Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

zeiten zu vermeiden. Wir sollten darüber nachdenken, warum es durch überlange Studienzeiten und hohe Abbrecherquoten zu einer Verlängerung des Weges bis zum Berufsabschluss kommt. Wir sollten ferner darüber nachdenken, wie man den jungen Menschen, die schneller zu einem Abitur kommen können, dies ermöglichen kann. Wir sollten aber diesen Gesetzentwurf ablehnen. - Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank - Zuruf von Frau Weiß, CDU)

Vielen Dank. - Die Debatte der Fraktionen wird durchgeführt in der Reihenfolge CDU, PDS, DVU, SPD und FDVP. Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Feußner. Bitte.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Auch die Bildungspolitik kann zu einem Standortnachteil werden. Sachsen-Anhalt ist ein sehr trauriges Beispiel dafür.

(Zustimmung bei der CDU, bei der DVU, von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Wolf, FDVP)

In den letzten Jahren steuerte unsere Landesregierung auf einen bildungspolitischen Isolationskurs zu. Andere Bundesländer, ob rot oder schwarz regiert, haben längst erkannt, welche Akzente gesetzt werden müssen, um im europäischen und internationalen Wettbewerb mithalten zu können, nicht wie Sie es beschreiben, Herr Harms. Alle anderen Nachbarländer praktizieren bereits oder diskutieren ernsthaft über ein Abitur nach zwölf Jahren. Wir können in unserem Land doch nicht einfach so tun, als ginge uns das alles nichts an.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Wolf, FDVP)

Es geht um die Zukunft unseres Landes und um unsere Schüler und Kinder.

Ideologische Ladenhüter werden von Ihnen als neue Reformprojekte verkauft.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Mer- tens, FDVP)

Ich erinnere neben dem zwölfjährigen Abitur auch an die Förderstufe oder an die Abschaffung des Hauptschulbildungsganges. Die Enttäuschung über die so genannte neue Sekundarschule reicht neuerdings bis tief in die Reihen ihrer eigenen ehemaligen Befürworter hinein.

Wir wollen unseren Schülern wieder ein Abitur nach zwölf Schuljahren ermöglichen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Preiß, DVU)

Auf der Bundesebene und in mehreren Ländern spricht sich auch die SPD für eine solche Alternative aus. Zahlreiche Beispiele dafür haben wir in unserem so genannten Brief an die Abgeordneten der SPD nochmals angeführt. Ich möchte daraus nur ein Zitat bringen, mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident:

„Die Schulen entscheiden eigenständig darüber, welchen Schülerinnen und Schülern sie die Abiturprüfung im 12. Jahrgang und welchen Schülern sie die Prüfung im 13. Jahrgang anbieten.“

Das sagte Ministerpräsident Herr Gabriel in einem Positionspapier mit dem Titel „Niedersachsen macht Schule“. Das ist genau das, was wir in Sachsen-Anhalt auch wollen.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Hel- mecke, FDVP)

Wir haben Ihnen mit unserem Gesetzentwurf eine Brücke zu bauen versucht. Wir haben keine fadenscheinigen Argumente gesucht. Wer unsere bildungspolitischen Grundsätze kennt, sieht sofort, dass wir Ihnen damit ein Kompromissangebot unterbreiteten, verbunden mit der Bereitschaft, mit Ihnen darüber zu reden, wie man die Möglichkeit eines Abiturs nach zwölf Schuljahren ausgestalten könnte.

Wir wissen, dass einige Abgeordnete aus den Reihen der SPD und vielleicht auch der PDS mit der Entscheidung, das 13. Schuljahr einzuführen, nicht glücklich sind. Selbst der Ministerpräsident äußert sich in öffentlichen Veranstaltungen dahin gehend, dass man leider mehr oder weniger dazu gezwungen gewesen sei. Eine solche Behauptung wirkt angesichts der Praxis in Thüringen, in Sachsen und Baden-Württemberg, angesichts der Rechtslage im Saarland und angesichts der Ankündigungen der Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen, in Mecklenburg-Vorpommern und in Niedersachsen wenig glaubhaft.

Die Praxis und die Überlegungen anderer Länder widerlegen übrigens auch den Einwand, ein Nebeneinander von zwölf- und 13-jähriger Schulzeit sei nicht zu organisieren. Das Land Baden-Württemberg zeigt uns dies, Herr Harms.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Stolfa, PDS: Die haben auch ein paar Schüler mehr!)

Verehrte Anwesende! Sie haben unseren Gesetzentwurf mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Das hat mir eben auch die Rede von Herrn Harms deutlich gezeigt. Eine inhaltliche Debatte hat unter den Ausschussmitgliedern nicht stattgefunden. Das sei auch nicht nötig, weil es - wie Sie gebetsmühlenartig wiederholen - keine neuen Erkenntnisse gebe. Ich sehe einmal ganz davon ab, dass es zur Korrektur einer offensichtlichen Fehlentscheidung nicht unbedingt neuer Erkenntnisse bedarf.

Welche neuen Erkenntnisse benötigen Sie eigentlich, um nationale und internationale Entwicklungen aufzugreifen? Ist es für Sie keine nennenswerte Erkenntnis, dass fast die gesamte Bevölkerung des Landes Sachsen-Anhalt das 13. Schuljahr ablehnt?

(Zustimmung bei der CDU - Herr Miksch, frak- tionslos: Das interessiert doch die SPD nicht!)

Herr Ernst, auch auf Ihren Brief möchte ich gern eingehen. Sie waren so nett und haben mich darüber informiert, dass die bildungspolitischen Sprecher der SPD eine Überarbeitung des Leitantrages, welcher im Bundesvorstand erarbeitet worden ist, empfohlen haben. Ich weiß nicht, inwieweit sich Ihr Bundesvorstand davon beeindrucken lassen wird; das kann ich nicht sagen.

Aber auch die bildungspolitischen Sprecher der PDS schlagen vor - ich möchte nochmals zitieren, Herr Präsident -:

„Für besonders leistungsfähige Schülerinnen und Schüler werden verkürzte Bildungsgänge bis zum Abitur entwickelt.“

(Minister Herr Dr. Harms: Genau!)

„Diese Angebote sollen flächendeckend“

- ich betone: flächendeckend, Herr Harms

„bereitgestellt werden.“

(Minister Herr Dr. Harms: Ja!)

„Dadurch erhalten Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit der Schulzeitverkürzung um ein Jahr.“

Unser Gesetzentwurf enthält genau diese Möglichkeit.

(Minister Herr Dr. Harms: Nein, tut er nicht!)

Unser Vorschlag lautete - ich möchte es nicht noch einmal wiederholen; Sie, Herr Harms, haben es zitiert - genauso. Wenn Sie es wirklich gewollt hätten, hätten Sie Ihren eigenen Beschluss durch minimale Änderungen in die Tat umsetzen können. Das hätten Sie tun können.

(Zustimmung bei der CDU)

Lassen Sie mich noch auf ein letztes Argument eingehen, das Herr Harms in den Vordergrund geschoben hat, nämlich das Argument, das durch die derzeitige Praxis selbst ad absurdum geführt wird: die zeitliche Belastung. Ich kann nur wiederholen, dass Sekundarschüler mit einer zweiten Fremdsprache mehr Unterrichtsstunden als unsere Gymnasiasten haben.

In den Planungskriterien des Kultusministeriums heißt es für die Sekundarschule: „Freistunden bzw. Nachmittagsunterricht sind generell nicht vermeidbar.“ - Ich bin weit davon entfernt, eine höhere Unterrichtsstundenbelastung und Nachmittagsunterricht als Wert an sich zu betrachten, aber wie wollen Sie denn begründen, dass bei Gymnasiasten nicht geht, was bei Sekundarschülern selbstverständlich ist?

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Abgeordnete, Sie müssten dann bitte zum Schluss kommen.

Ja, ich komme zum Schluss. - Warum überlassen Sie nicht den betroffenen Eltern und Kindern die Entscheidung darüber, ob sie ein Mehr an Unterricht einer um ein Jahr längeren Schulzeit vorziehen wollen?

(Herr Sachse, SPD: Willkürlich wird das festge- legt!)

Verehrte Anwesende! Ich möchte noch einmal kurz auf unseren Änderungsantrag eingehen. Sie können heute und hier die Chance nutzen und einen unzeitgemäßen Beschluss korrigieren. Zumindest sollten Sie sich durch Ihre Zustimmung zu unserem Antrag eine solche Korrektur offen halten. Sollten Sie den Änderungsantrag allerdings ablehnen, dann bitten wir um namentliche Abstimmung. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Beifall bei der FDVP)

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Stolfa.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Problem der Schulzeitlänge bis zum Abitur be

wegt uns bereits seit geraumer Zeit. Das Problem der Gestaltung der Schulzeit bis zum Abitur bedarf unter dem Aspekt einer dringend erforderlichen Neubestimmung von Allgemeinbildung einer wirklich ernsthaften Diskussion.

Unsere Kritik an der gegenwärtigen Debatte - auch an Ihrem Debattenbeitrag - um eine mögliche Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur und an dem vorliegenden Änderungsentwurf zum Schulgesetz richtet sich vor allem darauf, dass damit ausdrücklich keine inhaltlichen Reformen verbunden sind,

(Zustimmung von Herrn Steckel, SPD)

sondern dass sich die Neuerungen ausschließlich auf eine extensiv erweiterte Nutzung des Schultages oder auf das Überspringen eines Schuljahres, bestenfalls auf eine Begleitung mit vor- oder nachbereitenden Maßnahmen, reduzieren.