Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der vorliegenden Drucksache erstattet der zeitweilige Ausschuss Funktional- und Verwaltungsreform/Kommunale Gebiets
reform dem Landtag seinen Abschlussbericht für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum heutigen Datum. Als Vorsitzender dieses Ausschusses möchte ich in der gebotenen Kürze diesen Bericht erstatten.
Grundlage für die Arbeit des Ausschusses war der Beschluss des Landtages vom 20. Januar 2000 in der Drs. 3/33/2562 B. In diesem Einsetzungsbeschluss wurde festgeschrieben, dass sich der Ausschuss unter anderem mit dem Leitbild für die Verwaltung Sachsen-Anhalts und mit dem Leitbild für eine Kommunalreform in Sachsen-Anhalt befassen soll.
Gleichzeitig sollte der Landesregierung ein parlamentarisches Gremium geboten werden, in welchem sie ihrer Informationspflicht nach Artikel 62 unserer Landesverfassung nachkommen konnte.
Der Einsetzungsbeschluss sah 13 Mitglieder und eine halbjährige Berichtspflicht an das Plenum vor. Die konstituierende Sitzung des Ausschusses fand am 23. Februar 2000 statt. Der Ausschuss hat insgesamt 31-mal getagt.
Im Rahmen der Selbstbefassung beschloss der Ausschuss in seiner 16. Sitzung am 29. Februar 2001, dass die kommunalen Spitzenverbände des Landes SachsenAnhalt zu den Anhörungen des Ausschusses hinzugezogen werden, soweit kommunal relevante Fragen zu erörtern sind und sie aufgrund der Vorlage aus den Ministerien davon betroffen sind.
Die Einbindung der kommunalen Spitzenverbände erwies sich in der Folgezeit als außerordentlich hilfreich, da viele konfliktträchtige Themen bereits im Stadium der Ausschussberatung einigermaßen geklärt werden konnten. Die Stellungnahmen der Spitzenverbände sind im Anhang des Abschlussberichts abgedruckt, sodass man dort unter anderem die Entwicklung der Positionen nachlesen kann.
Den ersten Schwerpunkt in der Arbeit des Ausschusses bildeten die Vorschaltgesetze. Nachdem der Landtag die Landesregierung bereits in seiner 39. Sitzung am 4. Mai 2000 aufgefordert hatte, auf der Basis der genannten Leitbilder den Entwurf eines Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform vorzulegen, wurden mit dem Ersten Vorschaltgesetz zur Kommunalreform die für eine Reform der Kommunalverwaltung notwendigen Änderungen der kommunalrechtlichen Vorschriften vorgenommen.
Mit dem Zweiten Vorschaltgesetz zur Kommunalreform und Verwaltungsmodernisierung wurden die Leitstrukturen bzw. Grundsätze der Verwaltungsstrukturreform als Zielvorgabe festgelegt. Dazu gehört beispielsweise die Schaffung eines Landesverwaltungsamtes ab dem Jahr 2005 und die Verlagerung möglichst vieler Aufgaben vom Land auf die kommunalen Körperschaften. Um auf der kommunalen Ebene die entsprechende Leistungsfähigkeit zur Übernahme weiterer Aufgaben zu schaffen, wurden in das Zweite Vorschaltgesetz auch wichtige Vorgaben für die künftige Kreisgliederung aufgenommen.
Das Dritte Vorschaltgesetz, das Verbandsgemeindeeinführungsgesetz, ist die konsequente Reaktion auf die in der Praxis festgestellten Unzulänglichkeiten in der Struktur der Verwaltungsgemeinschaften. Insbesondere das so genannte Trägermodell hatte sich nach den Feststellungen des Innenministeriums nicht bewährt.
Ziel sowohl der Kreisgebietsreform als auch der Gemeindegebietsreform ist eine deutliche Anhebung der
Mindesteinwohnerzahlen, um leistungsfähige Verwaltungseinheiten zu erreichen. Für Einheitsgemeinden hat der Gesetzgeber eine Mindestgröße - das wissen Sie ja alles - von 7 000 Einwohnern und für Verbandsgemeinden eine Mindestgröße von 10 000 Einwohnern gefordert. Für die Landkreise wurde die Grenze auf mindestens 150 000 Einwohner angehoben.
Diese Zahlen kommen nicht von ungefähr. Sie entsprechen den in der Verwaltungswissenschaft anerkannten Größen moderner Verwaltungseinheiten. So ist dies auch begründet worden. Sicherlich gab es im Ausschuss immer wieder einmal Zwistigkeiten über diese Auslegungsfragen.
Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben einen Anspruch darauf, flächendeckend im ganzen Land den gleichen Standard bei den Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung wie in anderen Bundesländern und wie in den Städten oder großen Gemeinden vorzufinden. Kleinstgemeinden und kleine Landkreise sind zudem - so die Ausschussmehrheit - nicht in der Lage, die zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen, die nach allgemeiner Auffassung heute in die Hand der Kommunen statt in die Hand der Landesbehörden gehören.
Den zweiten Schwerpunkt der Ausschussarbeit bildete die Aufgabenkritik bei den Ressorts. Nach der Analyse der jeweiligen Geschäftsbereiche musste für nahezu alle Teilaufgaben eine Entscheidung darüber getroffen werden, was mit diesen Aufgabenfeldern künftig zu geschehen ist. In vielen Fällen sprach sich der Ausschuss für eine Kommunalisierung aus, in anderen Fällen für ein Verbleiben der jeweiligen Aufgabe beim Land. Teilweise sprach sich der Ausschuss auch für einen Rechtsformwandel aus.
Für die beim Land verbleibenden Aufgaben musste in einigen Fällen - ich denke nur an die Bezügeverwaltung - eine andere organisatorische Anbindung gefunden werden. Unterschiedliche Auffassungen bestanden jedoch im Hinblick auf die Herangehensweise der Landesregierung, was eine grundlegende Aufgabenkritik anbelangt.
Meine Damen und Herren! Wirkliche Reformen waren schon immer eine undankbare Aufgabe. Bei den Betroffenen stößt die Verwaltungsreform im Allgemeinen auf Widerstand. Nur zu menschlich ist schließlich die Skepsis gegenüber Veränderungen. Der warme Sessel ist für viele doch zu bequem.
Mit dem Abschluss der Rahmenvereinbarung zwischen der Landesregierung und den Gewerkschaften wurde ein Instrumentarium zur Ausgestaltung der personellen Anpassung geschaffen. Auch in den Kreisen und Gemeinden des Landes gibt es leider - das ist jetzt meine persönliche Auffassung, aber auch die der Mehrheit im Ausschuss, Herr Jeziorsky - immer noch Widerstände, obwohl das Reformkonzept sehr stark am Prinzip der Freiwilligkeit ansetzt und der kommunalen Ebene noch bis Ende Oktober dieses Jahres die Gelegenheit gibt, zu eigenständigen Lösungen zu kommen.
Dazu ist gerade heute noch einmal ein Protestschreiben des Altmarkkreises Salzwedel eingegangen. Das werde ich noch verteilen lassen. Nur zu Ihrer Kenntnis: Wir befinden uns in einem dynamischen Prozess. Das hört mit dem heutigen Datum nicht auf. Sicherlich wird es auch künftig im Rahmen der Stabsstelle immer wieder Proteste geben, denn Veränderung tut Not, aber auch weh.
In anderen Bundesländern wurde in Anbetracht der nahenden Reform vereinzelt schon vom „Untergang des Abendlandes“ gesprochen. Die fernen Bürokratien in den Landeshauptstädten wurden als Technokraten abqualifiziert, und schon kurze Zeit nach der Etablierung der neuen Strukturen krähte kein Hahn mehr danach. Das ist nur ein Erfahrungsbericht, Herr Becker.
Die Bürgerinnen und Bürger haben sich sehr schnell an das bessere Angebot gewöhnt. Im Ergebnis hat eine Qualitätssteigerung bei der Kommunalverwaltung stattgefunden, die heute nicht mehr wegzudenken ist. Auf hochwertige kommunale Dienstleistungen hat der Bürger einen Anspruch. Von den ursprünglich geäußerten Argumenten gegen die Reform hat sich, so die Ausschussmehrheit, keines als richtig erwiesen.
Die Kommunalverwaltung ist nicht bürgerferner geworden. Bürgernähe ist schließlich im IT-Zeitalter nicht nur eine Frage der räumlichen Nähe zum Rathaus. Die Einführung von Ortschaftsverfassungen, über die wir auch sehr ausführlich diskutiert hatten, wird ebenso ihren Beitrag dazu leisten, die örtliche Identität zu wahren und das ehrenamtliche Engagement zu fördern.
Man kann daraus lernen, dass eine gewisse Durchsetzungsmacht erforderlich ist, um eine Verwaltungsreform größeren Umfangs zu realisieren. Dies gilt in Sachsen-Anhalt umso mehr, da zwei Reformdimensionen zusammenkommen.
Wie es in der nächsten Legislaturperiode weitergehen soll, ist in dem Beschluss des Landtages in der Drs. 3/68/5222 B vom 17. Januar 2002 nachzulesen, der dem Abschlussbericht als Anlage beigefügt ist. Wir haben uns also bemüht, möglichst umfassende Papiere auch diesem Bericht beizufügen, sodass jeder, der die eine oder andere Stellungnahme bisher noch nicht gelesen hat, dies im Abschlussbericht tun kann.
In dem Beschluss, den ich eben erwähnte, wird eine Bestandsaufnahme vorgenommen, welche Veränderungen im Aufbau der Landesverwaltung bereits erreicht sind, welche noch anstehen und welche Aufgaben noch vom Land auf die kommunale Ebene übertragen werden sollen, wenn die dortigen Einheiten die nach dem Zweiten Vorschaltgesetz erforderliche Leistungsfähigkeit erreicht haben.
Darüber hinaus bedarf bekanntlich nach dem Zweiten Vorschaltgesetz jede Veränderung von Kreisgrenzen eines förmlichen Gesetzes. Auch die Neugliederung der Gemeinden wird über weiter Strecken der führenden Hand des Gesetzgebers der nächsten Wahlperiode bedürfen.
Zudem wird die Übertragung von Aufgaben vom Land auf die kommunale Ebene in den meisten Fällen einer gesetzlichen Regelung einschließlich der damit zu bedenkenden kommunalen Finanzausstattung - darin war sich der Ausschuss ziemlich einig - bedürfen. - Das war keine einfache Mehrheit, das war die einmütige Auffassung im Ausschuss.
Schließlich ist nach unserer Landesverfassung die Grundstruktur der Landesverwaltung in einem Organisationsgesetz zu regeln, das quasi den Schlusspunkt der Reform bilden soll - wenn alles optimal läuft, also zum Ende der nächsten Wahlperiode. Das Thema Verwaltungsreform/Kommunalreform wird also auch den neuen Landtag und damit einen Teil der - mit Sicherheit auch im neuen Landtag noch vertretenen - hier anwesenden Mitglieder beschäftigen.
Abschließend möchte ich jedoch, wie das schon einige Redner vor mir getan haben, einige persönliche Worte sagen und Wünsche aussprechen, weil es auch meine letzte Rede in diesem Landtag ist.
Erstens. Ich hoffe, dass eine durchsetzungsstarke Mehrheit sowohl eine tiefgreifende Funktional- und Verwaltungsreform als auch eine zukunftsweisende Kommunalreform weiter umsetzen wird. Gestern wurde ich übrigens - auch das gehört vielleicht zu einer letzten Rede an einen bestimmten Satz aus dem Sommer 2000, den Unternehmensvergleich betreffend, erinnert: Auch für die Konsolidierung der Landesfinanzen sind Mut und Kraft gefragt.
Zweitens. Ich wünsche mir für die Politik, dass das, was dabei an den ZDF-Mehrteiler „Affäre Semmeling“ erinnert - die Erfahrung musste ich leider auch machen -, künftig sachlicheren und pragmatischen Handlungsweisen weicht.
Drittens. Ich hoffe und wünsche für unser Land - darin bin ich mir mit meiner Kollegin Anette Leppinger einig -, dass wir vom trojanischen Sozialismus verschont bleiben,
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Es ist keine Debatte vereinbart worden. Der Innenminister Herr Dr. Püchel hat dennoch um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Kommentar in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom vergangenen Sonnabend fanden sich unter anderem folgende zwei Aussagen:
In dem Spannungsfeld dieser Aussagen ist gerade der vorliegende Abschlussbericht ein deutliches Zeichen dafür, dass unser Land handlungsfähig ist und gerade nicht in einem „Zirkel des Jammerns“ rotiert.
Ein Verzicht auf einen Redebeitrag der Landesregierung im Hinblick auf den im Ausschuss verabredeten Verzicht auf eine Debatte würde die Chance vertun, dieses positive Signal noch einmal öffentlich zu machen. Wenn der Landtag die auch von ihm im zeitweiligen Ausschuss
geleistete Arbeit schon selbst nicht loben will, so will ich dies heute wenigstens namens der Landesregierung tun.
In vielen Politikfeldern sind wir von Entscheidungen auf Bundes- und auf Europaebene abhängig, wie zum Beispiel bei den verschiedensten Förderprogrammen. Hierbei besteht häufig eine Abhängigkeit von Entscheidungen, die sich einer unmittelbaren Einflussnahme durch die Landespolitik weitgehend entziehen. Wir können nur die Rahmenbedingungen beeinflussen und Angebote unterbreiten und das tun wir auch. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir die Problembereiche, die in unserer eigenen Entscheidungskompetenz liegen, gerade angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen entschlossen und tatkräftig angehen.
Meine Damen und Herren! Wer den vorliegenden Abschlussbericht durchblättert und sich ansieht, wie viele Gesetzentwürfe, Gutachten, Berichte und Stellungnahmen aus den unterschiedlichsten Verwaltungsbereichen innerhalb von nur zwei Jahren Gegenstand von Beratungen des zeitweiligen Ausschusses waren, muss diesem zunächst einen enormen Fleiß bestätigen, getreu dem Motto: Er hat sich bemüht. Bestätigung von Fleiß kann jedoch auch negativ klingen, was von mir absolut nicht gemeint ist; denn es ist ein sehr zielführender Fleiß gewesen, wenn man den heutigen Stand der Verwaltungs-, Funktional- und Kommunalreform mit dem Stand bei der Vorstellung meines Leitbildes vor gut zwei Jahren vergleicht.
Ich möchte diese Gelegenheit zum Anlass nehmen, den Mitgliedern des zeitweiligen Ausschusses namens der Landesregierung Dank dafür auszusprechen, dass sie sich - partei- bzw. fraktionsübergreifend - so engagiert und konstruktiv in die bisher umfassendste Modernisierungsphase für die öffentliche Verwaltung eingebracht haben.