Ist es denn wirklich so, dass wir alle Fehler, die im Westen in der Bildungspolitik begangen worden sind, nachmachen müssen, weil man uns sonst im Westen die Freundschaft kündigt? Oder ist es nicht auch möglich, wenigstens einen Teil des sich aus dem Schülerrückgang ergebenden Überhangs zu nutzen, um Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern für die Verbesserung der Unterrichtsversorgung und für die Erweiterung pädagogischer Arbeit zur Verfügung zu stellen?
Dazu kommt, dass mit der Umsetzung der mittelfristigen Schulentwicklungsplanung ein effektiverer Lehrerinneneinsatz möglich wird; wir haben hier schon darüber gesprochen. Auch das sollte für eine Stabilisierung der Personaldecke besonders an den Sekundarschulen genutzt werden.
In Sachsen-Anhalt wurde vor vier Jahren mit dem Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag auf Solidarität gesetzt. Wir halten das für richtig. Allerdings müssen wir feststellen: Solidarität scheint in diesem Lande zurzeit nicht unbedingt modern zu sein. Dennoch stehen wir dafür, diesen Weg fortzusetzen, der übrigens außerhalb SachsenAnhalts positiver bewertet wird als im Lande selbst.
Gerade aber darum ist es wichtig, dass Lehrerinnen und Lehrer der weiterführenden Schulformen sicher sein können, dass nicht nur sie solidarisch waren, sondern dass diese Solidarität auch in Bezug auf sie selbst eine Fortsetzung findet.
Außerdem muss endlich - wie übrigens im gesamten öffentlichen Dienst - ein klarer Stufenplan für die Angleichung der Einkommen an die im Westen auf den Tisch. Der öffentliche Dienst kann an dieser Stelle vielleicht für die gesamte Gesellschaft ein Zeichen setzen.
Da wir natürlich wissen, dass angesichts der lausigen Haushaltsbedingungen die Spielräume für Lösungen in den nächsten Jahren ausgesprochen eng gesteckt sind, fühlen wir uns verantwortlich dafür, mit nach solchen Lösungen zu suchen. Darum bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Bevor wir mit der Debatte beginnen, begrüße ich herzlich Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen VIII in Magdeburg. Herzlich willkommen!
Ich möchte Ihnen sagen, dass es nicht typisch für unser Haus ist, dass der Saal so leer ist; vielmehr ist das dem Druck geschuldet, der um die Mittagszeit bei manchem entstehen mag.
Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge: CDU, SPD, FDVP, DVU-FL, PDS. Als Erstem erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Hein, die Auswirkungen des
drastischen Geburtenrückgangs haben wir gerade als eines der zentralen Probleme aller Ressorts, insbesondere auch meines Ressorts, diskutiert. Dieses reicht von der Schulentwicklungsplanung bis zur Hochschullandschaft, von der mittelfristigen Entwicklung unserer Profilschulen im musischen und sportlichen Bereich bis hin zu der Frage, wie wir die Berufsbildung zukünftig strukturieren.
Deswegen ist es auch wichtig, wie die PDS es formuliert, mittel- und langfristig für einen quantitativ und qualitativ ausreichenden Lehrkräftebestand zu sorgen; denn diese Fragen stehen in einem Zusammenhang.
Lassen Sie mich noch einige Zahlen nennen, um Ihnen die Entwicklung noch einmal vor Augen zu führen. Im Schuljahr 1994/95 hatten wir im Land 392 000 Schülerinnen und Schüler. Aktuell sind es 305 000. Wir werden im Schuljahr 2008/09 noch etwa 202 000 Schülerinnen und Schüler haben.
Wir reden also über die Frage: Wie bewältigen wir die Folgen der faktischen Halbierung der Jahrgänge der Sechs- bis 18-Jährigen in unserem Land? Das ist eine Frage, die sich auf allen Ebenen stellt.
Diese objektiven und wirklich nur in Grenzen veränderbaren Rahmenbedingungen, unter denen wir künftig arbeiten werden, haben natürlich gravierende Auswirkungen auf die Frage der Lehrerbeschäftigung.
Wenn ich mich umschaue, dann stelle ich fest: Thüringen reagiert darauf mit dem System „swing and floating“ und Brandenburg mit einem Modell, das eine Zweidrittelbeschäftigung und Teilzeitverbeamtung vorsieht. Die schulformbezogenen Absenkungen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erreichen inzwischen das Ende der Grundschulzeit. Bei den Auseinandersetzungen geht es jetzt darum, wie es an den weiterführen- den Schulen weitergeht. Wir haben mit dem Tarifvertrag bis 2003 und den sich jetzt anschließenden Verhandlungen ebenfalls eine große Zahl von Problemen und einen Diskussionsbedarf.
Die Effekte, die im Osten überall angestrebt wurden, nämlich die solidarische Verteilung von Beschäftigung auf die Lehrerinnen und Lehrer, um bedarfsbedingte Kündigungen zu vermeiden, können positiv eingeschätzt werden, was die soziale Seite und was die Beschäftigungsseite angeht. In diesem Bereich haben wir etwas erreicht.
Die negativen Effekte, die sich beispielsweise durch Einkommensverluste beschreiben lassen, die aufgrund des West-Ost-Gefälles noch verschärft werden - Frau Dr. Hein, Sie hatten darauf hingewiesen -, die sich aber auch durch Motivationsverluste und das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, beschreiben lassen, schlagen sich auch auf die pädagogische Seite nieder; denn teilweise wird das Engagement, das wir von Lehrerinnen und Lehrern erwarten müssen, durch diese Effekte gebremst.
Seit einigen Wochen haben wir eine scheinbar neue Debatte, die durch die Abwerbung aus dem Westen bzw. durch Abwerbungsversuche aus dem Westen angeheizt wird. Was ist passiert? Sie haben es beschrieben: Bedingt durch steigende Schülerzahlen auf der einen Seite und über viele Jahre hinweg sehr geringe Einstellungskorridore auf der anderen Seite, die der notwendigen Konsolidierung der Landeshaushalte geschuldet waren, entstehen plötzlich im Westen erhebliche Einstellungsbedarfe, und zwar Länder übergreifend. Dies führt zu einer verstärkten bundesweiten Wer
Ich will nur ganz kurz sagen, die Kollegin Wolff aus Hessen hat mit den anderen Ländern nicht deswegen einen so heftigen Krach - übrigens Länder übergreifend; Frau Schavan und Herr Rößler haben sie bekniet und versucht, sie von ihrer Position abzubringen, ebenso wie wir von der A-Länder-Seite -, weil sie sagt, sie will die Freizügigkeit der Lehrer in der Bundesrepublik - das wollen alle -, sondern weil sie sagt, sie wirbt auch mitten im Schuljahr ab.
Ich will in aller Form sagen: Eine Schule kann ich nur organisieren, wenn ich verlässlich das Schuljahr organisieren kann. Wenn mir mitten im Schuljahr, im Februar oder März, die Lehrer von der Stange gehen, dann geht das nicht. Deshalb ist die Verständigung zwischen den Ländern richtig, mitten im Schuljahr einzustellen, wenn Lehrer arbeitslos sind, aus dem Referendariat oder aus dem Anwärterstatus kommen. Aber sie ist falsch und schädlich, wenn man Lehrkräfte aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis abwirbt; nur darum geht es.
Dass wir dann zum Schuljahresende Probleme haben werden und andere Länder auch, weiß ich allerdings auch. Das heißt, wir haben diametrale Entwicklungen in Ost und West. Wir konkurrieren unter Ost-Tarifbedingungen und Teilzeitarbeit mit Ländern, die eine 100-prozentige Verbeamtung sofort anbieten.
Heißt das also, dass wir chancenlos einer Massenflucht entgegensehen, dass wir keine Möglichkeit mehr haben, junge Absolventinnen und Absolventen einzustellen? Ich glaube das nicht.
Ich möchte das mit zwei Stichworten untermauern. Das eine Stichwort ist Identität und das andere ist Perspektive. Die Lehrerinnen und Lehrer im Land sind regional eingebunden. Es sind junge Menschen aus Magdeburg, aus Halle, aus Dessau, aus Stendal und aus Naumburg. Das heißt, sie verstehen sich auch als Menschen aus der Region und sie wollen teilweise auch hier arbeiten. Ich habe das vielfach in meinen Bürgersprechstunden erlebt. Es gibt nach wie vor eine große Anzahl von jungen Lehrerinnen und Lehrern, die im Land arbeiten wollen.
Diese Identität darf allerdings nicht überstrapaziert werden; das will ich auch sagen. Aber wenn ich zu Beginn dieses Schuljahres 250 Stellen ausschreiben und auch besetzen kann und 800 Bewerbungen bekomme, dann ist die Lage zumindest nicht dramatisch, sondern wir können im Moment noch Lehrerinnen und Lehrer, die wir brauchen, einstellen.
Das zweite Stichwort, das ebenso notwendig ist - gerade weil man die Identitätsfrage nicht überstrapazieren darf -, ist die Frage der Perspektive. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir Gelegenheit bekommen, diese notwendige politische Debatte auch im Landtag zu führen, weil ich glaube, dass die Frage, wann diese Unterschiede aufgehoben sein werden und wohin die Perspektive geht, eine außerordentlich wichtige ist, nicht nur für den Lehrerbereich und schon gar nicht ausschließlich für den öffentlichen Dienst, sondern auch allgemein im Land.
Deshalb müssen wir die möglichen Lösungsansätze prüfen. Wir müssen deutlich formulieren, was wir von Lehrerinnen und Lehrern an Leistung verlangen, aber wir müssen auch sagen, was wir dafür zu zahlen bereit sind. Ich finde es richtig, dass wir diese Debatte führen.
Lassen Sie mich zu dem Stichwort Hessen allerdings noch sagen, Frau Dr. Hein: Das ist kein Ost-WestUnterschied, sondern das ist eine Bestandsregelung - meiner Erinnerung nach aus dem Jahre 1972 -, nämlich eine Fußnote zur Bundesbesoldungsordnung, laut der Hessen und Berlin gestattet wurde, bestehende bessere Regelungen in der Bundesbesoldungsordnung fortzusetzen.
Man kann natürlich darüber nachdenken, ob man über den Bundesrat diese Regelung streicht, wenn sie so sehr als Wettbewerbsvorteil ausgenutzt wird; aber im Kern ist es kein Ost-West-Problem. Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben als Nachbarländer dieselben Probleme mit der hessischen Initiative.
Deshalb signalisiere ich seitens der Landesregierung Zustimmung zu dem Antrag der PDS-Fraktion, jedoch mit einer Ausnahme, die der Änderungsantrag der SPDFraktion thematisiert. Die in Ihrem Antrag - ich glaube in Punkt 2; ich habe den Antrag leider auf meinem Platz liegen lassen - zum Ausdruck kommende notwendige Verbesserung der Unterrichtsversorgung, die Sie so stiekum in dem Antrag platziert haben, ist eine Frage, die, weil sie erhebliche Kostenfolgen hat, nicht nebenbei aufgrund eines solchen Antrages mit beschlossen werden sollte.
Vielmehr sollte man sagen, wir haben die Aufgabe, eine fachgerechte Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Was das ist, darüber kann man trefflich politisch streiten. Wir sollten aber nicht am Beispiel eines solchen Antrags in einem Land, das eine sehr gute SchülerLehrer-Relation hat, nebenbei solche Kostenfolgen mit beschließen. Ansonsten glaube ich, dass es sinnvoll ist, über dieses Thema im Ausschuss zu debattieren.
Gestatten Sie mir eine letzte Anmerkung, die mir wichtig ist. Wir führen parallel Tarifverhandlungen zwischen der Landesregierung und den Gewerkschaften. Ich bin an dieser Stelle ein großer Freund der Gewaltenteilung und möchte darauf aufmerksam machen, dass sich die Landesregierung nicht daran beteiligen wird, die Tarifverhandlungen auf diesem Wege nebenbei im Parlament zu führen. Das müssen wir machen und das müssen wir auch verantworten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Ich fange damit an, dass ich sage, ich bin offensichtlich der Dritte in diesem Bunde, der dem Antrag namens seiner Fraktion zustimmen wird - nach dem Herrn Minister für die Landesregierung.
Wir werden aber erleben - das ist das Spannende an der Diskussion, die sich abzeichnet -, dass auch ich - wie Sie, Frau Dr. Hein, und wie der Minister- die Punkte - das werden Sie merken -, die in diese Diskussion hineingehören, aufgreifen werde. Sie werden jetzt durch mich wahrscheinlich die dritte Interpretation dazu hören, wie man das werten kann.
Gäbe es auch in der Politik eine Institution wie etwa die Gema, die sich mit Urheberrechten befasst, könnte die
Die Bemühungen um eine grundsätzliche Lösung des Problems des Lehrereinsatzes reichen in der CDU bis in unsere Regierungszeit zurück. Seit wir in der Opposition sind, fordern wir die Landesregierung auf, für Lehrerinnen und Lehrer ein Personalentwicklungskonzept zu erstellen und von der Praxis der Augenblickslösung in dieser Frage abzukommen.
Wir wissen, dass dies schwierig ist und sicher auch mit schmerzlichen Entscheidungen verbunden wäre. Stattdessen haben Sie in der Regierungsfraktion sich von Jahr zu Jahr und von Einzelentscheidung zu Einzelentscheidung durchgehangelt. Ihre politischen Freunde von links außen haben dabei mitgemacht - toleriert, wie Sie das nannten und nennen - und haben sich dies mit manchem Zugeständnis für Klientelinteressen bezahlen lassen. Stichworte sind zum Beispiel Staatsbürgerkundelehrer und Pionierleiter.
Der Antrag der PDS lässt erkennen, dass ihr inzwischen aber dämmert, wohin die bisherige Personalpolitik geführt hat.
In der kurzen Redezeit kann ich nur stichpunktartig andeuten, wo die CDU-Fraktion notwendige Ansatzpunkte sieht. Auf den ersten Blick ist festzustellen, dass wir insgesamt zu viele Lehrer im Verhältnis zur dramatisch gesunkenen Schülerzahl haben; das hat der Minister auch angedeutet. Andererseits haben wir trotzdem eine kontinuierlich schlechte Unterrichtsversorgung. Wir haben reichlich 8 % Unterrichtsausfall in den Sekundarschulen. Rechnete man hierzu noch den fachfremd erteilten Unterricht hinzu, sähe es noch schlechter aus.
Die Schlussfolgerung ist, dass wir rein zahlenmäßig wohl eher zu viele Lehrer haben, aber nicht immer in der erforderlichen Fachkombination, nicht immer in der erforderlichen Schulform und wohl hier und da auch nicht am richtigen Ort.