Protokoll der Sitzung vom 17.01.2002

Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen! Ich bitte Sie, einer Überweisung des Gesetzentwurfes in den zuständigen Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zuzustimmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wie bereits ausgeführt, ist keine Debatte vorgesehen. Wir kommen somit zum Abstimmungsverfahren. Durch die Frau Ministerin ist der Antrag gestellt worden, den Gesetzentwurf in den zuständigen Fachausschuss zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 10 abgeschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 11:

Beratung

Gesundheitsschutz und -förderung am Arbeitsplatz Schule

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/5209

Die Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Feußner. Es folgt eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge DVU, SPD, FDVP, PDS, CDU. Ich gehe davon aus, dass ein Vertreter der Landesregierung nach der Einbringerin sprechen wird. - Bitte, Frau Feußner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Arbeitsschutz ist Gesundheitsschutz. Im Mittelpunkt unseres Antrages steht die Gesundheit unserer Lehrer. Nach den Erkenntnissen der CDU vernachlässigt die Landesregierung zumindest im Bereich der Schulen die gegenüber den Lehrern und Schülern gebotene Fürsorge und Sorgfalt.

Unter der CDU-geführten Bundesregierung waren die Zahl der Fehltage und das Niveau des Krankenstandes in den Jahren von 1991 bis 1998 insgesamt rückläufig. Seit dem Jahr 1999 steigen die Zahlen wieder leicht an.

Bei den Lehrerinnen und Lehrern soll der Krankenstand nach unseren Erkenntnissen sehr hoch sein. Eine seit Jahren für Sachsen-Anhalt geforderte flächendeckende Krankheitsstatistik der Lehrer gibt es nicht. Obwohl die Schulen jeweils eine Statistik darüber führen, wird dies jedoch nicht zentral zusammengeführt.

Wie die Landesregierung mit dem Thema Gesundheitsschutz umgeht, zeigen unsere beiden Kleinen Anfragen, die von der Landesregierung bzw. vom Kultusministerium mehr als ungenügend beantwortet wurden.

In der Drs. 3/5121 wird uns in der Antwort auf Frage 4 der Unterrichtsausfall in der 13. Kalenderwoche des Jahres 2001 mitgeteilt. Das Kultusministerium erwähnt noch, dass allgemein gültige Schlussfolgerungen nur eingeschränkt zu ziehen sind.

Ich sage Ihnen: Es sind überhaupt keine Schlussfolgerungen daraus gezogen worden, weil die Datenerhebung des Kultusministeriums nicht die Wirklichkeit widerspie

gelt; denn im gewählten Erhebungszeitraum befinden sich die 9. und 10. Klassen üblicherweise im Betriebspraktikum. Außerdem sind im Frühjahr erfahrungsgemäß weniger Lehrer krank.

Selbst in dieser gezielt ausgewählten Woche betrug der durchschnittliche Unterrichtsausfall landesweit immerhin noch 7,3 %. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Unterrichtsausfall in einer normalen Woche noch höher ist. Wenn der Krankenstand im Jahr 2000 bundesweit nur 4,2 % betrug, zeigt dies, dass zumindest einmal genauer betrachtet werden muss, welche Ursachen für den hohen Krankenstand der Lehrer in unserem Land bestehen.

Bei einer offiziellen Vertretungsreserve von nur 2,5 % fallen effektiv mindestens 4,8 % des Unterrichts aus, der nicht einfach nachgeholt werden kann. Dies trifft insbesondere die schwächeren Schüler. Die Folgen sind uns allen aus der Pisa-Studie hinlänglich bekannt. Ein 13. Schuljahr kann man so nicht sinnvoll begründen. Oder soll es etwa die ausgefallenen Unterrichtsstunden kompensieren?

Nur wenn auch auf die Gesundheit der Lehrer geachtet wird, können diese unseren Kindern etwas beibringen.

Verehrte Anwesende! Eine präventive und dynamische Arbeitsschutzpolitik verlangt organisatorische und an der Gefahrenquelle ansetzende Maßnahmen, die der zeitgemäßen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnis und einem humanen Menschenbild verpflichtet sind. Das Arbeitsschutzgesetz fordert ein Arbeitsschutzmanagement ein, das installiert, entwickelt und aufgebaut werden muss.

Egon Olsen würde sagen, wir brauchen einen Plan. Diesen Plan gibt es aber offensichtlich weder im Kultusministerium noch in den staatlichen Schulämtern. Dieser Plan ist aber nicht mit der Forderung aus dem Arbeitssicherheitsgesetz gleichzusetzen, einen Arbeitsschutzausschuss zu gründen; denn der Arbeitsschutzausschuss soll und kann nur diesen so genannten Plan umsetzen.

Nach Auffassung der CDU hat es die Landesregierung seit Jahren versäumt, für die Schulen ein Arbeitsschutzmanagement entsprechend den gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.

(Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS)

Das Instrument der Gefährdungsbeurteilung ist eine wichtige Voraussetzung für die betriebliche Umsetzung und Kontrolle der Pflichten des Arbeitgebers und bedeutet eine erhebliche Unterstützung des präventiven Arbeitsschutzes. Die Pflicht zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung ist für die Schulen seit langem, nämlich seit dem Jahr 1997, abgelaufen.

Eine Gefährdungsbeurteilung beginnt damit, dass der Istzustand der Arbeitsbedingungen festgestellt wird. Dieser Istzustand muss dann bewertet und mit dem Sollzustand verglichen werden. Danach sind die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.

Da das Arbeitsschutzgesetz nicht ausführt, wer für die Gefährdungsbeurteilung verantwortlich sein soll, beginnt an dieser Stelle das Hin- und Herschieben der Verantwortung zwischen den ministeriellen Ressorts und das Abschieben an die Schulträger.

Die Unfallkassen haben eine bundesweit einheitliche Broschüre als Anleitung für eine Gefährdungsanalyse an

Schulen herausgegeben. Der Titel lautet „Beurteilung von Gefährdungen und Belastungen an Lehrerarbeitsplätzen“. Diese Broschüre enthält Arbeitsanleitungen zur Gefährdungsanalyse an Schulen und ist mit der Kultusministerkonferenz abgestimmt.

Das Kultusministerium hat die Forderung der Kultusministerkonferenz bisher überhaupt nicht erfüllt. Weder hat das Ministerium die Schulämter aufgefordert, Gefährdungsanalysen zu erstellen, noch haben die Schulämter den Schulleitern die Erstellung einer Gefährdungsanalyse offiziell und schriftlich übertragen. Selbst die Unfallkasse Sachsen-Anhalt als Versicherer der angestellten Lehrerinnen und Lehrer hat das Kultusministerium aufgefordert, das Arbeitsschutzgesetz entsprechend umzusetzen.

Nach § 6 des Arbeitsschutzgesetzes ist der Arbeitgeber zudem verpflichtet, eine Dokumentation über die Gefährdungsanalysen vorzulegen. Nach unserer Kenntnis ist das Land auch dieser Verpflichtung nicht nachgekommen.

Verehrte Anwesende! Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Land, vertreten durch den Kultusminister, nicht für die allgemeine Sicherheit der Lehrerinnen zuständig ist, sofern das Gebäude nicht dem Land gehört. Jedoch ist das Land im Rahmen seiner Fürsorgepflicht auf jeden Fall für den Gesundheitsschutz der Lehrer verantwortlich. Dieser Landesregierung muss die CDU daher vorwerfen, die Kommunen im Regen stehen zu lassen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Man darf nicht vergessen, dass sich immer noch Schulen nicht auf dem Stand der Zeit befinden. Wenn das Land argumentiert, es könne den Kommunen keine Vorschriften hinsichtlich des Baus und der Ausstattung der Schulen machen, so ist dies formal natürlich richtig betrachtet; aber der Landesregierung muss man vorwerfen, dass sie sich aus dem Schulbauinvestitionsprogramm förmlich zurückgezogen hat

(Zustimmung bei der CDU)

und die Kommunen mit den zum Teil maroden Schulen allein gelassen werden.

Auch an der Umsetzung des Arbeitssicherheitsgesetzes hapert es. Nach diesem Gesetz hat der Arbeitgeber Betriebsärzte und Fachkräfte für die Arbeitssicherheit zu bestellen. Arbeitgeber der Lehrer ist immerhin das Land. Die Kommunen sind demgegenüber nur für das Personal der Schulen wie Sekretärinnen und Hausmeister zuständig.

In der Drs. 3/5114 räumt das Kultusministerium in seiner Antwort auf die Frage 2 ein, dass bei der sicherheitstechnischen Betreuung des pädagogischen Personals in kommunalen Schulen Regelungsbedarf besteht. Dann beginnt das eigentliche Spiel. Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Richtig zuständig fühlt sich also niemand. Wie bei vielem in diesem Land wird nicht entschieden, sondern einfach laufen gelassen in der Hoffnung, dass einer irgendwo einknickt. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass dies auf dem Rücken der Lehrer und auch der Schüler ausgetragen wird.

Soweit die Forderung nach der Bestellung von Arbeitsmedizinern erfüllt wird, fehlt es an der Koordinierung der Arbeit. Die gewonnenen Erkenntnisse werden nicht zusammengefasst und demnach auch nicht ausgewertet.

Interessant zu erfahren wäre zum Beispiel auch, ob der Kultusminister einen landesweiten Bericht der Arbeitsmediziner hat und somit Erkenntnisse darüber vorliegen, warum der Krankenstand so hoch ist und wie Abhilfe geschaffen werden kann. Im Ausschuss werden wir daher die Frage stellen, ob die Betriebsärzte aus den neuen Schulämtern überhaupt schon einmal zusammengekommen sind, um ihre Erfahrungen und Erkenntnisse auszutauschen und zusammenzufassen.

Als ein weiteres Problem sehen wir die Arbeit der Arbeitsschutzausschüsse. Das Gesetz fordert die Bildung eines Arbeitsschutzausschusses an jedem Schulamt. Der Ausschuss muss mindestens einmal vierteljährlich Zusammentreten. In der Drs. 3/5114 behauptet die Landesregierung, in den neun staatlichen Schulämtern seien jeweils Arbeitsschutzausschüsse gebildet worden, die ihre Arbeit aufgenommen hätten.

Nach den uns vorliegenden Angaben soll im Schulamt Gräfenhainichen kein Ausschuss gebildet worden sein. Des Weiteren tagen die Ausschüsse in den Schulämtern Magdeburg, Eisleben und Staßfurt entgegen den gesetzlichen Vorgaben jeweils nur zweimal im Jahr. Im Schulamt Gardelegen hat sich der Ausschuss vor zwei Jahren konstituiert, aber noch nie getagt.

(Zuruf von Frau Krause, PDS)

Dies nur als Beispiel dafür, dass nicht ein Land schlecht ist oder schlechtgeredet wird. Diese Landesregierung erfüllt einfach ihre Pflichten nicht. Ich bitte deshalb darum, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP)

Danke sehr. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Kultusminister Dr. Harms. Bitte, Herr Minister.

Schön Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich kommen wir gern Ihrer Aufforderung in dem Antrag nach, einen schriftlichen Bericht über den Stand des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Schule vorzulegen.

Frau Feußner, Sie haben sehr richtig die Drs. 3/5114 und 3/5121 zitiert, in denen eine Vielzahl von Fragen beantwortet worden sind. Ich will das an dieser Stelle nicht wiederholen, um die Debatte nicht zu verlängern.

Lassen Sie mich nur zwei Anmerkungen in diesem Zusammenhang machen. Sie haben eine Vielzahl von Daten gefordert. Sie wissen, dass auch die Ministerpräsidenten, die Ihrer Partei angehören, eigentlich der Auffassung sind, dass die Zahl der Statistiken reduziert und nicht erweitert werden sollte. An fast jedem Punkt, an dem es dann konkret wird, werden wieder neue Datenmengen gefordert, die sich in erheblichem Maße dann in Bürokratie auswirken.

Ich will einen zweiten Punkt sagen, der Sie vielleicht nachdenklich machen könnte. Sie haben vorhin wirklich eine bemerkenswerte Argumentationskette aufgemacht, die bei der Krankheit von Lehrern anfing, dieses dann in einen Zusammenhang mit dem Unterrichtsausfall brachte, was sich insbesondere zulasten schwächerer Schüler auswirke. Sie haben dann gesagt, die PisaStudie zeigt uns, wohin das führt, und damit kann man kein 13. Schuljahr begründen.

Das ist wirklich richtig bemerkenswert. Das ist Geistesakrobatik;

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Dr. Hein, PDS)

denn wenn Sie die Pisa-Studie gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass es dort überhaupt keinen Zusammenhang zum Unterrichtsausfall in Sachsen-Anhalt gibt. Das ist auch überhaupt nicht Gegenstand der Untersuchungen. Das ist auch gar nicht dargestellt. Wie Sie dann zu solchen Schlussfolgerungen kommen, ist mir schlicht unerfindlich.