Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

Da beginnt die von Ihnen zitierte Existenzgründeroffensive, die in der Tat ein Gemeinschaftsprodukt des Wirtschaftsministeriums, des Arbeitsministeriums und des Kultusministeriums ist, in den Schulen mit Aufklärung. Dabei versuchen wir auch, über die Information von Lehrerinnen und Lehrern diese Bereitschaft zu stärken.

Aber die Aufforderung geht auch an die Hochschulen. Technologiezentren und Beratungszentren sollen Empfehlungen geben, Förderprogramme erschließen, bei Existenzgründungen beraten, eine Patentberatung anbieten und Unterstützung bei Messeaktivitäten gewähren.

Wir haben auch besondere Formen der Unterstützung im Land, an die ich an dieser Stelle erinnern möchte, die beispielhafte Entwicklungen provozieren, nämlich die Technologie- und Gründerzentren oder die Innovations- und Gründerzentren, bei denen in Verbindung von Wirtschaft und Wissenschaft diese Ansiedlungen gelingen.

Das Beispiel des IGZ in Magdeburg zeigt, dass unter 80 Mietern im Haus 18 technologieorientierte Unternehmen sind, sechs zusätzlich in der Telematik wirksam werden und acht Multimedia-Unternehmen sich dort ansiedeln. Gleiches finden wir im Umfeld der Biotechnologie in Halle, wo bereits das zweite Zentrum dieser Art inzwischen überbucht ist und man darüber nachdenkt, ob weitere solcher Zentren im Umfeld der Wissenschaftseinrichtungen gebildet werden können.

Das heißt, wir werden bei diesem Konzept auch Fragen der regionalen Schwerpunktbildung diskutieren müssen. Es geht nicht darum, mit der Gießkanne davon auszugehen, dass wir überall solche Ausgründungen haben, sondern gerade die räumliche Nähe zwischen Wissenschaftseinrichtungen einerseits und den Ansiedlungsmöglichkeiten andererseits gibt die Möglichkeit, Cluster zu bilden, Zentren, in denen die kritische Masse überschritten wird und die Ansiedlungsoption auch dadurch begründet wird, dass hier Kompetenzen auf der wissenschaftlichen Ebene vorhanden sind.

Sie haben in Ihrer Rede ein weiteres Thema angesprochen, bei dem ich einen engen Zusammenhang sehe, wenngleich das im Antrag selbst nicht ausgeführt wird, nämlich die Frage: Wie sieht die Qualifizierungsstruktur aus und mit welcher Fachkräftestruktur können wir künftig rechnen?

Sie haben die Abwanderung aus dem Osten Deutschlands aufgrund der wirtschaftlichen Situation und sicherlich auch der Einkommenssituation thematisiert. Das Stichwort Nachwuchsfalle ist zitiert worden. Ich glaube, dass wir sogar noch stärker Anlass zur Sorge haben, wenn wir uns die demografische Entwicklung vor Augen halten und überlegen, was in fünf bis acht Jahren auf unsere Betriebe und auch auf die Wissenschaftseinrichtungen zukommt.

Deshalb: Zustimmung. Der Antrag gibt Gelegenheit, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, Erfahrungen anderer auszuwerten, gemeinsam nach vorn zu denken und die sehr gute Zusammenarbeit - das will ich an dieser Stelle betonen - insbesondere zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Wissenschaftsministerium sowie den Wissenschaftseinrichtungen weiter zu stärken. Denn in dieser Zusammenarbeit liegt, glaube ich, ein starkes Zukunftspotenzial.

Deshalb Zustimmung der Landesregierung zu diesem Antrag. Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung und vor allen Dingen auch - das wäre dann eine Anregung von meiner Seite - auf eine gemeinsame Beratung der beiden beteiligten Ausschüsse, um diese verschiedenen Perspektiven gemeinsam einzubringen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Sitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag trägt trotz allem - das muss man schon einmal sagen - ein bisschen den Charakter einer Kleinen Anfrage. Es bleibt nämlich auch offen, wohin die CDU eigentlich will. Vieles ist aber durchaus bei der Einbringung deutlich gemacht worden.

Mit dem Bericht über die Lage der mittelständischen Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt vom 29. September 2000 gibt es durchaus ein umfangreiches Material an Fakten, Daten und Schlussfolgerungen über Existenzgründungen und Unternehmen, aber eben nicht spezifisch über Existenzgründungen an und aus Hochschulen. Insofern ist es wichtig, das Thema aufzugreifen.

Dennoch bin ich der Meinung, dass der Antrag in dieser Form zu kurz greift, weil er folgende Komplexe eigentlich nicht hinterfragt. In einem ersten Komplex wurde im Einzelnen Folgendes nicht hinterfragt:

Erstens. Es fehlen die inhaltlichen Gebiete der Existenzgründungen, also Schwerpunkttechnologien, neue Trends sowie durch die Landesregierung gewollte und deshalb besonders geförderte Existenzgründungen, vielleicht auch aus der IuK-Branche.

Zweitens fehlen Erfolge oder Einbrüche von Neugründungen sowie die Ursachen dafür.

Drittens werden die Voraussetzungen für Existenzgründungen im strukturellen sowie im persönlichen Bereich nicht hinterfragt. Gemeint sind notwendige Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die Wirtschaftslage.

Viertens werden auch die finanziellen Rahmenbedingungen nicht hinterfragt.

Fünftens werden Partnerschaften für junge Existenzgründerinnen und -gründer nicht berücksichtigt. Gemeint sind solche Dinge, die vorhin angesprochen worden sind, wie Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft.

Sechstens werden neue Wege der Förderung, wie sie beispielsweise in anderen Ländern vollzogen werden, nicht hinterfragt.

In einem zweiten Komplex wird im Zusammenhang mit Existenzgründungen nicht nach einem Weg gefragt, um junge Absolventen und Absolventinnen sowie Fachkräfte in Sachsen-Anhalt zu halten und den Trend der Abwanderung aus dem Osten aufzuhalten bzw. umzukehren.

Der dritte fehlende Komplex bezieht sich auf die Aufgaben und den Einfluss der Hochschulen in diesem Prozess, auf die Vorbereitung der Studierenden und anderes mehr. Das ist erst hier angesprochen worden.

Mich haben die Entwicklungen der jüngsten Zeit, aber speziell folgende Informationen zu der Erkenntnis gebracht, dass es wohl wichtig und richtig ist, wenn wir uns im Landtag intensiver mit dieser Frage befassen.

Erstens waren es aktuelle Meldungen im „Neuen Deutschland“ vom 24. Januar 2001, denen folgende Schlagworte zu entnehmen waren: Junge Unternehmen in Nöten, Existenzgründerzahlen und die Höhe der Investitionen vor allem im Osten rückläufig, negative

Auswirkungen im IuK-Bereich, positive Entwicklung im Bereich der Biotechnologie.

Zweitens war es die Anhörung, die wir am 29. November 2000 im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten gemeinsam mit den Ausschüssen für Bildung und Wissenschaft, für Arbeit, Gesundheit und Soziales, für Kultur und Medien sowie gemeinsam mit der Enquetekommission zu den Themen Greencard und Entwicklungsperspektiven der Informationsgesellschaft und Multimediawirtschaft in SachsenAnhalt durchgeführt haben. Dabei wurden unter anderem folgende zwei Probleme angesprochen, die mit dem vorliegenden Antrag offensichtlich aufgegriffen werden sollen. Ich greife sie einmal schlagwortartig aus dem Protokoll über die Anhörung auf:

Die Abwanderung aus der Region sei massiv und Besorgnis erregend. Um junge Menschen im Land zu halten, müssten Förderprogramme an den Hochschulen relativ eng an Existenzgründungsprogramme angebunden werden. Das führte damals Professor Brehmer von der Martin-Luther-Universität aus.

Oder es wurde die Frage gestellt: Was muss geschehen, wenn jemand von der Hochschule kommt und eine gute Idee hat? Es wurde festgestellt: Das Allerwichtigste ist, dass der Existenzgründer die Sicherheit erhält, innerhalb kürzester Zeit seine Gründungsidee umsetzen zu können. Der Weg bis zu diesem Punkt ist zurzeit - das ist dargestellt worden - noch sehr schwierig, zumal die jungen Leute kaum Sicherheiten haben. Infolgedessen sind die Barrikaden und Hürden für junge Absolventen sehr hoch.

Eine der Schlussfolgerungen in der oben genannten Anhörung war, dass die Beratung über Existenzgründungen näher an den Hochschulen angesiedelt werden sollte. Gestern war auch über ein entsprechendes Verfahren in Magdeburg zu lesen.

Diesem Hinweis sollten wir nachgehen. Wir sollten ihn konsequent aufgreifen und uns dann, wenn es zu dieser Berichterstattung gekommen ist, durchaus auch damit beschäftigen, welche weiteren konkreten Schritte eingeleitet und/oder konzipiert werden können, um diesen Prozess zu forcieren. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Die DVU-FL hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Ernst.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen: Dem vorliegenden Antrag werden wir zustimmen.

Es ist immer interessant und notwendig zu wissen, was mit welchen Mitteln geschaffen wird. Ich nutze allerdings meinen Redebeitrag auch, um auf andere wichtige Einflussfaktoren in dem Prozess der Existenzgründungen an und aus Hochschuleinrichtungen aufmerksam zu machen; denn in diesem Prozess sind nicht nur Fördermittel und Förderprogramme wichtig, vielleicht sind sie nicht einmal der wichtigste Faktor. Ich möchte das einmal am Beispiel Magdeburg verdeutlichen.

Die Existenzgründungen aus den Hochschulen - ich glaube, im Moment können wir die Existenzgründungen an den Hochschulen zahlenmäßig vernachlässigen - münden meist in entsprechende Gründerzentren. In

Magdeburg gibt es zurzeit fünf Gründerzentren, ein sechstes ist geplant. Neben beratender Tätigkeit sind hier die Vorteile der Synergieeffekte und der Raumbereitstellung nutzbar.

Hiermit kommen wir jetzt allerdings zu einem kritischen Punkt. Geht man davon aus, dass die Gründerzentren Zwischenstufen sind bzw. Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, so sollte man sich darüber Gedanken machen, den nächsten Schritt zu vereinfachen; denn ein immer wiederkehrendes Problem ist bei Ausgründungen aus den Gründerzentren die Raum- bzw. Gebäudebeschaffung. Viele Firmen haben Schwierigkeiten, neben den Mitteln für das technische Knowhow auch die Mittel für das Gebäude bzw. die Räume aufzubringen. An dieser Stelle ist nicht das Land gefragt, sondern die Kommunen.

Einen wichtigen Schritt, um Existenzgründungen aus den Hochschulen zu erleichtern, geht Magdeburg mit der Schaffung der experimentellen Fabrik auf dem UniGelände. Das ist ein nachahmenswertes Beispiel; denn diese dient sozusagen als Vorstufe zu den Gründerzentren, indem sie noch die technischen Möglichkeiten der Universität nutzbar macht.

Insgesamt kann ich nach meinen Gesprächen einschätzen, dass Menge und Themenbreite von Gründerzentren zumindest im Raum Magdeburg ausreichen.

Ich komme zu den Fördermitteln. Diese sind sicherlich sehr wichtig, primär sind jedoch aus meiner Sicht die Idee, die Motivation und die richtigen Leute dazu. Hierbei hat nun wieder die Hochschule die wichtigsten Karten in der Hand. Es scheint so zu sein, meine Damen und Herren, dass die Bereiche der Hochschule, in denen sehr viele Drittmittel eingeworben werden, auch die motivierteren Existenzgründer hervorbringen.

Man sollte sich auf Landesebene überlegen, ob man die Fördermittelvergabe im Hinblick auf die gewünschte technologische Richtung nicht gezielter steuern sollte. Ich bin der Meinung, dass bei der Fördermittelvergabe revolvierende Fonds in größerem Umfang bzw. überhaupt zur Anwendung kommen sollten.

Zum Abschluss nenne ich die Kriterien, die aus meiner Sicht im Hinblick auf eine erfolgreiche Existenzgründung aus den Hochschulen notwendig sind, und versuche, diese in eine Rangfolge zu bringen.

Erstens ist es die Idee, die in die richtige technologische Richtung passen muss.

Zweitens sind es die Motivation zur Selbständigkeit und dazu die Leute mit den entsprechenden Fähigkeiten.

Drittens sind es die Höhe der Fördermittel sowie Kooperationen zwischen Hochschule, Gründerzentren, Land und Kommune.

Ich denke, dass wir uns in den beiden genannten Ausschüssen über die von mir aufgeworfenen Themen unterhalten sollten. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Frau Helmecke hat jetzt für die FDVP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In unserem Land schlugen die Wogen hoch, als Bundeskanzler Schröder die Greencard für Spezialisten aus dem Aus

land vorschlug, um vorhandene und zunehmende Rückstände in innovativen Bereichen auszugleichen.

Bei aller Unterschiedlichkeit der vorgetragenen Argumente wurde deutlich, dass die Greencard keine Lösung auf Dauer sein kann, sondern dass es nachhaltiger Bemühungen bedarf, hier im Lande das wissenschaftliche und ingenieurtechnische Potenzial zu nutzen. Hier scheinen mir die größten Reserven zu liegen, auch weil ausgefahrene Wege nicht verlassen werden und so manche besoldete Stelle zum sanften Ruhekissen wird. Notwendige kreative Unruhe breitet sich dann kaum aus.