Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

Inwieweit sich dieses aber mit der Forschungsfreiheit, der Autonomie der Hochschulen, den Hochschulzulassungsbestimmungen und den Hochschulabschlüssen vereinbaren lässt, wird ein schwieriger Prozess. Zum Teil hatten wir diese Diskussion auch im Landtag. Ich denke dabei an das Thema Berufsakademie und behördeninterne Fachhochschule.

Nebenbei bemerkt: Manchmal kommt mir in den Sinn, dass die Fachschulen, die wir nach westlichem Vorbild

so schnell nach der Wende abschafften, eigentlich nicht so schlecht waren, wenn man an die enge Verzahnung von Wirtschaft und Bildung in dieser Schulform denkt. Meiner Meinung nach ist die Lücke zwischen der tertiären und der Berufsausbildung einfach zu groß.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Zum Antrag: Wir stimmen ihm zu. Ich bitte allerdings darum, dass der Einbringer klärt, ob unter Punkt 1 zweiter Anstrich mit der dualen Ausbildung die duale Hochschulausbildung gemeint ist. Aus meiner Sicht ergäbe nur das einen Sinn. Das würde das Verfahren im Bildungsausschuss auch vereinfachen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Professor Spotka, Sie haben noch einmal für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben es gesagt: In Sachsen-Anhalt gibt es durchaus hoffnungsvolle Ansätze für das vorgetragene Anliegen - aber ich meine, in noch viel zu geringem Umfang. Dies gilt auch für die Fachhochschulen.

Nun bin ich nicht ungeduldig. Niemand darf glauben, dass wir ohne Rücksicht auf die Autonomie der Hochschulen die Weiche herumwerfen können und der Bildungszug fährt in die andere Richtung. Die Umstellung unserer Bildung und Ausbildung auf eine andere Lernkultur und auf neue Herausforderungen ist ein langwieriger, wenn Sie so wollen Kulturwandlungsprozess, in dem wir nur Anstöße für notwendige Veränderungen in einem letztlich grundsätzlich offenen Prozess geben können.

Wir können schon einmal die ersten Gleise legen, um Stück für Stück voranzukommen. Dazu müssen wir uns zuerst der sich abzeichnenden Veränderungen in Bildung und Ausbildung, aber auch auf dem Rekrutierungsmarkt bewusst werden, um frühzeitig oder rechtzeitig reagieren zu können.

Herr Minister, es geht nicht darum, unsere Absolventen an den Anforderungen der heimischen Wirtschaft allein auszurichten und nicht mit der internationalen Wirtschaft vertraut zu machen, aber es geht darum, die Verbundenheit unserer Absolventen mit der heimischen Wirtschaft bereits während des Studiums zu fördern.

Sie wissen, dass beispielsweise Siemens angesichts der künftig zu erwartenden Nachwuchsfalle bereits ein Drittel aller Elektronik- und Elektrostudenten gewissermaßen auf Halde anwirbt und einstellt. Das werden in Zukunft mindestens 50 % der deutschen Absolventen sein. Viele Unternehmen werben bereits während der Praktikantenbörse mit Kopfprämien Studenten an. Man spricht mittlerweile vom „war of talents“, dem Krieg um die Talente.

Das heißt, wir geraten mit unseren relativ kleinen Unternehmen schließlich in eine Nachwuchsfalle. Die Frage ist: Wenn unsere Unternehmen endlich aufwachen, in welcher Weise können sie dann noch mit den entsprechenden Studienabsolventen versorgt werden?

Ich will abschließend eine kleine Fabel erzählen, insbesondere, Herr Wolf, für Ihr Verständnisniveau.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD - Zu- stimmung von Frau Dirlich, PDS)

Herr Kollege Spotka, würden Sie im Anschluss oder jetzt eine Frage von Herrn Rahmig beantworten?

Im Anschluss.

Auf den amerikanischen Bestsellerlisten hielt sich wochenlang ein Buch von Spencer Johnson mit dem Titel „Die Mäusestrategie für Manager“. Es ist die Fabel von vier kleinen Lebewesen im Labyrinth des Lebens, die nach Nahrung suchen. Diese Fabel beschreibt die Notwendigkeit der Verhaltensanpassung, will man auf Dauer erfolgreich sein.

Im direkten Mensch-Mäuse-Vergleich wird der Wettlauf nach dem Käse, der hier für Erfolg und Anerkennung steht, anschaulich vor Augen geführt. Während die beiden Mäuse „Schnüffel“ und „Wusel“ ihrem Instinkt folgend sich sofort auf den Weg durch das Labyrinth machen, um den Käsevorrat aufzustöbern und sofort aufzufressen, erleiden die Zwergenmenschen „Krümel“ und „Knobel“ erst einmal einen Schock, als sie feststellen, dass der Käsevorrat aufgefressen ist.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD)

„Wir haben Anspruch auf unseren Käse“, sagte Krümel, „weil wir das Problem nicht verursacht haben.“ Die Veränderung wird zwar von ihm wahrgenommen, Konsequenzen daraus zu ziehen ist er aber unfähig. Allzu sehr hat er sich an die vertraute Umgebung gewöhnt und verharrt in Erwartung wieder besserer Zeiten.

Der andere Zwergenmensch Knobel hingegen hat sich für eine andere Lösung entschieden. Er sagt: „Wer eine neue Richtung einschlägt, findet leichter neuen Käse.“ Und er versucht Krümel zu überzeugen: „Je schneller du den alten Käse sausen lässt, desto eher findest du neuen.“

Wie auch immer diese Geschichte ausgeht - ich will sie hier nicht zu Ende erzählen -,

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der PDS - Herr Wolf, FDVP: Zu- gabe!)

einer der zentralen Sätze dieses kleinen Büchleins zum Management of Change - Management des Wandels - lautet: Wer kleine Veränderungen frühzeitig bemerkt, diese Veränderungen überpointiert, wie ich es hier gemacht habe,

(Herr Gallert, PDS: Ach so!)

hat die Zeit und die Chance, sich an die großen Herausforderungen später leichter anzupassen.

Meine Damen und Herren! Ich will Sie, insbesondere auch Sie, Herr Ernst, keineswegs auffordern, nun den alten Käse ganz sausen zu lassen.

(Heiterkeit bei der CDU - Zustimmung von Frau Mewald, CDU, und von Frau Weiß, CDU)

So einfach ist es nämlich mit unseren Ausbildungsformen und Studiengängen nicht. Aber lassen Sie uns die Veränderungen, die sich abzeichnen, auf jeden Fall frühzeitig wahrnehmen und gemeinsam nach einer neuen Richtung suchen, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Das ist der Sinn dieses Antrages.

Herr Minister, Sie haben signalisiert, Sie wollen mit uns darüber diskutieren. Damit kann ich sehr gut leben. Aber

ich würde vorschlagen, nicht erst in einem Jahr, da ist nämlich Wahlkampfzeit und es interessiert niemanden mehr.

(Frau Lindemann, SPD: Gerade!)

Wenn es am Jahresende wäre, wäre es uns recht. Wenn wir uns darauf verständigen können, bitte ich Sie, meine Damen und Herren, unserem Antrag zuzustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben die Chance auf Redezeitverlängerung durch die Frage von Herrn Rahmig. - Bitte schön.

Herr Professor Spotka, es ist schwierig, nach Ihrer Kurzgeschichte noch eine Frage zu stellen. Ich versuche einmal daran anzuknüpfen.

Die technologieorientierten Betriebe in unserem Land sind ständig - um in Ihrem Bild zu bleiben - auf der Suche nach frischem Käse. Dazu brauchen sie auch immer wieder eine Verjüngung, sind aber selbst nicht in der Lage - wenn man weiß, was die Ausgegründeten mittlerweile an persönlichen Vorteilen haben oder an Gehältern erwirtschaften -, in dieser Hinsicht mit den Altbundesländern zu konkurrieren. So entsteht die reale Gefahr, die Sie schilderten, dass wir ausbluten, indem wir für andere Bundesländer ausbilden. Wir versuchen mit einigen Instrumenten dagegenzuhalten, aber das ist nur eine Schmerzlinderung.

Sie sagten nun, dass bereits während der Studiengänge nach Möglichkeiten gesucht werden soll, die Absolventen im Lande zu binden. Können Sie noch einmal erklären, was dazu Ihre Meinung ist? Denn hierzu werden wir viele gute Ideen brauchen.

Darüber müsste man sicherlich umfänglicher diskutieren. Beispielsweise fahren unsere Studenten zur Praktikantenbörse nach Köln. Dort sind alle großen Unternehmen vertreten, die sich aus dem Absolventenangebot gewissermaßen die besten Talente heraussuchen, mit den Absolventen Testspiele durchführen, um sich dann die Kreme herauszupicken und diesen entsprechende Angebote zu unterbreiten.

Unsere Unternehmen, die gar nicht die Kraft haben, dorthin zu fahren, sind dort so gut wie nicht vertreten. Das ist das Problem. Deshalb müssen wir versuchen, unsere Wirtschaft dafür zu öffnen, dass sie verstärkt Praktikaplätze zur Verfügung stellt.

Ich habe gestern zusammen mit Herrn Schulze mit Herrn Professor Orzessek, dem Rektor der Fachhochschule, gesprochen und dieses Thema ganz kurz angerissen. Er sagt, es fällt schwer, ausreichende Losgrößen für solche dualen Studiengänge zusammenzustellen, weil in unserer Wirtschaft einfach die Sensibilität dafür noch nicht vorhanden ist. Die Unternehmen merken noch nicht, dass sie in die Nachwuchsfalle tappen und in ein oder zwei Jahren bei ihnen erhebliche Personalengpässe auftreten werden. Einige wenige haben es schon gemerkt. Aber die anderen sind eben wacher und schneller in dieser Hinsicht. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung. Vielleicht gelingt es uns tatsächlich, Bildung und Wirtschaft enger zu verzahnen, auch mit einem Abstimmungsergebnis. Es ist keine Überweisung verlangt worden. Es wird über den Antrag selbst abgestimmt.

Wer stimmt der Drs. 3/4183 zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Die Drucksache wurde einstimmig angenommen. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 13 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung

Zukunft der Landwirtschaft und des Verbraucherschutzes

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/4215 neu

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/4296

Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/4305