Protokoll der Sitzung vom 07.02.2003

Die Änderungen im Gesetz, die die Festschreibung von Zulassungsvoraussetzungen für die Tagespflege betreffen, hätte ich mir auch in Form von Verordnungen vorstellen können, aber wir halten auch die vorgesehene Regelung im Gesetz für vertretbar.

Des Weiteren wird neben dem pädagogischen Fachpersonal geeigneten Hilfskräften, beispielsweise den Sozialassistenten, die Mitarbeit in der Betreuung ermöglicht. Das ist ebenfalls vertretbar, sofern man den pflegerischen Charakter von Kinderkrippen anerkennt. Der Bildungsauftrag in diesem Altersbereich soll allerdings in der Hand von pädagogisch ausgebildetem Personal bleiben.

Das Abrechnungsverfahren wird zukünftig unbürokratischer zu handhaben sein. Jeder zur Erfüllung des Rechtsanspruchs Verpflichtete, ob Kommune oder Verwaltungsgemeinschaft, erhält eine Betreuungspauschale

je betreutem Kind, die er dann an die Vertragspartner weiterleitet.

Der Gleichstellungsausschuss empfiehlt für die Fälle, in denen Eltern eine Betreuung außerhalb ihrer Stadt bzw. ihrer Verwaltungsgemeinschaft wählen, die Regelung, dass die Fördermittel und der kommunale Eigenanteil an die ausführende Stadt bzw. Verwaltungsgemeinschaft weitergeleitet werden. Wählen die Eltern allerdings eine Betreuung außerhalb der Zuständigkeit ihres örtlichen Trägers, sprich des Landkreises, sollte der Landkreis, in dem der Wohnort liegt, dem Landkreis, in dem das Kind betreut wird, auch den zu erbringenden Eigenanteil erstatten. Das ist der Gegenstand des Änderungsantrages in der Drs. 4/547. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Änderungsantrag.

Ich bedanke mich bei allen, die konstruktiv an der Erarbeitung des vorliegenden Gesetzentwurfs beteiligt waren, und bitte auch um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Frau Seifert, möchten Sie eine Frage beantworten? Frau Ute Fischer hat eine Frage. - Bitte schön.

Ich habe noch nicht ja gesagt. Ich denke, die Position der FDP habe ich hinreichend dargestellt.

Sie können auch nein sagen.

Im Ausschuss haben wir Gelegenheit gehabt, über die inhaltlichen Fragen zu diskutieren; deshalb werde ich jetzt keine Fragen beantworten.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Dazu ist aber die Debatte im Parlament!)

Sie möchten also nicht antworten. - Dann geht die Debatte weiter mit dem Beitrag der PDS-Faktion. Es spricht Frau von Angern.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Nun ist es also so weit: Heute werden Sie, die CDU-, die FDP- und die SPD-Fraktion, das Kinderförderungsgesetz beschließen. Ich verrate Ihnen sicherlich kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die PDS-Fraktion gegen diesen Entwurf stimmen wird.

(Zuruf von Herrn Dr. Eckert, PDS)

Auch wenn die Änderung des Kurztitels des Gesetzes erwarten lässt, dass Ihr Gesetz die Förderung von Kindern zum Ziele habe, so ist dies doch weit gefehlt.

(Herr Schwenke, CDU, lacht)

Was wird denn tatsächlich die Folge Ihres Gesetzes sein? - Die Separierung von Kindern, die Einteilung von

Kindern in Kinder erster Klasse und Kinder zweiter Klasse.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie mir und den Bürgern von Sachsen-Anhalt jetzt einreden wollen, dass der zwischen Ihnen geschlossene Kompromiss gegenüber dem Regierungsentwurf, dem wir selbstverständlich auch nicht zugestimmt hätten, eine Verbesserung für die Kinder darstellte, kann ich nur sachlich feststellen, dass nach den Regelungen in der Fassung der vorliegenden Beschlussempfehlung entschieden mehr Kinder von den Einschränkungen betroffen sein werden.

(Beifall bei der PDS)

Dank der SPD wird nun nicht mehr nur bei den Krippen, sondern auch bei den Kindergärten, die bis zu 90 % der Kinder besuchen, gekürzt.

Ich möchte an dieser Stelle auf die Anhörung zum Kinderbetreuungsgesetz im Januar verweisen. Professor Dr. Karl-Heinz Braun von der Hochschule MagdeburgStendal wies bei der Anhörung darauf hin, dass in dem 11. Kinder- und Jugendbericht ausgeführt werde, dass die öffentliche Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen eine Kernfrage der Realisierung des Kinderwohls sei.

Vor diesem Hintergrund ist es auch aus pädagogischer Sicht nicht einzusehen, warum man Kinder dafür büßen lässt, dass ein Elternteil oder sogar beide erwerbslos sind. Ich wiederhole es: Sie wollen Kinder, die durch die soziale Lage ihrer Familie ohnehin gestraft sind, doppelt bestrafen.

(Beifall bei der PDS)

Ich muss sagen, ich bin neugierig, welche Empfehlung Sie den Erzieherinnen und Erziehern geben wollen, die den Kindern erklären müssen, warum die einen vor oder nach dem Mittagsschlaf nach Hause geschickt werden, während die anderen bleiben. Das Privileg, ein „Mittagskind“ zu sein, wird nun zur Schmach.

(Herr Scharf, CDU: Was ist denn das für eine Weltsicht? Also, wirklich!)

Nun könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem wir in die vorschulische Bildung die Themen „Erwerbslosigkeit“ und „Zweiklassengesellschaft“ aufnähmen.

(Beifall bei der PDS - Herr Kolze, CDU: Nun sind wir wieder beim Klassenkampf! - Weitere Zurufe von der CDU)

Hinzu kommt - das wurde mir von Erzieherinnen immer wieder bestätigt -, dass Bildungsinhalte - das hat Herr Bischoff selbst festgestellt - in mehreren Phasen über den Tag verteilt an die Kinder vermittelt werden. Deshalb wird der in der Beschlussempfehlung vorgesehene Fünfstundenplatz

(Herr Schomburg, CDU: Bis zum Mittag!)

zur Folge haben, dass Kinder von den Bildungsinhalten ausgeschlossen werden.

(Herr Scharf, CDU: Was haben Sie für eine Welt- sicht? Welche Krokodilstränen vergießen Sie da vorn? Was ist mit Mecklenburg-Vorpommern?)

Frau von Angern, möchten Sie eine Frage beantworten?

Nein. - Und nicht nur das. Es wird auch noch in das Sozialmilieu der Kinder eingegriffen.

(Lachen bei der CDU - Herr Kolze, CDU: Aber nicht durch uns! - Weitere Zurufe von der CDU)

Doch vielleicht ist noch nicht alles verloren; denn es gibt ein Bundesgesetz, das SGB VIII, das besagt, dass ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt einen Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens hat und dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe darauf hinzuwirken haben, dass ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Ich bin neugierig, wie die Gerichte dieses bedarfsgerechte Angebot auslegen werden.

(Frau Feußner, CDU, lacht)

Neben den Einschnitten in die Kinderrechte möchte ich den Personalabbau ansprechen, der mit Ihrem neuen Gesetz einhergeht. Durch die zeitliche Beschränkung des Rechtsanspruchs kommt es im Krippenbereich zu einem Abbau von ca. 520 Vollzeitstellen, im Kindergartenbereich von ca. 600 Stellen. Hinzu kommen 400 Stellen infolge der Veränderung des Personalschlüssels.

Des Weiteren besteht die Gefahr, dass infolge der Aufwertung der Tagespflegestellen zu einer Alternative zur Betreuung in einer Tageseinrichtung ca. 630 Stellen abgebaut werden müssen. Wer glaubt, dass diese gesetzliche Aufwertung nicht mit einem Krippensterben einhergeht, der verschließt sich der Realität.

(Beifall bei der PDS)

Die finanziell ohnehin gebeutelten Kommunen werden diese Möglichkeit dankend annehmen müssen. Sie können so nicht nur Betriebskosten, sondern auch Personalkosten einsparen. Damit sind wir schon bei dem Abbau von mehr als 2 000 Vollzeitstellen. Wie jeder wahrscheinlich auch in diesem Hause weiß, gibt es kaum noch Erzieherinnen, die in Vollzeit tätig sind. Das bedeutet im Klartext, dass noch weitaus mehr Beschäftigte von dem Personalabbau betroffen sein werden.

Der Umstand, dass von dem Personalabbau hauptsächlich Frauen betroffen sind, kennzeichnet Ihre Politik ganz nebenbei auch noch als äußerst frauenfeindlich.

(Beifall bei der PDS - Herr Tullner, CDU: Aber jetzt!)

Aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Sollte auch die Möglichkeit des Einsatzes von Sozialassistentinnen maximal ausgenutzt werden, könnten wietere 1 600 Stellen bei dem pädagogisch ausgebildeten Personal abgebaut werden.

Das ist mir nicht ganz verständlich. Einerseits qualifizieren Sie die Aufgaben der Tageseinrichtungen, indem Sie für diese einen Bildungsauftrag festschreiben - das befürworte ich -, andererseits bauen Sie qualifiziertes Personal ab. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das passt nicht!

(Frau Liebrecht, CDU: Geht es Ihnen um die Kinder oder um das Personal?)

Zudem setzen die Fraktionen der CDU und der FDP nunmehr ein kommunenfeindliches Finanzmodell durch. Während es bisher nie strittig war, die Förderung an der Zahl der tatsächlich betreuten Kinder auszurichten, wird das Risiko nun komplett an die Kommunen durchgereicht, und das mit allem Verwaltungsaufwand und mit 47 Millionen € weniger in den Kassen.

Einen Schlenker in Ihre Richtung, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, kann ich mir nicht ersparen. Dank Ihrer Vorschläge kann die Landesregierung nun weitere 5 Millionen € bei der Landespauschale sparen. Gegenüber der Ankündigung, dass diese Summe dann tatsächlich für Investitionen in Kindertagesstätten eingesetzt wird, bin ich doch skeptisch

(Beifall bei der PDS - Herr Tullner, CDU: Warum? - Herr Kolze, CDU: Lassen Sie sich mal über- raschen!)