Protokoll der Sitzung vom 17.01.2002

Schaffen Sie einen Text, in dem Sie nicht Ohrfeigen austeilen, sondern schaffen Sie einen Text, der alle ermutigt, was Sie ja bereits machen, mit dem Rückenwind des Parlaments weiterzumachen. Genau das ist die Aufgabe dieser Stunde. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Herr Ministerpräsident, Frau Dr. Sitte hat eine Frage. Sind Sie bereit, darauf zu antworten?

Aber gern.

Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, wenn es erforderlich ist, dann wird sich dort auch der Bundeskanzler persönlich einschalten.

Nun ist es so, dass seit mehreren Monaten die Schließungsabsicht bekannt ist. Wenn der Ausschuss heute in seiner Beratung zu der Auffassung kommt, dass sich jetzt der Bundeskanzler persönlich einschalten sollte, obwohl meine Fraktion und ich meinen, dass diese Situation längst eingetreten ist, da im Grunde genommen die abschließende Entscheidung am Montag gefällt wer

den sollte, werden Sie das dann auch dem Bundeskanzler in genau dieser Schärfe sagen?

Welches Kriterium ist ausschlaggebend, damit er sich in diesen Prozess einschaltet? Die Entscheidung am Montag - ob es vertagt wird oder nicht, sei jetzt einmal dahingestellt - oder die Situation, die sich bereits in der Stadt ergeben hat?

Wir sind jetzt an einem komplizierten Punkt angekommen. Es gehört auch zu meinen täglichen Telefonaten, das Timetable an dieser Stelle so abzustimmen, dass das Ganze am wirksamsten ist. Die wichtigste Karte, die man im Spiel hat, muss man an der effizientesten Stelle ausspielen; sonst erreicht man nichts.

(Herr Gürth, CDU: Guck an!)

Es gibt eine Reihe von Arbeitern - sozusagen Botschaftern - in Sachen Kanzler, die auf den verschiedensten Ebenen auftauchen. Wenn jedoch der Kanzler auftaucht und redet, haben wir an dieser Stelle keine höhere Karte mehr. Dessen sollte man sich im Augenblick ganz gewiss sein und genau überlegen, ob man diese einsetzen möchte.

(Zurufe von Herrn Dr. Sobetzko, CDU, und von Frau Mewald, CDU)

- Sie können sich darauf verlassen, denn wir haben diesbezüglich auch etwas Erfahrung und kennen uns untereinander. Es wird sich in den nächsten Tagen - Stunden, möchte ich fast sagen - einiges zusammenschieben. Es gibt ein Zeichen dafür, dass das so sein wird; denn ich meine, Herr Ludewig versucht jetzt selbst, in dieses Timetable mit einem Gespräch hineinzukommen.

Wer Erfahrung darin hat, weiß, dass sich zum Schluss etwas zusammenbraut. Dazu kann ich nur sagen: Jeder, der den Vorständen von Bombardier erklärt und plausibel macht und durch seine Anwesenheit dokumentiert, was in Halle los ist und was passiert, wenn diese Entscheidung gefällt wird, ist mir recht.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Ja, das sage ich doch!)

Ich habe derzeit den Eindruck, dass sich der Vorstand von Bombardier noch nicht darüber im Klaren ist, was wenn er die Entscheidung trifft - auch ihm - nicht nur der Regierung - für ein Schaden, nicht nur finanzieller Art, entsteht.

Deshalb sage ich jetzt einmal: Es ist gut, wenn alle dies auch lautstark sagen, und es ist auch gut, dass wir darüber beraten. Daher machen wir das jetzt im Ausschuss so und bekommen das auch hin. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Prof. Dr. Böhmer, CDU)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wenn es keine weiteren Redewünsche gibt, dann unterbrechen wir jetzt den Tagesordnungspunkt 3 und setzen ihn nach der Mittagspause mit der Behandlung der Änderungsanträge bzw. des neu zu strickenden Antrages fort. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, um 15 Uhr pünktlich wieder hier zu erscheinen.

Unterbrechung: 14.04 Uhr.

Wiederbeginn: 15.07 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Mir ist berichtet worden, dass der Wirtschaftsausschuss noch tagt. Ich schlage Ihnen daher und da wir uns zeitlich ohnehin in einer Situation befinden, die nach unseren Ursprungsplanungen anders aussehen sollte, vor, dass wir den Tagesordnungspunkt 2 die Aussprache zur Großen Anfrage „Katasterwesen in Sachsen-Anhalt“ - jetzt aufrufen und die Debatte über Ammendorf nach dem Abschluss dieses Tagesordnungspunktes fortführen. Mir ist mitgeteilt worden, dass die Redner zu diesem Punkt anwesend sind. - Ich sehe gegen diesen Verfahrensvorschlag keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aussprache zur Großen Anfrage

Katasterwesen in Sachsen-Anhalt

Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 3/4639

Antwort der Landesregierung - Drs. 3/5043

Der Ältestenrat schlägt eine Debatte von 30 Minuten Dauer vor. Nach § 43 der Geschäftsordnung wird zunächst dem Fragesteller das Wort erteilt. Dann erhält es die Landesregierung. Nach der Aussprache steht dem Fragesteller das Recht zu, Schlussbemerkungen zu machen. Für die Debatte wird die folgende Reihenfolge vorgeschlagen: DVU, PDS, FDVP, SPD und CDU.

Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Herrn Becker für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich habe eigentlich nicht mit mehr Anwesenden gerechnet. Herr Präsident, dennoch sei mir gestattet, zu sagen, dass es sehr ungewöhnlich ist, dass während der Plenardebatte ein Ausschuss tagt. Wir haben es wegen der Wichtigkeit zugelassen. Aber dass die Sitzung des Wirtschaftsausschusses zeitlich so weit in die Plenardebatte hineingeht, bedauere ich außerordentlich; denn auch dieses Thema hätte ein klein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient.

(Herr Dr. Brachmann, SPD: Ich komme doch schon, Herr Becker!)

Wir sind von vielen sehr kritisch angeschaut und gefragt worden, warum wir uns mit einer Großen Anfrage einer solchen Spezialverwaltung widmen würden. Auch in unserer eigenen Fraktion - das will ich nicht verkennen hat es scheele Bemerkungen gegeben.

Ich will begründen, warum wir dies gerade bei dieser Spezialverwaltung getan haben. Wir haben es getan, weil der Herr Minister immer wieder im Lande auf und ab gefahren ist und gesagt hat: Das ist meine beste Verwaltung. Daraufhin wollten wir auch diese Verwaltung einmal auf den Prüfstand stellen; denn wir alle wissen das wissen insbesondere diejenigen, die in Verwaltungen tätig sind -, dass es mit Spezialverwaltungen so seine Probleme hat.

Ein Minister - nicht dieser, sondern generell - neigt dazu, die Aufgabe, die Spezialverwaltung zu kontrollieren und

zu überwachen und mit dieser zu diskutieren, seinem Staatssekretär zu übertragen. Dieser gibt diese Aufgabe flugs an seinen Abteilungsleiter ab, und der wiederum, überlastet mit vielen anderen Aufgaben, überlässt das Aufgabenfeld seinem Referatsleiter, der für die Spezialverwaltung zuständig ist. Dieser entwickelt sich immer mehr zu einem Spezialisten, sodass bald niemand mehr als dieser Spezialist weiß. Damit wird ein ungeheurer, fast beneidenswerter Freiraum geschaffen, den sich kein anderer Beamter in irgendeiner Verwaltung leisten kann.

Bei den Beratungen etwa über den Einzelplan 03 des Haushaltsplanentwurfs über das Kapitel Kataster- und Vermessungswesen werden selbst die sparsamsten Finanzer sagen: Weiter; interessiert uns nicht so stark; davon verstehen wir sowieso nichts. Das war der Grund dafür, dass wir gesagt haben: Schauen wir uns einmal diese Verwaltung an.

Herr Minister, wir haben uns sehr viel Mühe mit den Fragen gemacht. Übrigens wurde in keinem anderen deutschen Bundesland bisher eine so umfangreiche Große Anfrage zu dieser Spezialverwaltung gestellt, wie wir es getan haben.

Als wir die Antwort bekamen, war ich, nachdem ich die 80 Seiten zweimal gelesen hatte, zunächst geneigt, zu sagen: Das ist eine sehr gute Verwaltung; darauf können wir stolz sein. Herr Minister, aber dann habe ich einige Punkte mehr und mehr hinterfragt und musste feststellen, dass es doch einige Punkte gibt, die uns Anlass geben, heute hier einmal vorzutragen und nachzufassen, und an denen wir sagen, da müssen wir weitermachen.

Erstens. Einige Antworten sind relativ unpräzise, und zwar gerade an den Stellen, an denen sie hätten präzise sein können.

Zweitens. Wir wollen die Katasterverwaltung als eine zukunftsträchtige, zukunftstüchtige Verwaltung; das vermissen wir. Ich werde das begründen; denn es geht um die Verwaltungsreform.

Zum Dritten muss ich sagen, diese Verwaltung verhindert geradezu einen freien Boden- und Grundstücksmarkt. Ich komme darauf auch noch zu sprechen. Das ist etwas provokant. Ich tue das aber bewusst, um klarzumachen, worum es sich handelt.

Lassen Sie mich mit den unpräzisen Antworten anfangen. Das betrifft den Personalkörper. Wir haben genau gefragt, wie viele Mitarbeiter, öffentliche Bedienstete, arbeiten im Kataster- und Vermessungswesen. Hierzu werden ganz unterschiedliche Zahlen angegeben. Wenn man in der Antwort zu Punkt 1.2 nachschaut und die angegebenen Daten zusammenzählt, kommt man auf eine ganz andere Zahl, als sie im Stellenplan zu sehen ist. Wenn man dann die Erfolgsbilanz des Stellenabbaus sieht, kommt man wiederum zu einer ganz anderen Istzahl. Das sind also drei unterschiedliche Istzahlen.

Deshalb bitte ich doch darum, Herr Minister, dass ich noch während der Aussprache Klarheit darüber erhalte, wie viele Leute wir tatsächlich in den Kataster- und Vermessungsämtern, im Landesvermessungsamt und in der Regierungsbehörde, sprich im Innenministerium, haben. Wie viele sind es denn nun tatsächlich?

Es gibt noch einige andere Aussagen, hinter die man noch Fragezeichen setzen kann. Aus Zeitgründen möchte ich jedoch darauf nicht eingehen. Wir werden aber sicherlich noch Gelegenheit haben, in der einen oder

anderen parlamentarischen Weise auch über das Ende der Wahlperiode hinaus nachfassen zu können.

(Minister Herr Dr. Püchel: Dann können Sie wei- terfragen, ja!)

Nun komme ich zu dem Zweiten. Dabei geht es darum, dass ich und wir von der CDU meinen, die Verwaltung lässt eine genügende Aufgeschlossenheit gegenüber der heute Morgen diskutierten Verwaltungs- und Funktionalreform vermissen. Was meinen wir damit? - Meine Damen und Herren und alle diejenigen, die nicht in der Sache stecken, wir müssen uns im Katasterwesen vorstellen, auf der einen Seite ist das Kataster und auf der anderen Seite sind die Vermesser. Die Vermessungsarbeiten werden zu 80 % von öffentlich bestellten privaten Vermessungsingenieuren und noch zu 20 % von staatlichen Bediensteten ausgeführt.

Wir meinen, auch diese 20 % könnte man reinen Herzens privatisieren. Doch was sagt die Landesregierung hierzu? Was sagt der Spezialist, der Referatsleiter, der dem Abteilungsleiter die Hand führt, welcher wiederum dem Staatssekretär und der wiederum dem Minister die Hand führt? Er begründet es wie folgt, warum die 20 % erforderlich sind - ich darf zitieren, Herr Präsident -:

„Zudem hat der Staat zu gewährleisten, dass die Hoheitsaufgabe auch in Krisenzeiten erfüllt wird. Es ist deshalb nicht möglich, die Teilaufgabe“

- diese 20 %

„ganz zu übertragen.“