Die Firma hätte sich nach der Teltschik-Behauptung ruhig verhalten können, weil sie dergleichen nicht kommentieren muss. Die Firma hätte sich auch ruhig verhalten können, weil sie der Meinung ist, dass die Behauptung zwar schwer zu beweisen, aber im Grunde zutreffend sei. Aber genau das hat sie nicht getan.
Auch aus einem bekannt gewordenen Schreiben des BMW-Vorstandsvorsitzenden Milberg vom 2. August 2001 an unseren Ministerpräsidenten geht dies gleichermaßen hervor. Beides, der Vorgang der Ansiedlung und das Dementi, sind ein Beweis für die Attraktivität unseres Landes für Investoren.
Aber, meine Damen und Herren, da ich gerade beim Gut- oder Schlechtreden unseres Landes bin, lassen Sie mich bitte einiges Weitere anmerken.
Die Diskussion über den Landeshaushalt kann nur unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Land sinnvoll geführt werden. Für unser Land Sachsen-Anhalt müssen wir leider feststellen, dass die Stimmung schlechter ist als die Lage. Weil die Stimmung sowohl für das Wohlbefinden der Menschen von Bedeutung ist, als auch Rückwirkungen auf die Entwicklung selbst hat, ist es unsere Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass sich die Stimmung verbessert und der Lage anpasst.
Leider hat sich nachhaltig eine Rote-Laternen-Mentalität ausgebreitet. Bei objektiver Betrachtung steht SachsenAnhalt jedoch keineswegs schlechter da als der Durchschnitt der anderen neuen Bundesländer. Den hohen Arbeitslosenzahlen und der hohen Landesverschuldung stehen zahlreiche Spitzenpositionen des Landes Sachsen-Anhalt gegenüber. Auch darüber sollten wir sprechen. Heute ist eine Gelegenheit dazu.
Ich will nur einige Punkte nennen: Sachsen-Anhalt erzielte die größte Steigerung des Bruttoinlandsproduktes je Erwerbstätigen im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer.
Zwischen 1995 und 2000 war ein nominales Plus von 12,454 DM bzw. ein reales Plus von 10,633 DM je Erwerbstätigen im Lande zu verzeichnen.
Sachsen-Anhalt weist für den Zeitraum von 1991 bis 1998 die höchsten Industrieinvestitionen pro Einwohner von allen ostdeutschen Bundesländern auf.
Im Rahmen der EU-Strukturförderung hat SachsenAnhalt in der Programmperiode von 2000 bis 2006 von allen ostdeutschen Flächenländern den größten prozentualen Anteil, nämlich 27 % der Finanzmittel, im Schwerpunkt Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der gewerblichen Wirtschaft veranschlagt.
Hinsichtlich des Bestands an ausländischen Direktinvestitionen nimmt Sachsen-Anhalt Ende 1999 eine deutliche Spitzenpositionen unter allen ostdeutschen Bundesländern ein. Im bundesweiten Vergleich belegt SachsenAnhalt sogar Rang 8.
Sachsen-Anhalt ist weltweit einer der modernsten Chemiestandorte und hat in diesem Bereich die höchste Arbeitsproduktivität im Vergleich der ostdeutschen Länder.
Die Landwirtschaft und eine moderne, leistungsfähige Ernährungsindustrie nehmen Spitzenpositionen ein, die ich im Einzelnen nicht nennen möchte.
Sachsen-Anhalt hat als erstes Bundesland beim digitalen Hörfunk, dem so genannten DAB, den Regelbetrieb ermöglicht.
Bei der Internet-Nutzung belegt Sachsen-Anhalt den vordersten Platz unter allen deutschen Bundesländern.
Sachsen-Anhalt weist den höchsten Anteil vermittelter Ausbildungsbewerber aller Bundesländer für die Jahre 1998 bis 2000 auf - und so weiter und so fort.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele abschalten, wenn man diese Positionen, Zahlen und Fakten nennt, und sagen, das wolle man nicht hören; man sollte besser über die hohe Zahl der Arbeitslosen reden.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank - Herr Dr. Bergner, CDU: Weil es nicht der Realität entspricht! Das ist der Punkt! Wer die Realität erlebt - -)
Aber alles, was positiv ist, dürfen wir uns nicht schlechtreden lassen. Dafür haben wir auch eine Verantwortung. Ich fordere Sie auf, alle diese Fakten und Zahlen in Ihre Betrachtungen einzubeziehen, wenn Sie zusammenfassende Wertungen über unser Land Sachsen-Anhalt vornehmen.
Nun einige Bemerkungen zu anderen Einzelplänen. Uns Sozialdemokraten tut es stets besonders weh, wenn der Sozialhaushalt gekürzt werden muss. Gerade in schwierigen finanziellen Situationen ist es erforderlich, klare politische Schwerpunkte zu setzen. Genau das haben wir getan. Bei der Förderung der beruflichen Qualifikation, die wir brauchen, um die Menschen für die Anforderungen des Arbeitsmarktes fit zu machen, wird kein einziger Euro gespart.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich daran anschließend einige Gesichtspunkte zum Problem der hohen Arbeitslosigkeit anfügen. Im Zusammenhang mit dem Wirtschaftshaushalt konnten wir deutlich machen, dass mit Investitionen und Ansiedlungen bei der Schaffung von industriellen Arbeitsplätzen und Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt allgemein viel geleistet wird und vieles erreicht wurde. Aber die Massenarbeitslosigkeit kann dadurch nicht völlig beseitigt werden.
Also brauchen wir unverändert den zweiten Arbeitsmarkt, jedoch stets in einer an veränderte Verhältnisse angepassten Form. Die Verzahnung zwischen dem ersten und dem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt hat immer stärkere Ausmaße angenommen. Schon jetzt fließen etwa 3 von 4 DM aufgrund der Ausbildungs- und Arbeitsmarktpolitik unseres Landes direkt in die Wirtschaft. Obwohl wir noch immer die höchste Arbeitslosigkeit in Deutschland haben, gibt es in letzter Zeit einen Hoffnungsschimmer, gibt es eine positive Tendenz.
Die letzten Arbeitslosenzahlen sind zwar noch immer unerträglich hoch, aber sie sind stärker gesunken als in allen anderen neuen Bundesländern. Der Abstand zu Sachsen, das so oft und heute wieder als leuchtendes Beispiel genannt wird, hat sich auf zwei Prozentpunkte vermindert. Daraus können wir schließen, dass wir auf einem guten Weg sind, wenngleich keinerlei Veranlassung besteht, uns beruhigt zurückzulehnen und die Entwicklung abzuwarten.
Das Sorgenkind Baugewerbe, wo während der vergangenen Jahre der größte Verlust an Arbeitsplätzen zu verzeichnen war, hat möglicherweise die größte Krise hinter sich. Jedenfalls hat sich die Stimmung im August leicht verbessert. Firmenumfragen sprechen von einer
Aufwärtsbewegung im Hoch- und auch im Tiefbau. Dazu werden im kommenden Jahr Steigerungen im Einzelplan 14 beitragen.
Die investiven Ausgaben in den Hauptgruppen 7 und 8 des Haushaltsplanes steigen um fast 31 Millionen Euro. Das entspricht einer Steigerung von 6,5 %. Davon sind 10 Millionen Euro für den Straßenbau und 1,4 Millionen Euro für den Stadtumbau vorgesehen, was einer Steigerungsrate von 81 % entspricht. Somit kann man auch an diesem investitionsintensiven Haushalt die Bemühungen zur Entwicklung des Landes klar und profilbildend erkennen. Eine ähnliche Situation haben wir im Einzelplan 15, im Umweltbereich.
Meine Damen und Herren! Allerdings ist die bemerkenswerteste Ausgabensteigerung in dem Gesamtkomplex von Wissenschaft und Forschung zu finden. Im Einzelplan 06 handelt es sich um eine Steigerung um 10 % auf 602 Millionen Euro. Das sind Ausgaben für die Zukunft. Dagegen wird, wie ich hoffe, selbst die Opposition nichts vorbringen können und wollen.
Die Gesamtausgaben in diesem Einzelplan steigen um 51 Millionen Euro. Das sind 8,5 %. Den Universitäten und Fachhochschulen wird damit eine sichere Ausstattung und zugleich eine gute Entwicklungsmöglichkeit garantiert.
Den größten Aufwuchs in diesem Gesamtbereich finden wir bei der Förderung der außeruniversitären Forschung. Es handelt sich um eine Steigerung von fast 30 % auf 85 Millionen Euro. Dieser Bereich ist somit am markantesten profilbildend im Gesamthaushalt.
Meine Damen und Herren! Auf den Kulturhaushalt haben wir seit Jahren ein besonderes Augenmerk gerichtet, weil in Zeiten knapper Kassen stets die Gefahr besteht, und zwar gleichermaßen im Bund, im Land und in den Kommunen, dass bei der Kultur als einer so genannten freiwilligen Aufgabe am leichtesten gespart wird. Dort erscheint der Widerstand am geringsten.
Wir sehen diese Gefahren auch und kämpfen seit Jahren erfolgreich dagegen an. Wir wollen bei rund 1 % des Gesamthaushalts bleiben. Das ist zwar nicht ganz gelungen, aber ein Absinken um weniger als 1,5 Millionen Euro dürfte angesichts der übrigen Einschnitte gerade noch verschmerzbar sein - obwohl auch ich mir das volle Prozent gewünscht hätte.
Meine Damen und Herren! Kommen wir zu dem größten Haushaltsposten, dem letzten, den ich gesondert anspreche. Es handelt sich um das Geld für die Kommunen. Darüber gibt es die deutlichsten und verständlicherweise breitesten politischen Auseinandersetzungen. Deswegen sei meinerseits gleich am Anfang Folgendes klargestellt: Die SPD-Fraktion braucht in diesem Bereich keinen Nachhilfeunterricht.
Die Hälfte der Abgeordneten der SPD-Fraktion ist auch Mitglied in Kreistagen, Stadträten und Gemeinderäten. Eine große Anzahl von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern in meiner Partei - das reicht von Landräten und Oberbürgermeistern bis zu den vielen ehrenamtlichen Bürgermeistern, Stadträten und Kreistagsabgeordneten - steht mit der SPD-Fraktion in ständigem Kontakt.
Sie alle sagen übereinstimmend, dass die Kommunen noch viel Geld brauchen, um ihren künftigen Verpflichtungen nachzukommen, dass sie noch viel Geld brauchen,
um die Infrastrukturlücke zu füllen, und dass sie noch viel Geld brauchen, um vor Ort Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen. - Das alles wissen wir.
Bleiben wir aber beim Volumen der Einzelpläne und den weiteren Eckdaten des Haushalts. Stellen wir uns die Frage, woher jene 186 Millionen Euro kommen sollen, die jetzt in den Haushaltsplan weniger eingestellt sind. Bis jetzt hat niemand einen brauchbaren Vorschlag dazu gemacht.
Es bliebe also der Zugriff auf die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Innovation. Dazu sind wir nicht bereit. Es bliebe auch die Erhöhung der Neuverschuldung und damit die Frage, wer sich für wen verschulden soll. Dazu ist ein Blick in eine einfache Statistik hilfreich. Herr Kollege Böhmer hat das aus einer anderen Sicht vorhin schon so ähnlich dargelegt.
In den vergangenen Jahren betrugen die Zahlungen des Landes Sachsen-Anhalt an die Kommunen etwa 3,6 Milliarden Euro. Diese sollen nun auf 3,407 Milliarden Euro sinken.
Das Land Sachsen-Anhalt ist von allen neuen Bundesländern am höchsten verschuldet, und das sowohl absolut als auch bezogen auf die Einwohnerzahl. Betrachtet man die Anteile des Landes und der Gemeinden an der Gesamtverschuldung der öffentlichen Körperschaften, so beträgt die Gesamtverschuldung 16,8 Milliarden Euro; davon trägt das Land über 80 %.
Bei den Schulden je Einwohner des Landes ist der Vorsprung Sachsen-Anhalts noch größer. Bei den Kommunen sind wir jedoch nicht an erster, sondern an vorletzter Stelle im Vergleich der neuen Bundesländer.
In Sachsen ist es umgekehrt. Dort gibt es die geringste Pro-Kopf-Verschuldung je Einwohner des Landes und die höchste Verschuldung der Kommunen. Wir wollen ja nicht unbedingt sächsische Verhältnisse haben,
aber mit Blick auf die CDU-Fraktion muss schon die Frage gestellt werden, warum sich das Land zugunsten der Kommunen noch weiter verschulden soll und die Kommunen ihren zweitbesten Platz in den neuen Bundesländern beibehalten sollen.
Der Kollege Böhmer hat in dieser Frage ausgesprochen moderat zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich unserer Meinung ist.