Seit Januar hat sich auch nichts Wesentliches verändert, meine Damen und Herren. Aus diesem Grunde könnte ich meine damalige Rede noch einmal halten. Keine Angst, ich mache das nicht und verweise an dieser Stelle auf das Protokoll.
Eine Sache möchte ich allerdings noch zur Sprache bringen. Das sind Ihre Bemerkungen zu den Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Zeman in der „Mitteldeutschen Zeitung“, heute noch einmal wiederholt.
Ich darf aus der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 12. März 2002 zitieren, Herr Präsident - es handelt sich um einen Leserbrief unter der Überschrift „Benes-Dekrete - konkreter Beitrag erwartet“ -:
„Wer noch jetzt die so genannten Benes-Dekrete verteidigt und die Vertreibung der drei Millionen Sudetendeutschen und die Todesprogramme gegen sie bejubelt, stellt den Beitritt seines Landes infrage.“
Meine Damen und Herren! Man kann die Äußerung von Herrn Zeman in der Tat als unglücklich bezeichnen.
Ich sage Ihnen allerdings auch, wer insbesondere von deutscher Seite solche Drohszenarien aufbaut, den möchte ich an die deutsche Verantwortung erinnern, die wir an dieser Stelle haben. In dieser Weise Drohszenarien aufzubauen
halte ich für unverantwortlich und nicht für richtig. Dazu sage ich Ihnen: Genau das ist das, was unsere tschechischen und polnischen Nachbarn als problematisch empfinden, wenn solche scharfen Töne aus Deutschland kommen.
Und dazu sage ich Ihnen noch eines: Ich würde mir wünschen - wenn Sie den Aufschrei von Politikern fordern -, dass aus Ihren Reihen ein Aufschrei kommt, wenn immer wieder aus bestimmten Reihen, gerade aus denen der Vertriebenenverbände, revanchistische Töne kommen. Dann würde ich mir von Ihrer Seite einen Aufschrei wünschen. - Vielen Dank.
(Beifall bei der PDS - Herr Büchner, DVU: Pfui! - Zurufe von Frau Wiechmann, FDVP, und von Herrn Weich, FDVP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich schon jetzt für einige unangenehme Feststellungen entschuldigen.
Die Große Anfrage der CDU ist bei näherer Betrachtung nur eine Emulsion aus der Befürwortung einer eher raschen EU-Osterweiterung und der Vermittlung längst bekannter Stimmungen in der Bevölkerung in stark abgeschwächter Frageform. Wir haben hierin in der Tat eine sicherlich unbeabsichtigte, jedoch deutliche Infragestellung der EU-Politik der CDU unter Kohl vorliegen; denn wir kennen keinen Politiker sonst, der immer weniger als deutscher Kanzler auftrat, aber umso vehementer andere Interessen vertrat.
Seine Verdienste setzten spät ein, nämlich erst als er im Ausland von der bevorstehenden deutschen Einheit erfuhr. Seine Verdienste beinhalten aber noch mehr: Er ist Mitvater des Euros - also eines minderwertigen Geldersatzes - und hektisch-verblendeter Wegbereiter der EU-Osterweiterung,
sowohl im Verborgenen als auch offen. - Das darf man nicht vergessen. Dafür gibt es keinen Freispruch; auch für andere Sachen nicht. - So viel zur Legitimation des Fragestellers.
Da sich Fragesteller und Befragter in der politischen Generallinie ohnehin einig sind, steht die SPD in der Kontinuität der CDU und erforderlichenfalls auch umgekehrt. Dann kommt die Große Anfrage fast und eigentlich in eigener Sache, wie wir eben festgestellt haben.
Meint die CDU etwa, die Osterweiterung würde gänzlich andere Auswirkungen haben, wenn sie in den letzten Jahren die Landesregierung gestellt hätte? Welchen erkennbaren Unterschied hätte das in dieser Frage überhaupt gemacht? Wäre dann die Große Anfrage von der SPD gekommen?
Ich meine, die CDU hat wohl nicht das Recht, sich als Anwalt derer aufzuspielen, die in absehbarer Zeit direkte Opfer der Osterweiterung sein werden. Sie hat selbst die Baufreiheit geschaffen, wissend was am Ende herauskommen wird, um jetzt jammernd und durchaus scheinheilig solche Anfragen zu stellen.
Mir kann es trotzdem recht sein, wenn sich zwei Seiten einer Medaille scheinbar streiten, worüber sie insgeheim einig sind. Denn: Solch ein plumper Wahlkampf wie über die Drs. 3/5050 muss einem erst einmal einfallen; dabei ist die Fantasie wohl das erste Opfer.
Da ich genau 300 Sekunden zur Verfügung habe, worüber der Präsident eisern wacht, würde ich gern aus den vorgenannten Gründen einen Bogen um die Große Anfrage schlagen; denn an Scheinkämpfen sind wir nicht interessiert, dafür aber an Wahrheiten.
Eine davon lautet: Europa, wie es derzeit dahinvegetiert, ist ein Europa der Fehlstarts. Das hat die Idee Europa wirklich nicht verdient; denn es war im Kern eine gute Idee, das Europa der Vaterländer.
Inzwischen haben sich globale Machtinteressen breit gemacht, wie die Kriegseinsätze belegen. Sie ersetzen die Vernunft durch Strategien der Macht, wozu die Osterweiterung offensichtlich ebenfalls zählt. Solche Verwerfungen zeigen Wirkung. Ob Nizza, ob Euro, ob Osterweiterung, ob asymmetrische Asylpolitik, ob Zentralmoloch und Finanzgrab - das System streikt und verweigert derzeit jede vernünftige Entwicklung. Es muss zur Ruhe kommen und verträgt keine weiteren Turbulenzen, schon gar keine in der Dimension einer Osterweiterung.
Wenn in Europa freie Wahlen nicht wunschgemäß ausfallen - das ist nämlich zunehmend der Fall -, ist Hysterie angesagt, wird die Demokratie infrage gestellt, wird bestraft und geächtet. Weiterführend verweise ich auf unsere Beiträge zur Thematik Europa in der 41. und in der 51 Sitzung des Landtages.
Nun fehlen natürlich auch Fragestellungen in der Großen Anfrage, zum Beispiel: Welche Stellung bezieht die Landesregierung zur Frage der berühmt-berüchtigten
Benes-Dekrete? Oder haben wir niemanden im Land, den das interessiert? Oder ist das etwa eine verbotene Frage oder wurde das mit dem Beantworter vorher so abgestimmt?
Ein weiteres Beispiel: Wie viele Arbeitsplätze werden unseren Arbeitsuchenden entzogen? Wie viele müssen ihren Job abgeben aufgrund der Osterweiterung? - Das wäre eine klare Frage gewesen, ohne Geschwafel.
Oder: Die Nahrungsgüterwirtschaft ist der Stolz der Landesregierung; das haben wir auch anerkannt. Frage: Wie stark wird die Beeinträchtigung durch die Produktschwemme aus dem Osten ausfallen? - Das wäre eine klare Frage gewesen, ohne Geschwafel.
(Frau Leppinger, SPD: Das tut mir aber Leid! - Herr Dr. Süß, PDS: Na? - Ministerpräsident Herr Dr. Höppner: Na? - Frau Dr. Sitte, PDS: So ein Pech aber auch!)
Diese Fragen hätten klar, eindeutig und ohne Ausweichmanöver beantwortet werden können. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat steht die Frage, ob wir uns das antun müssen, im Raum. Ich hoffe, dass wir uns diese Frage bei der nächsten Sitzung des Landtages nicht mehr zu stellen brauchen.
(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner - Frau Dr. Sitte, PDS: Noch zwei Tage!)
Ein kleiner Nachtrag noch zu der Diskussion über die Aussage des tschechischen Ministerpräsidenten: Die Reaktion des Bundeskanzlers darauf war - Herr Sobetzko, Sie sollten sie kennen -, dass er eine im März geplante Reise nach Prag abgesagt und erklärt hat, dass er vor der Bundestagswahl nicht mehr nach Prag fahren werde. Ich denke, das ist eine angemessene Reaktion des Bundeskanzlers auf die auch aus meiner Sicht problematischen Aussagen des tschechischen Ministerpräsidenten.
(Frau Wiechmann, FDVP: Sie sollten aber wis- sen, dass Herr Fischer gesagt hat, es ist alles ausgeräumt! Nicht die halben Wahrheiten sagen, sondern die ganzen!)
Zur Sache. Sie haben die Antworten der Landesregierung auf der einen Seite zum Teil gelobt, aber auf der anderen Seite auch als mangelhaft bezeichnet. - Das hängt natürlich auch ein bisschen von den Fragen ab. Wenn man Fragen stellt, die nicht in der Zuständigkeit und der Kompetenz der Landesregierung liegen, dann kann man natürlich nur schwerlich umfassende Antworten erwarten.