Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

Danke sehr. - Das Wort hat jetzt die Ministerin Frau Budde.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gürth, ich werde Ihnen den Gefallen nicht tun, aus dem Thema eine bundespolitische Debatte zu machen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Es wäre aber interes- sant, was Sie zu dem konkreten Fall sagen!)

Auch wenn das ein Thema ist, das in der Tat und zu Recht stark emotionalisiert ist, werde ich versuchen, eine sachliche Debatte zu dem Thema zu führen, weil ich denke, dass nur das überhaupt weiterhilft.

Grund für die Debatte ist aus Ihrer Sicht das Beispiel der halleschen Firma HMB, die, so stand es in der Zeitung, - ich würde fast sagen: angeblich - vor dem Ruin steht, weil die Bundesregierung die Bauleistungen für das Bundeskanzleramt nicht gezahlt hat. Mittlerweile ist etwas Zeit vergangen. Wir haben auch andere Meldungen von der Firma selbst in der Presse lesen können.

Ich denke, aufgrund der Abfolge, wie sich die Firma selbst in der Öffentlichkeit geäußert hat, sollte zumindest diese harte Aussage relativiert werden; denn die Beiträge, die des Weiteren von der Firma in der Presse veröffentlicht worden sind, lassen zumindest die Vermutung zu, dass es dort mehrere Fassetten der Wahrheit gibt.

Das Thema, das darunter liegt, ist in der Tat nicht nur eines, das man an dem von Ihnen plakativ gewählten Beispiel verdeutlichen kann. Es ist vielmehr ein Gegenstand vieler Debatten. Jeder kennt unzählige Beispiele. Auch diese unzähligen Beispiele sind in der Regel erst dann richtig betrachtet und richtig durchschaut, wenn man eine zweite und dritte Informationsrunde - nicht nur eine Diskussionsrunde - durchgeführt hat, weil diese vertraglichen Regelungen - der Bausektor im Allgemeinen, die Aufträge im Besonderen - immer eine Grauzone sind und es bei der Auftragsabarbeitung nicht nur die eine Wahrheit gibt.

Es ist richtig, dass wir alle, die Bundesregierung und alle Landesregierungen, krampfhaft versuchen, etwas gesetzlich zu regeln und zu erfassen, was gesetzlich allerdings nur beschränkt regelbar ist. Das Thema Zahlungsmoral lässt sich nicht abschließend gesetzlich regeln. Was Sie als eine Verlotterung der Sitten kritisieren, ist ein gesellschaftliches Problem, das sich nicht abschließend mit einem wie auch immer gestalteten Gesetz zur Verkürzung der Zahlungsfristen und zur Verbesserung der Zahlungsmoral regeln lässt. Ich will aber auf die Möglichkeiten, die wir sehen, um Verbesserungen zu erreichen, später noch eingehen.

Das Land Sachsen-Anhalt hat sich seit 1994 für eine Gesetzesänderung eingesetzt. Das war damals, unter der alten Bundesregierung, unter Ihrem Bundeskanzler Kohl. Im vorigen Jahr - man möge sich die Zeitspanne zwischen 1994 und 2000 vergegenwärtigen - ist endlich ein Durchbruch gelungen, weil nämlich nur eine bundeseinheitliche Regelung überhaupt greifen kann. Das ist die Krux bei dieser Sache.

Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 30. März 2000 das Gesetz zur Beschleunigung der fälligen Zahlungen beschlossen. Es trat am 1. Mai in Kraft.

Herr Bergner, wenn Sie so dazwischenmosern, sage ich Ihnen, das heißt „bundesweit“, nicht „Bundesregierung“. Das bedeutet, die Länder sind gemeint.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist nicht mein Grund!)

Die Länder werden unterschiedlich regiert. In den Ländern gibt es auch unterschiedliche Auffassungen darüber, was notwendig oder was nicht notwendig ist,

(Herr Dr. Bergner, CDU: Sagen Sie das mal den Handwerkern! Die werden Ihnen etwas anderes erzählen!)

weil die von Herrn Gürth monierte Verlotterung der Sitten - so hat er es bezeichnet - unterschiedlich ausgeprägt ist in den alten Bundesländern, in den neuen Bundesländern, in Westdeutschland und in Ostdeutschland. Von den einzelnen Landesregierungen, von den Verbänden und den Kammern wird das sehr unterschiedlich gesehen.

Das ist das grundsätzliche Problem, das dahinter steht. Ich werde Ihnen nachher noch sagen, welche Maßnahmen wir ergreifen wollen, um zumindest eine Entlastung für unsere Unternehmen zu erreichen und ihnen ein besseres Instrumentarium in die Hand zu geben.

Unbestritten ist aber trotzdem, dass schon mit dieser ersten Änderung des Gesetzes insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen Schützenhilfe erhalten haben. Man mag vielfältig darüber streiten, ob es reicht oder nicht reicht. Wir sind einen Schritt weiter als vor einem Jahr, insbesondere weil wir wissen, dass Appelle zur Steigerung der Zahlungsmoral überhaupt nicht helfen, sondern verpuffen.

Wir können so oft darüber diskutieren, wie wir wollen. Es ist ein privatrechtlicher Vertrag, für den von außen über das Gesetz Regelungen getroffen werden. Ob wir die Zahlungsmoral als gut oder schlecht empfinden, wird von den Vertragspartnern vielleicht wahrgenommen, aber hinsichtlich der Umsetzung bleibt immer eine Grauzone bestehen, die in der Verantwortung der Vertragspartner liegt.

Heute ist es so, dass Schuldner nach 30 Tagen im Verzug sind, wenn sie bis dahin die Forderungen nicht beglichen haben. Dies gilt unabhängig davon, ob sie gemahnt wurden oder nicht. Nach dem Ablauf dieser Frist kann der Gläubiger einen Verzugszins von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verlangen.

Ich weiß, was Sie sagen wollen, Herr Gürth. Die Unsicherheiten bei der Auslegung sind mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geheilt worden, das zum 1. Januar 2002 in Kraft treten wird. Was Sie jetzt vielleicht nachfragen wollten, kann ich vorwegnehmen. Wir gehen davon aus, dass dies in einem zusätzlichen Gesetzeswerk geheilt ist.

In der Tat ist auch weiterhin die grundsätzliche Gesetzeslage so, dass die Zahlungspflicht mit dem Eingang der Rechnung besteht. Ich weiß, dass es diesbezüglich Auslegungen gab. Das ist jetzt aber mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geändert, das am 1. Januar des nächsten Jahres in Kraft tritt.

Das Gesetz beinhaltet einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Es bringt Vorteile für die Unternehmer und Verbraucher, das ist unstrittig. Ich sage es noch einmal: Ich weiß, dass die gesetzlichen Regelungen von den Unternehmen als unzureichend empfunden werden, aber nur von den Unternehmen, die Probleme haben, ihre Rechnungen bezahlt zu bekommen, und nicht von denjenigen, die keine Probleme haben, ihre Rechnungen bezahlt zu bekommen.

Es wird nie eine absolute Sicherheit gesetzlicher Art geben. Es kann immer nur eine relative Sicherheit über

solche gesetzlichen Regelungen geben. Ich gebe Ihnen Recht, dass es eigentlich eine grundlegende Basis für das Engagement im Wirtschaftsleben sein muss, dass eine vereinbarte Leistung, die von einem Handwerksunternehmen erbracht wurde, auch bezahlt wird.

Ein Rechtssystem und die Justizeinrichtungen können aber nur eine schnelle Realisierung der Forderungen gewährleisten, wenn die im Gesetz enthaltenen Regelungen auch angewandt werden. Ansonsten können Sie hier noch zehn, zwölf oder zwanzig Reden halten und dabei immer wieder darauf verweisen, dass es im Gesetz geregelt werden müsse. Ein Gesetz ist nur so gut, wie es von den Unternehmen angewendet wird. - Das ist der zweite Teil.

Das Thema Zahlungsmoral ist in Ostdeutschland, insbesondere in Sachsen-Anhalt, sehr kritisch. Selbst wenn man heute davon ausgehen kann, dass man nicht mehr generell von einem Eigenkapitalmangel der Unternehmen sprechen kann, so gilt doch, dass es große Teile der sachsen-anhaltinischen Unternehmenslandschaft gibt - vor allem diejenigen, die wachsen wollen -, die noch kein ausreichendes Polster für schwierige Zeiten angelegt haben, und dass es deshalb umso stärker auf die einzelnen Unternehmen durchschlägt. Das ist die eine Seite der Medaille, die wir bisher betrachtet haben.

Aber es gibt auch eine zweite Seite der Medaille. Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass das Thema Zahlungsmoral und Zahlungsverhalten auch als Schlagwort benutzt und instrumentalisiert wird. Das muss man, wenn man diese Debatte führt, mit beachten. Ihr Verweis auf schlechte Zahlungsmoral ist durchaus auch manchmal eine Schutzbehauptung. Diese Fälle gibt es auch. Ein Gesetz muss immer die Abwägung zwischen diesen beiden Seiten finden.

Ob das bei der HMB der Fall war, kann ich nicht abschließend beurteilen. Sie wissen, dass die Arbeitsgemeinschaft die Verhandlungen wieder aufgenommen hat. Es sind komplizierte Abrechnungsverhältnisse. Da niemand von uns mit diesem Abrechnungsverhältnis direkt befasst ist, wird zurzeit niemand sagen können, wer Recht und wer Unrecht hat. Das wird das abschließende Verfahren ergeben. Dann können wir moralisch darüber urteilen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht möglich.

Im Übrigen ist es so, dass das Unternehmen noch keinen Bürgschaftsantrag gestellt hat. Auch heute morgen war noch kein Bürgschaftsantrag bei der PwC eingegangen. So wichtig dieses Unternehmen in dieser Größe ist - ich hätte es wirklich gern in dieser Region gehalten, was wahrscheinlich auch passiert

(Herr Felke, SPD: Passieren muss!)

- was auch passieren muss -, aber es muss geprüft werden, ob das Bundeskanzleramt oder die beauftragte Arbeitsgemeinschaft Zahlungen unrechtmäßig zurückgehalten hat.

Wenn das nicht so ist, dann gehört auch zu der Wahrheit zu sagen, dass wir schon mehr als einmal von dem Unternehmen angesprochen worden sind, und zwar immer in einer freundlichen Abwägung: entweder Aufträge oder vielleicht eine Bürgschaft. Auch das ist ein Schlaglicht, das man nicht unberücksichtigt lassen sollte, wenn man über den konkreten Fall öffentlich debattieren will.

Lassen Sie mich einige Dinge zum Gesetz und den gesetzgeberischen Maßnahmen sagen, die wir gern durchsetzen wollen. Themen sind immer wieder das Notaranderkonto oder die Amtsgerichte, bei denen strit

tige Summen hinterlegt werden sollen. Das ist bisher abgelehnt worden, aber wir werden es wieder einbringen und in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wieder darüber diskutieren. Die Begründung, es wäre zu teuer und die Bauten würden dann insgesamt zu teuer werden, ist zu prüfen. Ich hoffe, dass wir uns unter der Federführung von Frau Schubert durchsetzen können, wenn vorgeschlagen wird, die Amtsgerichte dafür zu nutzen; denn dann würde es wesentlich preiswerter werden.

Das wäre ein gutes letztes Wort. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wenn ich noch zwei Dinge, die wir einbringen wollen, nennen dürfte, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Aber bitte ganz kurz!

Das Zweite sind die Sicherheitsleistungen des Gesamtbaus und die Teilleistungen, die in Summen hinterlegt werden sollen. Dazu gibt es ebenfalls einen Antrag. Wir wollen insbesondere regeln, dass bei Generalunternehmern sichergestellt ist, dass die Subunternehmer nicht leer ausgehen. Denn das ist keine Frage des Geldes, sondern hier kann eine Sicherung des Geldes, das vom Auftraggeber an den Generalunternehmer weitergegeben worden ist, sehr preiswert dargestellt werden.

Der dritte Punkt, den wir regeln wollen, ist folgender das wird bei HMB zum Teil der Fall sein -: Wenn Planer und Architekten über die Gesamtleistung, die erbracht werden soll, unklare Aufträge erteilen, es dem Handwerker nicht klar und deutlich darstellen, dann sollen die Unsicherheit und das Risiko in Form von Geld auch von denjenigen, die den unklaren Auftrag gegeben haben, nämlich von den Planern und Architekten, mitgetragen werden. Das ist der dritte Bereich, den wir regeln wollen.

Ich denke, wenn wir diese drei Bereiche in den Beratungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe durchsetzen können - die Gespräche nimmt Frau Schubert selbst wahr und überlässt das nicht einem Vertreter auf der Arbeitsebene -, dann haben wir einen großen Durchbruch in diesem Bereich erreicht. - Danke.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Danke sehr. - Die Debatte wird mit dem Beitrag der Abgeordneten Frau Wiechmann fortgesetzt. Bitte, Frau Wiechmann.

(Frau Bull, PDS: O nee!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es gleich vorwegnehmen: Auch wir kritisieren die schlechte Zahlungsmoral im Land. Gerade im Bauwesen ist sie überproportional hoch. Trotz des neu geschaffenen Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen tut sich auf dieser Strecke so gut wie nichts. Dieses im

Mai 2000 verabschiedete Gesetz ist von uns abgelehnt worden, da es in seinen wesentlichen Punkten nicht greift, sondern ein stumpfes Schwert ist und keine Entlastung für die einzelnen Firmen bringt.

Die Zahlungsmoral in unserem Land ist nicht nur schlecht, sondern man kann sie, gelinde ausdrückt, sogar als kriminell bezeichnen. Hierbei zeigt sich einmal mehr die Unfähigkeit dieser Landesregierung, diesen Missstand insgesamt zu beseitigen. Unternehmer klagen - das ist das Schlimme dabei -, dass oft gerade die öffentliche Hand sehr säumig zahlt.

Die FDVP-Fraktion startete eine repräsentative Wirtschaftsumfrage in Sachsen-Anhalt, bei der 87 % der sich beteiligenden Betriebe das Gesetz in dieser Form ablehnten.

Meine Damen und Herren! Die Zahl der Insolvenzen auch durch Zahlungsausfälle - hat in Sachsen-Anhalt in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Es ist ein Viertel mehr an Insolvenzen als im letzten Jahr. In Zahlen ausgedrückt - wer das wissen will - sind das 589 Betriebe mehr, die aufgegeben werden mussten.

Meine Damen und Herren! Anlass zu dieser Aktuellen Debatte der CDU-Fraktion war der spezielle Fall der Halleschen Mitteldeutschen Bau AG, kurz HMB. Anlass dazu war offenbar ein Zeitungsartikel in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 11. Dezember 2001. Weitere Zeitungsartikel sollten folgen, allerdings stellten diese das Problem dann etwas anders dar.

Es mindert zwar nicht das Problem der schlechten Zahlungsmoral, meine Damen und Herren, aber es sollte auch der CDU-Fraktion bekannt sein, dass Abrechnungen im Bauwesen in dieser Höhe nicht sofort, sondern nach Prüfung in Raten, nach Baufortgang oder so, wie es vereinbart worden ist, beglichen werden.

Meine Damen und Herren! Die „Mitteldeutsche Zeitung“ ist offenbar einmal wieder Opfer ihrer selbst geworden, wie so oft in der jüngsten und auch der längeren Vergangenheit.