Protokoll der Sitzung vom 07.02.2003

Ausgehend von den Erfahrungen, dass die wesentlichen Bildungsangebote in den Vormittagsstunden stattfinden - natürlich ist der ganze Tag Bildung; das fängt zu Hause beim Frühstück an und endet beim Abendessen und InsBett-Gehen -, halten wir eine fünfstündige Betreuungszeit für alle Kinder für notwendig. Inwieweit Eltern zusätzlich noch Angebote am Nachmittag, also nach fünf Stunden, wahrnehmen, das wird in der Praxis und vor Ort viel besser geregelt werden können. Hierbei können übrigens auch Elterninitiativen eine wichtige Ergänzung sein.

Von einer Ausgrenzung oder Separierung kann keine Rede sein; denn schon heute wird ein Teil der Kinder halbtags betreut, nämlich wenn Eltern sich bewusst dafür entscheiden, ihr Kind am Nachmittag selbst oder mit anderen gemeinsam zu betreuen.

Schließlich muss abgewogen werden, ob ein genereller Anspruch auf ein zugegeben zeitlich unterschiedlich befristetes Angebot höher zu bewerten ist als der generelle Verlust der Betreuung in der Krippe. Für uns war es jedenfalls wichtig, im Interesse der Kinder deren Ausgrenzung von der Krippenbetreuung zu verhindern.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Kritiker mögen deutlich machen, wo sie die Alternative sehen oder ob sie bereit sind, öffentlich zuzugeben, dass sie den Anspruch im Krippenalter geopfert hätten.

Natürlich kann man sagen, wir wollen das jetzt geltende Gesetz und sonst gar nichts. Aber angesichts der Mehrheitsverhältnisse, die aus demokratischen Wahlen hervorgegangen sind, ist unseres Erachtens eine solche Haltung wenig konstruktiv. Und ob es zu einem Volksbegehren kommt, ist erstens ungewiss und zweitens ist dessen Ausgang völlig offen. In der Zwischenzeit aber werden Tatsachen geschaffen, die nur schwer zurückgedreht werden können. Entsprechend dem Regierungsentwurf wäre es nach unserer Überzeugung zur kalten Abwicklung des Kinderkrippenbereichs gekommen.

Herr Bischoff, möchten Sie eine Frage von Frau Dr. Weiher beantworten?

Am Ende gern. Die zehn Minuten Redezeit sind ohnehin zu wenig.

Im Übrigen sehen das auch einige Sprecher des Bündnisses so, selbst wenn sie aus anderen Gründen daran gehindert sind, dies öffentlich zu sagen.

Wir sagen noch einmal: Im Sinne unserer Kinder haben wir

(Frau Theil, PDS: So viel zum aufrechten Gang!)

- ja, den habe ich auch - eine Regelung zustande gebracht, die zumutbar ist. Mehr war nicht drin.

An dieser Stelle müssen fairerweise auch die Koalitionsfraktionen erwähnt werden, die auch über ihren Schatten gesprungen sind und sich auf ein solches Angebot ein

gelassen haben. Was der Ministerpräsident gestern gesagt hat, war richtig und tat jedenfalls mir gut.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielleicht spielten dabei die finanziellen Auswirkungen - das sage ich ehrlich - die größere Rolle,

(Herr Dr. Eckert, PDS: Nicht vielleicht!)

- oder eben sicherlich - aber auch das Selbstverständnis von Familie und deren Verantwortung wurde vor diesem Hintergrund anders bewertet.

Hervorzuheben sind außerdem noch andere Verbesserungen - noch einmal -: Es gelten statt neun zehn Stunden als Ganztagsbetreuung. Tagespflegepersonen müssen vorrangig ausgebildete Erzieherinnen sein, Kindermitwirkungsrechte sind wieder verankert, Leiterinnen sollen für ihre Tätigkeit freigestellt werden, Integration behinderter Kinder hat Vorrang, die Berechnung der Pauschale beruht auf der Zahl der betreuten Kinder und der Paragraf zur Verordnungsermächtigung wurde so weit ausgedünnt, dass jetzt nur noch die wirklich notwendigen Verordnungen ausgewiesen sind.

Auch der Vorwurf, die Finanzierungsregelung in § 10 wäre verfassungswidrig, weil das Budgetrecht des Landtages damit ausgehebelt würde, ist nicht länger haltbar, weil die Vorschrift verfassungskonform umgestaltet wurde.

Erstens. Das bis heute geltende Kinderbetreuungsgesetz ist mit Sicherheit die optimalere Lösung und Regelung.

(Zustimmung bei der SPD)

Zweitens. Der Gesetzentwurf der Landesregierung hätte diesen hohen Standard erheblich verschlechtert und für eine Reihe von Kindern den totalen Ausschluss von einer staatlich finanzierten Betreuung im Krippenbereich gebracht.

Drittens. Der Kompromiss ist der Versuch, allen Kindern die gesetzliche Garantie einer gemeinsamen Betreuung zu ermöglichen, damit sie die gleichen Bildungsangebote wahrnehmen sowie soziale Kompetenz und emotionale Fähigkeiten erwerben können.

Viertens. Wir erkennen in diesem Kompromiss die Fähigkeit, trotz politisch unterschiedlicher Ausrichtungen einen Konsens zu erreichen, der für die Kinder im Land von Vorteil ist.

Fünftens. Der Kompromiss ist das zurzeit Machbare und Durchsetzbare, aber nicht die Maximallösung.

In der Konsequenz werden insbesondere Erzieherinnen von den Nachteilen dieses Kompromisses betroffen sein. Für uns aber waren und sind die Kinder der Beweggrund, diesen Weg der Kompromissfindung zu versuchen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

In der Durchführung dieses Gesetzes liegt sicherlich noch eine Menge Sprengstoff. Allein die Frage nach den Betreuungsverträgen, nach der Berechnungsgrundlage, der Planung in den Kreisen, der Umsetzung von Halbtagsangeboten und natürlich auch die Frage nach den Kosten und Elternbeiträgen wird uns noch lange beschäftigen. Das werden wir kritisch begleiten.

Die SPD-Fraktion wird den Kompromiss mittragen, auch wenn einige Kollegen sich der Stimme enthalten werden. - Ich danke Ihnen und stehe für Nachfragen zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank. - Bitte, Frau Dr. Weiher, stellen Sie Ihre Frage.

Herr Bischoff, ich schätze Sie als äußerst kompetenten und engagierten Menschen, der sich in den vergangenen Jahren, soweit es mir bekannt ist, immer auch sehr für die soziale Frage eingesetzt hat. Ich denke, dass Sie das auch weiterhin tun werden. Ich bin aber umso betroffener, dass insbesondere Sie mit diesem Kompromiss einen Weg ebnen, der eine Ungleichbehandlung nach sich zieht.

Ich möchte zwei Fragen an Sie stellen. Die erste Frage: Geben Sie mir Recht, dass durch dieses neue Gesetz Kinder unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob ihre Eltern arbeiten oder arbeitslos sind?

Die zweite Frage, die sich daran anschließt: Wie können Sie diese Tatsache der unterschiedlichen Behandlung mit Artikel 7 Abs. 3 der Landesverfassung in Übereinstimmung bringen, in dem es unter anderem heißt: Niemand darf wegen seiner Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden?

Vielen Dank für die Fragen, die natürlich auch in den Diskussionen - ich habe 17 Veranstaltungen mitgemacht - gestellt worden sind.

Zur ersten Frage. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass alle Kinder unabhängig vom Status ihrer Eltern einen Anspruch auf fünf Stunden tägliche Betreuung haben. Das betrachte ich als einen hohen Wert und habe das schon von Anfang an getan.

(Zustimmung bei der SPD)

Das hat einen großen Wert, weil man die Eltern sonst vollkommen vom Krippenangebot für ihre Kinder ausgegrenzt hätte. Das war unsere Abwägung; denn sonst hätten die Kinder kein Angebot gehabt.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Zur zweiten Frage. Es ist richtig, dass es bezüglich der zehn Stunden eine Differenzierung gibt. Dazu sage ich noch einmal: Das kann man hochspielen und sagen: Wer die Kinder mittags abholt, wird als arbeitsloser Elternteil gebrandmarkt.

Nach meiner Überzeugung ist von 9 bis 14 Uhr die Zeit, die hauptsächlich für eine Betreuung der Kinder in Anspruch genommen wird. Ab 15 Uhr beginnt die Abholphase. Schon heute wird ein größerer Teil der Kinder

(Frau Dr. Weiher, PDS: Sie wissen, dass das nicht stimmt!)

oder ein Teil der Kinder halbtags betreut. Von den 95 % der Kinder, die eine Betreuung in Anspruch nehmen, sind rund 15 bis 20 % Halbtagskinder. Das heißt, sie

werden auch heute schon aus unterschiedlichen Gründen mittags abgeholt.

Deshalb glauben wir, dass dies zumutbar ist, dass man hierdurch nicht eine Stigmatisierung vornimmt und den Betroffenen nicht etwas auf die Stirn schreibt. Vielmehr wird dadurch deutlich, dass wir nicht mehr leisten können.

Wir muten den Eltern tatsächlich zu, einen Teil der Betreuung selbst zu übernehmen. Ich glaube, man kann das Kind um 14 Uhr abholen; man kann es aber auch anders organisieren. Man kann sich vielleicht mit anderen Eltern vor Ort treffen und das Kind im Kindergarten mit betreuen und mit ihm spielen. Das ist auch eine Lösung.

Möchten Sie noch eine Frage von Herrn El-Khalil beantworten?

(Frau Dr. Weiher, PDS: Ich habe eine Nachfra- ge!)

- Zunächst Frau Dr. Weiher. Dann folgt Herr El-Khalil. - Bitte schön, Frau Dr. Weiher.