Fünftens. Welche Zuordnung die Europapolitik hat, zeigt sich auch darin, dass Berichte oder Mitteilungen zur Europapolitik in den Ausschüssen nur von einem Mitarbeiter der Staatskanzlei gegeben werden. Die Staatssekretäre Ballhausen oder Jonas stellen sich kaum der Problematik und Thematik.
Meine Damen und Herren! Europa und die Europapolitik - damit komme ich zum Schluss - müssen in den Herzen und Köpfen unserer Menschen verankert sein. Dazu bedarf es allerdings anderer Voraussetzungen. Diese Landesregierung mit ihrem Ministerpräsidenten jedenfalls ist dazu nicht in der Lage. - Vielen Dank.
Danke sehr. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Ministerpräsident Herr Dr. Höppner. Bitte, Herr Ministerpräsident.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich die Dinge, die in der Großen Anfragen vonseiten der Landesregierung beantwortet worden sind, nicht noch einmal im Einzelnen aufzähle; denn das Thema „Europapolitik und deren Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt“ ist nicht nur in der Großen Anfrage, sondern auch schon unter manchen anderen Tagesordnungspunkten dieses Landtages Gegenstand von Beratungen gewesen.
Ich will noch einmal betonen: Die Erweiterung der Europäischen Union in Richtung Osten ist nach unserer Auffassung das größte europäische Projekt seit der Wiedervereinigung Deutschlands. Es ist ein Projekt, das nicht nur im Mittelpunkt deutscher Europapolitik steht, sondern auch für Sachsen-Anhalt eine außerordentlich wichtige Zukunftsperspektive eröffnet.
Ich will ganz deutlich auch von meiner Seite aus sagen: Ich weiß, es gibt eine Menge Ängste, auch im Blick auf die Frage, was damit auf uns zukommt. Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass wir in den letzten zehn, elf Jahren gravierende Veränderungen hinter uns gebracht haben und dass manche befürchten, dass durch die Erweiterung der Europäischen Union in Richtung Osten noch einmal große Veränderungen auf uns zukommen, die möglicherweise Anstrengungen kosten, die kaum verkraftbar sind.
Ich bin der festen Überzeugung, die Chancen sind größer als die Gefahren. Wir werden im Osten einen Markt hinzubekommen, der die wirtschaftliche Entwicklung in
Ich bringe als Vergleich gern den Hinweis auf die früheren Zonenrandgebiete innerhalb Deutschlands. Diese lagen am Rande und waren nur mit Subventionen in erheblichem Umfang einigermaßen auf dem Level der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik zu halten. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands haben sie einen Entwicklungsschub bekommen, den man durch kein Konjunkturprogramm je hinbekommen hätte.
Ich bin der festen Überzeugung, ein entsprechendes Programm nach vorn ist für die ostdeutschen Länder die Erweiterung der Europäischen Union in Richtung Osten. Die Chancen sind größer als die Gefahren.
Eine zweite Diskussion ist im Gange, auf die ich hinweisen will und in der ich ziemlich energisch unsere Position zu vertreten versuche. Es gibt eine Verzögerungstaktik im Blick auf den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder nach dem Motto: Wir müssten erst eine Reihe von Aufgaben der Reform der bisherigen Europäischen Union lösen, zum Beispiel im Bereich der Agrarpolitik oder der Strukturfonds, sozusagen unter uns; bevor wir die nicht geregelt hätten, könnte der Beitritt der ost- und mitteleuropäischen Länder nicht erfolgen. - Ich halte diese Verzögerungstaktik für falsch und für unangemessen. Ich sehe darin auch eine Bremse durch die Staaten der Europäischen Union, die diese Osterweiterung durchaus kritisch sehen.
Nein, unser Ziel ist ganz klar: Wir wollen, dass die Beitrittsländer, mit denen jetzt intensive Verhandlungen geführt werden, bereits an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2004 teilnehmen können. Das ist das entscheidende Datum. Alles andere wäre für uns eine unangemessene Verzögerung. Ich gehe davon aus, dass die Agenda der Beitrittsverhandlungen so konsequent abgearbeitet wird, dass dieser Termin tatsächlich gehalten werden kann.
Ich halte nichts davon, dass dieser europäische Prozess, der dringend nötig ist, in Deutschland in den Wahlkampfauseinandersetzungen - das kennen wir aber auch aus Frankreich bei den Präsidentschaftswahlen sozusagen zerredet und möglicherweise in Misskredit gebracht wird. Dieser europäische Prozess ist größer, als dass er in kleinteiligen Wahlkampfauseinandersetzungen zerredet werden kann; denn es geht letztlich auch darum, wie Europa sich in der Weltpolitik insgesamt darstellt, auch im Verhältnis zu Amerika. Wer sich dieses Szenario in der sich globalisierenden Welt ansieht, der weiß: Zur Erweiterung der Europäischen Union, genau genommen also zur Reintegration des Teils Europas, der auch durch die Mauer abgetrennt war, gibt es keine vernünftige Alternative.
Was bedeutet das für Sachsen-Anhalt und die östlichen Länder insgesamt? Die Unterschiede sind nicht so groß. - Wolfgang Thierse hat es sehr schön auf einen Begriff gebracht. Er hat gesagt: Wir können die Verbindungsregion zwischen dem alten und dem neu hinzukommenden Europa sein. - Genau das ist auch unser Ziel.
Ich will ein praktisches Beispiel anführen, damit klar ist, dass wir nicht nur darüber reden, sondern auch handeln, und zwar bereits jetzt im Vorgriff auf diese Entwicklung und nicht erst wenn der Beitritt perfekt ist.
Wir haben eine Reihe von Partnerschaften in Gang gesetzt, gerade im Chemiebereich. Die Partnerschaften zu Masowien, Nordböhmen und Ungarn werden vorbereitet.
Wir wollen beispielsweise in Bezug auf die Chemieindustrie - das haben wir im Chemiedialog vor zwei Tagen in Berlin bestätigt -, dass hier ein Netzwerk von Chemieregionen entsteht, das gewissermaßen das Pendant zur Rheinschiene und Rotterdam wird.
Ich glaube, dass wir in dieser Hinsicht gute Chancen haben, dass wir etwas anzubieten haben, nämlich Know-how bei der Umgestaltung von Chemieregionen und der Entwicklung von Chemieparks. Das wird ein Exportschlager und eine Hilfe für die Beitrittsländer sein, die dieses Know-how gut gebrauchen können. Es ist eine Vision, eine Brückenfunktion zu übernehmen und unsere Erfahrungen aus dem Umbruch in den letzten zehn Jahren einzubringen.
Richtig ist, dass wir dabei auch Erfahrungen hinsichtlich der europäischen Strukturpolitik und ihrer Wirkungen gemacht haben. Auch in dieser Hinsicht haben wir inzwischen bis hin zu konkreten Abrechnungsmodellen wirklich Vorzeigbares entwickelt. Sachsen-Anhalt ist in der Entwicklung solcher Modelle führend. Ich denke nur an unsere Landesinitiativen, die in Brüssel große Anerkennung gefunden haben und jetzt auch von anderen ostdeutschen Ländern nachgeahmt werden.
Ich denke, dass solche Modelle auch bei der Erweiterung der Europäischen Union eine große Rolle spielen werden. Das heißt, die Bedeutung unseres Landes wächst angesichts der Tatsache, dass wir helfen können, solche Projekte in den Beitrittsländern anzustoßen.
Natürlich wird es Auswirkungen auch aufgrund des Umstandes geben, dass sich die Strukturfonds dann nicht mehr nur auf den Osten Deutschlands, also auf die bisherigen Ziel-1-Gebiete, beziehen werden, sondern auch auf die Beitrittsländer, die hinzukommen. Das ist gar keine Frage.
Allerdings haben wir auch in dieser Hinsicht vorgebaut und die verschiedensten Verhandlungen geführt. Ich erinnere daran, dass wir mit dem Kommissar Barnier, der für diese Strukturfonds zuständig ist, in Magdeburg eine Tagung durchgeführt haben, bei der darüber gesprochen worden ist, wie es diesbezüglich nach dem Beitritt weitergeht. Dort haben wir die Zusicherung bekommen - auf diese Zusicherung poche ich bei den Diskussionen immer wieder -, dass es nach 2006 angemessene Übergangsregelungen geben muss.
Dazu will ich noch einmal ganz klar sagen, dass die ostdeutschen Länder - das klappt übrigens immer - dazu gemeinsame Positionen erarbeiten. Wenn Sie, Herr Sobetzko, sich ein bisschen die Daten angesehen hätten,
hätten Sie festgestellt, dass die Aussagen recht gut zusammenpassen. Ja, es ist schon lange unser Ziel, dazu eine gemeinsame Position zu erarbeiten. Deswegen steht das auch schon in Papieren aus dem vergangenen Jahr. Sie werden auch wissen - das Frühjahr ist noch nicht vorbei -, dass die ostdeutschen Ministerpräsidenten im März eine entsprechende gemeinsame Position erarbeiten werden. Damit beschäftigen wir uns zurzeit. Aber diese Position lag eben zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage noch nicht vor. Insofern kann in der Antwort auch nur eine entsprechende Absichtserklärung wiedergegeben werden.
Wenn Sie dann beginnen, irgendwelche Widersprüche zu konstruieren, zeigt das nur, dass Ihnen offenbar das Stellen vernünftiger Fragen schwer fällt, dass es Ihnen
Ich möchte an dieser Stelle aber auf einen Punkt hinweisen: Numerisch wird es so sein, dass wir aufgrund des Beitritts der Länder aus Mittel- und Osteuropa über die 75%-Marke beim Bruttoinlandsprodukt rutschen, die bisher als Definition für Ziel-1-Gebiete gegolten hat. Damit würden wir nur durch diesen Beitrittsakt, ohne dass sich an unserer tatsächlichen Situation irgendetwas ändert, aus der Gruppe der Ziel-1-Förderregionen herausfallen. In diesem Zusammenhang lautet unsere klare Forderung, dass das so numerisch nicht geschehen darf. Das würde nämlich zum Abbruch der entsprechenden Fördergefälle führen und uns damit bei der weiteren Entwicklung Standortnachteile bringen, die unserem Entwicklungsstand nicht angemessen sind.
Wir arbeiten jetzt an verschiedenen Modellen. Es ist nicht ganz einfach, diesbezüglich zu vernünftigen Modellen zu kommen. In diesem Zusammenhang muss ich allerdings sagen: Hilfreich wäre es, wenn uns Herr Stoiber nicht - wie jüngst bei seinen Auftritten in Spanien geschehen - genau bei diesen Überlegungen in den Rücken fallen würde.
Das bedauern auch die CDU-Kollegen aus Sachsen und Thüringen. Aber das zeigt natürlich auch, dass Herr Stoiber von der Situation im Osten und davon, was dort in Zukunft nötig ist, leider nicht viel Ahnung hat.
Das ist einfach so. Das merkt man vor allen Dingen dann, wenn er bei seinen Auftritten nicht irgendwelche Stichwortgeber in der Nähe hat, die das Schlimmste verhindern; sonst wäre die Sache noch katastrophaler.
Aber in Spanien war das offenbar nicht der Fall. Dazu kann ich nur sagen: Solche Schützenhilfe, die in Heckenschützenaktionen ausufert, können wir nicht gebrauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein weiteres Problem ist mit der Frage verbunden, wie sich die Beihilfesituation hinsichtlich des Gesamtvolumens weiter entwickeln wird. Dabei ist gerade über den multisektoralen Rahmen diskutiert worden.
Ich will noch einmal ganz deutlich sagen, dass ich es grundsätzlich für bedenkenswert halte zu prüfen, wie viel Mittel aus den öffentlichen Haushalten für Wirtschaftsförderung insgesamt in den Bereich der Industrie gepumpt werden. Wenn man sich dieses Gesamtvolumen anschaut, stellt man fest, dass es sich um ziemlich große Beträge handelt. Dann kommt man zu Recht zu der Frage, ob dieses Gesamtvolumen langfristig wirklich berechtigt ist oder ob nicht ein Teil davon beispielsweise
Das sind grundsätzlich vernünftige Überlegungen. Insofern ist die Schrumpfung des Gesamtsvolumens auch im Hinblick auf diese Erweiterung eine vernünftige Aufgabe.
Allerdings darf das nicht Hals über Kopf geschehen und darf nicht in den Verhandlungen über beabsichtigte Ansiedlungen zu Nachteilen und damit unter Umständen zum Abbruch dieser Verhandlungen führen. Es war sehr wichtig, dass wir in Brüssel das Hinausschieben der entsprechenden Absichten erreicht haben. Ich halte das gerade auch für Sachsen-Anhalt für eine wichtige Komponente.
Meine Damen und Herren! Ich erzähle das vor allem auch deshalb, weil das eines der Beispiele dafür ist - der Chemiedialog ist ein anderes -, dass wir als Land Sachsen-Anhalt in Brüssel inzwischen nicht nur hervorragende Beziehungen haben, sondern auch als kompetente Gesprächspartner erwünscht sind und tatsächlich etwas erreichen können.
Ich darf einmal sagen, was das für Sachsen-Anhalt unter dem Strich bedeutet. Wenn wir mit unserer Kompetenz gefragt sind und unsere Meinung einbringen sollen, bedeutet das für uns eine Herausforderung. Wir werden bei der Gestaltung dieses Erweiterungsprozesses mit unseren Erfahrungen weiter gefragt sein. Ich finde das gut; ich will diese Herausforderung gerne annehmen. Darum freue ich mich auf die nächsten Jahre, in denen wir diese Erfahrungen in Brüssel einbringen können. Ich rechne dabei mit der aktiven Unterstützung vieler engagierter Europapolitiker auch in unserem Landtag. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Sobetzko, ich habe gedacht, dass Sie den Wink mit dem Zaunpfahl in der Sitzung im Januar bei der Debatte über die Große Anfrage der PDS-Fraktion zur Europapolitik verstanden hätten und auf eine Aussprache über Ihre Anfrage in der heutigen Sitzung verzichten würden. Es ist nämlich so, dass zwei Drittel der Fragen, die Sie gestellt haben, mit den Fragen der PDS-Fraktion identisch sind, die allerdings schon Wochen vorher gestellt worden sind. Demzufolge ist es auch so, dass zwei Drittel der Antworten auf Ihre Fragen Zitate aus Antworten der Landesregierung auf die PDS-Anfrage sind.
Seit Januar hat sich auch nichts Wesentliches verändert, meine Damen und Herren. Aus diesem Grunde könnte ich meine damalige Rede noch einmal halten. Keine Angst, ich mache das nicht und verweise an dieser Stelle auf das Protokoll.