Protokoll der Sitzung vom 17.01.2002

Nun hat der Ministerpräsident gesagt, ich soll die Minister nicht zensieren, weil ich gesagt habe, bei vielen über

wog Passivität. Nun sage ich einmal ganz deutlich: Herr Ministerpräsident Höppner, ich wundere mich über die Haltung von Ministern in dieser Frage überhaupt nicht. Das ist eigentlich ihre normale Funktion. Wenn ich über Kommunalisierung von Kompetenzen rede, bedeutet das, dass ich darüber rede, welche Kompetenzen aus den obersten Landesbehörden, sprich Ministerien, in die Kommunen abgehen, das heißt, welche Kompetenzen dieser Handlungsebene verlustig gehen. Dann ist es das Allernatürlichste der Welt, dass ein Behördenchef erst einmal nicht so wahnsinnig daran interessiert ist, dass die Kompetenzen aus seiner Behörde abwandern.

(Herr Becker, CDU: Das wissen wir beide! - Minis- terpräsident Herr Dr. Höppner: Sie haben einfach keine Erfahrung auf diesem Gebiet!)

Vor diesem Hintergrund, Herr Becker, sage ich, dass an der Stelle die Konstellation einer Minderheitsregierung überhaupt nicht kontraproduktiv sein muss.

(Oh! bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU, lacht)

Die Diskussionen, die wir in unserer Fraktion hatten, als wir ziemlich radikale Forderungen zur Kommunalisierung von Aufgabenbereichen gestellt hatten, waren in den meisten Fällen relativ sachlich und sind nicht so stark emotionsgeladen geführt worden. Sie führten in vielen Bereichen zu einem viel radikaleren Ergebnis, als es je in der Landesregierung und der SPD-Fraktion hätte entstehen können.

Ich bin noch einen Schritt ehrlicher: Wenn wir als Fraktion, die eine Regierung direkt stützt und dort ihre Vertreter hat, dieselbe Diskussion geführt hätten, dann wäre diese Diskussion bei uns auch sehr viel vorsichtiger gewesen.

(Herr Dr. Bergner, CDU, lacht)

Insofern ist die Situation einer Minderheitsregierung und einer Fraktion, die natürlich in gewisser Weise auch aus einer legislativen Distanz heraus daran mitarbeitet, in diesem Bereich nicht so schlecht.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Aber eigentlich müsste das durch die Richtlinienkompetenz des Minister- präsidenten gelöst werden! Das ist das Behar- rungsvermögen der einzelnen Ressorts!)

- Nein, wissen Sie, Herr Bergner, auch dazu habe ich eine ganz nüchterne Analyse. Auch der Ministerpräsident ist in diesem Zusammenhang gewissermaßen Chef der größten Behörde, nämlich der Landesregierung insgesamt. Insofern ist natürlich klar, dass sich auch aufgrund dieser Funktion eine gewisse Distanz zu radikalen Veränderungen etabliert. Das hängt nicht von der Parteizugehörigkeit ab. Das hängt einfach davon ab, dass man natürlich in dieser Funktion eine andere Aufgabe zu erledigen hat als die Legislative.

Insofern sehe ich diese Konflikte a) als naturgegeben an und sehe b) auch keinen Grund, sich darüber wahnsinnig zu beklagen und zu beschweren. Das ist halt so. Wenn unsere Fraktionäre und PDS-Mitglieder dort sitzen würden, würden sie sich auch nicht viel anders benehmen. Deswegen war diese Arbeit im Landtag notwendig, richtig und gut. Die Situation, dass die Regierung eine Minderheitsregierung ist, hat diesen Prozess aus meiner Sicht eher beschleunigt als verlangsamt. - Danke.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Metke, SPD - Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren, die Redezeiten sind damit bis auf die der Landesregierung erschöpft. Ich sehe aber kein Zeichen, dass die Landesregierung davon Gebrauch machen möchte.

Wir kommen somit zum Abstimmungsverfahren. Anträge auf Überweisung der Drs. 3/5208 sind nicht gestellt worden. Wir stimmen also direkt ab.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Bitte noch einmal die Drucksachennummer!)

- Drs. 3/5208, das ist Ihr Antrag. - Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei vier Enthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Drs. 3/5222. Wir stimmen direkt ab. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist das umgekehrte Bild. Eine Enthaltung. Dieser Antrag ist somit mehrheitlich angenommen worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

(Beifall bei der SPD, bei der PDS und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Wunschgemäß setzen wir die Sitzung jetzt mit dem Tagesordnungspunkt 3 fort:

Beratung

Erhalt des Waggonbaustandortes Ammendorf

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/5218

Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/5254

Änderungsantrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/5255

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/5259

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Felke. Es ist eine Zehnminutendebatte vereinbart worden. Ich bitte die Redner, im Rahmen ihrer Beiträge die Änderungsanträge mit einzubringen. Nach dem Einbringer wird Herr Minister Dr. Heyer für die Landesregierung das Wort ergreifen. Bitte, Herr Felke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Montag kommender Woche soll der Aufsichtsrat der DWA Deutsche Waggonbau GmbH im Bombardier-Konzern den Beschluss zum so genannten Optimal-PlantNetwork-Programm fassen. Dahinter verbirgt sich die strategische Planung der Geschäftsführung zur Neuausrichtung und Neustrukturierung der Werke, insbesondere zur Kapazitätsverlagerung aus dem Werk Ammendorf und dem Werk Vetschau sowie die damit einhergehende Aufgabe dieser Standorte. Dazu darf es nicht kommen.

(Beifall bei der SPD, bei der PDS und von der Regierungsbank)

Machen wir gemeinsam deutlich, dass wir diese Pläne entschieden ablehnen, dass es keine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Schließung gibt, dass die Argumente, die von Bombardier ins Feld geführt werden, sich weitgehend entkräften oder widerlegen lassen.

Meine Damen und Herren! In der November-Sitzung im vergangenen Jahr haben wir uns in einer Aktuellen Debatte mit dem Werk Ammendorf beschäftigt. Bei allem notwendigen Disput in der Sache sollten wir hier und heute deutlich machen, dass es ein breites Bündnis im Kampf um den Erhalt des Standortes gibt. Alles andere wäre nicht zuletzt auch gegenüber der Geschäftsführung von Bombardier ein verheerendes Signal.

Die jetzige Situation ist brisant. Der Schließungsbeschluss gehört von der Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung abgesetzt oder abgelehnt. Insofern haben wir kein Problem mit der vorgeschlagenen Änderung im PDS-Antrag. Weiteren konstruktiven Gesprächen zwischen der Landesregierung und dem Konzern darf nicht der Boden entzogen werden.

Meine Damen und Herren! Die gemeinsame Arbeitsgruppe der Landesregierung mit Vertretern der Belegschaft, der IG Metall, der Oberbürgermeisterin und den Vertretern von Bombardier hat mittlerweile dreimal getagt. In den Medien bezeichneten einige die Treffen als monoton und folgenlos. - Ich halte das für falsch. Jedem musste klar sein, dass die Verhandlungen nicht von heute auf morgen erfolgreich beendet werden, sondern dass sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken werden. Ein zähes Ringen um den Standort Ammendorf ist dabei das erklärte Ziel der Landesseite.

Ich betrachte es nach wie vor als einen Erfolg, dass es durch das Engagement des Ministerpräsidenten überhaupt zur Bildung dieser Arbeitsgruppe gekommen ist und sie den Konzernverantwortlichen regelrecht abgerungen wurde. Wenig hätte von der Konzernseite her dagegen gesprochen, bereits im letzten Dezember zu versuchen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Stattdessen gibt es mit der Arbeitsgruppe neben vielen anderen Aktivitäten ein Instrument, um öffentlich Druck zu machen.

Bombardier muss sich allerdings fragen lassen, worin das Verhandlungsmandat der eigenen Vertreter in diesem Gremium besteht, wenn man auf konkrete Vorschläge und Angebote seitens des Landes kaum einzugehen bereit ist.

Es ist die erklärte Aufgabe der Arbeitsgruppe, die Produktion und die Arbeitsplätze am Standort Ammendorf zu sichern. Mit anderen Worten ist damit nicht über die Ausgestaltung der Schließung zu reden, sondern über die Perspektiven zur Auslastung des Standortes.

Die Begründung von Bombardier für die neue Werkekonzeption basiert auf drei Hauptkriterien: wirtschaftliche Bedeutung und bestehende Verpflichtungen des Standortes, Werksauslastung und Mitarbeiterzahl sowie technische Fertigkeiten und außerdem Know-how und Erfahrungen der Mitarbeiter innerhalb der Organisation.

Wenn diese Kriterien letztlich das Entscheidende sind, kann es nur eine Antwort geben: Ammendorf ist weiter dabei,

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

zumal dieser Standort auch im direkten Vergleich mit anderen gut abschneidet.

Weiterhin will Bombardier, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, die Neuorganisation kapitalintensiver Aktivitäten in speziellen Werken bündeln, um damit eine stabilere Auslastung zu gewährleisten.

Genau dies kann auch vom Land unterstützt und begleitet werden. Für den Fall einer positiven Entscheidung für den Standort gibt es konkrete Angebote seitens des Landes hinsichtlich des Bestellvolumens, aber auch die Zusicherung, konkrete Investitionen zu unterstützen und sich über die Entwicklung und die Zukunftsperspektiven zu verständigen.

Im Ergebnis seiner Analyse kommt der Konzern zu dem Schluss, dass die Produktion am Standort Ammendorf in der zweiten Hälfte dieses Jahres auslaufen muss. Diese Schlussfolgerung ist, ohne dass ich mich als besserer Unternehmer darstellen will, aus den bisher bekannten Fakten so nicht herleitbar.

Richtig ist, dass es im Frühjahr und im Sommer dieses Jahres eine problematische Auftragssituation geben wird, bevor im Herbst bzw. Winter dieses Jahres mit den Baureihen ET 425 bzw. dem ICT-ET ein erheblicher Auftragsschub zu erwarten wäre. Mit einem Bekenntnis zum Standort ließe sich auch diese Situation meistern.

Zum einen wäre eine konzerninterne Verlegung der Produktion möglich. Zum anderen ist wiederholt aus der Belegschaft heraus die Bereitschaft erklärt worden, für die kritische Zeit im Jahr 2002 in diesem Zusammenhang auch Opfer zu bringen.

Für den Zeitraum ab dem Jahr 2003 zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Bombardier-Standorte in Deutschland insgesamt wegen der dann abzuarbeitenden Aufträge mit erheblichen Engpässen zu rechnen haben werden, sollten die Schließungen durchgesetzt werden. Unrealistische Darstellungen bis hin zum Dreischichtbetrieb in einzelnen Bereichen und unklare Vorstellungen von dafür erforderlichen Investitionen geben kein Bild, inwieweit der Konzern sich dieser Situation zu stellen gedenkt.

Infrage gestellt werden müssen auch Zahlen, mit denen sich Bombardier nach der geplanten Schließung reich rechnet. Während Bombardier zu dem Schluss kommt, bei einer Schließung des Werkes in Ammendorf ein positives Ergebnis von 16 Millionen € einzufahren, gehen die vom Betriebsrat eingesetzten Gutachter nach ersten Informationen von gravierenden Verlusten aus.

Kaum berücksichtigt wurden in der bisherigen Diskussion vom Konzern auch die mit der Auftragsverlagerung in Verbindung stehenden Fragen der Gefährdung des S-Bahn-Auftrages für Berlin in zeitlicher Hinsicht. Ebenso wenig wurden die erforderlichen Investitionen bei den aufnehmenden Standorten detailliert nachgewiesen. Genauso wenig ist das bis zum Jahr 2006 laufende Investitionsprogramm der DB AG für ICE und ICT-ET bisher in vollem Umfang berücksichtigt worden.

Ein nicht zu unterschätzender Punkt in der Diskussion um den Erhalt des Werkes in Ammendorf dürfte auch der Aspekt sein, dass Bombardier im Falle der Schließung Gefahr läuft, seine GUS-Kompetenz zu verlieren, was im Augenblick vielleicht verzeihlich erscheinen mag, für die Zukunft aber zumindest strategisch mehr als fragwürdig wäre.

Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass es gute betriebswirtschaftliche Gründe gibt, den laufenden Prozess anzuhalten. Die den Schließungsplänen zugrunde liegenden Daten sollten nüchtern der Analyse, die im Auftrag des Betriebsrates erstellt wurde, gegenübergestellt werden. Ich denke, dass hiermit gute Gründe für den Standorterhalt geliefert werden.

Alles andere als eine sachliche Abwägung aller Aspekte wären Schnellschüsse zulasten der Belegschaft, die in keiner Weise zu rechtfertigen wären. Deshalb kann es nur heißen: keine Entscheidung am 21. Januar 2002 bzw. eine deutliche Ablehnung der bisherigen Bombardier-Pläne.