Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Zur Sache. Sie haben die Antworten der Landesregierung auf der einen Seite zum Teil gelobt, aber auf der anderen Seite auch als mangelhaft bezeichnet. - Das hängt natürlich auch ein bisschen von den Fragen ab. Wenn man Fragen stellt, die nicht in der Zuständigkeit und der Kompetenz der Landesregierung liegen, dann kann man natürlich nur schwerlich umfassende Antworten erwarten.

Zum Beispiel die Frage nach den Verhandlungskapiteln. Das sind Dinge, die - wenn auch teilweise im Internet nachzulesen - vertraulich zwischen der EU-Kommission und den Beitrittskandidaten verhandelt werden.

(Zuruf von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Dabei hat die Landesregierung keinerlei Kompetenzen, da sie weder über den Bundesrat noch in anderer Weise an den Beitrittsverhandlungen in konkreten Kapiteln beteiligt ist.

Ich möchte aus den Fragen eine exemplarisch herausgreifen, über die Sie gesagt haben, sie sei unzureichend beantwortet worden, die Frage I.5. Aus der Antwort auf diese Frage haben Sie nur den Satz zitiert: „Eine besondere Betroffenheit des Landes Sachsen-Anhalt liegt abgesehen von den Problemen, die sich in Deutschland bzw. für die Länder insgesamt stellen, nicht vor.“ Die Antwort der Landesregierung ist aber insgesamt eine Seite lang, einschließlich eines Verweises auf das Internet. Das hätten Sie der Vollständigkeit halber erwähnen sollen;

(Frau Wiechmann, FDVP: Man kann viel schrei- ben und trotzdem nichts sagen! Das ist nichts Neues!)

denn danach werden Dinge angeführt, die auch aus meiner Sicht problematisch sind. Es wird darauf hingewiesen, dass Kapitel 7 - Landwirtschaft - und Kapitel 21 Regionalpolitik - besonders schwierige Verhandlungskapitel darstellen oder dass zum Beispiel im Bereich des Verkehrs die Öffnung der Kabotagemärkte ein großes Problem ist. Das sind die Dinge, die uns betreffen.

Wir sind nun einmal - das wird sicherlich niemandem in diesem Haus entgangen sein - kein Land, welches eine direkte Grenze zu einem Kandidatenland für die Osterweiterung hat. Hierbei sind die Probleme in den Grenzregionen natürlich ungleich größer. Dafür hat die Union extra ein Programm geschaffen, das Grenzregionenprogramm, das Regionen in Italien, Österreich und Deutschland - also in Bayern die Oberpfalz und Franken sowie die Länder Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern - umfasst. Wir sind davon nicht betroffen. Für uns besteht keine explizite Betroffenheit. Wir sind nur indirekt betroffen, wie alle anderen Regionen in Europa auch.

Die Frage, was man heute sagen kann, hat der Ministerpräsident zum Teil mit dem Verweis auf die Ende März stattfindende Ministerpräsidentenkonferenz Ost beantwortet. Wir haben viele Dinge, die im Fluss sind.

Wir waren in der vergangenen Woche mit Vertretern des Wirtschaftsausschusses in Brüssel und haben dort mit Vertretern der Kommission über den Zwischenbericht zum Fortschrittsbericht der Kohäsionspolitik diskutiert. Es ist eindeutig, dass sehr viel in Bewegung ist. Das müssen wir anerkennen.

Die Frage kann natürlich nicht umfassend und auch nicht hellseherisch zu einem bestimmten Stichtag in einer Anfrage beantwortet werden. Vielmehr müssen wir

den Zeitverlauf abwarten. Etwas genauere Antworten auf die Frage, wie es mit der Strukturpolitik nach 2006 weitergeht, werden wir sicherlich Ende des Jahres 2004 geben können.

Ferner wurde von Ihnen angezweifelt, dass die Landesregierung kontinuierlich arbeitet. Ich bin der Auffassung, dass durch die Begleitung der Arbeit im Ausschuss der Regionen und im Rahmen der Arbeit des Bundesrates bereits kontinuierlich an der Lösung der Probleme mitgewirkt wurde. Wir haben im Hinblick darauf, unsere Interessen gerade im Bereich der Strukturpolitik gegenüber der Bundesregierung, aber auch in Brüssel zu vertreten, in Bezug auf Koordinierung, kontinuierliche Arbeit und Lobby-Arbeit in den letzten Jahren eine ganze Menge aufgeholt.

Sie haben mit einer gewissen Berechtigung darauf hingewiesen, dass die zuständigen Staatssekretäre bei den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses bis auf ein- oder zweimal nicht anwesend waren. Ich gebe Ihnen diesbezüglich durchaus Recht. Wir müssen uns bei dieser Kritik aber auch an unsere eigene Nase fassen. Wenn wir die Terminierung dieses Themas im Wirtschaftsausschuss ständig verschieben und uns in dieser Hinsicht nicht ein Stück weit mit den Terminen der Staatskanzlei abstimmen, dann können wir auch nicht erwarten, dass uns die Staatssekretäre jederzeit zur Verfügung stehen.

Meiner Auffassung nach ist die Antwort auf die Große Anfrage einschließlich der Antwort auf die PDS-Anfrage eine gute Zusammenstellung der Aktivitäten der Landesregierung in Bezug auf dieses Themenfeld. Diese Antwort ist ein Stück weit ein Nachschlagewerk. Hätte die Landesregierung daraus eine Broschüre gemacht und sie veröffentlicht, hätten Sie vielleicht kritisiert, dass Gelder für eine Werbebroschüre ausgegeben werden. Die Zusammenstellung ist umfassend. Wir haben mit ihr eine Grundlage, auf der wir uns informieren können, die in vielen anderen Ländern in dieser Form gar nicht besteht.

Ich weise ferner auf den Schwerpunkt der interregionalen Zusammenarbeit hin. Das ist ein aus meiner Sicht sehr wichtiger Punkt, der in der nächsten Zeit an Bedeutung gewinnen wird. Letzte Woche haben wir uns in Brüssel gemeinsam mit den Vertretern des Wirtschaftsausschusses auch über die Interreg-IIIC-Programme informieren lassen. Ich gehe davon aus - eine entsprechende Zusage des Wirtschaftsministeriums liegt bereits vor -, dass wir als Landtag in der nächsten Legislaturperiode intensiv informiert und auch in die Begleitung dieses Interreg-Projektes oder auch anderer Projekte einbezogen werden.

Aus meiner Sicht war das Ergebnis der in Brüssel geführten Gespräche mit den Vertretern des schottischen Parlaments positiv. Auch diesbezüglich hat es der kommende Landtag in der Hand, wie er sich in diese Diskussion einbringt, um die Kontakte zu vertiefen und die Zusammenarbeit der Institutionen, der Betriebe, der Regierungen und natürlich auch der Menschen zu begleiten. Die Schotten haben ebenso wie wir ein Interesse daran, dass wir eine Brückenfunktion nach Osteuropa wahrnehmen. Mit unseren Kontakten nach Estland und nach Schottland besteht ein Dreieck, innerhalb dessen wir voneinander profitieren können und auf dessen Grundlage wir die Einheit Europas gemeinsam voranbringen können.

Eine Bemerkung noch zur Strukturpolitik. Die Verhandlungen sind, wie gesagt, im Gang. Als wir über den mul

tisektoralen Beihilferahmen diskutierten, hätte ich mir eine explizite Stellungnahme Ihres Kanzlerkandidaten gewünscht. Es hat mich etwas geärgert, dass Herr Stoiber nichts dazu gesagt hat. Als Einziger hat sich hierzu im „Focus“ Herr Teufel geäußert, der sagte, dieser Beihilferahmen müsse abgeschafft und die Großbeihilfen müssten reduziert werden. An dieser Stelle hätte Herr Stoiber einmal sehr deutlich demonstrieren können, was man für Ostdeutschland tun kann, wenn er gesagt hätte: Als Kanzlerkandidat der Union unterstütze ich es, dass der multisektorale Beihilferahmen in diesem Zusammenhang weiter bestehen bleibt.

Aber es gibt auch andere Dinge. Ich habe Herrn Stoiber in Brüssel öfter erleben dürfen, wenn über Tierobergrenzen oder über den Wettbewerbsföderalismus - reiche Regionen sollen mehr fördern, als arme Regionen fördern können - geredet wurde. Bei solchen Gelegenheiten hatte Herr Stoiber sehr wohl vor allem die bayerischen Interessen im Blick.

Mein Fazit: Die Osterweiterung ist unverzichtbar. Sie muss kommen. Sie ist ein den Frieden in Europa sichernder Faktor. Es ist wichtig, dass wir die Stabilität, die die EU seit 50 Jahren in Europa sichert, auch weiter nach Osten exportieren. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren, die DVU-Fraktion verzichtet auf einen Beitrag. Wie von mir bereits gesagt, erhält jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Sobetzko Gelegenheit zu einem Schlusswort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe noch einige kurze Aussagen zu treffen. Die Aussage der PDS, zwei Drittel der Fragen beträfen den gleichen Sachverhalt, zeigt, dass Sie die Fragen wieder einmal nicht konzentriert durchgelesen haben. Dort sind die Anmerkungen, die sich auf die PDS-Anfrage beziehen, angeführt. Das sind sechs umfangreichere Fragen, mehr nicht. Lesen Sie es nach, dann werden Sie es feststellen. Angesichts von 110 Fragen ist das eine Kleinigkeit.

Ich sage das auch aus einem anderen Grund. Immerhin wurde von der Landesregierung beantragt, die Frist für die Beantwortung der Großen Anfrage zu verlängern. Warum wohl? Weil die Fragestellung ganz andere Komplexe betraf. Das ist doch ganz logisch. - So viel zu diesen primitiven Einlassungen, wie ich sie einmal bezeichnen will.

Im Übrigen habe ich einige der Antworten sehr kritisch registriert - dieses Recht habe ich -, weil nicht nur ich, sondern auch eine ganze Reihe von Leuten, die das ausgewertet haben, Mängel festgestellt haben. Nun kann natürlich der Ministerpräsident so emotional, wie er das dann immer macht und dabei Sachlichkeit vermissen lässt, sagen, das sei absoluter Unsinn; es liege an den Fragen. Sie kennen doch bestimmt den Spruch: Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten. Genau das haben wir festgestellt, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Im Übrigen gibt es eine ganze Reihe von Problemen, die wir heute gar nicht angesprochen haben, die jedoch bei der Lektüre der Antworten auffallen und uns zu denken geben. Damit soll nicht kritisiert werden, es sei falsch geantwortet worden, sondern es sollen Problemlagen aufgezeigt werden. Das betrifft den Außenhandel, das betrifft die Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse. All dies müssen wir uns durch den Kopf gehen lassen; wir müssen analysieren, was hier nicht richtig läuft.

Wenn also zu den Ausfuhren gesagt wird, dass sie insbesondere aus Erstprodukten bestünden, also Vorerzeugnisse und keine Enderzeugnisse seien, und deren Menge wesentlich vermindert sei, dann muss uns das zu denken geben. Wir müssen bestrebt sein, auch qualifizierte Erzeugnisse ausführen zu können. Das ist ein bemerkenswerter Aspekt aus der Analyse dieser Antwort.

Meine Damen und Herren! Ich begrüße es, wenn wir insbesondere im Hinblick auf die chemische Industrie Netzwerke anstreben. Noch mehr würde ich es begrüßen, wenn sich dies nicht auf die chemische Industrie beschränkte. Es gibt eine ganze Reihe von Bereichen, in denen Ähnliches gemacht werden muss. Ich bedauere, dass dies nicht in der entsprechenden Form erfolgt.

Ein weiteres Problem besteht in Folgendem: Es wird oftmals erzählt, welchen Notwendigkeiten im Hinblick auf das Zusammenwachsen der Völker Rechnung getragen werden muss und welche Aktivitäten dafür in die Wege zu leiten sind. Wenn es dann darauf ankommt, ernsthaft auch Kleinigkeiten umzusetzen, bei denen eigene Handlungskompetenz besteht - ich denke zum Beispiel an die Problematik mit dem Studienkolleg, an das Sprachenzentrum -, dann versagt man, indem man Aussagen beispielsweise der Martin-Luther-Universität zu ihrer Autonomie in den Vordergrund rückt, statt nachzuweisen, dass man sich hierfür engagiert eingesetzt hat. Das finde ich bedauerlich.

Ich kann es mir nicht verkneifen, noch einmal etwas zu den Zeman-Äußerungen zu sagen. Ich lasse mir nicht unberechtigt von einem Herrn Gärtner etwas nachsagen. Selbstverständlich teilen wir die Einschätzung, dass das Ganze natürlich Auswirkungen hat. Im Hinblick auf den kriegerischen Überfall Hitlerdeutschlands gibt es überhaupt keine Diskussion. Deshalb will ich das in diese Diskussion nicht hineinbringen. Aber es ist einfach nicht zulässig, dass ein tschechischer Ministerpräsident, der Premierminister der Tschechischen Republik, im Ausland diese Art von rassistischen Äußerungen macht. Solche Äußerungen haben in einem vereinten Europa nichts zu suchen. Das ist meine feste Überzeugung.

(Zustimmung bei der CDU und bei der DVU)

Wenn Sie jetzt sagen, dass sei allein meine Meinung, halte ich Ihnen entgegen: Aufgrund meines Leserbriefes, den Sie angeführt haben, erhielt ich Anfragen von SPDPolitikern aus Berlin. Denjenigen, die Interesse daran haben, kann ich das belegen. Diese Politiker haben es begrüßt, dass ich diesen Leserbrief geschrieben habe. Er wurde allerdings falsch wiedergegeben. Ich habe darin nicht von einem Todesprogramm, sondern von einem Todespogrom gesprochen.

Im Übrigen möchte ich diejenigen, die das einfach nicht wissen, daran erinnern - Herr Gärtner, Sie scheinen das auch nicht zu wissen, wie ich feststelle -: Es gibt einen Beschluss des Europäischen Parlaments, der sich genau zu den Benes-Dekreten geäußert hat. Dieser Be

schluss findet sich - für Sie zum Mitschreiben - im Mitteilungsblatt SL Nr. 4/1999, S. 120 bis 122. Dort steht:

„Das Europäische Parlament fordert die tschechische Regierung im Geiste gleich lautender versöhnlicher Erklärungen von Staatspräsident Havel auf, fortbestehende Gesetze und Dekrete aus den Jahren 1945 und 1946 aufzuheben, soweit sie sich auf die Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen Tschechoslowakei beziehen.“

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Auch zu Großen Anfragen werden nach unserer Geschäftsordnung Beschlüsse nicht gefasst. Somit ist die Aussprache über die erste Große Anfrage beendet.

Ich rufe die zweite Große Anfrage auf:

Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur in SachsenAnhalt

Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 3/5149

Antwort der Landesregierung - Drs. 3/5276

Es wird die folgende Debattenreihenfolge mit folgenden Redezeiten vorgeschlagen: Die DVU-Fraktion erhält fünf Minuten, die SPD-Fraktion acht Minuten, die FDVP-Fraktion fünf Minuten, die PDS-Fraktion sechs Minuten und die CDU-Fraktion sechs Minuten Redezeit. Zunächst hat für den Fragesteller Herr Dr. Daehre das Wort.

(Herr Sachse, SPD: Jetzt kommt etwas Positives zur Landesregierung! Da kann man nicht me- ckern!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen heute zur Aussprache über die Große Anfrage der CDU-Fraktion zur Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur in Sachsen-Anhalt. Bevor wir in die Einzelheiten einsteigen, zunächst einmal herzlichen Dank an die Verwaltung. Ich sage das, weil es wirklich eine Anfrage war, die dem einen oder anderen das Weihnachtsfest etwas verdorben hat, weil sie gerade in diesen Zeitraum gefallen ist. Aber ich denke, für uns Parlamentarier ist es wichtig, uns mit dieser Anfrage und den Antworten zu den einzelnen Bereichen zu befassen.

Die Anfrage zeigt - das will ich als Einstieg sagen -, was in den letzten zwölf Jahren im Bereich der Verkehrsinfrastruktur in Sachsen-Anhalt und in Ostdeutschland geschaffen worden ist. Das ist unübersehbar, wenn man sich daran erinnert, was im Jahr 1990 vorhanden gewesen ist. Das muss man, denke ich, an den Anfang einer solchen Rede zu der Großen Anfrage stellen.

Meine Damen und Herren! Wir wollen uns jetzt aber nicht darüber unterhalten, was wir alles geschafft haben - das kann man nachlesen -, sondern wir möchten uns darüber unterhalten - das ist Sinn und Zweck dieser Anfrage gewesen -, wo die Probleme liegen und wie wir in diesem Bereich weiterkommen.

Deshalb darf ich mit der Stellungnahme der Industrieund Handelskammer Magdeburg beginnen, die durch

die Industrie- und Handelskammer Dessau bestätigt worden ist und die uns vorliegt. Darin heißt es: