Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Soweit es die erste Forderung betrifft, ist festzuhalten, dass der so genannte Heidekompromiss eine Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Sachsen-Anhalt ist, die gemeinsame Ziele und damit verbundene Rechte und Pflichten festschreibt. Aus der Begründung des Antrags ist aber nicht ersichtlich, dass zu befürchten ist, dass eine der Parteien gegen die ihr obliegenden Pflichten verstoßen würde. Woraus sich nun die Erforderlichkeit ergibt, die Einhaltung der Pflichten anzumahnen, erschließt sich aus der Begründung nicht. Sie ist daher rein deklaratorisch.

Die friedliche und touristische Nutzung, auf die in dem Antrag abgezielt wird, betrifft den Wunsch der Gemeinden, Teile des Truppenübungsplatzes mit Wanderwegen und Aussichtspunkten zu übungsfreien Zeiten zu nutzen. Diese Nutzung steht unter zwei Vorbehalten. Erstens. Unter Nr. 4 des Kompromisses ist geregelt worden, dass nur dann einem entsprechenden Nutzungsbegehren zuzustimmen ist, wenn es die militärische Nutzung zulässt und wenn zweitens die verfügbaren Haushaltsmittel für eine Munitionsberäumung dies zulassen.

Weder in Ihrem Antrag noch in der Begründung ist dargelegt worden, dass die Bundesregierung trotz ausreichender Haushaltsmittel und trotz fehlender entgegenstehender militärischer Nutzungsinteressen dem Wunsch nach einer friedlichen Nutzung widersprochen hätte. Es ist noch nicht einmal dargestellt worden, welche Nutzung tatsächlich gewollt ist, wegen der eine solche Aufforderung an die Landesregierung notwendig ist.

Zum zweiten Teil des Antrages sei Folgendes festgestellt: Eine Übertragung von Flächen an die Kommunen ist in dem Kompromiss nicht vorgesehen worden. Die Übertragung aus der Verantwortlichkeit der Bundeswehr an die Bundesvermögensverwaltung und damit das Ende der militärischen Nutzung ist spätestens für das Jahr 2006 vorgesehen worden. Das betrifft aber nur den südlichen Teil des Truppenübungsplatzes. Voraussetzung hierfür ist gemäß Nr. 3 des Kompromisses wieder der Abschluss der Beräumung der Oberfläche von Munitionsschrott.

In welcher Tiefe diese Beräumung vorzunehmen ist, ist mit Blick auf die jeweiligen Umstände vor Ort einzuschätzen, die selbstverständlich unterschiedlich sind. Dabei ist es auch nicht ausgeschlossen, dass man über eine Tiefe von 6 m hinaus beräumen lässt. Dass aber eine Beräumung grundsätzlich nur bis zu einer Tiefe von 20 bzw. 40 cm vorgenommen wird, ist weder festgeschrieben, noch ist festgeschrieben, dass es ungeeignet wäre.

Wie wir gehört haben, begleitet der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Sachsen-Anhalt die Munitionsberäumung. Der sich aufgrund von Nr. 4 des Kompromisses ergebenden Pflicht, dass sich die Landesfachbehörden beteiligen, ist auch Genüge getan worden. Warum nun die Landesregierung aufgefordert werden soll, Festlegungen umzusetzen, die nicht vereinbart worden sind, erschließt sich aus dem Antrag nicht, weshalb er abzulehnen ist.

Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion ist nicht abzulehnen; denn grundsätzlich haben wir auch ein Interesse daran, zu erfahren, was tatsächlich in der Colbitz-Letzlinger Heide gemacht wird. - Danke schön.

(Zustimmung bei der FDP)

Danke, Herr Wolpert. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Dr. Polte das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Polte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den schweren Erblasten und Altlasten, die am Ende des letzten Jahrhunderts aufgrund des industriell verursachten Raubbaus an unseren Lebensgrundlagen - Boden, Luft und Wasser - vorhanden gewesen sind, kommen die Hinterlassenschaften auf den vom Militär über Jahrzehnte hinweg genutzten Flächen in unserem Land Sachsen-Anhalt hinzu. Nicht zufällig war die kirchliche Friedensarbeit in der DDR mit dem Ziel „Bewahrung der Schöpfung“ fest verbunden.

Zwar basierte ein Teil des Lebensstandards, den wir zu DDR-Zeiten hatten, auf einer exzessiven Nutzung und Ausbeutung der Natur; andererseits stand dem jedoch eine zunehmende Verminderung der Lebensqualität durch die Belastung aus dem Umweltbereich gegenüber.

Mit der Wende im Jahr 1990 verbanden sich auch große Hoffnungen, die in Jahrzehnten entstandenen Wunden in unserem Lebensumfeld hinsichtlich der Lebensgrundlagen zu heilen. Ich denke, dass jetzt eine Gelegenheit ist, an dieser Stelle einmal darauf hinzuweisen. Was sich in den zurückliegenden zwölf Jahren in diesem Bereich vollzogen hat in unserem Land, gehört auf die Habenseite der deutschen Einheit und ist von großem Gewicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber - das wissen wir alle - es bleibt noch überall im Lande viel zu tun, und es ist noch viel öffentliches Geld dafür erforderlich.

Deswegen auch meine dringende Bitte, davon abzulassen, an den Altlastensanierungsfonds irgendwie heranzugehen; denn wenn dieses Geld einmal angefasst ist, dann kann man nur sagen: Denn niemals kehren sie

wieder, die Millionen. Dann ist das Geld „verbraten“, wenn ich das so sagen darf.

(Zustimmung bei der SPD)

Bezogen auf die Colbitz-Letzlinger Heide hatten viele aus der Wende-Bewegung im Jahre 1990 die Wunschvorstellung - ich beziehe mich da mit ein -, wenn die Sowjetarmee aus der Heide heraus ist, dann haben wir besonders im Vorhof der Landeshauptstadt wieder eine wunderschöne Naturlandschaft, ein Naherholungszentrum zu erwarten. Diesen Traum träumt die Bürgerinitiative „Offene Heide“ noch heute.

Aber wir alle wissen: Die Wirklichkeit ist manchmal etwas anders. Da muss man auch Realist sein. Unser früherer Innenminister war Realist. Er hat mit dem damaligen Bundesverteidigungsminister den so genannten Heidekompromiss vereinbart, durch den erst einmal der Rahmen geschaffen worden ist, innerhalb dessen sich in der Heide nun etwas zum Positiven entwickelt.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, ohne das Nutzungsinteresse der Bundeswehr - auch das muss man sehen - wäre bisher nicht eine müde Mark in den gesamten Heidebereich investiert worden. Was für ein Anlass hätte bestanden, dafür Geld zu investieren? Das Nutzungsinteresse dient letztlich der Wiederherstellung der Heide, sodass wir sie dann vielleicht auch nutzen können.

Davon ist auch der gesamte Südbereich betroffen, der spätestens im Jahr 2006 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Das ist ein Erfolg, über den wir uns alle freuen sollten. Es geht dabei um 3 500 ha. Angesichts der gesamten Fläche darf man gar nicht daran denken, was das alles noch kosten wird, sonst wird einem schwindelig.

Ich sage es noch einmal: Wenn es darum ginge, die gesamte Fläche der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, dann würde die öffentliche Hand in den nächsten zehn bis 20 Jahren nicht die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen können.

Die laut dem Heidekompromiss spätestens für das Jahr 2006 vorgesehene Herausnahme des so genannten Südteils des Truppenübungsplatzes aus dem Gesamtgelände ist auch der Hintergrund eines Schreibens, das mir bekannt ist, das der Landkreis Ohrekreis, die Kreisstadt Haldensleben und fünf davon tangierte Gemeinden an den Herrn Innenminister gerichtet haben. Das ist vielleicht auch der Hintergrund des Antrages der PDS.

Es geht dabei um die Frage: Was geschieht spätestens ab 2006, wenn gemäß dem Heidekompromiss der Südteil des Truppenübungsplatzes in das allgemeine Grundvermögen des Bundes übergeht?

Der Heidekompromiss besagt nicht, dass diese Flächen automatisch an die Kommunen gehen. Sie gehen an den Bund. Der Bund aber wird sie nur übernehmen, wenn sie hinreichend beräumt sind; denn er hat auch weiterhin die Verkehrssicherungspflicht. In dem Kompromiss steht, dass diese Flächen nach 2006 der öffentlichen Nutzung zugeführt werden müssen. Das kann nur dann passieren, wenn sie so beräumt sind, dass die Sicherheit gewährleistet ist; denn sonst nützt es nichts. Eben das war der Inhalt dieses Kompromisses.

Ich verstehe den Antrag nicht ganz, weil nirgendwo steht, dass irgendetwas an die Kommunen gegeben wird. Aber es könnte sein - deswegen auch unser Änderungsantrag -, dass wir darüber nachdenken müssen bzw. nachfragen müssen, wie denn ab dem Jahr 2006, wenn die Fläche an den Bund übergegangen sein wird, die zivile Nutzung praktiziert werden kann.

Herr Dr. Polte, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich sehe es schon.

Ich will nur noch einmal kurz darauf hinweisen, dass die SPD-Fraktion einen Änderungsantrag gestellt hat. Sie kennen den Inhalt. Ich denke, wir sollten die Dinge in aller Ruhe erörtern und tiefgreifend behandeln, einschließlich der Frage, wie realistisch es ist, die Heide mindestens 6 m tief umzugraben. Stellen Sie sich einmal vor, wie viele Cheopspyramiden das bei einer Fläche von 230 km² ergibt. Ich kann mir das nicht vorstellen.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Dr. Polte. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Schulz das Wort. Bitte, Herr Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Czeke, Angriff ist die beste Verteidigung. Das lernt man nicht nur an der Offiziersschule. Ich denke, das können Sie auch ganz gut.

„Schürfen die Soldaten tief genug?“, fragte am vergangenen Mittwoch aus Anlass dieses PDS-Antrages der „Elbe-Report“ auf Seite 1. In der letzten Wahlperiode noch fragte Herr Czeke nach der Zulässigkeit der Munitionsräumung im Bereich des Colbitzer Lindenwaldes auf dem Südteil des Truppenübungsplatzes Altmark.

Meine werten Kollegen von der PDS, was wollen Sie denn eigentlich? Räumung oder Naturschutz?

Der so genannte Heidekompromiss sagt aus: Spätestens im Jahr 2006 ist die Abgabe des Südteils in das allgemeine Grundvermögen des Bundes vorgesehen. Die Fläche wird aus dem Bereich des Truppenübungsplatzes herausgenommen. Auf die militärische Nutzung wird dann verzichtet. Die Bundeswehr geht davon aus, dass bis zum Jahr 2006 die oberflächliche Räumung von Munition und Munitionsteilen durchgeführt sein wird. Die Beseitigung von Munition und Munitionsteilen bis in eine Tiefe von 6 m ist in diesem Zusammenhang ein hehres Anliegen, welches anfänglich so durchzuführen versucht wurde. Letztlich ist das aber auch eine Kostenfrage.

Da der Bund Eigentümer des ca. 3 500 ha großen Südteils des Übungsplatzes ist, muss dieser - das müsste die PDS von der rot-grünen Bundesregierung einfordern - auch die Kosten hierfür übernehmen. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Räumung bis in 6 m Tiefe irreparable Schäden im Naturschutzgebiet Colbitzer Lindenwald, dem größten zusammenhängenden Lindenwald Europas, verursachen würde.

Aus praktischer Sicht stellt sich die Räumung bis zu einer Tiefe von 6 m als äußerst uneffektiv dar, weil der

Boden mit eisenhaltigen Findlingen durchsäht ist, welche die Ortungsgeräte anschlagen lassen, was aufwendige, kostenträchtige, im Ergebnis aber schädliche und zerstörende Grabungen erforderlich macht.

Gegenwärtig wird unter Beteiligung der Umweltverbände anlassbezogen vor Ort entschieden, ob 20, 40 oder - Herr Czeke, hören Sie zu - 80 cm tief - also nicht nur 20 oder 40, sondern auch 80 cm - beräumt wird. Im Bereich von Wegen und anderen von Menschen frequentierten Plätzen erfolgt noch heute eine Räumung bis in eine Tiefe von 2,50 m.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, bei welcher Räumungstiefe objektiv ein absoluter Schutz vor Unfällen mit Kampfmitteln gewährleistet werden kann. In der Sache sind die Gefahren und die Kosten- und Zweckmäßigkeitserwägungen gegeneinander abzuwägen. Diese Entscheidung sollte mit den Beteiligten vor Ort abgestimmt werden. In diesem Zusammenhang leistet die Bundeswehr eine sehr gute Arbeit. Sie wird den Prozess der Entmunitionierung und der Renaturierung der ColbitzLetzlinger Heide, auch der militärisch genutzten Teile, weiter fortsetzen.

In diesem Sinne, liebe Kollegen von der PDS: keine Angst vor der Bundeswehr!

Die CDU wird Ihren Antrag ablehnen, weil er unserer Auffassung nach nicht alle zu beachtenden Gesichtspunkte im Blick hat. Ich stelle mir ohnehin die Frage, warum die PDS gerade jetzt diesen Antrag stellt.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Warum nicht?)

Im Jahr 1998 ist die Erkundungs- und Bergungstiefe verringert worden. Sie hatten vier Jahre Zeit, das Problem in Ihrem Sinne zu lösen oder besser von der SPD lösen zu lassen.

Allerdings hat der Antrag auch etwas Gutes. Er bringt nämlich die Frage wieder auf die Tagesordnung, ob eine zivile Nutzung des Südteils des Truppenübungsplatzes Altmark ökonomisch und ökologisch sinnvoll und in ihren Konsequenzen wirklich gewollt ist.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Was machen Sie denn jetzt?)

Nachdem die Bundeswehr das Territorium in das allgemeine Grundvermögen des Bundes abgegeben hat, würde das Bundesvermögensamt die Flächen zum Verkauf ausschreiben. Ich habe erhebliche Zweifel, ob sich das Land, die Landkreise oder die Gemeinden diese Flächen leisten können bzw. ob sie sie überhaupt erwerben wollen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Was erzählen Sie denn jetzt?)

Private Dritte würden Flächen kaufen aufgrund ihrer eigenen Interessen an Jagdhütten, Wochenendhäusern oder Kies- und Sandgruben. Das Ergebnis wäre Zersiedlung pur. An den Umweltschutz würde niemand mehr denken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Abgabe würden die von der Bundeswehr ergriffenen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege beendet werden.