Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Es wurde von allen begrüßt. Ich verstehe Sie überhaupt nicht, wenn Sie sagen, dass wir diese Regelungen nicht brauchen. Wie wichtig zum Beispiel die Dokumentation ist, sehen Sie daran, dass die Verwandten wissen wollen, ob ihre Angehörigen tatsächlich gut betreut werden und ob sie vor oder nach einem Krankenhausaufenthalt gut gepflegt worden sind. Ich halte diese Dokumentation für absolut wichtig. Ich habe noch nie gehört - ich selbst

bin Vorsitzender einer Einrichtung -, dass an dieser Dokumentation irgendjemand etwas kritisiert hätte. Man kann sicherlich vieles vereinfachen.

Herr Dr. Eckert, man kann in diesen Antrag natürlich alles hineinpacken. Natürlich regelt die Pflegeversicherung nicht alles. Es gibt auch Defizite. Wir wissen auch, wo die Defizite liegen. Es ist nicht genügend Geld vorhanden. Auch die Vorschriften über die Pflegeleistungen in Minuten sind sehr begrenzt.

Das kann aber nicht dazu führen, dass Menschen in eine Kammer abgeschoben werden, dass sie nichts zu essen bekommen und dass sie verdursten. Das ist eine Einstellungsfrage. Hier ist Kontrolle erforderlich. Wir als Abgeordnete müssen uns dafür einsetzen. Übrigens kann es jeden von uns treffen; auch wir werden älter. Gerade Menschen, die alt sind und sich nicht mehr wehren können, sich im letzten Stadium ihres Lebens befinden, müssen besonders geschützt werden.

(Zuruf von Herrn Dr. Eckert, PDS)

- Ich wollte es nur noch einmal ergänzen. Es ist richtig, was Sie gesagt haben. Ich denke, dass dieser Punkt sehr wichtig ist und wir darüber im Ausschuss beraten sollten. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Danke, Herr Bischoff. - Meine Damen und Herren! Eine Überweisung ist nicht beantragt worden, sodass wir über diesen Antrag direkt abstimmen können.

Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag der CDU- und der FDP-Fraktion in der Drs. 4/422 ab. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Keine Enthaltungen. Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.

Wir stimmen nun über den Antrag in der Drs. 4/391 in der Fassung des angenommenen Änderungsantrages ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 17 beendet.

Wir treten in die Beratung des Tagesordnungspunktes 18 ein:

Beratung

Einigung über einen Anschlusstarifvertrag für Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/392

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/415

Als Einbringer für die Fraktion der SPD wurde mir die Abgeordnete Frau Mittendorf benannt. Bitte sehr, Frau Mittendorf.

Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Sie haben jetzt möglicherweise einen anderen Redner oder eine andere Rednerin erwartet, aber ich habe diesen

Part übernommen. Ich muss sagen, ich habe ein bisschen überlegt, ob ich das tue. Aber ich habe mich dafür entschieden; wir wollen mal sehen, wie es wird.

Meine Damen und Herren! Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst sind in der Regel Verhandlungen auf der Bundesebene, also das, was jetzt gerade stattfindet. Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst auf Landesebene sind die Ausnahme. Sie kommen im konkreten Fall nur dann zustande, wenn es sich um Verhandlungen nach § 3 des Sozialtarifvertrages - früher BAT 15 c - handelt, also um Regelungen zu besonderen regelmäßigen Arbeitszeiten.

Dies war und ist eine Öffnungsklausel, die gerade für die Besonderheiten der Personalsituation in den neuen Bundesländern neue Handlungsspielräume eröffnete und den Landesregierungen und den organisierenden Gewerkschaften das Mandat für eigene Tarifverhandlungen auf der Länderebene gibt, deren Ergebnisse jedoch von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder bestätigt werden müssen.

Dass, meine Damen und Herren, im konkreten Fall Lehrkräfte betroffen waren und sind, ist eigentlich ein tarifvertragliches Novum, das mit dem Abschluss von 1996 erstmals das Licht der Welt erblickte - natürlich mit allen damit verbundenen Geburtswehen und - wie bei schweren Geburten häufig - komplizierten Nachfolgeerscheinungen. Man muss sich dies vor allem für die neuen Kolleginnen und Kollegen im Parlament noch einmal in Erinnerung rufen, um mit der Genesis des heute zur Diskussion Stehenden vertraut zu werden.

Meine Damen und Herren! Lehrkräfte fallen bundesweit deshalb unter keine Tarifverträge, da sie im Regelfall als Beschäftigte der Länder Beamte sind. Lehrkräfte - bis auf Schulleiter und einige andere Ausnahmen - wurden von den Regierungen der neuen Bundesländer wegen der vielen Ungewissheiten der zukünftigen Entwicklung - nur so kann man das heute erklären - in der ersten Legislaturperiode nach der Wende 1990 bis 1994 mehrheitlich nicht verbeamtet. Nachdem durch so genannte Lehrergleichstellungsgesetze der Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen die Gleichwertigkeit ihrer in der DDR erworbenen Abschlüsse zuerkannt wurde, wurde anhand fiktiver Beamtenlaufbahnen eine Eingruppierung in die vergleichbaren Gehaltsgruppen des BAT vorgenommen.

Mit dem Bewusstwerden der Konsequenzen aus der sich spätestens 1994 abzeichnenden demografischen Entwicklung - manche sprechen von der demografischen Katastrophe - standen alle neuen Bundesländer in diesem Bereich unter Handlungszwang. Wie wir wissen, entstanden daraus auch sehr unterschiedliche und häufig auch sehr umstrittene Ergebnisse, die auch nicht immer tatsächlich zu Personalabbau führten.

Als klar war, dass sich im Laufe der nächsten zehn Jahre aufgrund des dramatischen Geburtenrückgangs die Schülerzahlen halbieren würden, wiesen alle Prognosen über die künftige Personalentwicklung im Lehrerbereich darauf hin, dass selbst bei natürlicher Fluktuation und Altersabgängen erhebliche Personalüberhänge in diesem Bereich entstehen würden. Schon zu dieser Zeit bestand die nachdrückliche Forderung nach Personalabbau im öffentlichen Dienst - zwar ganz allgemein, aber die Bereiche der Einzelpläne 06 und 07, also Wissenschaft und Schule, standen immer als fette Personalhappen im Mittelpunkt der Begehrlichkeiten, vor allen Dingen bei den Finanzpolitikern.

Dieser Fakt, meine Damen und Herren, scheint parteiübergreifend zu sein. Ich glaube behaupten zu können, jeder Kultusminister, egal aus welcher Partei, hat zwei natürliche Feinde oder Gegner: einmal den politischen Gegner in Form der Opposition, der, wenn er gut ist, ihm ordentlich zu schaffen macht, was ich hoffe, und - jetzt kommt es - den Finanzminister und die Finanzpolitiker in den eigenen Reihen, deren Angriffsfreude im Regelfall ungebrochen scheint und bei denen die Schärfe der Attacken häufig auch von ihren persönlichen Erfahrungen und dem Zugang zu Wissenschaft und Schule abhängt.

(Herr Scharf, CDU: Meinen Sie jetzt traumatische Erfahrungen?)

- Ich nicht, vielleicht andere. Aber das wissen Sie ja selbst, Sie kennen ja alle Ihre Mitmenschen.

Sachsen-Anhalt hatte sich auf Initiative der Gewerkschaften - da es sich im Konkreten um Lehrkräfte handelt, ganz besonders durch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, aber auch in Zusammenarbeit mit den anderen Interessenverbänden - auf die Fahnen geschrieben, eine für die betroffenen Lehrkräfte, aber auch für die Bildungspolitik des Landes akzeptable und zuträgliche Lösung zu entwickeln. So kam der erste Tarifvertrag für angestellte Lehrkräfte in der Bundesrepublik Deutschland in Sachsen-Anhalt zustande - mit all den uns bekannten Problemen.

Meine Damen und Herren! Tarifgeschäft ist in erster Linie Finanzgeschäft und es wird daher beim öffentlichen Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen auch vom Finanzminister bzw. seinem Ministerium vertreten. Dass ich heute zu diesem Anlass spreche, hat eben etwas mit der Besonderheit dieses Tarifvertrages zu tun, den die damaligen Tarifvertragsparteien nicht nur zur Freude abgeschlossen haben, sondern der auch viel Ärger eingebracht hat und zu dem wir auch heute noch, trotz der inzwischen bekannten Defizite, stehen.

Meine Damen und Herren! Letztendlich ist er es, der es überhaupt ermöglicht, dass Sie heute als neue Landesregierung mit den Gewerkschaften und Interessenverbänden einen Anschlusstarifvertrag ausgehandelt haben, den wir durchaus akzeptieren und begrüßen und - so ehrlich sind wir auch - fast gar nicht mehr erwartet haben - dies vor allem vor dem Hintergrund, dass gerade Sie eben diesen Tarifvertrag vehement verteufelt haben

(Herr Gürth, CDU: Zu Recht!)

und ihn in allen Wahlkampfveranstaltungen als das Letzte beschimpft haben, das man mit allen Mitteln bekämpfen müsse, das man abschaffen müsse, um andere Regelungen zu finden, die die Lehrer angeblich wieder motivierten und junge Leute durch volle Bezahlung zum Hierbleiben veranlassten.

(Frau Feußner CDU: Richtig!)

Ich zitiere Frau Feußner - ich könnte Herrn Paqué zitieren -: Dieser unsägliche Tarifvertrag muss weg.

(Frau Feußner CDU: Richtig!)

Und nun, meine Damen und Herren? - Totgesagte leben länger. Der von Ihnen so verteufelte Tarifvertrag erlebt eine Renaissance nicht gekannten und erwarteten Ausmaßes,

(Herr Gürth, CDU: Das war Wunschdenken, Frau Kollegin!)

und man will es gar nicht glauben: So manche Volksweisheit erweist sich immer wieder von Bestand.

Nicht dass Sie mich falsch verstehen, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP:

(Frau Feußner, CDU: Wir haben Sie schon richtig verstanden!)

Wir begrüßen den Tarifvertrag nachdrücklich. Unter den gegebenen Bedingungen ist eine tarifvertragliche Einigung zustande gekommen, die so nicht unbedingt zu erwarten war, weder von uns als Opposition noch von vielen Lehrerinnen und Lehrern

(Frau Feußner, CDU: Aha!)

und wohl erst recht nicht - um ehrlich zu sein - von den Verhandlungsführern der Landesregierung selbst.

Nun könnte man es bei dieser Zufriedenheit belassen. Aber das wäre mir doch zu einfach und auch den aktuellen Bedingungen nicht angemessen. Denn über eines muss man sich doch wohl im Klaren sein: dass der Tarifvertrag nicht zustande gekommen ist, weil Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, plötzlich zu Gutmenschen mutiert sind, die den Lehrerinnen und Lehrern des Landes eine besondere Freude angedeihen lassen wollten.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Seien wir doch mal ehrlich und lassen wir die Katze aus dem Sack: Sie standen jetzt plötzlich vor der Aufgabe, Ihre großmundig angekündigten Wahlversprechen einzulösen,

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

einerseits was den von Ihnen geforderten Personalabbau im öffentlichen Dienst angeht, andererseits aber auch mit dem Lehrkräftebedarf unter dem Druck der demografischen Krise bei Gegendruck durch Pisa fertig zu werden.

Und nun war guter Rat teuer.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Ich kann Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Guter Rat ist teuer, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Sie alle in der Öffentlichkeit erklärt haben: Wir haben zu viele Lehrer, unsere Klassen sind im Vergleich zu den anderen Ländern zu klein, und wenn alle einen Sockel von 75 % verdienen, sei das ein großes Entgegenkommen in dieser Situation. Verbeamtet werden sollte auch, und das in Größenordnungen - ohne Rücksicht auf die Folgen für das Betriebsklima in den Schulen und vor allen Dingen ohne Rücksicht auf die zukünftigen Kosten.