Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

die Industrie- und Handelskammer Dessau bestätigt worden ist und die uns vorliegt. Darin heißt es:

„Die Große Anfrage hat wiederum den eklatanten Mangel in der Verkehrspolitik der Landesregierung deutlich gemacht: das Fehlen einer Landesverkehrskonzeption Sachsen-Anhalt.“

Weiter wird in der Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer dargelegt:

„Das viel zitierte Zielkonzept Verkehr wird in der vorliegenden Form von der Wirtschaft abgelehnt, weil es außer verkehrspolitischen Absichtserklärungen keine abrechenbaren, zeitlich fixierten und auf konkrete Maßnahmen orientierten Zielvorstellungen enthält. Die Vielzahl von in Auftrag gegebenen Gutachten, Verkehrsuntersuchungen und Verkehrskonzeptionen konnte diesen Missstand nicht beheben und hat wenig zu klaren verkehrspolitischen Zielführungen beigetragen.“

Herr Präsident, entschuldigen Sie, dass ich nicht im Vorfeld bei Ihnen nachgefragt habe, ob ich zitieren durfte. Ich hole das hiermit nach.

Meine Damen und Herren! Ich darf jetzt im Einzelnen zu der Großen Anfrage wie folgt Stellung nehmen. Beginnen wir mit der Diskussion, die in den letzten Tagen alles überschattet hat. Das ist das Thema Bundesverkehrswegeplan aus dem Jahr 1992.

Sachsen-Anhalt hat, was die Autobahnen angeht, von dem Bundesverkehrswegeplan 1992 überproportional profitiert. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass man Sachsen-Anhalt immer als Transitland angesehen hat. Ich denke, wir sind auch sehr froh darüber, dass wir so viele Kilometer Autobahn bekommen haben.

Im Übrigen, Herr Minister, fragen Sie immer, warum wir die Nordverlängerung der A 14 nicht schon damals mit aufgenommen haben. Ich habe mir noch einmal das Wortprotokoll der Diskussion im Bundestag im Jahr 1992 durchgelesen. Darin steht, dass die SPD-Bundestagsfraktion den Bundesverkehrswegeplan ablehne; er sei zu straßenlastig.

Wir dagegen haben im Jahr 1992 die Nordverlängerung der A 14 in den Landesentwicklungsplan aufgenommen; dieser hatte sieben Jahre Bestand.

(Beifall bei der CDU)

Erst im Jahr 1999 haben Sie dieses Gesetz geändert.

In den Jahren 1994 bis 1998 fand Autobahnpolitik in diesem Land aufgrund der Regierungsbeteiligung der Grünen überhaupt nicht statt. Ich will Ihnen gar nichts weiter unterstellen. Aber wegen der Grünen haben wir in den Jahren von 1994 bis 1998 quasi Stillstand gehabt. Ich erinnere an die Diskussion über die A 38, die wir Ihnen aufzwingen mussten, damit es weitergeht.

Meine Damen und Herren! Lassen wir die Vergangenheit im Moment beiseite und konzentrieren uns auf das Thema Nordverlängerung der A 14. Das wird nun natürlich ganz interessant.

Wir fordern seit Jahren, dass mit den Planungen begonnen wird. Es wurde uns immer erklärt: Das geht nicht. - Und nun stehen wir kurz vor dem 21. April 2002.

Ich sage es ein bisschen illustriert: Die roten Brüder sitzen alle drum herum, in der Mitte die rote Laterne. Es fällt ihnen nichts mehr ein. Der große Häuptling aus

Berlin soll kommen - und er kommt, meine Damen und Herren!

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Der große Häuptling kommt nach Magdeburg und erklärt: Zwischen Lüneburg, Magdeburg und Ludwigslust ist eine autobahnfreie Zone, und selbstverständlich bauen wir dort eine Autobahn. Was passiert? - Beifall von allen Seiten. Wir sind ja auch der Meinung, die Autobahn soll kommen. Wir sind ja froh darüber. Und auf einmal, nachdem der große Häuptling gesprochen hat, können wir mit den Planungen beginnen. Jetzt geht es los.

Es ist wirklich eine phantastische Sache, dass es jetzt losgeht. Bloß, wir wissen noch nicht so richtig, wie es denn losgeht. Da sagt nun der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern der „Süddeutschen Zeitung“: Na ja, die X-Variante könnte ich mir auch vorstellen.

Der SPD-Landrat aus der westlichen Altmark verlässt in Stendal die Diskussion ganz empört, weil er sagt, mit mir nicht abgestimmt, kann doch nicht sein, ihr macht es allein, wie ihr es wollt, die G-Variante. - So gibt es noch vieles andere mehr.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Es ist also überhaupt nichts klar. Nun leben wir Gott sei Dank in einer Demokratie, meine Damen und Herren. Wenn der Kaiser im Jahr 1913 gesagt hätte, wir machen das, dann wurde das gemacht. Aber wenn nun der große Häuptling aus Berlin sagt, die A 14 soll kommen, dann muss das haushaltsmäßig abgesichert sein. Sie haben in der Antwort auf die Große Anfrage vor vier Wochen noch geschrieben: Wir können nicht mit den Planungen beginnen, weil es noch nicht in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden ist.

Was gilt denn nun, meine Damen und Herren? Ein Wort auf einem Parteitag oder dass wir uns demokratisch legitimieren lassen und sagen: Jawohl, Kabinettsbeschluss, die A 14 kommt.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Kannegießer, DVU)

Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, dieses mit einem Kabinettsbeschluss zu untersetzen und zu sagen, wie es finanziert werden soll. - Das zur A 14, meine Damen und Herren, und zu dem, was da noch in den nächsten Wochen und Monaten kommen soll. Wir hoffen jedenfalls, dass sie nun kommt.

Interessanterweise sagt Herr Dr. Köck - damit möchte ich das Thema A 14 abschließen - in Stendal: Mit uns nicht. Autobahn gibt es nicht. - Ein paar Tage später rudert die Landesvorsitzende der PDS etwas zurück und setzt noch einen drauf. Frau Hein, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sagten Sie, die Autobahn allein reicht nicht; wir müssen noch mehr mit der Infrastruktur in der Altmark machen. Also noch eins drauf.

Herr Heyer sagt: Wir koalieren nur mit einem, der der Autobahn zustimmt. Herr Höppner sagt: Wir koalieren nur mit einem, der der Kreisgebietsreform zustimmt.

Meine Damen und Herren! Ich glaube kaum, dass Sie noch richtige Partner finden, wenn Sie so weitermachen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU, und von Herrn Kan- negießer, DVU - Herr Sachse, SPD: Warten Sie mal ab! - Ministerin Frau Budde: Wir haben kaum erwartet, dass Sie der Gebietsreform zustim- men!)

- Ja, das ist richtig. Aber wir warten das ganz locker ab.

Ein Letztes zu dem Thema. Ich lese in der „Volksstimme“: Autobahn A 14 schafft 12 000 Arbeitsplätze.

(Lachen bei der SPD - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Meine Damen und Herren! Als ich die Schlagzeile gelesen habe, habe ich gesagt: Gott sei Dank, jetzt geht es richtig los, 12 000 Arbeitsplätze.

Nun schaut man in der Broschüre der Deges nach, die unverfänglich ist, bei der man nicht vermuten muss, dass etwas Falsches drin steht. Diese ist auch von der Landesregierung und von der Bundesregierung abgesegnet worden. Darin lese ich nun: bei 1 Milliarde DM Investitionen für eine Autobahn 1 000 Arbeitsplätze in einem Zeitraum von jeweils vier Jahren.

Nun sage ich einmal: Die wird vielleicht 150 km lang ich schätze einmal, Herr Minister - und wird ein Volumen von 2 Milliarden DM haben. Ich weiß noch nicht, wie teuer sie durch Brücken usw. wird. Oder 1,5 Milliarden DM, das ist ja egal. Das würde aber nach offiziellen Aussagen bedeuten: Wenn wir ein Volumen von 1,5 Milliarden DM betrachten, dann wären das nach der Deges 1 500 Arbeitsplätze pro vier Jahre, also viel weniger als 12 000.

Nun kann man ein spielerisches Beispiel nehmen und sagen: 150 km sind 150 000 m. Das teile ich durch 12 000 - das ist die Zahl, die der Herr Minister verkündet hat -, und dann komme ich darauf, dass pro Arbeitsplatz in zehn Jahren - so lange dauert es vielleicht - 12 m Autobahn entstehen. Herr Minister, das haben wir 1936 mit Schippe und Schaufel gemacht.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU - Zu- stimmung von Herrn Weich, FDVP)

Wenn Sie die Autobahn so - mit den 12 000 Arbeitsplätzen - bauen wollen, dann kommen wir natürlich dahin. Demjenigen, der auf die Zahl 12 000 gekommen ist, muss ich sagen: Das ist unverantwortlich und widerspricht allen Aussagen von Fachleuten.

Ein zweiter Punkt betrifft das Thema Ortsumgehungen. In der Antwort auf die Große Anfrage ist richtigerweise dargestellt worden, dass vieles schon passiert ist. Wir bekommen natürlich auch Schreiben, zum Beispiel bezüglich der Ortsumgehung Oebisfelde. Auch das ist ein Thema, das bisher mit dem Land Niedersachsen nicht abgestimmt worden ist. Ich denke, darum müsste man sich kümmern, man müsste weiter dranbleiben. Wir sind auch der Meinung, dass bezüglich des Themas Ortsumgehungen im Land Sachsen-Anhalt auch über das Jahr 2003 hinaus vieles passieren müsste und dass sich auch der Bund dafür interessieren muss.

Dann kommen wir zu dem nächsten großen Thema, das sind die Landesstraßen, meine Damen und Herren. Hinsichtlich der Landesstraßen sieht es im Vergleich zu den Bundesstraßen und zu den Autobahnen alles andere als positiv aus. Wissen Sie, Sie kommen immer mit der Argumentation, wir hätten im Jahr 1993 50 Millionen DM eingesetzt und Sie setzten 100 Millionen DM ein. Selbstverständlich, 1913 hatten wir noch einen Kaiser. Dann müssen Sie schon sagen, wie viel Investitionsmittel wir im Jahr 1993 insgesamt im Haushalt hatten, und die Investitionsquote nennen, nicht nur einen Titel herausnehmen. Wir hatten im Jahr 1993 5 oder 6 % mehr Mittel für investive Ausgaben im Haushalt

(Herr Gürth, CDU: 10 %!)

als Sie in diesen Jahren. Das ist doch wohl unstrittig.

(Herr Sachse, SPD: Aber die wenigsten für den Straßenbau!)

In der Antwort auf die Große Anfrage sagen Sie selber, dass im Hinblick auf die Landesstraßen noch ein großer Nachholbedarf vorhanden sei und dass es im Land völlig unterschiedlich aussehe.

Es gibt Bereiche - da lade ich Sie gern ein; ich sehe gerade meinen Kollegen Stier, das ist unter anderem sein Wahlkreis - wie die westliche Börde. Wenn ich mir diesen Bereich anschaue und wenn ich dort über die Landesstraßen fahre, kann ich nur sagen: Nehmt einen mit, der fünf Schlaftabletten genommen hat; der wird, wenn er auf diesen Straßen 5 km gefahren ist, munter. So holpert es, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU)

Das ist Tatsache und da müssen wir, denke ich, noch sehr viel tun. Deswegen haben Sie es auch immer abgelehnt, einen Landesverkehrswegeplan aufzustellen, meine Damen und Herren. Darin muss ich nämlich Prioritäten setzen, da muss ich sagen, wann ich die Landesstraße in Oebisfelde oder in Zeitz oder wo überall bauen will. Der Landesverkehrswegeplan fehlt.

Nun sage ich auch eines: Wir können natürlich alles, was noch gemacht werden muss, aufschreiben; wir wissen auch, dass es noch sehr lange dauern wird, bis alles fertig ist.

Aber was unbedingt im Land Sachsen-Anhalt passieren muss, ist, dass wir uns mit den Brücken beschäftigen. Wir wissen, dass die Brücken teilweise vor 1945 gebaut worden sind. An vielen Brücken in Sachsen-Anhalt ist ein Verkehrsschild angebracht, auf dem steht, dass die Brücke nur noch mit Fahrzeugen bis zu 1,5 t - oder wie auch immer - befahrbar ist.

Das ist ein riesiges Thema, dem wir uns alle stellen müssen. Das kann nicht einer allein lösen. Um den Verkehr nicht noch zusätzlich von diesen Straßen wegzulenken, sondern ihn dorthin zu lenken, wo er möglich ist, müssen wir uns auch mit dem Thema Brücken beschäftigen. Sie geben in Ihrer Antwort auch zu, dass, was das Thema Brückenbau angeht, etwas passieren muss.

Kommunalstraßen, meine Damen und Herren, machen den größten Teil unseres Straßennetzes überhaupt aus. Dazu schreibt die Landesregierung selber richtigerweise, dass noch ein erheblicher Ausbaubedarf, insbesondere bei Gemeindestraßen, bestehe. Die Landesregierung hat sich aber nicht einmal der Mühe unterzogen, dieses Straßennetz zu klassifizieren. Im Monat Mai letzten Jahres veranlasste sie auf Zuruf die Rückmeldung von besonders eiligen Projekten durch die Gemeinden. Innerhalb weniger Tage meldeten die Gemeinden 828 besonders dringliche Projekte. Zusätzliche Mittel hat es aber leider, meine Damen und Herren, nicht gegeben.