund- und Menschenrechten, Außenpolitik und Steuergesetzen zum Gegenstand von Volksentscheiden erheben.

Die Angst vor dem Volk ist eben allgegenwärtig. Undemokratischer geht es nicht mehr. Aber solche Erscheinungen kennen die mitteldeutschen Bürger noch aus den vergangenen Jahren. Auch dort hat die Staatsgewalt jegliche Demokratie unterdrückt, wenn es sein musste, sogar mit Gewalt.

Auch in dieser damaligen Republik gab es keine demokratischen Volksentscheide, weil sie nicht erwünscht waren. Das Volk hatte gefälligst die Klappe zu halten. Parallelen zu heute sind also nicht zufällig.

Heute, im Jahr 2000 will das deutsche Volk selber entscheiden, wie es im eigenen Land weitergeht. Die wahren Interessen vertreten die Regierenden jedenfalls nicht. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Wir sind für eine Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Recht und Verfassung.

(Zustimmung bei der DVU-FL)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte abgeschlossen und wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Sie haben gehört, dass zunächst beantragt wird, diesen Antrag in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu

überweisen. Wer der Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei vier Enthaltungen ist die Ausschussüber- weisung mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir stimmen dann über den Antrag selbst ab. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das ist eindeutig die Mehrheit. Enthaltungen? - Bei gleichem Abstimmungsergebnis ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 22 abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung

Koordinierung der Förderung durch Bund und Länder

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3859

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/4020

Der Antrag der Fraktion der PDS wird von dem Abgeordneten Herrn Professor Trepte eingebracht. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung beabsichtigt, zu Beginn des Jahres 2001 die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Deutsche Ausgleichsbank zusammenzuführen. Es handelt sich um die Fusion der beiden Förderinstitutionen des Bundes, in deren Verantwortung Wirtschafts-, Infrastruktur-, Technologie-, Umwelt-, und Wohnungsbauförderung umgesetzt werden.

Durch das bisher getrennte und nicht immer koordinierte Agieren beider öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute sowie durch ihr ähnliches Aufgabenprofil kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Überschneidungen von Programminhalten. Der Beschluss über die Fusion beider Kreditinstitute wird durch die PDS begrüßt, falls dadurch tatsächlich ein Beitrag zur Erhöhung der Effizienz und Transparenz der Bundesförderung geleistet wird.

Es ist klar, meine Damen und Herren, dass es im Interesse der Bundesländer und insbesondere auch der neuen Bundesländer liegen muss, dass nicht nur die Transparenz der Förderstrukturen auf Bundesebene erhöht wird; vielmehr soll mit diesem Vorgang auch eine bessere Harmonisierung der Förderung des Bundes mit der der Länder erfolgen. Darauf zielt dieser Antrag ab.

Mit der Fusion ergibt sich die Möglichkeit, die Länderinteressen bei der Schaffung einer einheitlichen Förderkulisse auf Bundes- und Landesebene zur Geltung zu bringen. Es liegt auch im Interesse unseres Bundeslandes, dass dabei bundes- und landesbezogene Förderprogramme besser miteinander abgeglichen werden und die Struktur der Förderung besser abgestimmt wird. Dabei geht es unter anderem um den Abgleich der Existenzgründerförderung, um den Abgleich der Technologieförderung, um die Unterstützung der Produktion immaterieller Güter sowie insbesondere um die Beschäftigungsförderung zwischen Bund und Ländern.

Meine Damen und Herren! Mit Blick auf EFRE III, also auf die EU-Förderung ab dem Jahr 2001, und auf die Landesinitiativen Sachsen-Anhalts soll dieser Harmonisierungsprozess aus unserer Sicht auch genutzt werden, um Bundes- und insbesondere Landesförderungen konsequent auf die Bedürfnisse der Regionen auszurichten. Wenn es dem Land Sachsen-Anhalt in diesem Prozess

nicht gelingt, eine ressortübergreifende, dem komplexen Charakter der Projekte in den Regionen entsprechende Organisation der Landesförderung auf den Weg zu bringen, dann sind wir der neuen Dimension, dem neuen Anspruch an die Förderung durch die EU und durch den Bund im Land nicht gerecht geworden.

Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat einen Änderungsantrag eingebracht, von dem ich ausnahmsweise sagen will: prima. Wir stimmen dem Änderungsantrag zu. Ich habe einfach vergessen, den Punkt 2 aufzuführen, den wir natürlich auch befürworten. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Schaefer, SPD)

Vielen Dank, Herr Trepte. - Im Ältestenrat ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Vorher hat jedoch der Minister der Finanzen Herr Gerhards um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Professor Trepte, ich weiß nicht genau, worauf Ihr Antrag abzielt. Aus dem ursprünglichen Text und aus dem des Änderungsantrages der CDU wird nicht richtig deutlich, welche Zielrichtung gemeint ist; es gibt nämlich zwei Ansatzpunkte:

Der eine ist die Koordinierung der Förderung innerhalb der Landesregierung oder innerhalb des Landes gegenüber dem Bund und Europa.

Der zweite ist die Frage einer grundsätzlichen Neubewertung und einer Umstrukturierung der Förderlandschaft insgesamt; es handelt sich hierbei also um eine Geschichte, die nicht so sehr die interne Koordinierung betrifft, als vielmehr die Frage, wie wir die Interessen des Landes gegenüber dem Bund und Europa in der Weise am besten vertreten können, dass wir möglicherweise zu anderen Fördermechanismen kommen.

Ich wollte mich heute eigentlich auf den zweiten Teil konzentrieren, den ich genannt habe, weil die Frage, wie wir das innerhalb der Landesregierung miteinander verzahnen, nicht so spannend ist. Es ist zwar wichtig, aber es ist an sich nicht Gegenstand der Debatte. Dazu könnte ich Ihnen jetzt sagen, dass wir das alles machen und dass wir das abgleichen. Das ist aber nicht das eigentliche Thema.

Viel wichtiger finde ich es, den zweiten Punkt zu beleuchten. Dazu will ich ein bisschen ausholen und das erklären, was wir in den nächsten Jahren vor uns haben. Ich rede diesbezüglich im Moment von drei Körben, um die es geht.

Der erste Korb, der für die ostdeutschen Länder besonders interessant ist, enthält die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs und die Verabschiedung des neuen Maßstäbegesetzes, insgesamt also die Abarbeitung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Ausgleich der Bund-Länder-Finanzbeziehungen.

Dieser Korb ist weitgehend durchverhandelt. Ich gehe davon aus, dass wir im Frühjahr in Zusammenarbeit der Länder - ob alle 16 Länder dabei sein werden, weiß ich nicht - mit dem Bund das neue Modell stehen haben werden, das einem Maßstäbegesetz zugrunde gelegt werden kann, sodass es dann sehr schnell ein Maß

stäbegesetz und anschließend eine Justierung des neu gestalteten Länderfinanzausgleichs einschließlich der Bundesergänzungszuweisungen, einschließlich der Verteilung der Umsatzsteuer - wenn sie geändert werden sollte - und insbesondere einschließlich der Sonderbedarfsergänzungszuweisungen insbesondere für die ostdeutschen Länder geben wird; das allein sind rund 14 Milliarden DM in diesem Paket.

Mit diesem ersten Korb sind wir weitgehend fertig. Das hat vor allen Dingen den Vorteil, dass wir auf Dauer - mindestens für die nächsten zehn Jahre - gesichert haben, dass insbesondere die spezifisch auf Ostdeutschland ausgerichteten Hilfen, die pauschalen Zuweisungen bei den Sonderbedarfsergänzungszuweisungen komplett mit abgebildet und in trockenen Tüchern sind; darüber müssen wir uns dann nicht mehr streiten.

In dem zweiten Korb geht es um das, was zum Solidarpakt II darüber hinaus noch zu verhandeln ist. Das sind im Wesentlichen pauschale Leistungen nach dem Investitionsfördergesetz. Wir gehen davon aus, dass wir in dieser Hinsicht eine Anschlussregelung für weitere zehn Jahre bekommen. Dazu gehören auch Regelungen wie die zur Investitionszulage, die zwar schon abgespeckt ist, die es aber noch gibt.