In der Kultur der bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft und in ihrer Tradition war es Grundlage einer längerfristigen und Generationen übergreifenden Überlebens
In der bäuerlichen Welt war es geradezu Ehrenkodex, ein entsprechender Ehrgeiz, dass der Nachkomme den Betrieb möglichst so intakt übernehmen sollte, wie man ihn selbst übernommen hat. Von der Substanz lebte man nur in Zeiten der Not und nur vorübergehend. Familien, die dauerhaft von der Substanz ihres Betriebes lebten, haben die Grundlagen ihrer Existenz oder der ihrer Nachkommen verwirtschaftet.
Erstens. Die Prinzipien, über die wir uns in der Enquetekommission unterhalten haben, sind in der menschlichen Kulturgeschichte keineswegs neu. Neu ist bestenfalls das für unsere gegenwärtige Gesellschaft typische kurzlebige Denken.
Zweitens - dies war uns wichtig -: Das Prinzip der Nachhaltigkeit umfasst alle Lebensbereiche, in denen es um Langzeitwirkung geht und damit um eine besondere Verantwortung gegenüber der Zukunft und den Nachkommen. Es wäre also falsch, die Nachhaltigkeit nur auf ökologische Herausforderungen zu beschränken.
Deshalb hat sich die CDU - dies ist in der Tat unser Zukunftsbild, Herr Oleikiewitz - während der Kommissionsarbeit mit allem Nachdruck für ein breites Verständnis der Nachhaltigkeitsvoraussetzungen eingesetzt. Wir hatten Erfolg; denn wenn ich sehe, welche Themen einbezogen wurden - das reichte von der Kulturpolitik über die Verwaltungsorganisation bis zu den Fragen der Reproduktion unserer Lebensgrundlagen -, so ist es uns wenigstens gelungen, den Begriff der Nachhaltigkeit aus der Enge einer allein ökologischen Betrachtung herauszuführen.
Wie sehen nun im Sinne dieser allgemeinen Betrachtungen die Ergebnisse der Enquetekommission aus? Ich möchte sie in einer These zusammenfassen, die man sowohl in den Anhörungsprotokollen als auch in Teil II des Berichtes in den Ausführungen verschiedener Autoren belegt finden kann.
Die These lautet: In keinem anderen Flächenland der Bundesrepublik Deutschland ist die Zukunftsfähigkeit so stark gefährdet wie in Sachsen-Anhalt. Unter dem Eindruck dieser Erkenntnis würde ich gern die Diskussion hier akzentuieren.
Wir haben großes Verständnis und eine große Verantwortung gegenüber den globalen Herausforderungen, die Herr Oleikiewitz am Anfang seiner Einführungsrede ansprach. Wir sollten uns immer im Klaren darüber sein, dass ein Land, das die Voraussetzungen der eigenen Zukunftsfähigkeit nicht hergestellt hat, auch nicht die Kraft finden wird, einen Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen zu leisten.
Die These, dass in keinem anderen Flächenland die Nachhaltigkeitsvoraussetzungen so stark gefährdet sind wie in Sachsen-Anhalt, wird aus meiner Sicht vor allen Dingen durch vier zentrale Nachhaltigkeitsrisiken belegt, die ich kurz und zugegebenermaßen sehr allgemein in dieser Debatte zur Diskussion stellen möchte.
Die vier wichtigsten Nachhaltigkeitsrisiken sind erstens die unzureichende wirtschaftliche Basis, zweitens die demografische Entwicklung und die Abwanderung, drittens die öffentliche Verschuldung und viertens eine unzureichende Humankapitalausstattung.
Ich komme zu dem ersten Punkt, der unzureichenden wirtschaftlichen Basis. Dem Land fehlen - das ist unstrittig - die Voraussetzungen für eine selbsttragende und damit nachhaltige wirtschaftliche Wertschöpfung und damit auch die Voraussetzungen für eine wenigstens annähernde Befriedigung der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Wir teilen dieses Problem mit allen neuen Bundesländern, die den Strukturwandel von der sozialistischen Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft noch nicht vollständig bewältigt haben.
Wer aber die Beiträge und die Protokolle der Anhörungen von Paqué, Rosenfeld, Schwödiauer und von dem damaligen Berater der SPD-Fraktion Kausch richtig liest, der wird zu der Erkenntnis kommen, dass sie uns alle die Einsicht vermittelt haben, dass Sachsen-Anhalt in diesem Prozess des Strukturwandels eine Schlussposition einnimmt, dass es sich in einer abstiegsgefährdeten Lage befindet.
Sie mögen so kurz vor den Wahlen diese Schlussfolgerung unterschiedlich interpretieren oder sich dagegen wehren wollen, aber auf eines sollten wir uns angesichts dieser Dokumente wenigstens verständigen können: Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung Sachsen-Anhalts ist für Selbstgerechtigkeitsposen keinerlei Anlass.
Wenn es einen Impuls aus dieser Enquetekommission für die Wahlkampfführung geben könnte, dann müsste dieser lauten: Entwickelt das notwendige Problembewusstsein und begebt euch nicht in selbstgefällige Plakatierungen oder in selbstgefällige Betrachtungen. Dafür sind die Voraussetzungen viel zu kritisch.
Die CDU ist der Meinung, dass nicht nur die Politik der 40 Jahre Sozialismus, sondern dass auch Fehler nachfolgender Landesregierungen und der Landespolitik in diesem Zusammenhang vorurteilsfrei diskutiert werden müssen. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist aber, dass wir die zentrale Bedeutung des wirtschaftlichen Wachstums für die Lösung dieser Nachhaltigkeitsherausforderungen erkennen.
Die Wirtschaft und das wirtschaftliche Wachstum haben eine zentrale Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung unseres Landes. Die Wirtschaft ist in der gegenwärtigen Lage der entscheidende Akteur für eine nachhaltige Entwicklung Sachsen-Anhalts. Diese Erkenntnis führt allerdings zwangsläufig zu der Schlussfolgerung, dass die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Landes durch nichts anderes als durch eine starke Wirtschaft und leistungsfähige Unternehmen erreicht werden kann.
Eine starke Wirtschaft und leistungsfähige Unternehmen sind übrigens auch die notwendige Voraussetzung zur Bewältigung der ökologischen Herausforderungen. Ich betone dies nur noch einmal, weil an dieser Stelle die Fehler der Vergangenheit aufgearbeitet werden müssen.
Ich möchte es in Form einer Frage formulieren: Hat die Stärkung der Wirtschaftskraft in den vergangenen Jahren in der Landespolitik tatsächlich die zentrale Bedeu
tung eingenommen, die wir unter dem Eindruck der Erkenntnisse der Enquetekommission erwarten müssen? Ich fordere Sie auf, sich diese Frage vorurteilsfrei zu stellen.
Ich möchte hier offen sagen, dass das Leitbild der Landespolitik aus meiner Sicht in den vergangenen Jahren nicht das Bild der Wachstumsorientierung war.
Wir reden sehr viel über Leitbilder, Herr Kollege Sachse. Ich habe den Eindruck, wir sollten uns erst einmal klar darüber werden, nach welchem unbewussten Leitbild die Landespolitik der letzten Jahren erfolgt ist. Da geben mir die Ausführungen eines Magdeburger Politologen ein interessantes Stichwort. Aus meiner Sicht war das unausgesprochene und das wahrscheinlich auch bei den Akteuren weitgehend unbewusste Leitbild der Landespolitik der letzten acht Jahre der ineffektive Fürsorgestaat mit ökologischen und emanzipatorischen Experimentierklauseln.
Dieses Leitbild, meine Damen und Herren, gilt es aufzuarbeiten. Die Erkenntnis dieses Leitbildes gilt es zum Ausgangspunkt einer konsequent wachstumsorientierten Politik zu machen.
Ich komme zum zweiten Nachhaltigkeitsrisiko. Das ist die demografische Entwicklung. Nun will ich mich nicht selbst in die Rolle eines Schwarzmalers begeben,
sondern lediglich aus dem Beitrag von Herrn Professor Breuste in dem Bericht der Enquetekommission wörtlich zitieren. Das Zitat lautet:
Das ist ein erhebliches Nachhaltigkeitsrisiko, das mir im Ergebnis der Arbeit in seiner Tiefe eigentlich erst bewusst geworden ist. Ich kann Ihnen allen nur empfehlen, einmal die Grafik auf Seite 215 des Berichtes der Enquetekommission anzuschauen. Darin wird deutlich, dass sich der Bevölkerungsrückgang, den wir bundesweit aufgrund einer viel zu geringen Geburtenrate zu verzeichnen haben, in der Bevölkerungsprognose der Bundesländer sehr ungleich darstellen wird.
Nach der Prognose ist Sachsen-Anhalt mit mehr als 26 % das Land mit den rasantesten Bevölkerungsverlusten.
Dies ist nicht allein bedingt durch eine geringe Geburtenrate - das haben die anderen Länder auch -, sondern auch durch eine negative Wanderungsbilanz. Hingegen hat das Land Baden-Württemberg einen Bevölkerungsverlust von lediglich 8 % zu verzeichnen. Diese Zahlen belegen, dass wir uns bereits jetzt angesichts einer zurückgehenden Bevölkerung in einem Wettbewerb um
junge, kreative Menschen befinden. In diesem Wettbewerb haben wir nicht unbedingt die besten Voraussetzungen.
Ich sage es noch einmal: Die Konsequenzen dieses Bevölkerungsrückgangs sind mir in der Tiefe erst durch die Arbeit der Enquetekommission deutlich geworden. Ich kann an dieser Stelle nur einige Schwerpunkte stichpunktartig anreißen.
wird nicht allein, Herr Kollege, eine Frage der erforderlichen Kosten sein. Vielmehr wird das Maß, in dem eine solche Rückführung von Wohnraum notwendig ist, ein Maß von unabweisbarer Kapitalvernichtung signalisieren, die langfristig in die Kapitalausstattung des Landes eingeht, unabhängig davon, ob sie nun kommunale Wohnungsgenossenschaften, private Eigentümer oder andere betreffen wird.
Das heißt, dort, wo für den Stadtumbau der meiste Abriss notwendig sein wird, wird das höchste Maß an Kapitalvernichtung stattfinden mit allen langfristigen Folgen. Ich sehe keinen Mechanismus, der uns hierfür zukünftig einen Ausgleich bieten wird.
Ich komme zu einem zweiten Punkt. Die dramatische Bevölkerungsprognose bedarf dringend einer Regionalisierung; denn der Bevölkerungsrückgang wird sich nicht gleichmäßig über das Land erstrecken. Ich kann mich nur wundern, mit welcher Blauäugigkeit in der Vergangenheit - ich selbst auch - über eine kommunale Gebietsreform diskutiert wurde, ohne diese Prozesse, abgesehen von der Suburbanisierung, ausreichend in den Blick zu nehmen.
(Herr Sachse, SPD: Wo leben Sie eigentlich? - Zurufe von Herrn Bullerjahn, SPD, von Herrn Felke, SPD, und von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner)