Protokoll der Sitzung vom 07.02.2003

Natürlich müssen die Hochschulen die öffentlichen Gelder, die sie beanspruchen, durch die Qualität ihrer Angebote und Leistungen in Forschung und Lehre auch legitimieren. Gerade in Zeiten leerer öffentlicher Kassen gilt jedoch, dass je weniger Geld fließen kann, es desto mehr in der Verantwortung des Staates liegt, den Hochschulen Handlungsspielräume zuzugestehen, die es ihnen ermöglichen, sich selbst zu verwalten und zu bewirtschaften, übrigens auch Geld gegen bestimmte Leistungen von Dritten einzunehmen.

Werden die Ziele und Qualitätsansprüche an die Hochschulen also nicht einfach zentral vorgegeben, so bedarf es eben vertraglicher Übereinkünfte unter den beteiligten Akteuren und Instanzen über ihre wechselseitigen Erwartungen. Das können Vereinbarungen zwischen dem Staat und einer Hochschule, so genannte Zielvereinbarungen, sein, aber ebenso auch zwischen Fakultäten und Instituten, zwischen Dekanen und akademischen Gremien und so weiter.

Auf diese Weise werden wechselseitige Erwartungen und Möglichkeiten abgesteckt und im Rahmen einer Übereinkunft fixiert. Die Hochschulen erhalten mit den Zielvereinbarungen feste Finanzierungszusagen, damit Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum - hier drei Jahre - und zugleich weitgehende Bewirtschaftungsfreiheit bezüglich der verfügbaren Mittel.

Im Gegenzug gewährleisten sie die Verwirklichung von Qualität auf einem ausgehandelten Profilierungspfad von Schwerpunkten, und zwar entlang einer Hochschulentwicklungskonzeption, die den Zielvereinbarungen in allen Fällen zugrunde liegt. Überjährigkeit, Budgetrechte, Außerkraftsetzung konventioneller Haushaltsführungsregeln, mehr Flexibilität und Eigenverantwortung eröffnen ihnen die notwendigen Spielräume für die Errei

chung dieser Ziele. Das, und nur das ist der eigentliche Zweck von Zielvereinbarungen.

Weshalb erkläre ich das hier so ausführlich? - Über die ganze Diskussion der letzten Wochen und Monate scheint mir eines in Vergessenheit zu geraten: Zielvereinbarungen sind nicht primär ein Instrument des Geldsparens, sondern ein Instrument der Modernisierung des Hochschulsystems und des Kooperationsverhältnisses von Hochschule und Staat.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Leider, meine Damen und Herren, geht es natürlich dennoch um Geld. So war aus der vorangegangenen Diskussion vor allem Folgendes zu lernen: Auch die Hochschulen können gegenwärtig von der allgemeinen Aufgabe der Haushaltskonsolidierung nicht einfach freigestellt werden. Unser Land ist hoch verschuldet. Täglich muss es sage und schreibe 2,5 Millionen € an Zinsen aufbringen. Allein das Budget der Martin-Luther-Universität ist damit in weniger als zwei Monaten aufgebraucht, das der Fachhochschule Merseburg, um ein weiteres Beispiel zu nennen, im Verlaufe nur einer einzigen Woche.

Es ist zudem eine Tatsache, dass wir im Hochschulsektor eine Reihe von Strukturdefiziten haben, zum Beispiel Doppelangebote, mit deren Behebung in jedem Fall mehr Effizienz zu erreichen wäre.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass der öffentliche Haushalt hier eine Effizienzrendite erwartet, ist nicht nur politisch legitim, denn es geht um den Einsatz von Steuergeldern, sondern durch die Haushaltssituation und die enorme Verschuldung des Landes auch praktisch veranlasst. Mit etwa einem Zehntel weniger Geld sollen die Hochschulen ab 2006 auskommen, also von dem Zeitpunkt an, ab dem auch die Studierendenzahlen aufgrund der demografischen Situation allmählich zu sinken beginnen.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Das wird sich zeigen!)

Auch deshalb ist es wichtig, rechtzeitig mit dem Umbau der Strukturen zu beginnen, um zu einer Verdichtung und sinnvollen Konzentration der Angebote innerhalb unserer Hochschullandschaft zu gelangen.

Vor diesem Hintergrund über drei Jahre völlige Freistellung von Konsolidierungserwartungen zu verlangen ist also wirklich realitätsfern. Eine solche Garantie würde ich auch selbst nicht mittragen; denn dann bestünde kein glaubwürdiger Handlungsdruck auf die Hochschulen, sich effizienter zu organisieren.

Aus diesem Grund ist mit den Zielvereinbarungen das Modell „90 plus x“ entwickelt worden. Das heißt, 90 % der Haushaltsansätze des Jahres 2003 werden den Hochschulen auch für die beiden Folgejahre 2004 und 2005 fest garantiert. Die verbleibenden 10 % sind an Auflagen gebunden, die sich einerseits an den ausgehandelten Entwicklungskonzeptionen der Hochschulen orientieren, die andererseits aber auch die Hochschulen verpflichten, an der Aufstellung eines neuen Hochschulstrukturkonzepts für das Land Sachsen-Anhalt mitzuwirken und die dafür nötigen Schritte vor Ort zügig einzuleiten.

Nachhaltige Effizienz der Hochschulstrukturen des Landes setzt voraus, dass kooperations- und wettbewerbsfähige Standortprofile entstehen, Stärken gestärkt und

Schwachstellen überwunden werden. Die ehrgeizige Hochschulstrukturplanung aus den frühen 90er-Jahren, als noch vieles möglich war und über Geld irgendwie anders geredet worden sein muss als heute,

(Frau Mittendorf, SPD: Das wurde nicht anders diskutiert!)

bedarf dringend einer Revision und Neuausrichtung. Das sehen übrigens auch die Hochschulen so, die am meisten unter ineffizienten Strukturen leiden. Deshalb hatte ich zunächst keine Mühe, sie in eine solche Lösungspartnerschaft für die anstehenden Aufgaben und Probleme einzubinden.

Bis Juni 2003 soll der Landesregierung ein mit den Hochschulen abgestimmter, neuer Hochschulstrukturplan des Landes Sachsen-Anhalt vorgelegt werden. Dieses Ziel duldet keinen zeitlichen Aufschub, ist aber ohne unterschriebene Zielvereinbarungen an den Hochschulen nicht zu erreichen.

Es ist also ein Anreizsystem, das der Landesregierung mit dem Modell „90 plus x“ vorschwebt und dem die Hochschulen bereits ihre Zustimmung signalisiert hatten, sofern x greifbar bleibt. Das genau ist der Streitpunkt. Es geht um die Frage, wie sicher dieses X für seinen Anreizzweck veranschlagt wird.

Ein Anreizsystem, dessen Mittel vage sind, ist in der Tat wertlos. Umgekehrt aber setzt ein Anreiz, der voraussetzungslos garantiert wird und auf den sozusagen blinder Verlass ist, keine Hochschule hinsichtlich notwendiger Strukturentscheidungen ernsthaft in Gang. Beide Wege für sich genommen eröffnen also keine belastbare Vertrauensbasis.

Die Landesregierung muss daher im Haushaltsaufstellungsverfahren Vorsorge treffen, dass jeweils ein angemessener Betrag x veranschlagt wird, über dessen Höhe und Verteilung sie gemeinsam mit den Hochschulen entscheidet und dem Landtag für die Haushaltsgesetzgebung einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre)

So lauten sinngemäß auch die gestern beschlossenen Haushaltsvermerke zu den Hochschulkapiteln im Einzelplan 06. Meine Damen und Herren! Ich räume unumwunden ein, dass mir eine den Hochschulen gegenüber eindeutigere Formulierung lieber gewesen wäre.

(Zustimmung bei der CDU)

Vor dem Hintergrund der Realität äußerst unsicherer Haushaltsverhältnisse in unserem Land ist 100-prozentige Sicherheit nun einmal nicht zu erlangen und auch nicht zu rechtfertigen. Dass wir im Umfang von 90 % bis einschließlich 2005 Stabilität unter äußerst instabilen finanzpolitischen Rahmenbedingungen garantieren, ist ein Zeichen für den prominenten Stellenwert der Hochschulen auf der politischen Agenda der Landesregierung.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre - Oh! bei der SPD - Herr Tögel, SPD: Das ist ja wohl ein Witz!)

Dies ist schon für sich genommen, Herr Höppner, ein Privileg,

(Herr Tögel, SPD: Ich war es!)

das in diesen Zeiten - das muss ich wirklich sagen - keinem anderen öffentlichen Sektor eingeräumt wird. Ich habe Verständnis dafür, dass mich manche Kollegen der anderen Ressorts gelegentlich darum beneiden.

(Minister Herr Becker: Jawohl, beneiden!)

Zudem gelangen die Hochschulen in den Genuss einer bisher nicht da gewesenen Autonomie in der Bewirtschaftung ihrer Einnahmen und Ausgaben.

Mir ist aber in den Debatten über die Zielvereinbarungen in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses noch etwas anderes aufgefallen, das ich in deutliche Worte kleiden möchte.

Wenn wir die Hochschulen als feindliche Bastionen betrachten, die man in die Knie zwingen muss, dann verspielen wir diesen nahezu letzten Bereich, mit dem das Land noch richtig punkten kann.

(Beifall bei der CDU - Unruhe bei der SPD)

Sie sind in der Tat die Zierde unseres Landes, nicht fremdartige Institutionen, denen man per se mit Misstrauen begegnen muss. Bitte hören Sie zu: Selbst wenn die Politik gelegentlich Anlass haben mag, hinsichtlich der Flexibilität und der sinnvollen Selbststrukturierungsfähigkeit der Hochschulen Zweifel zu hegen, muss gesagt werden, auch die Hochschulen hatten bisher wenig Grund, bedingungslos Vertrauen in die Politik zu setzen.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei der SPD - Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD - Herr Dr. Pü- chel, SPD: Das ist Selbstkritik!)

Sei es, wie es sei. Die Lage ist, wie sie ist. Die Landesregierung wird alles unternehmen, die Hochschulen trotz der schwierigen Zeiten für eine Partnerschaft mit der Politik zu gewinnen. 90 % ist eine Planungsgrundlage, die durchaus verlässlich ist. Dies hat der Haushaltsgesetzgeber gestern beschlossen. Ein solcher Beschluss wird analog an keiner Stelle sonst einer Einrichtung, die öffentliche Gelder bezieht, eingeräumt. Auch dies muss man einfach sehen.

(Minister Herr Dr. Daehre: Richtig! Ja, so ist es! - Herr Bullerjahn, SPD: Das sehen aber die Hoch- schulen anders!)

Beide Seiten müssen füreinander verlässliche Partner sein. Die Hochschulen können davon ausgehen, dass die Regierung den gesetzten Rahmen, das heißt jenes X im Umfang von maximal 10 %, im höchstmöglichen Maße ausschöpfen und hierfür auch haushaltstechnisch Vorsorge treffen wird, wenn sie bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus den Zielvereinbarungen erfolgreich vorankommen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Ich denke, auf diese Worte lassen wir uns auch festlegen. Um klar zu sagen, woraus meine Gewissheit an diesem Punkt erwächst: Die Regierung, die sie tragenden Fraktionen, aber auch die Opposition werden nicht so töricht sein, erfüllte Zielauflagen vorausgesetzt, wegen eines Streitwertes von unter 0,3 % des Landeshaushaltes - das sind diese 10 % - die Hochschulen auf die Straßen und Plätze zu jagen und womöglich ein halbes Jahr für die nötige Strukturentwicklung zu verlieren, die ihnen wieder Luft zum Atmen gibt. In diesem Sinne können alle Beteiligten Vertrauen in eine angemessene Handhabung des verbleibenden Spielraums setzen. Die

letztliche Entscheidung über die Höhe von x trifft der Landtag, denn er allein beschließt über den Haushalt.

(Herr Bullerjahn, SPD: Der Finanzminister!)

In gewisser Weise liegt die Verantwortung für eine vernünftige und erfolgreiche Steuerung des Umbauprozesses in unserem Land damit auch in Ihrer Hand, meine Damen und Herren; denn die Regierung wird zwar den Betrag im jeweiligen Haushaltsfeststellungsverfahren nach Maßgabe der Zielerfüllung veranschlagen und dem Gesetzgeber einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, über den Haushalt entscheiden aber letztlich Sie.

(Frau Budde, SPD: Das haben wir ja beim letzten Haushalt gemerkt, wie stark der Einfluss unserer Fraktion war!)

Ich komme zum Ende. - Es ist da mit Zwischenrufen gar nicht getan. Nennen Sie mir eine Alternative für die elende Lage, in der wir stecken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann wäre ich zu jedem vernünftigen Kompromiss bereit. Sagen Sie mir, woher wir das Geld nehmen sollen.

(Unruhe bei der SPD)