Der dritte Punkt, den ich genannt habe: Wir müssen all das vernetzen mit einer Bildungspolitik, die darauf abgestimmt ist. Das heißt, wir müssen Attraktivität schaffen und uns auf solche Bereiche konzentrieren und diese mit der Wirtschaft vernetzen, mit denen wir die Absolventen schließlich im Lande halten und in denen wir Arbeitspotenziale schaffen, mit denen die Leute im Vergleich zu den Bewerbern aus Osteuropa und aus Asien wettbewerbsfähig sind. Unser Potenzial ist nicht, dass wir im Arbeits- und Lohnkostenbereich etwas günstiger sind; unser Potenzial ist, dass wir auf Dauer besser ausgebildete Arbeitskräfte haben, sodass es sich lohnt, hier zu investieren. Auch das tun wir.
Viertens. Das alles darf nicht nebeneinander stehen, sondern wir verzahnen das zu Clustern, wie der Fachbegriff heißt. Das heißt, wir müssen eine Infrastruktur schaffen, die verzahnt ist - das tun wir auch - mit einer Ansiedlungspolitik, die aufeinander Rücksicht nimmt. Es hat keinen Sinn, mit der Gießkanne durch das Land zu laufen, sondern wir müssen regionale Verkehrsnetze haben, die auf die Wirtschafts- und auf die Sozialstrukturen passen, die wir haben. Wenn Sie bei uns in die Politik sehen, werden Sie feststellen, dass das geschieht.
Fünftens. Wir müssen das richtige Klima haben. An dieser Stelle sind wir verbesserungsfähig. Ich nehme das Beispiel anderer ostdeutscher Länder. Manche leben über ihre Verhältnisse und reden sich besser. Das hilft sogar. Es gibt auch einige, die reden den Standort schlecht.
Das haben Sie getan. Wenn Sie immer nur darauf hinweisen, wir hätten die rote Laterne, und das Licht besonders hell strahlen lassen, werden Sie keinen ins Land holen. Sie werden das nur erreichen, wenn Sie darüber reden, was geht, nicht wenn Sie sagen, was falsch ist. Das habe ich bei Ihnen vermisst. - Schönen Dank.
(Zustimmung von Herrn Dr. Fikentscher, SPD, von Frau Fischer, Leuna, SPD, von Frau Dr. Sit- te, PDS, von Herrn Dr. Süß, PDS, und von Minis- terpräsident Herrn Dr. Höppner)
Die DVU-Fraktion hat keinen Redebeitrag angemeldet, auch die PDS-Fraktion nicht. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Gürth.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte die CDU-Fraktion auf einen Redebeitrag zu diesem Thema verzichten;
denn die Nichtansiedlung von BMW in Sachsen-Anhalt ist wahrlich kein Grund zur Schadenfreude, weder für die Opposition noch für andere Kritiker dieser Landesregierung. Es ist nicht nur eine Entscheidung gegen eine Regierung, sondern es ist eine Entscheidung gegen Sachsen-Anhalt. Die Folgen tragen alle in diesem Land.
Nach der Rede des Finanzministers muss man als Opposition allerdings einige Sätze sagen. Bei uns im Stadtrat in Aschersleben werden solche Reden als „müsstische“ Reden bezeichnet - jede Menge „müsste“ darin. Es heißt ständig „man müsste“.
Herr Gerhards, Ihre Regierung regiert seit sieben Jahren. Auch wenn Sie alles so toll machen, frage ich mich, ob es nicht dennoch angebracht wäre, einmal selbstkritisch im stillen Kämmerlein Bilanz zu ziehen und zu überprüfen, wo wir stehen.
Sie sagen, was Ihre Regierung alles so toll macht. Schauen wir uns die harten Fakten an. Nicht nur, dass wir im achten Jahr in Folge die höchste Arbeitslosigkeit aller deutschen Bundesländer haben, der Abstand zu den anderen Bundesländern wächst. Wir haben die niedrigste Selbständigenquote in ganz Deutschland. Alle führenden Wirtschaftsinstitute bescheinigen uns Defizite. Die Nichtansiedlung von BMW sollte wirklich Anlass dafür sein, sich einmal ganz selbstkritisch mit der eigenen Wirtschaftspolitik im Land auseinander zu setzen.
Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen einen Hinweis auf die Bertelsmann-Studie geben, die vor nicht allzu langer Zeit veröffentlicht wurde, weil Sie gerade heute Morgen ein Bild gezeichnet haben, das überhaupt nicht der Wahrheit und der Realität entspricht, nach dem Motto: 1994 lag Sachsen-Anhalt am Boden; dann kamen Sie als weißer Prinz und haben das Land gerettet.
Wenn Sie sich die Bertelsmann-Studie anschauen, werden Sie feststellen - in einer Untersuchung, die ganz aktuell ist -, dass Sachsen-Anhalt bei der Beurteilung als erfolgreicher Wirtschaftsstandort vor dem Zeitraum wesentlich besser dastand. Wir sind, seit Sie regieren, Herr Höppner, auf den letzten Platz abgerutscht.
Bei einer Untersuchung, die wahrlich nicht von der CDU kommt, sondern von unabhängigen Wissenschaftlern, in der untersucht wurde, in welchem Land die Politik besonders aktiv war, um die Lebensverhältnisse positiv zu beeinflussen, fällt Sachsen-Anhalt in Ihrem Regierungszeitraum von Platz 8 auf Platz 15. Das ist wahrlich kein Erfolgserlebnis. Die Arbeitslosenstatistik und alle anderen Kennziffern sagen dies auch aus.
Wir können uns weitere Studien anschauen und weitere Zahlen wälzen. Wir können, die großen Ansiedlungen in Sachsen-Anhalt vom Zeitraum her betrachtet, feststellen, dass alle großen gewerblichen Ansiedlungen mit mehreren hundert Arbeitsplätzen, insbesondere mit über 1 000 Arbeitsplätzen, in der ersten Legislaturperiode erfolgt sind. Die Standortentscheidungen für die großen
Unternehmen - ich könnte sie alle aufzählen - sind in der ersten Legislaturperiode gefallen. Sie sind kein Erfolg Ihrer Landesregierung.
Deshalb will die CDU-Fraktion Ihnen und Ihrer Regierung empfehlen, sich einmal selbstkritisch mit der Erfolglosigkeit Ihrer Politik in diesem Bereich auseinander zu setzen.
Wer aber dem Antrag der FDVP zustimmen möchte, der benötigt ein gehöriges Maß an Optimismus. Die FDVP fordert die Landesregierung auf, Vorschläge für neue Rahmenbedingungen und neue wirtschaftspolitische Maßnahmen etc. zu erarbeiten. Das setzt doch den Glauben voraus, dass diese Regierung, die sieben Jahre Zeit hatte, etwas zu ändern, nun plötzlich etwas anderes macht.
(Zustimmung bei der CDU - Herr Dr. Süß, PDS: Das ist eine Argumentation, Herr Kollege! Ganz hervorragend! Ihr Konzept möchte ich mal sehen, Ihr eigenes!)
Die SPD-Fraktion hat ebenfalls auf einen Redebeitrag verzichtet. - Die PDS hätte die Chance gehabt, Herr Abgeordneter.
Dann hat noch einmal die FDVP-Fraktion die Möglichkeit zur Stellungnahme. Es spricht Frau Wiechmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist nötig, dass wir uns noch einmal zu Wort melden, bei dem, was hier alles gesagt wurde. Ich möchte eine Bemerkung voranstellen: Ich habe an den Reaktionen gemerkt, wie wichtig es war, trotz der eingesparten Mittagspause eine ganz ausführliche Begründung zu geben. Ich würde das auch ein nächstes Mal so tun, Herr Präsident.
Jetzt schauen wir uns einmal den Antrag an. Herr Gürth, Ihre Erklärung, warum Sie dem Antrag nicht zustimmen wollen, hat mich zugegebenermaßen etwas verwirrt. Sie wollen auch, dass es in Sachsen-Anhalt vorangeht. Sie sagen auch, es müssen neue Rahmenbedingungen her. Aber dieser Landesregierung trauen Sie es nicht mehr zu. Wollen Sie diese Landesregierung an der Stelle aus der Verantwortung entlassen? - Noch haben wir keine Wahlen. Die sind erst im April 2002.
Hoffentlich kommt dann die CDU daher und gibt ein entsprechendes Wirtschaftskonzept vor, wonach die Menschen sie auch wählen können. Momentan sieht mir das zwar noch nicht nach einer Verbrüderung, aber nach einem Zusammengehen mit der SPD aus. Ich weiß
nicht, ob das des Pudels Kern ist und ob das die Lösung für die Zukunft für Sachsen-Anhalt sein wird.
Herr Gerhards, der Standort Sachsen-Anhalt muss tatsächlich attraktiver gemacht werden. Sie haben es bisher nicht geschafft. Da hilft es auch nicht, wenn Sie sich hinstellen und versuchen, das alles schönzureden, und Kritiker in einer Art und Weise beschimpfen, die für mich schon unter der Gürtellinie ist. Nicht wir haben dem Image des Landes Sachsen-Anhalt geschadet, sondern Sie.
Setzt sich dieser Negativtrend fort, dann ändern sich auch die Vorzeichen für die anderen Bereiche, zum Beispiel für die öffentlichen Haushalte. Wir haben gerade gestern die Siegesfeier für den Solidarpakt II erlebt. Wir können natürlich immer Geld von anderen fordern. Aber nur mit einer intakten Wirtschaftspolitik kann ein Haushalt auf Vordermann gebracht werden.
Ich habe gestern versucht, es anzudeuten. Die versprochenen Großzügigkeiten in Vorbereitung des Wahlkampfes mit dem Solidarpakt II könnten schnell in Gefahr geraten. Ich habe es auch erläutert. Er wird uns jetzt als Erfolg verkauft und als Kern dessen, dass es in Sachsen-Anhalt weiter vorangeht, aber immer noch mit der gleichen Wirtschaftspolitik.
Das Folgende ist nicht auf meinem Mist gewachsen, das hat der Arbeitergeberpräsident Hundt gesagt: „Nur durch Hilfe zur Selbsthilfe wird der Osten“ - ich bin nicht für den Begriff „Osten“, aber er hat ihn so genannt - „in einem hinnehmbaren Zeitraum Westniveau erreichen.“
Sein am Montag in Berlin vorgestellter Entwurf nennt als Bausteine dazu eine Investitions- und Innovationsoffensive mit administrativen Maßnahmen zur Erschließung von Märkten zum Beispiel für ostdeutsche Produkte. Er hat gesagt, finanzieren ließe sich das beispielsweise auch aus dem Solidarpakt. Für die neuen Bundesländer, hat er gesagt, müssten Betriebe motiviert werden, sich dort anzusiedeln. Dies könnte auf höchster Ebene geschehen, um die Balance zwischen den Einkommen und dem Verbrauch herzustellen. Sachsen-Anhalts Regierung muss, verdammt noch einmal, ihr Scherflein dazu beitragen. Das Land darf an dieser Stelle kein Fass ohne Boden werden.
Ich könnte jetzt alle Missstände noch einmal aufzählen. Das will ich Ihnen an der Stelle ersparen. Ich glaube, es ist heute oft genug gesagt worden. Überall ist es aufgeschrieben worden. Das kann jeder nachlesen. Aber eines ist Fakt: Die Feier für den Solidarpakt II sollte an dieser Stelle wirklich ausfallen, wenn man die Gesamtsituation in Sachsen-Anhalt sieht.
Die Landesregierung kann es unserer Meinung nach Herr Gürth, darin bin ich mit Ihnen einer Meinung - trotz der Verbalakrobatik von Dr. Höppner nicht schaffen, zu einer selbsttragenden Wirtschaft zu kommen; denn sie hat einen gewaltigen Klotz am Bein, mindestens einen gewaltigen Klotz, der sie mobilitätsbehindert macht und künftig sogar noch mitregieren will. Ich erinnere an die Sprüche von Genossin Hein, dass wir alles verstaatlichen müssen - ich sage sie hier nicht noch einmal -; ich denke, sie locken auch keine Investoren nach SachsenAnhalt.
Eines müssen wir noch beachten - das hätten Sie vielleicht noch sagen können, Herr Dr. Gürth; Sie haben es nur angedeutet.
Drei notwendige Eigenschaften müsste eine Regierung aufweisen, nämlich Kritikfähigkeit, Veränderungsbereitschaft und Sensibilität für Entwicklungen. Nur eine Regierung, die diese drei Eigenschaften verinnerlicht, schafft Rahmenbedingungen, meine Damen und Herren, die unserem Lande die Wende zu einer positiven Wirtschaftspolitik mit Betriebsansiedlungen und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen sichern würde. Ich denke, wir haben heute wieder eindrucksvoll erlebt, dass diese rot-rote Landesregierung nicht dazu bereit ist, genau diesen Wechsel herbeizuführen.
Ich möchte noch etwas sagen. Herr Gerhards, wir machen nicht Ihre Hausaufgaben, das fällt uns doch gar nicht ein. Diese machen Sie einmal schön selbst.