Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der FDP-Fraktion. Das Wort erhält Frau Röder. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der PDS hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes vorgelegt. Das ist dem Grundsatz nach zu begrüßen, ist doch eine Reform dieses Rechts schon lange überfällig. Das hat aber auch die Landesregierung erkannt und sie hat in Artikel 6 des Haushaltssanierungsgesetzes die notwendigen Änderungen vorgeschlagen.

Das betrifft insbesondere die Regelungen bezüglich der Einigungsstellen. Im zurzeit geltenden Gesetz werden den Einigungsstellen umfangreiche Rechte eingeräumt. Wenn bei den Maßnahmen, die der Mitbestimmung unterliegen, keine Einigung zwischen der obersten Dienststelle und dem Personalrat erreicht wird, dann wird die Einigungsstelle angerufen.

Die Einigungsstelle kann zurzeit in zahlreichen Angelegenheiten allein entscheiden. In Angelegenheiten, die die Beamten betreffen, kann die oberste Dienstbehörde eine abweichende Entscheidung treffen. In einzelnen Angelegenheiten kann die Einigungsstelle nur eine Empfehlung aussprechen. Nichtsdestotrotz, in vielen Fällen kann die Einigungsstelle einfach entscheiden.

Diese Letztentscheidungsbefugnis der Einigungsstelle ist in Schleswig-Holstein ähnlich geregelt gewesen. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1995, also vor acht Jahren, entschieden, dass diese Letztentscheidungsbefugnis nicht mit dem Grundgesetz, also nicht mit dem Demokratieprinzip und auch nicht mit dem

Recht auf kommunale Selbstverwaltung vereinbar ist. Jetzt, nach acht Jahren, wird das endlich geändert.

Das ist im Rahmen dieses Haushaltssanierungsgesetzes sinnvoll. Wie gesagt, wenn bei Angelegenheiten der Angestellten eine Einigungsstelle die Letztbefugnis hat, dann kann auch die Landesregierung gegen die Einigungsstelle mögliche Personalmaßnahmen schlecht durchsetzen. Deshalb ist die Gesetzesänderung in diesem Rahmen durchaus notwendig. Nichtsdestotrotz ist auch diese Problematik im PDS-Entwurf durchaus bedacht worden, und dies ist, wie gesagt, zu begrüßen.

Inhaltlich stimme ich natürlich mit vielen Punkten dieses Entwurfes nicht überein. Frau Dr. Paschke, Sie sagten, dass er von den Gewerkschaften sehr stark beeinflusst worden sei. Das liest man aus dem Entwurf sehr deutlich heraus. Es wird Sie nicht wundern, dass ich die meisten Dinge anders sehe.

Ich halte es zum Beispiel für falsch, dass die Mitbestimmungsrechte auf fast alle Gebiete ausgeweitet werden sollen. Der Katalog der zustimmungspflichtigen Maßnahmen muss eingeschränkt und abschließend geregelt sein, um einfach Unklarheiten, Streit und einen dadurch bedingten größeren Verwaltungsaufwand zu vermeiden.

Man sollte sogar gegebenenfalls über eine Reduzierung der zustimmungspflichtigen Maßnahmen nachdenken. Hierzu fällt mir besonders der § 69 des Personalvertretungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt ein. Ich persönlich sehe nicht ein, warum die Einführung neuer Kommunikationsnetze oder von Maßnahmen zur Überwachung der Leistungen oder der Arbeitszeit der Angestellten zustimmungspflichtig sein soll.

Ich selbst habe an Verhandlungen zu Betriebsvereinbarungen teilgenommen. Draußen im wirklichen Leben, in der freien Wirtschaft wird es niemand verstehen, aus welchem Grund sich die Arbeitnehmer dagegen wehren können sollten, dass man ihre Leistungen überwacht. Es ist das absolute Recht des Arbeitgebers, die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das muss so sein.

Ein weiterer Punkt betrifft die Anzahl der Mitglieder des Personalrates. Diese Anzahl soll nach Ihrem Entwurf erhöht werden. Das kann sich das Land schlicht und einfach nicht leisten. Damit würde das Land angesichts knapper Kassen und angesichts des geplanten Personalabbaues noch mehr Personen für die Tätigkeit im Personalrat bezahlen. Das können wir uns nicht leisten. Unsere Angestellten und Beamten sollen in erster Linie ihre Diensttätigkeit ausführen. Die Personalräte sollten wirklich auf die absolut notwendige Zahl beschränkt werden.

Einen weiteren sehr interessanten Vorschlag finde ich, entsprechendes Büropersonal für die Protokollführung bei Personalratssitzungen freizustellen und zu diesen Sitzungen zuzulassen. Ich halte es durchaus für zumutbar, dass die Personalräte selbst Protokoll führen und dafür nicht zusätzliches Personal freigestellt wird. Wer soll das bezahlen?

(Frau Mittendorf, SPD: Haben Sie schon einmal eine richtige Personalratssitzung erlebt?)

Ein letzter Punkt: Die Personalvertretung soll sich in Projektgruppen der Behörden einklagen können. Auch so kann man Verwaltungshandeln lahm legen.

Da einige Punkte des PDS-Entwurfes aber durchaus diskussionswürdig sind und eine Überarbeitung des alten

Gesetzes notwendig ist, beantrage ich eine Überweisung in den Innenausschuss. - Danke.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Röder. - Für die SPD-Fraktion spricht Frau Krimhild Fischer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war am 19. November dieses Jahres, als der DGB Sachsen-Anhalt und seine Mitgliedsgewerkschaften im öffentlichen Dienst zu einer Personalrätekonferenz eingeladen hatten. Das Thema: die neue Mitbestimmung im öffentlichen Dienst. Die Redebeiträge und die Diskussionen hatten schnell ein Grundthema gefunden: das Landespersonalvertretungsgesetz und die durch die Landesregierung geplante Änderung, die in Artikel 6 des Haushaltssanierungsgesetzes 2003 vorgesehen ist.

Worum geht es? - Es geht um die Umsetzung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1995 zur Mitbestimmung in Schleswig-Holstein, deren Kern beinhaltet, dass im Konfliktfall das letzte Entscheidungsrecht nicht bei der Einigungsstelle, sondern bei einem demokratisch legitimierten Amtsträger zu liegen habe.

Dieses Urteil ist selbstverständlich zu respektieren und es bedarf auch der Umsetzung in Sachsen-Anhalt. Es sollte aber nicht zum Anlass genommen werden, die Rechte der Personalvertretung zu beschneiden, ohne an anderer Stelle einen gebotenen Ausgleich dafür zu schaffen. Beispielhaft erwähne ich hierzu die Beteiligung von Personalräten an Projektgruppen zur Verwaltungsmodernisierung.

Das Personalvertretungsrecht steht immer im Spannungsfeld zwischen einer möglichst an das Betriebsverfassungsrecht angeglichenen Beteiligung der Personalräte und den Anforderungen, die sowohl das Demokratieprinzip als auch das Rechtsstaatsprinzip an die Reichweite der Beteiligungsrechte stellen. Ziel der SPDFraktion ist es immer gewesen, hierbei einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen von Land und Bediensteten zu finden.

Meine Damen und Herren! Durch die Einbindung des Artikels 6 in das Haushaltsbegleitgesetz - für das Jahr 2003 heißt es „Haushaltssanierungsgesetz“ - hat die Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes nach dem Willen der Landesregierung allerdings eine ganz andere politische Dimension gewonnen. Der von der Landesregierung angekündigte Personalabbau im öffentlichen Dienst soll geräuschlos gestaltet und gerichtsfest gemacht werden. Hierzu sollen die Mitbestimmungsrechte der Personalräte beschnitten werden. Die Notwendigkeit der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes ist allein der willkommene Anlass, dieses zu tun.

Wir lehnen diese Verfahrensweise ab. Ich habe mich auf der Personalrätekonferenz am 19. November deutlich dazu geäußert. Der Artikel 6 gehört aus dem Haushaltsbegleitgesetz herausgelöst. Eine umfassende, seriöse und in aller Ruhe geführte Diskussion zur Modernisierung des Personalvertretungsgesetzes in Sachsen-Anhalt ist notwendig. Dabei wird die SPD-Fraktion darauf achten, die Stärkung der Mitbestimmung und die die Mit

bestimmung im öffentlichen Dienst einschränkenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes in Einklang zu bringen.

Uns ist es ein besonderes Anliegen, in dem notwendigen Reformprozess der öffentlichen Verwaltung in SachsenAnhalt den Beschäftigten auch im Personalvertretungsgesetz Mitgestaltungsmöglichkeiten zu sichern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das größte Kapital, das die Landesverwaltung besitzt. Eine Verwaltungsreform lässt sich nur mit den Menschen und nicht gegen sie durchführen. Ein Einschüchterungsversuch wie Artikel 6 des Haushaltsbegleitgesetzes hilft bei der Verwaltungsreform nicht weiter.

Meine Damen und Herren! Die SPD hat im Rechtsausschuss am 4. Dezember 2002 die Herauslösung des Artikels 6 aus dem Haushaltssanierungsgesetz 2003 beantragt. Der Antrag wurde bei 6 : 7 Stimmen abgelehnt.

Nun liegt uns ein Gesetzentwurf der PDS-Fraktion zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vor, der bei CDU und FDP nicht den Hauch einer Chance der Mehrheitsfähigkeit hat. Ein wenig einfallslos, werte Kolleginnen und Kollegen der PDS; da hätte ich mehr erwartet. Denn natürlich kennt auch die SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt den Gesetzentwurf der Gewerkschaften, den Sie quasi 1 : 1 übernommen haben. Wenn Sie ein interessanter Gesprächspartner für Gewerkschaften und diejenigen, die sie vertreten, sein wollen, brauchen Sie wenigstens eine eigene Meinung und ein ehrliches Interesse daran, mit den Vorschlägen auch etwas im Sinne der Betroffenen zu bewegen.

Eine moderne Gesellschaft braucht eine moderne Verwaltung und ein modernes Personalvertretungsrecht. Die Novellierung muss die Beteiligung aller, die am Ende damit umgehen müssen, einfordern, will sie schließlich erfolgreich sein.

Die SPD-Fraktion wird der Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse zustimmen. Hier wird sich zeigen, wer in den dort geführten Beratungen die erforderlichen richtigen Ideen zur Modernisierung des Personalvertretungsgesetzes in Sachsen-Anhalt hat, die es dann ermöglichen, Mitbestimmung nicht als Verhinderung einer modernen Verwaltung, sondern als Chance im Rahmen von Verwaltungsmodernisierung in den kommenden Monaten zu realisieren.

Die Haushaltsberatungen für das Jahr 2003 reichen zeitlich dafür nicht aus. Deshalb appelliere ich noch einmal an Sie: Nehmen Sie den Artikel 6 aus dem Haushaltssanierungsgesetz heraus und lassen Sie uns gemeinsam an der Modernisierung des Landespersonalvertretungsgesetzes arbeiten. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Vielen Dank, Frau Fischer - Nun erteile ich Ihnen, Herr Scharf, für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entscheidungsfindung zur Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes scheint eine interessante Entwicklung im Landtag von Sachsen-Anhalt einzuleiten. Der Gesetzentwurf hat eine unterschiedliche Ent

stehungsgeschichte und eine unterschiedliche Grundlegung. Wir haben, wenn die Überweisung geschehen wird, zwei verschiedene Arten von Entwürfen zur Novellierung des Landespersonalvertretungsrechtes im Landtag.

Wenn Frau Fischer ein bisschen ehrlicher gewesen wäre, dann hätte sie gleich ergänzend hinzugefügt, dass sich der Artikel 6 des Haushaltssanierungsgesetzes in weiten Teilen überhaupt nicht von dem unterscheidet, was Herr Innenminister a. D. Püchel damals auch schon einmal angedacht hatte.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Kein Problem!)

Ich wollte damit nur sagen: Wir haben durchaus den Auftrag, auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unser bisher bewährtes Landespersonalvertretungsrecht zu modernisieren und anzupassen. Wie machen wir das jetzt am besten? Machen wir das so, dass wir einen ver.di-Gesetzentwurf mehr oder weniger abschreiben und in das Parlament einbringen, oder machen wir das, indem wir uns eigene Gedanken machen, wie wir zu einem verfassungsfesten, aber auch modernen Landespersonalvertretungsrecht im Land Sachsen-Anhalt kommen?

Die Grenze, die wir einzuhalten haben, ist ganz eindeutig gezogen. Deshalb dürfen wir nach der Verfassungslage nur das versprechen, was haltbar ist. Daher ist eine weitreichende Mitbestimmung nur zulässig für Maßnahmen, die in ihrem Schwerpunkt die Beschäftigten in ihrem Beschäftigungsverhältnis betreffen, typischerweise aber nicht oder nur unerheblich die Wahrnehmung von Amtsaufgaben gegenüber dem Bürger berühren.

Daher können wir allen Gesetzentwürfen, die von einer nahezu kompletten Allzuständigkeit der Personalräte ausgehen, nicht folgen. Deshalb können wir auch dem Gesetzentwurf der PDS an dieser Stelle nicht folgen.

Wir werden deshalb auf der Grundlage des Gesetzentwurfs, den die Landesregierung eingebracht hat, unsere weiteren Beratungen durchführen. Wir werden uns aber Änderungsvorschlägen, die vernünftig sind, nicht verweigern. Wir werden als CDU auch dafür plädieren und wir werden uns in den Ausschüssen so verhalten, dass wir Artikel 6 des Haushaltssanierungsgesetzes aus dem Beratungsgang herauslösen und einen eigenen Beratungsgang im Innenausschuss durchführen, um so zu einem neuen Personalvertretungsgesetz zu kommen.

Wir werden auch einige Anregungen des von der PDSFraktion eingebrachten Gesetzentwurfs mit aufnehmen. Aber das werden nur einige Änderungen sein.

Wir sind ganz klar dafür, dass wir die Arbeitsbedingungen von Personalräten dort verbessern, wo es notwendig und möglich ist. Das muss nicht automatisch die Stärkung von Gewerkschaftsrechten sein. Die Gewerkschaften müssen ihre eigene Mächtigkeit schon durch eigene Aktivitäten beweisen und nicht dadurch, dass sie andere Beteiligungsgruppen wie zum Beispiel Berufsverbände aus dem Gesetz herausdrängen wollen. Das werden wir nicht zulassen. An dieser Stelle kann man dem Gesetzentwurf natürlich nicht folgen.

Wir werden auch nicht einer Ausweitung des Personalvertretungsrechtes in der Weise zustimmen, dass Änderungen, die die Bundesregierung beim Betriebsverfassungsgesetz gemacht hat und die wir nicht wollten, jetzt im Analogieschluss im Landespersonalvertretungsrecht

umgesetzt werden. Deshalb werden wir keine höhere Anzahl von Freistellungen zulassen.

Wir werden uns aber zum Beispiel dafür einsetzen, dass die bisher nicht vorgesehene Möglichkeit von Teilfreistellungen aufgenommen wird; denn in meinen Augen ist es durchaus sinnvoll, dass sich Personalräte teilweise freistellen lassen können. Dann kommen sie nicht aus ihrem Berufsalltag heraus, dann sind sie nicht nach einigen Jahren dazu verdonnert, immer Personalrat zu sein, sondern sie können ihre normale Aufgabe weiter wahrnehmen und gleichzeitig die Personalvertretungsrechte. In diesem Punkt, denke ich, ist durchaus einiges mit aufzunehmen.

Wir finden es aber zum Beispiel nicht sachgerecht zu fordern, dass sich die Personalräte zukünftig mit den Belangen des Umweltschutzes zu beschäftigen haben. Das ist nicht notwendig. Soweit damit der Arbeitsschutz gemeint ist, ist das jetzt schon so vorgesehen.

Die Redezeit nähert sich langsam ihrem Ende; das ist sehr schade bei einem so wichtigen Thema. Deshalb will ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Wir werden die Grundtendenz der vorgelegten Änderung beibehalten. Das heißt, die Einigungsstellen werden in den Fragen, die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgelegt sind, nur einen empfehlenden Charakter haben. Hierzu muss die Behörde endgültig entscheiden. Wir werden aber die Behörde durch den Gesetzestext dazu zwingen, ihre Entscheidungen dem Betroffenen deutlich darzulegen. Was nicht deutlich dargelegt wird, wird nach meiner Auffassung sowieso vor dem Arbeitsgericht landen. Insofern sind die Behörden gehalten, ihrer Darlegungspflicht ordentlich nachzukommen.

Ich gehe davon aus - die Andeutungen von Frau Fischer kann ich durchaus in dieser Weise verstehen -, dass wir dann auch sehr schnell zu einem novellierten Personalvertretungsrecht kommen. Der Verdacht, der immer wieder unterstellt worden ist, dass es darum ginge, ein Personalvertretungsrecht durchzupeitschen, um im Haushaltssanierungsgesetz einen Personalabbau durchzusetzen - dieser Verdacht ist irrig und wird durch den Beratungsgang im Landtag widerlegt werden. - Vielen Dank.