An dieser Stelle möchte ich zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass der gegenwärtige himmelschreiende Widerspruch darin besteht, dass die Landwirte ihr Unternehmen offen legen sollen und müssen und dies auch tun, dass aber andererseits der große nationale und internationale Agrarhandel sich nicht im Geringsten in die Karten schauen lässt. Aber gerade bei der Neuausrichtung der Landwirtschaft muss es einerseits darum gehen, diese Verweigerungshaltung aufzubrechen, und andererseits darum, sich so weit wie möglich von dieser Branche unabhängig zu machen.
Am besten kann das erreicht werden, wenn die Landwirtschaft, die Verarbeitung und die Vermarktung weitestgehend territorial organisiert sind. Regionale Stoff- und Wirtschaftskreisläufe, Futter aus dem eigenen Betrieb oder der Region, kurze Wege und wenig Tiertransporte bergen schon vom Ansatz her Überschaubarkeit und weniger Gefahren für eine Übertragung von Krankheiten und Seuchen in sich.
Dabei ist nicht von vornherein die Zahl der Tiere und die Größe der Fläche entscheidend, sondern entscheidend ist, wie gehalten und produziert wird. Daher sind wir auch generell gegen die Einführung von pauschalen Obergrenzen. Ein solches Herangehen ist primitiv und gefährdet die weitere Ausgestaltung einer modernen Landwirtschaft.
Dabei geht es uns nicht um die Sicherung einer internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die dem Zwang der Globalisierung Rechnung tragen muss, sondern um die tatsächliche innere qualitative Ausrichtung der Landwirtschaft, die gleichzeitig all ihre wirtschaftlichen Potenzen ausschöpft. Auch eine regional organisierte, auf einer stabilen Vertragsproduktion beruhende Landwirtschaft darf nicht minder effizient sein.
In diesem Sinne haben auch wir uns sofort gegen die Förderpläne des EU-Agrarkommissars Fischler ausgesprochen, die nicht nur die ostdeutschen Agrarstrukturen gefährden, sondern die Entwicklung einer modernen Landwirtschaft überhaupt.
Völlig außer Acht lässt der Fischler-Plan, dass es in Deutschland und in Europa Regionen gibt, in denen vie
le kleine Betriebe vorhanden sind, die aber, gemessen an ihrer Fläche, einen unverantwortlich hohen Tierbestand haben und dennoch unter der Obergrenze von 90 Tieren liegen und somit förderfähig bleiben würden. Während wir etwa 45 Vieheinheiten pro 100 ha landwirtschaftlicher Fläche haben, sind es in den alten Bundesländern weit mehr, nicht selten ist es das Drei- oder gar Vierfache.
Herr Minister, vor dem Hintergrund von BSE, MKS, Tbc und anderen Krankheiten bzw. Seuchen möchte ich noch so viel sagen, auch im Wissen darum, dass das einige Kollegen und Kolleginnen nicht gern hören möchten: Die Anwendung eines strengen staatlichen Regimes zur Seuchenbekämpfung hat seinerzeit in der DDR zu beachtenswerten Erfolgen geführt. Was ich damit sagen will, ist, dass es seinerzeit Verordnungen und Handhabungen gab, ganz zu schweigen von den Erfahrungen der Tierärzte sowie der Veterinär- und Lebensmittelhygieniker, auf die wir uns mehr denn je zurückbesinnen sollten, nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit, wenn nicht gar europaweit.
Das noch zu diesem Antrag, dem wir mit den hier vorgetragenen Änderungen und Änderungsanträgen unsere Zustimmung geben.
Für die SPD-Fraktion hat Herr Barth noch einmal das Wort. - Er verzichtet. Dann erteile ich Herrn Minister Keller für die Landesregierung das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte Gelegenheit, in den beiden vorvergangenen Landtagssitzungen ausführlich zu den Problemen der BSE und der Bewältigung der Folgen sowie zu der Umsteuerung in der Agrarpolitik zu reden. Ich hatte in meiner damaligen Rede den Landtag gebeten, mich bei meinen Bemühungen zu unterstützen. Ich freue mich, dass der heutige Antrag, der offensichtlich eine breite Mehrheit im Parlament finden wird, diesem meinem Wunsche gerecht wird und mir Rückenwind gibt bei den Diskussionen, die uns insgesamt bevorstehen.
Frau Wiechmann, das möchte ich sagen: Es ist keine Schwarz-weiß-Diskussion und es lässt sich nicht alles in bestimmte Kästchen einordnen. Vielmehr haben wir eine Situation in der Landwirtschaftspolitik, die davon ausgeht, dass Landwirtschaftspolitik europäisch gemacht wird, dass wir einen freien Warenverkehr haben,
dass wir bestimmte Lebensstandards haben, dass wir bestimmte Entwicklungen in der Gesellschaft und ein bestimmtes Verbraucherverhalten haben.
All diese Dinge lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen umsteuern, sondern es bedarf in diesem Zusammenhang einer sorgfältigen Diskussion, einer genauen Folgenabschätzung und einer sorgfältigen Abwägung der Mittel, die man zur Umsteuerung der Agrarpolitik einsetzt.
Das, meine Damen und Herren, wird ein Weg sein, der über einen längeren Zeitraum beschritten werden muss.
Frau Bundesministerin Künast hat vor ca. 14 Tagen eine Regierungserklärung zur zukünftigen Agrarpolitik abgegeben. Sie hat darin einige Grundsätze genannt, die die Bundesregierung im Rahmen der europäischen Politik verfolgen wird. Ich glaube, die Grundsätze in ihrer allgemeinen Formulierung, so wie sie auch in dem Punkt 1 des SPD-Antrages aufgenommen worden sind, finden überall Zustimmung.
Ich sage noch einmal: Der Teufel steckt im Detail. Wir werden sehr langfristige Auseinandersetzungen darüber haben, insbesondere auch deswegen, weil - das klang in den vorherigen Redebeiträgen auch schon an - die Dinge in Europa unterschiedlich sind. Schon in Deutschland sind die Verhältnisse in Bayern, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nicht miteinander zu vergleichen,
umso weniger die in Sizilien und Finnland. Insofern gibt es unterschiedliche Interessen, die abgewogen werden müssen.
Klar ist - ich glaube, das muss eine der Hauptzielstellungen sein -, dass wir keine öffentlichen Gelder in Überproduktionen stecken, dass wir keine öffentlichen Gelder in umweltvernichtende Produktionen stecken und dass wir keine öffentlichen Gelder in Tierhaltungen stecken, die nicht artgerecht sind. Das ist die oberste Maxime und in diesem Zusammenhang muss geredet werden.
Es muss auch sichergestellt werden, dass die Landwirte tatsächlich Unternehmer bleiben können, die ihrer Verantwortung für die Produktion von gesunden Lebensmitteln gerecht werden - ein wesentlicher Punkt -, und es muss seitens der Politik sichergestellt werden, dass die Lebensmittel, die erzeugt werden, gesund und unbedenklich für die Verbraucher sind, wobei auch klar ist, dass nicht jedes Risiko ausgeschlossen werden kann.
Die aktuellen Vorfälle in der Agrarpolitik - auf der einen Seite BSE mit den Folgewirkungen, die zur Verunsicherung der Verbraucher führen; auf der anderen Seite das Seuchengeschehen in Großbritannien im Zusammenhang mit der Maul- und Klauenseuche, die im Gegensatz zu BSE keine neue Seuche ist -, all diese Dinge machen den Menschen bewusst, dass sich die Agrarpolitik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in eine Richtung entwickelt hat, die überdacht werden muss. Hierbei sind die Politiker gefordert; hierbei ist die Gesellschaft insgesamt gefordert.
Ich denke, einige der Ansätze, die in diesem Antrag aufgeschrieben worden sind und die der Landtag verabschieden wird, unterstützen uns darin.
Die Agrarpolitik wird dieses Hohe Haus in der nächsten Zeit zunehmend beschäftigen. Wir werden in den zukünftigen Wochen, Monaten und Jahren sicherlich über viele Details reden - sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum.
Ein Wort zum Thema Repro. Sie können sicher sein, meine Damen und Herren, dass das Land, wenn es ein vernünftiges Projekt gefördert hat, auch ein Interesse daran hat, dass dieses Projekt und die Ergebnisse dieses Projektes umgesetzt werden.
Mit diesem Repro-Projekt ist ein guter Ansatz auch zur praktischen Umsetzung von umweltgerechter Agrarpolitik vorhanden. Insofern werden wir uns mit Sicherheit dafür einsetzen. Es ist aber sicherlich auch richtig, in den Landtagsausschüssen, die das wünschen, noch
Danke, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wünscht nach dem Herrn Minister noch jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren.
Ich habe versucht, aus den drei Anträgen einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Es hängt von der SPDFraktion ab, ob sie die Fassung übernimmt. Wenn ja, können wir in einem Abstimmungsverfahren vorgehen.
Ich habe es so verstanden, dass nach Auffassung der CDU-Fraktion in Übereinstimmung mit der SPD-Fraktion und der PDS-Fraktion Punkt 1 des Antrages der SPDFraktion um die Anstriche 1 und 2 des Änderungsantrags der CDU-Fraktion ergänzt werden soll. Die Ergänzung zu Punkt 1 erhält folgenden Wortlaut:
„Der Landtag lehnt in dem von EU-Agrarkommissar Fischler vorgelegten Sieben-Punkte-Plan die Punkte ab, die die ostdeutschen Landwirtschaftsbetriebe in besonderer Weise benachteiligen.“
Dann folgen die Punkte 2, 3 und 4 des SPD-Antrages in unveränderter Fassung. Der Punkt 5 des SPD-Antrages wird durch Punkt 2 des PDS-Antrags ersetzt. Ist das korrekt?
Dann können wir über den Antrag in der Drs. 3/4305 in der soeben dargestellten Fassung abstimmen. Wer diesem Antrag die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Wenige Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist dem Antrag mit deutlicher Mehrheit zugestimmt worden. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 14 bewältigt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! BSE die Zweite. Wir halten unser Versprechen vom 25. Januar 2001 und setzen nach. Weglaufen oder warten oder den Plenarsaal verlassen bringt nichts. Wir sorgen dafür, dass man keinen Bogen um dieses Thema machen kann.
Seit der Verkündung des so genannten Sechspunkteprogramms und der Gewebekneifzange des Herrn Ministers Keller hat sich in Sachsen-Anhalt bei der Bekämpfung von BSE und deren Folgen nichts geändert.
Der Versuch, den Bürger zu schützen, erfolgt nicht. Man setzt auf Ermüdung, Gewöhnung und neue Skandale, die die alten ablösen. Das Problem wird ausgesessen.
Die Gendatenbank als Beruhigungspille dieser bewegungslosen Landesregierung entkräftet kein einziges Argument unseres BSE-Antrags vom 25. Januar 2001. Das ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass wir in der Agrarpolitik des Ministers Keller im Keller sind und wohl auch bleiben werden. Betrüblich für eine CDU-Opposition, wenn sie wegen womöglich erhoffter Koalitionsangebote, die in ferner Zukunft liegen, zur Duldung übergeht.