Protokoll der Sitzung vom 07.02.2003

Zweitens möchte ich noch eine Bemerkung zu der Frage der Nachnutzung machen. Wir befinden uns im Moment in einem nationalen Auswahlverfahren bezüglich eines Standortes, der zu einem späteren Zeitpunkt in ein internationales Rennen geschickt werden soll. Wenn wir jetzt schon Bedenken äußern, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt in der Frage stellen,

(Beifall bei der CDU)

dann fehlt doch die motivationale Schubkraft, die dieses Anliegen im Moment braucht. Was die Bewerberstädte auf den Tisch gelegt haben, sind im Wesentlichen Vorkonzepte, Vorstudien und Grobkonzepte. Wenn der Zuschlag für einen Standort erfolgt, mit dem wir ins Rennen gehen wollen, dann sind diese Fragen zu stellen und dann ist es Sache verantwortlichen Regierungshandelns, auch entsprechende Nachnutzungskonzepte zu bedenken.

Das NOK hat erstmals zur Findung eines Austragungsortes der Olympischen Spiele einen innerdeutschen Wettbewerb initiiert. Der Gewinner dieses Verfahrens

wird im internationalen Auswahlverfahren für Deutschland ins Rennen geschickt. Mit diesem Verfahren wird auch langfristig eine Vorentscheidung getroffen; denn für den Fall, dass der deutsche Austragungsort für die Olympischen Spiele im Jahr 2012 keine Berücksichtigung findet, wird dieser Standort für Deutschland weiter favorisiert für spätere Bewerbungen.

Mit der Bewerbung der Stadt Leipzig und den mit ins Boot genommenen Partnerstädten, zu denen pikantermaßen auch die Stadt Halle in Sachsen-Anhalt zählt, ergibt sich eine einmalige Chance für die Region Mitteldeutschland, über die nationalen Grenzen hinweg Bekanntheit zu erringen. Es gilt jetzt, den Entscheidungsträgern im NOK ein positives Image zu vermitteln. Hierzu leisten die Partnerstädte von Leipzig einen wichtigen Beitrag. Insbesondere die sportbegeisterten Bürgerinnen und Bürger geben durch ihre Mitgliedschaft in entsprechenden Fördervereinen zu erkennen, dass sie sich mit diesem Gedanken identifizieren. Unabhängig davon, wie das nationale Verfahren ausgehen mag, wird hiermit nämlich erstmals der Gedanke Mitteldeutschland bürgernah erlebt. Viele von uns outen sich ja auch durch den entsprechenden Anstecker.

Den Antrag der SPD-Fraktion können wir in seiner grundsätzlichen Tendenz mittragen; denn es hat schon Bedeutung in der Öffentlichkeit, wenn der Landtag von Sachsen-Anhalt mit einem wohlwollenden Votum dem Bewerber Leipzig und seinen Partnerstädten in der Phase des Endspurts zum 12. April motivationale Schubkraft verleiht. Diesem Gedanken ist im Übrigen auch die Koalitionsvereinbarung schon seit dem letzten Jahr verpflichtet.

Durch unseren Änderungsantrag wird noch einmal klargestellt, dass das Land die Stadt Halle, welche sich sehr frühzeitig als Partner Leipzigs engagierte, bei ihren Bemühungen unterstützen wird. Welche Möglichkeiten sich aufgrund der Mitbeteiligung des Landes Sachsen-Anhalt ergeben können, erwähnte ich bereits.

Klargestellt haben wir auch, dass es um die schon vorhandene Bewerber-GmbH geht. Insofern ist unser Änderungsantrag in diesem Punkt konkreter, und wir freuen uns, dass Sie diesen mittragen können.

Ich darf Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, unabhängig davon, ob Sie sportbegeistert sind oder nicht, bitten, der Olympiabewerbung durch Ihre Zustimmung zu dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zusätzlichen Auftrieb zu verschaffen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke. - Frau Dr. Kuppe, wünschen Sie noch einmal für die Antragsteller das Wort? - Dann würde ich Sie beide fragen. Es kam ein Signal, die Paralympischen Spiele mit aufzunehmen. Sie hatten das Signal gesetzt, dass Sie den Antrag in der geänderten Fassung übernehmen.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Ja!)

Ich schlage Ihnen vor, die betreffende Passage im ersten Absatz wie folgt zu fassen:

„... an der Bewerbung der Stadt Leipzig um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2012“.

Der zweite Absatz, letzter Satz, in dem es um den Bericht der Landesregierung geht, soll lauten:

„... einer möglichen Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele für diese Region zu berichten.“

Gibt es dazu Einverständnis? - Ich sehe keinen Widerspruch.

Es wurde kein Wunsch auf Ausschussüberweisung geäußert und es wurde signalisiert, dass der Änderungsantrag in der jetzt noch einmal geänderten Fassung übernommen wird. Wir kommen dann gleich zur Endabstimmung.

Wir stimmen also über den Antrag in der Drs. 4/492 mit den soeben vorgenommenen Änderungen ab. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen ist der Antrag angenommen worden.

(Zurufe von der PDS: Zwei!)

Wir verlassen jetzt den Tagesordnungspunkt 26. Ich gehe davon aus, dass an der einen Gegenstimme die Olympischen Spiele - oder auch deren Austragung - nicht scheitern werden.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 27:

Beratung

Neubekanntmachung der Gemeindeordnung und Landkreisordnung

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/493

Zunächst erteile ich dem Abgeordneten Herrn Rothe als Einbringer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz zu dem Sachverhalt, der unserem Antrag zugrunde liegt, und seiner juristischen Bewertung sprechen. Eine politische Bewertung wird mein Fraktionskollege Dr. Polte am Ende der Aussprache vornehmen.

Der Ihnen vorliegende SPD-Antrag bezweckt, dass die gültigen Vorschriften von Landkreis- und Gemeindeordnung wieder ohne große Mühe auffindbar sind und dass sie von den Gesetzesanwendern entsprechend zur Kenntnis genommen werden. Dass dies derzeit nicht so ist, belegt ein aktuelles Beispiel, nämlich das der Landratswahl im Landkreis Aschersleben-Staßfurt.

Am 28. Januar 2003 hat die Kreiswahlleiterin den Bewerbern um ein Landratsmandat mitgeteilt, dass die vom Kreistag auf den 23. Februar 2003 festgesetzte Landratswahl verschoben werden muss. Sie sah sich dazu aufgrund eines Erlasses des Ministeriums des Innern vom 20. Januar 2003 veranlasst.

In diesem an die Wahlleiter landesweit gerichteten Erlass heißt es - ich zitiere -:

„Die Einführung des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 7. August

2002 sieht die Aufhebung der Vorschaltgesetze vor. Damit tritt jedoch nicht automatisch der Zustand vor In-Kraft-Treten der Vorschaltgesetze wieder ein. So weit der vorherige Rechtszustand wiederhergestellt werden sollte, sind neben der Aufhebung der Vorschaltgesetze auch die Stammgesetze, wie zum Beispiel Gemeindeordnung oder Landkreisordnung, entsprechend rückgeändert worden. So weit das Stammgesetz durch das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung nicht rückgeändert worden ist, gilt dies in der aktuellen Fassung. Das bedeutet, dass bei Wahlen um das Amt der (Ober-)Bürgermeister und Landräte das Erfordernis der Beibringung von Unterstützungsunterschriften nach § 59 Abs. 1 Gemeindeordnung bzw. § 48 Abs. 1 Landkreisordnung auch weiterhin notwendig ist.“

So weit der Erlass des Ministeriums.

Meine Damen und Herren! Zur Klärung der Rechtslage anlässlich der erforderlich werdenden Landratswahl in Aschersleben-Staßfurt hatte die Kreiswahlleiterin die Juristen in der Kreisverwaltung herangezogen. Es gab im Dezember deren vier, einschließlich des Landrats, Herrn Leimbach. Die Kreiswahlleiterin konnte sich bei ihrer Einschätzung der Rechtslage durchaus auf Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung stützen; denn dieser Artikel 1 lautet schlicht und einfach: Das Erste Vorschaltgesetz zur Kommunalreform vom 5. Dezember 2000 wird aufgehoben. Dazu ist dann noch die Fundstelle der Gesetzesveröffentlichung angegeben.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Eindeutige Aussage!)

Das war eine klare Sache. Durch den Artikel 1 wird der Eindruck erweckt, als ob alle Normen, die in dem Ersten Vorschaltgesetz enthalten waren, außer Kraft getreten sind.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Ja!)

Da kommt man auch als Jurist erst einmal nicht auf weitere Gedanken. Die Kreiswahlleiterin und die von ihr konsultierten Juristen sind nicht darauf gekommen, dass die durch das Erste Vorschaltgesetz in die Landkreisordnung eingeführte Vorschrift zur Verhinderung von Spaßkandidaturen trotz der Aufhebung dieses Gesetzes fortgilt. Entgegen dem Anschein, der durch den Artikel 1 des Gesetzes - ich wiederhole immer die Überschrift: „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ - erweckt wird, enthielt das Erste Vorschaltgesetz nur Änderungsbefehle in Bezug auf verschiedene Stammgesetze, so auf die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung, und war nach der Umsetzung dieser Änderungsbefehle verbraucht.

Es hätte also des Artikels 1 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung gar nicht bedurft, um die Änderungen aufzuheben.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Ja!)

Vielmehr bedurfte es neuer Änderungsbefehle, um die einzelnen Bestimmungen der Stammgesetze rückzuändern.

Welchen Sinn hatte also der Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung?

(Minister Herr Becker: Den einen! - Herr Dr. Pü- chel, SPD: Den Unsinn! - Weitere Zurufe von der SPD)

Es war ein reiner Programmsatz. Ich versuche, es freundlich auszudrücken, Herr Fraktionsvorsitzender.

(Zuruf von Minister Herrn Becker)

- Ohne rechtlichen Regelungsgehalt, Herr Justizminister.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS)

Das ist die Gesetzgebung, die unter Ihrer Mitverantwortung vollzogen wird.

Dieser Artikel 1 sollte zum Ausdruck bringen, was er selbst nicht bewirkt, dass nämlich der Inhalt des Ersten Vorschaltgesetzes aufgehoben wird. Das ist schon fast Theologie.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS - Zuruf von Herrn Bischoff, SPD)