Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

(Herr Dr. Püchel, SPD: Zehn Minuten!)

Ja. Reden Sie weiter, es ist geklärt.

(Heiterkeit)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Beim Thema Videoüberwachung stehen wir dem Regierungsvorschlag, über das Beobachten hinaus befristet Videoaufzeichnungen anzufertigen, durchaus aufgeschlossen gegenüber. Das heißt, wir sind bereit, uns anhand der praktischen Erfahrungen, die anderswo damit gemacht worden sind, ein Urteil darüber zu bilden, ob der Erkenntnisgewinn den zusätzlichen Grundrechtseingriff rechtfertigt. Auch diese Frage sollte Gegenstand einer Anhörung im Innenausschuss sein.

Zur Aufzeichnung bei der Videoüberwachung wird in der Begründung zu dem Gesetzentwurf ausgeführt, sie ermögliche es, Personal nicht allein dadurch zu binden, dass das übertragene Geschehen ständig beobachtet werden müsse. Durch die Aufzeichnung werde es ermöglicht, die Auswertung von Geschehensabläufen etwa in Zeiten verminderten Einsatzgeschehens ohne zusätzliches Personal durchzuführen. - Diese Begründung suggeriert, durch Videoaufzeichnungen lasse sich im Vergleich zur bloßen Videobeobachtung Personal einsparen. Den Beweis dafür müssen Sie erst noch antreten.

Meine Damen und Herren! Wenn wir eine SOG-Novelle mitten in den Haushaltsberatungen auf den Tisch bekommen, dann kann dieser politische Zusammenhang nicht ausgeblendet werden. Am nächsten Mittwoch werden wir im Innenausschuss im zweiten Beratungsgang eine Beschlussempfehlung zum Einzelplan des Innen

ministeriums und zu den Haushaltbegleitgesetzen, wie ich hoffe, erarbeiten. Die Vertreter der SPD-Fraktion werden sich gegen den von der Landesregierung beabsichtigten Personalabbau im Polizeivollzugsdienst aussprechen.

(Zustimmung bei der SPD)

Der ist in dem vorgesehenen Umfang bundesweit beispiellos.

(Zustimmung von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Beim Vollzugspersonal halten wir an der anzustrebenden Polizeidichte von 1 : 340 fest. Wer einfach den Durchschnitt westdeutscher Flächenländer zugrunde legt - ich habe Verständnis dafür, dass Herr Paqué sich beraten lässt -, der ignoriert die Problemlage hierzulande nach einem gesellschaftlichen Umbruch sondergleichen und bei anhaltender Massenarbeitslosigkeit.

Herr Minister Jeziorsky, ich würde mich freuen, wenn Sie sich in diesen Haushaltsberatungen einmal schützend vor Ihre Landespolizei stellen würden, so wie Sie sich sonst immer schützend vor die kleinen Landkreise stellen.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Gal- lert, PDS)

Auch der Abbau der Polizeiverwaltung ist unsachgemäß, soweit er das von der alten Landesregierung geplante Maß überschreitet und zulasten der Freistellung von Beamten für ihre vollzugspolizeilichen Aufgaben geht.

Völlig abwegig sind die im Haushaltsbegleitgesetz vorgesehenen Regelungen zum einstweiligen Ruhestand, der eigentlich für Staatssekretäre gedacht ist, und zur Altersteilzeit. Der Umgang mit den lebensälteren Beamtinnen und Beamten ist nicht in Ordnung. Erst hat die CDU vor einer Opa-Polizei gewarnt. Den Ausdruck hat der Kollege Becker geprägt,

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

und zwar in der Aussprache zur Großen Anfrage der CDU am 12. Oktober 2000.

(Zuruf von Minister Herrn Becker)

- Ja, er beweist jetzt seine Vitalität als Justizminister im fortgeschrittenen Alter.

(Heiterkeit bei der SPD - Herr Schomburg, CDU: Das war unter Ihrem Niveau!)

Es ist schlicht falsch, dass bei einer wachsenden Zahl von Beamten im sechsten Lebensjahrzehnt die Vergreisung der Polizei droht. Diejenigen, die das behaupten, sehen zu viel fern; denn in der polizeilichen Praxis ist nicht schnelles Hinterherhechten gefragt, sondern durch Lebenserfahrung gewonnene Sozialkompetenz.

(Zustimmung bei der SPD)

Dabei sind die Mittfünfziger in der Regel sogar geeigneter als die Mittzwanziger, meine Damen und Herren. Herr Becker, in Baden-Württemberg ist die Landesregierung jetzt dabei, den Ruhestand im Vollzugsdienst vom 60. auf den 62. Geburtstag hinauszuschieben.

Nicht weniger falsch ist es, den Ruhestand vom 60. auf den 54. Geburtstag vorzuziehen, wie unsere Landesregierung das mit der Teilzeitregelung anpeilt.

Von Gewerkschaftsseite ist zu hören, dass ein beträchtlicher Teil der über 50-Jährigen von dieser Möglichkeit

Gebrauch machen will. Wenn man erst die Leistungsfähigkeit dieser Jahrgänge infrage stellt und ihnen dann nahe legt zu gehen, dann darf man sich nicht wundern, wenn am Ende mehr Beamtinnen und Beamte darauf eingehen, als dem Dienstherrn lieb sein kann. Entweder Sie verprellen die Leute, wenn Sie die Anträge dann doch ablehnen, oder Sie können es nicht bezahlen, die einen spazieren gehen zu lassen und Jüngere einstellen zu müssen. - Der Herr Finanzminister verlässt den Raum; das kann ich verstehen.

Meine Damen und Herren Christdemokraten, in Ihrem Wahlkampfpapier „Zeit für mehr Sicherheit“ heißt es, die CDU Sachsen-Anhalts fordere, die sächliche und personelle Ausstattung der Sicherheitsbehörden wieder den Erfordernissen anzupassen, und werde dies auch bei Übernahme der Regierungsverantwortung umsetzen. - Mit ihren unausgegorenen Haushaltsgesetzen ist die Landesregierung drauf und dran, die innere Sicherheit im Lande zu gefährden.

(Zustimmung bei der SPD)

Darüber kann die vorliegende SOG-Novelle nicht hinwegtäuschen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Gestatten Sie noch eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Becker? - Bitte.

Es ist zwar unüblich, dass die Regierung Fragen stellt, aber ich möchte dem Jungmann Rothe doch eine Frage stellen. Herr Rothe, ist Ihnen eigentlich entgangen, dass die Polizeidichte in unserem Lande 1 : 318 beträgt und damit weit über der Norm aller Bundesländer liegt? Ist Ihnen das nicht mehr bekannt?

Herr Kollege Becker, es ist richtig, dass wir mit unserer Polizeidichte mit an der Spitze der Bundesländer liegen, aber das ist auch der Problemlage angepasst. Ich danke Ihnen trotzdem für Ihre Frage. Das unterscheidet Sie wohl tuend von den Jungparlamentariern, die müde in ihren Sesseln hängen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Das ist auch ein Beispiel dafür, dass Jugend nicht immer ein Zeichen von größerer Eignung ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Rothe. - Für die SPD-Fraktion - Entschuldigung -, für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kosmehl das Wort.

Frau Präsidentin, ich glaube, die SPD-Fraktion würde darauf verzichten, dass ich für sie rede.

Kollege Rothe, gleich zu Anfang ein Hinweis: Unter einem Sessel stelle ich mir schon etwas Bequemeres vor. Aber, mein Gott, jeder hat seine eigenen Auffassungen.

(Lachen bei der PDS - Frau Budde, SPD: Ich fin- de den Sessel schön!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Anfang meiner Rede möchte ich auf einen wichtigen Punkt hinweisen, der aus liberaler Sicht die sicherheitspolitische Diskussion prägen sollte: Es ist originäre Aufgabe des Staates, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. - Ich stelle dies an den Anfang meiner Rede nicht bloß als Lippenbekenntnis, sondern um einen Grundsatz liberaler Innenpolitik nochmals zu verdeutlichen.

Mit dem von der Landesregierung eingebrachten Gesetzentwurf sollen einige Vorschriften im Gesetz über Sicherheit und Ordnung an bestehende aktuelle Bedürfnisse angepasst werden, andere Vorschriften sollen konkretisiert werden.

Zunächst zur Konkretisierung. Im Entwurf der Landesregierung wird eine Änderung des § 14 Abs. 3 vorgeschlagen. Diese Änderung soll vor allem der Gleichbehandlung dienen. Nach den derzeitigen Regelungen können so genannte lagebildabhängige Kontrollen auf Bundesfernstraßen und Autobahnraststätten durchgeführt werden. Aber auch Autohöfe, meine Damen und Herren, werden wie Autobahnraststätten angefahren und genutzt, weil Autohöfe ein nahezu gleichwertiges Angebot zum Rasten und Tanken bereithalten und in unmittelbarer Nähe der Autobahn liegen. Das hat zu der Überzeugung geführt, dass auch Autohöfe wie Autobahnraststätten zu behandeln sind, und deshalb erfolgt die Konkretisierung im Entwurf.

Nun komme ich zu dem von der Opposition bereits in der Presse und von Herrn Rothe noch einmal hier vorgetragenen Vorwurf des Umfallens von mir oder meiner Fraktion.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist nur eine Pirouet- te!)

- Ja, gut. - Dazu möchte ich sagen, Herr Rothe: Umfallen kann man nur, wenn man eine Position aufgibt. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf den von den Koalitionsfraktionen geschlossenen Vertrag aufmerksam machen.

(Herr Scharf, CDU: Richtig!)

Im Koalitionsvertrag steht - ich darf zitieren -:

„Die Koalition wird eine Novellierung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf den Weg bringen, mit der insbesondere“

- jetzt kommen die für uns entscheidenden Punkte -

„die Voraussetzungen für die präventive Rasterfahndung den aktuellen Erfordernissen angepasst werden und diese Maßnahmen künftig zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung bei Anordnungsvorbehalt durch das Ministerium des Innern und unverzüglicher Unterrichtung des Landesbeauftragten für den Datenschutz zulässig sind und“