Protokoll der Sitzung vom 17.01.2002

Die Katasterverwaltung ist ja unter anderem auch deswegen so interessant, weil sie eine hohe Refinanzierungsquote hat, de facto eine fast vollständige Refinanzierung, weil wir natürlich in der Lage sind, über die Gebühren die entstehenden Ausgaben wieder hereinzubekommen.

Jetzt sage ich als Pragmatiker zu dem Problem, das Herr Becker aufgeworfen hat, Folgendes: Ich verstehe natürlich das Interesse der öffentlich bestellten Vermesser. Ich spreche aber auch als Finanzer: Ich habe natür

lich auch die Situation, dass es Landesbedienstete gibt. Um deren Tätigkeitsfeld geht es und auch um die Gebühren, die sie durch ihre Tätigkeit einnehmen.

Daher muss das Land schon sehr gute Gründe haben, deren Arbeit, sprich auch diese Einnahmequelle, nach außen wegzugeben und das Personal trotzdem zu behalten oder nur unter großen Schwierigkeiten abbauen zu können. Diesbezüglich haben wir einen Interessenkonflikt. Dieser Interessenkonflikt muss aber auch einmal benannt werden, weil Privatisierung an dieser Stelle nicht bedeuten kann, dass die Einnahmequellen weggehen und wir auf den Ausgaben, sprich auf den Personalkosten, sitzen bleiben.

Ein anderes Problem, das wir in diesem Zusammenhang haben, ist heute Morgen diskutiert worden. Wir haben in dem Entschließungsantrag formuliert: Aus der Sicht des Bürgers darf diese Kompetenzfrage, also die Frage, wem die Katasterverwaltung gehört, der Kommune oder dem Land, keine Rolle spielen. Also sollen in Zukunft auch die Rathäuser die entsprechenden Liegenschaftsauszüge an den Bürger übergeben können.

Wir, Herr Innenminister, müssen uns nun aber über einige gesetzliche Rahmenbedingungen Gedanken machen, die wir unter anderem mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1999 geschaffen haben. Wir müssen uns im Zuge der Umsetzung darum kümmern, inwiefern dann zum Beispiel gegenseitige Gebührenbelastungen zwischen Kommune und Land in diesem Bereich wirklich noch zukunftsträchtig sind oder ob wir, wenn wir eine Mischzuständigkeit haben, wenn also zwei Seiten auf der Geberseite aktiv sind, diese Dinge neu überlegen müssen.

Das sind die Fragen, die aus unserer Sicht jedenfalls in diesem Bereich wichtig sind. Ob am Ende möglicherweise das, was bis jetzt als Katasterverwaltung im Landesbereich ist, vielleicht irgendwann der Kommunalisierung unterliegen wird, was jetzt nicht der Fall ist - das ist im Antrag nicht enthalten -, oder ob es Varianten geben wird, beispielsweise eine weitere Zentralisierung der entsprechenden Außenstellen der Katasterverwaltung, der Katasterämter, vorzunehmen, ist eine Frage, die noch offen ist. Darüber werden wir noch diskutieren müssen.

Ich weiß aber, dass es in der vorliegenden Anfrage eigentlich um einen anderen Schwerpunkt geht. Worin die PDS-Fraktion im Bereich der Katasterverwaltung ihren Schwerpunkt sieht, denke ich hinreichend deutlich klar gemacht zu haben. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke schön, Herr Gallert. - Für die FDVP hat Herr Wiechmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unbestritten ist, dass die uns vorliegende Antwort der Regierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU eine echte Fleißarbeit ist, die auf 80 Seiten dargestellt wurde. Gestritten werden kann darüber, ob die entsprechende Qualität der Antwort der Landesregierung in jedem Falle eingetreten ist.

Wir sind der Meinung, dass hierbei sprachliche Absolutismen die Regel sind und dass die wirtschaftliche und

gesellschaftliche Entwicklung des Landes in gewissem Sinne geschönt dargestellt wird.

Beurteilt man die Inhalte der Antwort auf die Große Anfrage vor dem Hintergrund der Realität des Landes, dann ergibt sich auch für den kleinen Bereich des Katasterwesens genau das Gegenteil dessen, was im Wunschdenken der Landesregierung verhaftet ist. Man fragt sich schon, warum eine flexible Katasterverwaltung unabdingbar für Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Bürger sein soll. Antworten werden da nur unbedeutend gegeben.

Ein Kernpunkt - das wurde in zwei Diskussionsbeiträgen dargelegt - lautet: Muss die Vermessung unbedingt von öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren durchgeführt werden? Es sind 80 %; so steht es in der Antwort auf die Große Anfrage. Warum das so ist, wird wohl das Geheimnis der Landesregierung bleiben; denn das Land Bayern kennt keine öffentlich bestellten Vermessungsingenieure und leistet ausschließlich mit privat bestellten Ingenieuren ausgezeichnete Arbeit, ohne dass die öffentlich-rechtliche Einordnung des amtlichen Vermessungswesens darunter leiden würde.

Gemessen an seiner Bevölkerung führt auch das Land Nordrhein-Westfalen die Zahl der Planstellen der amtlich bestellten Vermessungsingenieure zurück. Es hätte insoweit der Landesregierung gut angestanden, sich mit der Positionierung der öffentlich bestellten und der privat bestellten Ingenieure durch das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen auseinander zu setzen.

Es kann doch nicht angehen, dass hier - darüber haben wir heute Morgen schon gesprochen - eine große Bandbreite an Maßnahmen für die Schlankheitskur des Staates angeordnet wird, während der Planstellenkegel für die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure für das Land Sachsen-Anhalt gewissermaßen aufgebläht wird.

Vermessungsingenieure, die öffentlich bestellt sind auch das ist hier schon vorgetragen worden -, sind teuer. Sie sind gut dotiert und kassieren darüber hinaus auch noch die Gebühren. Insoweit sind sie gegenüber den privat bestellten Ingenieuren privilegiert, was die Regelungen in Artikel 3 des Grundgesetzes und Artikel 7 der Landesverfassung bedenklich tangiert.

Es ist noch zu bemerken, dass viele Fragen in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage nur ungenügend beantwortet wurden. Es wurde oft am Thema vorbeigeschwiegen. Es bleibt auch ein Geheimnis der Landesregierung, warum 18 Planstellen der Besoldungsgruppe A 13 für den gehobenen Dienst und lediglich acht Planstellen der Besoldungsgruppe A 13 für den höheren Dienst ausgewiesen sind. Bezüglich der Planstellen in den Besoldungsgruppen A 14 bis A 16 ergibt sich ein Einsparpotenzial, auf das zurückgegriffen werden sollte. Es ist mir nicht klar geworden, warum das Innenministerium eine Stelle der Besoldungsgruppe B 3 für das Katasterressort ausgewiesen hat. Es würde höchst überraschen, wenn die Trägerin der roten Laterne die Planstelle des Schlusslichtes auch für das Katasterwesen aufgegeben hätte.

Es ist - das habe ich bereits gesagt - ein schweres Unterfangen, von der Landesregierung sachgerechte Antworten zu erhalten. Man wird der Landesregierung aber nicht absprechen können - das sagte ich eingangs -, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühte, irgendwie doch noch zu antworten. Das Be

mühen ist anerkennenswert, die vermittelten Inhalte sind jedoch ungenügend. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Danke schön, Herr Wiechmann. - Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Rothe.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Innenminister hat die Rolle der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure ausgiebig gewürdigt. Ein Ländervergleich zeigt, dass die 20:80-Regelung dem privaten Engagement einen angemessenen Spielraum lässt.

Ein völliger Rückzug der Kataster- und Vermessungsverwaltung aus der Liegenschaftsvermessung würde Kompetenz und Ausbildungskapazität gefährden. Vor allem das Innovationspotenzial, das sich aus der Kommunikation der Katasterämter mit den Antragstellern auf Liegenschaftsvermessungen ergibt, ist zu erhalten. Kundenbeziehungen erzeugen Leistungstransparenz und Verwaltungskraft. Dieser Motor der Modernisierung ist für unsere Katasterämter unverzichtbar. Eine Verwaltung ohne Kunden verödet und verliert die Fähigkeit, sich aus sich selbst heraus ständig zu erneuern.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich näher auf die Entwicklung der Vermessungs- und Katasterverwaltung eingehen. Aufbauorganisatorisch handelt es sich bei oberflächlicher Betrachtung um eine dreistufige Verwaltung: zwölf Katasterämter, ein Landesamt für Landesvermessung und Datenverarbeitung sowie das Ministerium als oberste Vermessungs- und Katasterbehörde.

Tatsächlich nehmen die Katasterämter und das Landesamt die Aufgaben der Vermessungs- und Katasterverwaltung in einem engen Aufgabenverbund ohne Überund Unterordnungsverhältnis wahr. Die zentralen Aufgaben werden im Landesamt, die dezentralen Aufgaben in den Katasterämtern erledigt. Der Verzicht auf die mittelinstanzliche Aufsicht verbunden mit der konsequenten Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips zwischen den Verwaltungsstufen war zusammen mit der Einführung neuer Steuerungsinstrumente auch Voraussetzung für die Reduzierung der Organisationseinheiten im Ministerium auf ein Referat.

Herr Wiechmann - wenn ich das an dieser Stelle sagen darf -, der von Ihnen angesprochene Beamte der Besoldungsgruppe B 3 ist sein Geld wert.

Mit einer Größe von durchschnittlich etwa 90 Bediensteten hat die Landesregierung Katasterämter geschaffen, die den wirtschaftlichen Einsatz von modernen technischen Geräten sowie einen flexiblen Personaleinsatz ermöglichen.

Im Landesamt für Landesvermessung und Datenverarbeitung werden neben den Landesvermessungsaufgaben vor allem die Fachsoftware und die untereinander verzahnten Fachverfahren für die Vermessungs- und Katasterverwaltung entwickelt und betreut. Es ist schon jetzt ein außerordentlich hohes Maß an Wirtschaftlichkeit erreicht.

Auch die innere Organisation der Vermessungs- und Katasterbehörden wurde reformiert. Dies wurde vor allem durch den konsequenten Einsatz der Informationstechnologie möglich. Unter Verzicht auf Sachgebiete und

Abteilungen wurden die Hierarchien in den Katasterämtern und im Landesamt konsequent abgeflacht. Mit lediglich zwei Hierarchieebenen ist in den Behörden eine flexible Organisationsform geschaffen worden, die eine prozessorientierte und ganzheitliche Aufgabenerledigung ermöglicht. Sie fördert eigenverantwortliches Handeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Neue Steuerungsinstrumente wie Contract-Management, Controlling sowie Kosten- und Leistungsrechnung sind eingeführt worden und haben sich bewährt.

Meine Damen und Herren! Wie in fast allen anderen Bundesländern auch weist das Vermessungs- und Katastergesetz des Landes Sachsen-Anhalt die Aufgaben des amtlichen Vermessungswesens besonderen staatlichen Fachbehörden zu. Sie beschränken sich bei der Wahrnehmung der Aufgaben auf den hoheitlichen Kernbestand. Möglichkeiten zur Privatisierung wurden von Beginn an ausgeschöpft. Die Vermessungs- und Katasterverwaltung des Landes Sachsen-Anhalt ist dem Leitbild des aktivierenden Staates verpflichtet.

Meine Damen und Herren! Die Leistungsfähigkeit der Vermessungs- und Katasterverwaltung hat sich in bemerkenswerter Weise entwickelt. Es hat sich gezeigt, dass sich die Anstrengungen der Landesregierung für das amtliche Vermessungswesen auszahlen. Ich denke, diese positive Bilanz sollte dieser Verwaltung ein Ansporn sein, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.

Wie wir der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion entnehmen können, sind die nächsten wichtigen Schritte bereits eingeleitet. In einem zehnjährigen Projekt werden derzeit in bundesweiter Abstimmung das Liegenschaftsbuch, die Liegenschaftskarte und die topografische Landesaufnahme in einer integrativen Datenbank zusammengeführt. Die ca. fünf Millionen Dokumente des Liegenschaftskatasters werden schrittweise in den nächsten Jahren in ein digitales Dokumenten-Management-System überführt.

Zur weiteren Steigerung der Effektivität und der Effizienz sowie zur weiteren Verbesserung der Bürgerfreundlichkeit ist vorgesehen, das Grundbuch mit dem Liegenschaftskataster und dem Bodenpreisinformationssystem in ein landeseinheitliches amtliches Grundstücksinformationssystem zu integrieren.

Meine Damen und Herren! Die Vermessungs- und Katasterverwaltung wird durch eine einheitliche Schnittstelle des Geo-Basisinformationssystems IT-gestützte Datenverbünde realisieren. Damit wird bislang verdecktes Wissen aus vorhandenen Datenbeständen organisationsübergreifend aktiviert. Synergieeffekte sind offensichtlich. Deshalb werden Liegenschaftskataster, Grundbuch, Bodenpreisinformationssystem und Landesvermessung zurzeit in ein integriertes Gesamtsystem überführt. Dieses Gesamtsystem ist über das IT-gestützte Landesportal internetbasiert zur Verfügung zu stellen.

Mit den modernen Informationstechnologien ist es möglich, mehr Bürgernähe für staatliche Leistungen auch über Bürgerbüros der Kommunen zu erreichen. Dies alles sind wichtige Meilensteine des Landes SachsenAnhalt auf dem Weg in die Wissens- und Informationsgesellschaft.

Mit der digitalen Führung sämtlicher Komponenten des amtlichen Geo-Basisinformationssystems hat die Vermessungs- und Katasterverwaltung die Weichen für einen virtuellen Zusammenschluss raumbezogener Informationen gestellt. Damit trägt diese Verwaltung dazu

bei - wie in der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten vom 9. November 2000 angekündigt E-Government in der Landesverwaltung Sachsen-Anhalts voranzutreiben.

Meine Damen und Herren! Der zeitweilige Ausschuss des Landtages hat sich im Herbst mit der vorgesehenen Integration von Grundbuch und Liegenschaftskataster zu einem Liegenschaftsinformationssystem befasst. Auch die kommunalen Spitzenverbände, die sich ursprünglich - Herr Gallert hat das angesprochen - für eine Kommunalisierung der Katasterverwaltung ausgesprochen hatten, begrüßten im Ausschuss diesen innovativen Ansatz, den das Kabinett schon am 15. Mai 2001 als Richtung beschlossen hatte.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Allerdings wird sich mancher an die Abteilung Liegenschaftswesen beim Rat des Kreises erinnert fühlen. Wir erfinden sie jetzt quasi neu als eine westliche Errungenschaft.

Durch die räumliche Zusammenführung der Grundbuchämter mit den Katasterämtern werden geplante Baumaßnahmen an fünf Amtsgerichtsstandorten im Zuge der Amtsgerichtsreform entbehrlich. Hierdurch können 15,5 Millionen € gespart werden. Die Kosten für Umbaumaßnahmen bei den Katasterämtern belaufen sich demgegenüber auf lediglich 750 000 €.

Wenn wir so weit sein werden, dass die Bürgerinnen und Bürger in den Gemeindeverwaltungen beglaubigte Auszüge aus dem integrierten Liegenschaftsregister erhalten, dann müssen sie in aller Regel weder das Grundbuchamt noch das Katasteramt aufsuchen. Dann ist auch eine Zusammenlegung der zwölf Katasterämter zu wenigen Katasteramtsbezirken realisierbar.

Mit anderen Worten, Herr Kollege Gallert: Ich denke, dass Zentralisierung und Dezentralisierung kein Gegensatz sein müssen. Es ist denkbar, dass die Zentralisierung des Einpflegens der Daten, verbunden mit einer dezentralen Struktur des Nutzerzugriffs, die wirtschaftlichste und zugleich bürgerfreundlichste Lösung ist. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Herr Gallert, PDS: Ja, ja!)

Danke schön, Herr Rothe. - Für die CDU-Fraktion hat noch einmal der Abgeordnete Herr Becker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich bedaure es sehr, dass Sie nicht auf das Liegenschaftsinformationssystem und seine Gefahren eingegangen sind und dass Sie auch nicht die von mir noch aufzugreifende Frage der Gebühren angesprochen haben, denn dort besteht wirklich ein Problem. Bevor ich aber darauf zu sprechen komme, nenne ich einen weiteren Punkt.

Herr Minister, ich habe nicht gesagt, dass die Aufgabe privatisiert werden soll. Ich bitte immer zwischen der Privatisierung einer Aufgabe und der Privatisierung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die damit öffentlich bleiben, zu unterscheiden. Das ist hier unstrittig der Fall. Das ist überhaupt nicht bestritten worden. Ich bedauere es, Herr Rothe, dass Sie das als gottgegeben hinnehmen. Wie wollen Sie jemals in der Opposition arbeiten,

wenn Sie hier immer alles als unabänderlich hinnehmen?