Vielen Dank, Frau Fischer. - Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 2 abgeschlossen.
Ich bitte zunächst Frau Dirlich, für die einbringende Fraktion das Wort zu nehmen. Ich darf Ihnen gleich sagen, dass dieselben Rednerinnen wie eben wieder auftreten werden. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Aktuelle Debatte, egal wie aktuell das Thema war oder ist und egal wie scharf die Auseinandersetzungen waren oder sind, bringt letztlich kein Ergebnis. Die PDS-Fraktion im Landtag will aber, dass unsere Diskussionen auch zu Ergebnissen führen. Wir wollen, dass sich die Diskussion über ein so wichtiges Thema wie die Umsetzung des Hartz-Konzeptes nicht hinter verschlossenen Türen abspielt und dass sie vor allem die Betroffenen einbezieht.
Aber wie ist die Diskussion bisher im Landtag gelaufen? Der Antrag, das Hartz-Konzept im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu diskutieren und die Haltung der Landesregierung zu erfahren, wurde nicht etwa im Landtag gestellt. Es war ein Selbstbefassungsantrag der CDU-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit. Natürlich haben wir für diesen Antrag gestimmt. Wir wollten ja schließlich auch die Position der Landesregierung kennen lernen.
Über der Niederschrift dieser Ausschusssitzung wird allerdings dann stehen: „Nicht zur Veröffentlichung bestimmt“. Wir denken aber, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, die Absichten der Landesregierung zu erfahren. Vor allem denken wir, dass in Sachsen-Anhalt eine öffentliche Diskussion zu den Absichten der Landesregierung und ihren Auffassungen mit Betroffenen geführt werden muss.
Diesem Anliegen wird der Änderungsantrag der SPDFraktion - das muss ich jetzt schon sagen - in keiner Weise gerecht. Einen Bericht im Ausschuss haben wir schon gehabt. Die Landesregierung hat den Zeitplan der Bundesregierung, also eine Terminkette vorgestellt und ihre Meinung zu einzelnen Punkten des Hartz-Konzeptes gesagt.
Es geht auch nicht um die Umsetzung dessen, was beschlossen ist oder beschlossen wird. Das kann man und muss man natürlich auch verlangen und verfolgen. Das können wir uns auch gern berichten lassen. Dafür interessiere ich mich selbstverständlich auch. Es geht um den Einfluss, den die Landesregierung Sachsen-Anhalts über den Bundesrat ausüben will und um die Frage der Ausgestaltung der zustimmungspflichtigen Teile des Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.
Dabei geht es eben nicht nur um die Frage, wie und wo die Personalserviceagenturen eingerichtet werden und
wie sie funktionieren sollen; es geht um die Sicht der einzelnen Betroffenen, es geht um die Sicht von Frauen, es geht um die Sicht von Kommunen, von Unternehmen usw., usw. Natürlich werden die einzelnen Ansichten sehr unterschiedlich sein; aber gerade deshalb sollten wir uns eine öffentliche Diskussion über die unterschiedlichen Standpunkte in Sachsen-Anhalt nicht einfach ersparen und sie durch eine Diskussion im Ausschuss ersetzen. Dazu ist aus unserer Sicht eben eine Erörterung mit Vereinen und Betroffenenverbänden notwendig.
Deshalb reicht es eben auch nicht aus, wenn die Betroffenen jeweils unter sich diskutieren. Wir wollen, dass die Landesregierung ganz bewusst den Dialog sucht, um die Sichtweisen aller beteiligten Seiten kennen zu lernen und im Entscheidungsprozess berücksichtigen zu können.
Es geht auch darum, die Entscheidungsprozesse innerhalb der Landesregierung, aber auch bei anderen Akteuren transparent zu machen. Nicht nur die Landesregierung soll die Möglichkeit erhalten, ihre eigenen Entscheidungen zu begründen und dafür zu werben, sondern auch anderen Akteuren sollen genau dies ermöglicht werden, und zwar so, dass sie sich gegenseitig mit ihren Forderungen konfrontieren und ihre Ansichten möglichst im positiven Sinne austauschen. Denn Meinungsaustausch heißt ja manchmal auch, dass man seine Meinungen einmal richtig austauscht, das heißt gegen eine andere Auffassung ersetzt.
Wir wissen, dass das Tempo der Bundesregierung diesem Anliegen entgegensteht. Aber gerade das ist aus unserer Sicht ein Grund, den oben beschriebenen Prozess einzufordern. Die Betroffenen haben das Bedürfnis, sich zu äußern. Das wurde am 4. November auf einem parlamentarischen Abend des Landesfrauenrates deutlich, wo wir die Diskussion zu frauenpolitischen Aspekten des Hartz-Konzeptes begonnen haben. Das wird auch in einem Artikel der „Zeitschrift für kommunale Selbstverwaltung“ des Deutschen Landkreistages unter der Überschrift „Vorschläge der so genannten HartzKommission stoßen auf kommunale Bedenken“ deutlich.
Um einige der Bedenken zu nennen: Die Kommunen haben beispielsweise Probleme damit, dass Teile der Schuldnerberatung, Teile der Sozialberatung, der Jugendberatung dem Arbeitsamt angegliedert werden sollen. Sie befürchten, dass damit in den Kreisen Doppelstrukturen entstehen, dass also sowohl beim Kreis als auch beim Arbeitsamt die Struktur dieser Querschnittsbehörde angeboten werden muss, oder aber sie befürchten, dass die Trennung zwischen erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Empfängerinnen von Leistungen zu einer Stigmatisierung von Menschen führt, was auch nicht richtig wäre. Zudem würden den Sozialämtern dann wirklich nur noch die Problemfälle überantwortet. Derjenige, der dann ein Sozialgeld bekommt, der ist von vornherein wirklich abgestempelt.
Damit haben die Kommunen durchaus ihre Probleme. Vor allem wissen sie nicht, ob eine Entlastung oder eine Belastung auf sie zukommt. Dass sie die Bedenken und die Einschätzungen des Landkreistages nicht teilen müssen, ist völlig klar. Dass sie aber Grund zu berechtigten Bedenken haben, zeigt sich beispielsweise beim Umgang mit dem so genannten Grundsicherungsgesetz.
Wir erinnern uns noch einmal kurz daran, was in diesem Zusammenhang versprochen worden war: Der demütigende Gang zum Sozialamt sollte den einzelnen Betroffenen erspart werden, und es sollten keine zusätzlichen
Belastungen für die Kommunen entstehen, sondern der Rentenversicherungsträger sollte zuständig sein. Zumindest das habe ich noch aus der Diskussion in Erinnerung.
Was wurde daraus? - Es wird ein Grundsicherungsamt bei den Landkreisen - in den Landratsämtern und in den Kreisbehörden - geben müssen. Das heißt, es wird zu einem Mehraufwand bei der Verwaltung kommen, ohne dass Berlin zusätzlich Gelder nach unten reichen wird. Die Belastungshöhe der Kreise ist noch vollkommen offen, weil diese überhaupt nicht wissen, wie viele Leute eigentlich kommen werden - es ist ja bisher eine Dunkelziffer -, und weil sie auch noch nicht so richtig wissen, wie das alles finanziert werden soll.
Es gibt noch einen Grund für eine öffentliche Diskussion. Das ist die Ministerrede von vorhin. Der Minister hat natürlich eine Menge Richtiges gesagt und er hat auch eine Menge Polemik gemacht. Was er aber nicht gemacht hat, war, sich zum Hartz-Konzept zu äußern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beide Anträge, meine Damen und Herren von der PDS und von der SPD, kommen zu spät und sind zu diesem Zeitpunkt meiner Ansicht nach absolut überflüssig.
Seit Beginn des Jahres 2002, noch in der Zeit der Regierungsverantwortung von SPD und PDS in diesem Land, sind wir mit der Arbeit der Hartz-Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes konfrontiert worden und sind wir in der Diskussion. Die 14 in die Kommission berufenen Experten schienen sich harmonisch-freundlich, koordiniertschnell dieser schwierigen Problematik anzunehmen.
Wo war zu diesem Zeitpunkt Ihr Antrag, Ihre Aufforderung, Ihr Ruf nach öffentlicher Diskussion, nach Beteiligung von Vereinen, Verbänden und Betroffenen? Ich habe ihn nicht vorliegen gehabt. Jetzt, wo gezündelt worden ist, wo der Brand offen lodert, rufen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der PDS, die Feuerwehr.
Ich gebe ja zu, dass wir vor zwei großen Wahlen standen und eine kritisch-sachliche Auseinandersetzung sicher diese oder jene Klientel verärgert hätte. Man ging damals dann den Weg des geringsten Widerstandes: Der Sack „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ wurde erst einmal zugemacht. Im August lag dann ein Konzept vor; alle waren voller Hoffnung.
Mit dem heutigen Tag liegen dem Bundestag zwei Gesetzesvorlagen zur Umsetzung des Hartz-Konzeptes zur
- mein Kollege trifft den Nagel auf den Kopf: Verschlimmbesserung - Harmonie und Frieden sind vorbei, von einer 1 : 1-Umsetzung kann keine Rede sein. „Verwässert, ohne einen erkennbaren Reformwillen“, sagen die einen, „veredelt“, sagen sarkastisch lächelnd die anderen.
Nun, meine Damen und Herren von der SPD, auch ohne den Antrag gibt es jetzt eine öffentliche Diskussion in einem selten so da gewesenen Ausmaß. Sogar die Experten schalten sich wieder ein. Ich bin der Ansicht, dass nicht einmal dem Bundeskanzler diese Öffentlichkeit im Moment sehr gut tut.
Auch wir können uns beteiligen. Das verbietet uns niemand und dazu ist auch kein Antrag nötig. Alle Parlamentarier diskutieren in den Fachausschüssen auch mit den Vertretern unserer Landesregierung, und auch das bedarf keiner zusätzlichen Aufforderung. Im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit haben wir uns darüber hinaus einstimmig darauf geeinigt, die Umsetzung der HartzVorschläge kritisch zu begleiten und das Thema Arbeitsmarkt regelmäßig aufzurufen.
Die Gesetze zur Umsetzung der Hartz-Konzeption werden in Bundestag und Bundesrat unterschiedlich entschieden; ich habe das schon gesagt. Das zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen bedarf der Zustimmung des Bundesrates. An der Stelle möchte ich noch einmal wiederholen, dass die Landesregierung im Bundesrat ihrer Verantwortung für Sachsen-Anhalt gerecht werden wird. Davon gehen wir aus. Auch hier sehen wir als Fraktion keinen Bedarf bezüglich einer zusätzlichen Aufforderung.
Vielen Dank, Frau Fischer. - Nun erteile ich Frau Ute Fischer für die SPD-Fraktion das Wort. Ich darf aber zwischendurch noch sehr gern Seniorinnen und Senioren der Gruppe der Volkssolidarität Wolfen auf der Zuschauertribüne begrüßen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, wir brauchen auf das Hartz-Konzept insgesamt nicht mehr einzugehen. Ich gehe völlig mit meinem Abgeordnetenkollegen Willi Polte konform, dass man das Konzept als Ganzes sehen muss und nicht die einzelnen Module zerpflücken sollte. Es gibt immer Betroffene, die sagen, dieses Modul wollen wir nicht, aber auch andere, die sagen, jawohl, genau so muss es sein. Das Gesamtkonzept muss als Ganzes wirken. Wir müssen versuchen, das als Ganzes umzusetzen. Es hat wenig Sinn, sich hier über einzelne Module zu streiten.
Ich bin der Meinung, dass eine öffentliche Debatte stattfindet, zumal das Gesetz im Bundestag schon behandelt worden ist. Jetzt diese öffentliche Debatte zu fordern kommt wirklich zu spät, Frau Dirlich.
Die Forderung, die Umsetzung des Konzeptes in Sachsen-Anhalt über das Parlament zu begleiten, ist aber durchaus gerechtfertigt. Ich bin mir der Sache genauso sicher - wie Frau Fischer (Merseburg) es auch gesagt hat -, dass die Landesregierung reagieren wird, wenn wir das in Selbstbefassung im Ausschuss fordern.
Es ist Niemandem verboten, sich in die Diskussion auf Landesebene einzubringen. Ich werde von Betroffenen verschiedener Couleur eingeladen, mit ihnen über die Module zu reden. Es ist auch Aufgabe der Abgeordneten, sich in diese Diskussion mit den Betroffenen einzubringen. An dem Gesetzesverfahren ändert eine Diskussion mit Betroffenen allerdings nichts mehr. Man kann nur versuchen, das Gesamtkonzept in die Diskussion zu bringen und um Verständnis zu werben.
Ich bin dankbar für das im Ausschuss am 23. Oktober 2002 stattgefundene Gespräch. Wir haben dort vereinbart, dass wir auch weiterhin die Umsetzung des Projektes begleiten. Deshalb haben wir den Änderungsantrag eingebracht. Ich wünsche mir, dass die Landesregierung die Moderation zu der Umsetzung übernimmt, weil im Land mit den Betroffenen geredet werden muss, und dabei die Gremien und Verbände einbezieht.