Ich will einen zweiten Punkt ansprechen - ich muss mich jetzt einschränken und kurz fassen -, und zwar die Sache mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung. Damit haben wir eine wahnsinnig gefährliche Geschichte in der Hand. Der Bundeskanzler - ich habe es heute mit ihm - hat am 11. Juli 2001 erklärt, das müsse unbedingt möglich gemacht werden. Im Bundesrat ist wenn ich die Daten jetzt richtig sortiere - ein Gesetz mit diesem Inhalt, das eingebracht worden war, abgelehnt worden.
Das Land Baden-Württemberg und inzwischen auch das Land Bayern haben Gesetze eingebracht - deswegen haben wir gesagt: nicht nur im Bundesrat, sondern auch im Land Sachsen-Anhalt soll etwas getan werden -, nach denen sie über den Schutzzweck des Polizeirechts, also die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei gefährlichen Leuten, deren Gefährlichkeit im Vollzug erkennbar geworden ist - solche Fälle gibt es, wie Sie wahrscheinlich bestätigen müssen -, anordnen können.
Damit können Sie, Frau Ministerin, nicht mehr sagen: Wir tun das ja schon. - Baden-Württemberg hat das Gesetz, Bayern hat es eingebracht,
und in Sachsen-Anhalt beschwert sich die Justizministerin, dass wir es fordern, und sagt: Wir tun doch schon genug.
Das ist für mich ein Punkt, an dem wir sagen sollten: Warum nehmen Sie nicht unseren Alternativantrag an und nehmen auch die anderen Punkte auf, die im Übrigen - ich könnte das im Einzelnen belegen - in der Innenministerkonferenz von Herrn Püchel und anderen positiv bewertet worden sind? Wir bemühen uns dann gemeinsam. Sie werden, weil ich nichts von geistigen Vaterschaftsprozessen halte, sicherlich unsere Unterstützung erhalten, wenn Sie das Problem lösen.
Aber Sie sollten es lassen, etwas immer dann, wenn wir es fordern, erst einmal abzulehnen, weil wir uns nicht in der entsprechend geneigten Haltung diesem hohen Tische hier vorn nähern. Es geht uns um die Lösung der Sachprobleme. Deshalb bitten wir um Ihre Zustimmung zu unserem Alternativantrag.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Schubert, wenn Sie hier vorangestellt haben, dass auch Ihnen natürlich der Schutz unserer Kinder zuallererst am Herzen liegt, dann - ich weiß nicht, woran es liegt - nehme ich persönlich Ihnen das ab. Wenn allerdings Herr Brachmann etwas Ähnliches verkündet, dann kann ich ihm dies - es tut mir Leid - nicht abnehmen.
Wenn Frau Tiedge hier vorn bei diesem Thema in einer derart niveaulosen Art und Weise auftritt, dann kann ich nur sagen: Frau Tiedge, Sie sollten sich wirklich schämen.
(Frau Dirlich, PDS: Sie sollten nicht von Niveau reden! - Herr Prof. Dr. Trepte, PDS: Das ist eine Unverschämtheit! - Zuruf von Frau Tiedge, PDS)
Vielleicht ist dieses Niveau bei Ihren ehemaligen StasiFreunden angebracht gewesen. Aber ich glaube, bei diesem Thema und in diesem Hohen Hause mit persönlichen Beleidigungen -
(Zurufe von Frau Dirlich, PDS, und von Frau Tiedge, PDS - Herr Prof. Dr. Trepte, PDS: Eine Schande ist das!)
Sie legen immer so viel Wert auf Ihre juristische Ausbildung. Dann müssten Sie aber auch wissen - - Frau Tiedge, wenn Sie den Rechtsstaat meinen und potenziell alle Leute, alle Männer kriminalisieren, dann müssten Sie eigentlich enormen Protest dagegen erheben, dass die Bundesregierung beabsichtigt, dass zukünftig biometrische Daten und Fingerabdrücke im Ausweis erfasst werden sollen.
Das alles dient der Sicherheit und widerspricht nach meiner Auffassung nicht dem Prinzip der freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Frau Tiedge, ich glaube, auch Lehrer und Erzieher in den entsprechenden Einrichtungen wären dafür dankbar, dass man sagt, wir wollen unsere Kinder schützen; denn das liegt diesen Lehrern und Lehrerinnen und Erziehern zuerst am Herzen. Ich glaube, an dieser Stelle liegen Sie etwas schief. Aber woher soll es auch kommen?
Ich habe heute noch etwas von Ihnen, Frau Ministerin Schubert, gehört, nämlich dass Sie - Herr Remmers hat es auch gesagt - schon alles tun, dass Sie sich einsetzen. Ich persönlich nehme Ihnen ab - ich sage das noch einmal -, dass Sie sich wirklich einsetzen. Aber die Frage ist: Was wurde erreicht?
Ob rein statistisch gesehen mehr oder weniger erreicht wurde, ist völlig unerheblich. Jedes tote oder jedes missbrauchte Kind ist ein Opfer zu viel. Dabei können wir doch nicht nach der Statistik gehen. Wir müssen sehen, was in den vergangenen Wochen passiert ist. Möglicherweise kommen jetzt viel mehr solche Taten an die Öffentlichkeit. Das ist nun einmal so. Aber wie stehen die Eltern, die Betroffenen zu dieser Geschichte?
Frau Schubert, Sie sagen, wir machen alles; wir verschärfen das Strafmaß; es wird längst umfassend geprüft, ob solche Täter noch Ausgang bekommen und ob sie, wenn es Risikofälle sind, wieder auf die Menschheit, auf Kinder losgelassen werden. Das alles wird ernsthaft geprüft; das gibt es schon alles. Das haben Sie gesagt.
Das Sicherheitsbedürfnis der Menschen im Land - mit diesen Ängsten spielen wir nicht; diese Ängste sind da und sie sind groß - ist groß. Die Menschen fühlen sich durch die derzeitige Rechtsprechung, durch die derzeitigen staatlichen Maßnahmen nicht mehr ausreichend geschützt.
Ich nenne Ihnen einige Beispiele. Dieses habe ich aus der „Welt am Sonntag“ entnommen. Es geht um den Fall der Michaela M. aus Schwindebeck in Niedersachsen. Die 13-Jährige ist seit drei Wochen Mutter. Der Vater ihres Sohnes Marvin heißt Detlef B., ein Fischwirt, 46 Jahre alt, aus dem Nachbarort. Michaela ging zu ihm, um mit seinen Pferden zu spielen, und übernachtete dort. Nachts hat er das Mädchen missbraucht. Sie hat aus Angst davor geschwiegen, ihre Mutter könnte schimpfen.
Als sie im sechsten Monat schwanger war, hat sie das Schweigen gebrochen. Die Eltern zeigten ihn natürlich wegen Kindesmissbrauch an. Seitdem will er sich an der Familie rächen. Rechtsanwalt Alexander Eggert sagt dazu: Er drohte Michaelas Mutter, sie mit Salzsäure zu übergießen. - Der Täter bleibt trotzdem auf freiem Fuß. Stattdessen muss Michaela auf Weisung der Behörden in ein Mutter-Kind-Heim außerhalb ihres Heimatortes ziehen. Das Kind empfindet das als Strafe für etwas, für das es nichts kann.
Ein weiteres Beispiel. Sven Vollmer aus Berlin-Spandau kennt das Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Justiz. Er erinnert sich noch genau an den Augenblick, als der Vergewaltiger seiner Tochter Zanin zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Mir blieb die Luft weg, sagt Vollmer mit bebender Stimme. Zwei Jahr zuvor war der Nachbarsjunge Kristian S. in einer Fabrikhalle brutal über die 13-Jährige hergefallen. Das Kind war schwanger und hatte eine Fehlgeburt.
Wer den Prozess um den mutmaßlichen Mörder der kleinen Ulrike verfolgt hat, der weiß auch um die Ängste und Sorgen der Eltern. Ulrikes Mutter fürchtet sich und sagt: Mit solchen so genannten kranken Tätern passiert in Deutschland nichts. Irgendwann läuft der wieder draußen frei herum. Bestätigt in ihren Ängsten wird sie von dem renommierten Opferschutzverein „Weißer Ring“ - auch das möchte ich anführen -; denn der „Weiße Ring“ mahnt ein klares und konsequentes Bekenntnis aller Verantwortlichen an, dem Schutz potenzieller Opfer eindeutig Vorrang vor risikobehafteten Resozialisierungsexperimenten einzuräumen - bislang ohne Erfolg. Frau Ministerin Schubert, genau das fordern wir auch.
Ulrikes Eltern sagen, sie können nur hoffen, dass der Mörder ihrer Tochter nicht mit einer paar Jahren Haft davonkommt. Sie können auch nur darauf hoffen, dass Richterin Dr. Jutta Hecht ihn nicht in eine psychiatrische Klinik einweist. Dass sie verantwortungsbewusster als einer ihrer Kollegen aus Frankfurt/Oder handelt, der erst im Juli dieses Jahres den Serienmörder und Vergewaltiger Frank Schmökel - alle mögen sich erinnern - erneut in eine psychiatrische Klinik einwies, obwohl dieser schon sechsmal aus solchen Kliniken ausgebrochen war und laut Gutachten längst als untherapierbar galt.
Ich könnte diese Litanei fortführen. Ich sehe, dass das Ende meiner Redezeit signalisiert wird. Aber die Frau Präsidentin hat Großzügigkeit zugesagt, weil die Frau Ministerin auch länger gesprochen hat.
Ich will nichts weiter dazu sagen. Ich denke, das reicht. Ansonsten würde die ganze Geschichte zerredet werden.
Viele Dinge unseres Antrages fallen in die Bundeszuständigkeit. Aber warum erstellt die Landesregierung hierzu nicht ein Konzept und schlägt vor, in welcher Richtung sie bei der Bundesregierung intervenieren und vorgehen will und welche Forderungen sie aufstellen will? Nur das wollen wir von der Landesregierung.
Ich habe vorhin gesagt, dass ich um namentliche Abstimmung bitte. Ich habe allerdings gehört, beide Anträge könnten nach der neuen Geschäftsordnung in den Ausschuss überwiesen werden. Daher bitte ich zunächst um die Überweisung unseres Antrages und des Alternativantrags der CDU in den Ausschuss. Ich denke, man kann hierbei noch einiges zusammenführen und könnte einiges ändern. Sollte das abgelehnt werden, bitte ich um namentliche Abstimmung zu unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren zu den Drs. 3/5026 und 3/5144. Es ist die Überweisung des Ursprungsantrages und des Alternativantrages in den Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt worden. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Keine Enthaltungen. Der Überweisungsantrag hat keine Mehrheit gefunden.
- Nein, zunächst wird über den Ursprungsantrag abgestimmt. Sollte dieser abgelehnt werden, wird über den Alternativantrag abgestimmt. So ist die Reihenfolge.
Herr Barth Nein Herr Becker Nein Herr Dr. Bergner Herr Biener Nein Herr Bischoff Nein Herr Prof. Dr. Böhmer Nein Herr Dr. Brachmann Nein Frau Brandt Enthaltung
Herr Büchner Enthaltung Frau Budde Nein Herr Buder Frau Bull Nein Herr Bullerjahn Herr Czeke Herr Dr. Daehre Frau Dirlich Nein Herr Doege Nein Herr Eckel Herr Dr. Eckert Herr Ernst Herr Felke Nein Frau Ferchland Frau Feußner Nein Herr Dr. Fikentscher Nein Frau Fischer (Naumburg) Nein Frau Fischer (Merseburg) Nein Frau Fischer (Leuna) Herr Gallert Nein Herr Gärtner Nein Herr Gebhardt Nein Herr Gürth Nein Herr Hacke Nein Frau Hajek Nein Herr Halupka Frau Dr. Hein Frau Helmecke Ja Herr Dr. Heyer Herr Hoffmann (Magdeburg) Nein Herr Hoffmann (Dessau) Herr Dr. Höppner Nein Herr Jeziorsky Nein Herr Jüngling Nein Frau Kachel Nein Herr Kannegießer Enthaltung Herr Kasten Frau Kauerauf Nein Herr Dr. Keitel Frau Knöfler Herr Dr. Köck Herr Koehn Nein Herr Kolde Frau Krause Herr Krause Nein Herr Kühn Herr Kuntze Nein Frau Dr. Kuppe Frau Leppinger Frau Liebrecht Nein Frau Lindemann Frau Ludewig Herr Meinecke Nein Herr Mertens Ja