Protokoll der Sitzung vom 13.09.2001

(Herr Dr. Bergner, CDU: Dort bestand gar keine Gelegenheit!)

Dorthin gehört sie. Dort hätten Sie sich in dieser Form artikulieren sollen. Hier im Landtag ist diese Diskussion nach meiner Auffassung - zumindest nicht an der vordersten Front - nicht am richtigen Platz.

(Zustimmung von Ministerin Frau Budde)

Der Antrag der CDU-Fraktion beinhaltet unter anderem die Frage der Stadtwerke Halle. Er beinhaltet speziell die Frage zu den Energiedienstleistern in diesem Land. Diese Frage ist in der Vergangenheit im Ausschuss bereits mehrfach behandelt worden. Ich könnte Ihnen empfehlen, sich einmal mit Ihren Kollegen in Verbindung zu setzen; denn spätestens im März hat es eine abschließende und umfassende energiepolitische Diskussion im Wirtschaftsausschuss gegeben, bei der wir im Haus der Meag - ich hätte Sie dort sehr gern begrüßt diese Situation im Detail beleuchtet haben.

Ich verstehe nicht, warum Sie jetzt ein sehr sachliches Thema in polemischer Art mit diesem spezifischen Bezug auf Halle vorgetragen haben.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Budde)

Sie werden verstehen, dass ich daher eine etwas kritische Haltung zu diesem Antrag habe. So wie Sie ihn vorgetragen haben, ist man fast geneigt, ihn abzulehnen. Dennoch, denke ich, wollen wir ihm zustimmen, obwohl es, wie gesagt, keine neuen gravierenden Aspekte zu dem, was wir bisher behandelt haben, gibt.

Neuordnungen von Unternehmen sind in der inzwischen greifenden Liberalisierung der europäischen Märkte nicht überraschend. Auch die Wettbewerbssituation der Energiedienstleister ist wahrlich nicht mehr neu. Die kommunalen Unternehmen haben ihre Stellung am Markt inzwischen gefunden. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass sich eine Vielzahl von horizontalen und - ich bezeichne es ganz allgemein - vertikalen Kooperationen ergeben haben, die inzwischen belastbar sind. Einzig und allein die Stadt Dessau hat ihre Energiedienstleistungen über alle Sparten hinweg noch zu 100 % in der eigenen Regie.

All das ist aber eine Frage der kommunalen Zuständigkeit. Wenn ich es richtig sehe, dann stellen Sie diese kommunale Zuständigkeit hier und jetzt infrage

(Herr Becker, CDU, schüttelt den Kopf)

und möchten durch Kommentierung und Reglementierung vonseiten des Landes am liebsten Einfluss ausüben. Über Landesinitiativen können wir aber nur begrenzt steuernd eingreifen.

Ich selbst bin über Jahrzehnte hinweg in der Energiewirtschaft zu Hause gewesen. Ich kenne mich in diesem Metier aus. Es hat aus meiner Sicht nie eine Chance gegeben, dass bei einer Fusion zwischen der Envia und

der Meag der Sitz des Gesamtkonzerns in Halle verbleibt. Übrigens hat es dazu seit vielen Jahren interne Gespräche gegeben. Bereits Minister Schucht hat sich mit diesen Fragen beschäftigt, auch Minister Gabriel. Jetzt hat Frau Budde darauf hingewiesen, dass sie hier selbst tätig geworden ist. Nur rennt man natürlich nicht mit der großen Glocke durch die Gegend, wie Sie das jetzt hier tun. Im Nachhinein lässt sich das schön machen, aber im Voraus ist es verantwortungsbewusst, dieses Thema so zu behandeln, wie es behandelt worden ist.

Wir werden - ich habe darauf hingewiesen - diesem Antrag zustimmen in der Hoffnung, dass Sie vielleicht einen sachlichen Beitrag zu den Maßnahmen leisten, die denkbar wären. Ich wäre sehr aufgeschlossen dafür, wenn Sie uns mitteilen würden, welche Maßnahmen Sie für angemessen halten, um Großkonzerne dazu zu bewegen, in unserem Land zu verbleiben. Darauf bin ich sehr gespannt. Aus diesem Grund wird die SPD-Fraktion dem Antrag zustimmen und sich im Ausschuss darüber unterhalten wollen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Beitrag der FDVP-Fraktion entfällt. Für die PDSFraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Köck.

Frau Präsidentin! Als einer derjenigen, die in diesen Prozess eingebunden waren, habe ich die Aufgabe übertragen bekommen, für unsere Fraktion zu sprechen - im Gegensatz zu Herrn Dr. Bergner, der das nur vom Hörensagen einschätzen kann.

Der Konzentrationsprozess auf allen Ebenen der Energieversorgungsunternehmen hält weiter an. Der Stromund Gasmarkt wird mittelfristig oligopolistische Strukturen aufweisen, also das Energiekombinat neuer Prägung. Die Frage des Wettbewerbs ist damit wohl beantwortet. Man sieht es beispielsweise an den Tankstellenpreisen, wie der Wettbewerb dann aussehen könnte.

Die von den Konzernen der ehemaligen Verbundunternehmen beherrschten Regionalversorger werden in ihrer Eigenständigkeit zunehmend beschnitten und auf die Funktionen regionaler Netzbetrieb und regionaler Vertrieb reduziert. Die Entscheidungen fallen in den Konzernzentralen der Mutterkonzerne, also auch für die Meag und für alle anderen letztlich in der Zentrale von RWE.

Kommunale Versorger, die sich eng an Konzerne gebunden haben, geraten ebenfalls zunehmend unter Druck, Kompetenzen und Funktionen an den Konzern abzugeben. Wenn ich mir die Beteiligungen an den Stadtwerken anschaue, die Frau Ministerin Budde vorhin genannt hat und die jetzt gemeinsam unter einer Dachmarke laufen, so verdeutlichen sie diesen Prozess: Stadtwerke Aschersleben 35 %, Meag Bernburg 22,5 %, Eisleben 42,5 %, Merseburg 40 %, Mücheln 49 %, Naumburg, Herr Becker, 49 %, Roßlau 49 %, Weißenfels 24,5 %, Wolfen 40 %, Zeitz 24,5 %.

Insofern sollten wir die Entscheidung der Stadt Halle respektieren, weil die dafür Verantwortlichen sie sich nicht leicht gemacht haben. Es geht dabei um kommunale Selbstverwaltung, und ich glaube, dieses Thema gehört in dieser Detailliertheit auch nicht in den Ausschuss.

Die Fusion sollte nach dem Willen von RWE nur die ertragreichen Tochterunternehmen der Stadtwerke Halle, die eine Holding bilden, umfassen. Das heißt also, kostenträchtige Sparten wie der öffentliche Personennahverkehr, der Hafen, das Maya Mare, also das Spaßbad, sollten bei der Stadt Halle verbleiben. Auch das Abwasservermögen, in das in den nächsten Jahren noch viele Millionen investiert werden müssen, sollte an die Stadt übergehen, während der Betrieb übernommen werden sollte.

Die Stadtwerke Leipzig haben eine andere Struktur. Die Stadtwerke Leipzig bringen nur die Energieversorgung ein, nicht das Wasser, nicht das Abwasser. Insofern sind die Stadtwerke Leipzig und die Stadtwerke Halle, obwohl im Namen gleich, nicht vergleichbar.

Über kurz oder lang - diesbezüglich gab es keine Garantien - wären die funktionierenden städtischen Strukturen in den Tochterunternehmen, in diesen Spartenunternehmen letztlich in bestehenden RWE-Strukturen aufgegangen. Es gab ganz klare Aussagen: Warum soll ein großer Konzern zugunsten einer kleinen Stadt seine Strukturen, von denen er denkt, dass sie erfolgreich sind, aufgeben?

Der steuerliche Querverbund - das ist bereits gesagt worden - entfällt natürlich bei einer solchen Fusion. Und es bestand die Gefahr - das war auch für den Aufsichtsrat letztlich das Entscheidende -, dass bei weiteren Fusionen oder Kapitalerhöhungen - das geht sehr schnell und es ist schneller gegangen als gedacht; denn als die Verhandlungen liefen, stand die Fusion mit Envia noch nicht auf der Tagesordnung, die jetzt bereits vollzogen ist - der Einfluss der Stadt Halle marginalisiert würde. Frau Ministerin Budde hat die entsprechenden Zahlen genannt. Möglicherweise würde Halle sehr schnell auf nur noch 5 % kommen mit einer Sperrminorität. Auch Halle und die Meag zusammen würden in dieses neue große Unternehmen - ich habe es jetzt nur umsatzseitig ausgerechnet - nur 45 % einbringen. Wo dann die Prämissen bei der Entscheidung über wichtige Standortfragen liegen würden, ist, glaube ich, klar.

Die Stadt Halle hat darauf bestanden, den Sitz der Meag zu retten, wenn sie schon die Stadtwerke einbringt. Die Stadt wollte eine entsprechende Garantie haben. Aber RWE war nicht bereit, eine entsprechende Garantie zu geben. Auch die Arbeitsplatzgarantie war nicht so, wie wir sie uns vorgestellt haben. Die Aufträge, die von den Stadtwerken in die Region gehen, sollten ebenfalls erhalten bleiben.

Ich denke, wir sollten die Alternativen, die es auch gibt, also den Verbund von Stadtwerken - München macht es vor - als eine Möglichkeit respektieren, Wettbewerb zuzulassen. Das schließt ja nicht aus, dass die Regionalversorger, auch dieser neue, größere Regionalversorger, partnerschaftlich mit Stadtwerken umgehen.

Es gibt noch einen interessanten Aspekt. Kartellrechtlich wird es wahrscheinlich so sein, dass sich das neue Großunternehmen aus Beteiligungen an Unternehmen in Sachsen-Anhalt zurückziehen muss. Hierbei wäre es auch für die Landesregierung interessant, dass dort neue Partner gefunden werden, die die frei werdenden Anteile an den kommunalen Stadtwerken übernehmen.

So viel zu einigen Aspekten. Insofern stimmen wir dem Antrag zu, diese Fragen im Ausschuss zu behandeln, raten aber davon ab, selbst in einer nichtöffentlichen

Ausschusssitzung Interna der Stadt Halle auszubreiten. Danke.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Sachse, SPD)

Herr Dr. Bergner, Sie haben für die CDU-Fraktion noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst begrüße ich die Bereitschaft der anderen Fraktionen, unserem Antrag zuzustimmen und damit diese Angelegenheit noch einmal im Ausschuss zu behandeln. Ich denke, es ist eine industriepolitische Jahrhundertentscheidung und wir wären schlechte Landespolitiker, wenn wir einer solchen Entscheidung nicht wenigstens im zuständigen Ausschuss noch einmal die gebührende Aufmerksamkeit widmen würden.

Dies, Herr Kollege Köck, geschieht natürlich im Respekt vor der Eigenständigkeit der kommunalen Entscheidungsträger.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Aber ich möchte dazu Folgendes sagen: Wenn Sie vergleichen, wie der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig jetzt mit der gleichen Entscheidungsfrage unter Beteiligung des Stadtrates umgeht und wie die Dinge in Halle gelaufen sind, dann müssen Sie zugeben, dass der Stadtrat in Halle die Entscheidung im Wesentlichen an die Geschäftsführung und an die Aufsichtsräte abgetreten hat, dass das entscheidende Votum aus einem Gremium kam, das die Oberbürgermeisterin separat zusammengerufen hat, und dass es keine Behandlung in den zuständigen Fachausschüssen gab.

(Herr Bullerjahn, SPD: Das ist doch nicht unser Problem, Herr Dr. Bergner! Wir sind hier nicht im Stadtrat!)

- Nein, ich will bloß die Qualität der Entscheidung noch einmal charakterisieren.

Um noch einmal das eine deutlich zu machen, Frau Minister, Frau Ministerin. - Ja, ich halte mich an das natürliche und an das tatsächliche Geschlecht.

(Lachen und Unruhe bei der SPD)

Frau Minister -

Das ist doch schwierig, Herr Dr. Bergner.

Im Übrigen, Frau Minister, nur um Sie über das Abstimmungsverhalten zu informieren - ich weiß, dass ich jetzt etwas sage, wogegen sich der SPD-Stadtratsfraktionsvorsitzende Professor Schuh verwahrt, weil es angeblich in den Bereich des Aufsichtsrates gehört und nicht gesagt werden darf -:

(Herr Bullerjahn, SPD: Sie sollen es doch nicht sagen, Herr Bergner!)

In der entscheidenden Aufsichtsratsitzung - ich sage das jetzt - haben die Vertreter der CDU und die Oberbürgermeisterin dafür gestimmt, dass die Verhandlun

gen fortgesetzt werden. Alle anderen Fraktionen haben dagegen gestimmt. Ich sage das nur deshalb, damit wir wissen, wie etwa die Fronten verlaufen sind und womit wir es an dieser Stelle zu tun haben.

(Herr Sachse, SPD: Herr Dr. Bergner, das ist doch keine Stadtratssitzung!)

Ich will noch einen letzten Punkt nennen, weil Sie, Herr Sachse, gesagt haben, wir könnten einen großen Konzern nicht zwingen, sich einen bestimmten Standort zu suchen. Das ist doch genau das Problem, um das es geht.

(Herr Sachse, SPD: Das gehört nicht hierher!)

Es geht um die Frage, wie hoch und wie bestimmend die kommunale und damit die regionale Mitentscheidung bei einem zukünftigen großen Regionalversorger ist.

Ich will noch einmal deutlich sagen, dass es sich an dieser Stelle um einen entscheidenden Punkt handelt, um den Punkt nämlich, ob wir einen Regionalversorger haben, der von Essen, von Düsseldorf oder von sonst woher bestimmt wird, oder ob wir einen Regionalversorger haben, bei dem die Kommunen in der Region mitbestimmen können und das Ganze nicht nur den Charakter der verlängerten Werkbank hat.