Damit ist die Debatte abgeschlossen, meine Damen und Herren, und wir kommen zur Abstimmung. Wir beginnen mit den Änderungsanträgen. Wenn Sie einverstanden sind, stimmen wir über die Änderungsanträge ab, ehe wir uns mit dem Gesetz selbst befassen. Sie haben die entsprechende Übersicht.
Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der FDP und der SPD, Ihnen vorliegend in Drs. 4/546. Wer stimmt zu? - Das sind die drei antragstellenden Fraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die PDS-Fraktion. Somit ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich angenommen worden.
Wir haben den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in Drs. 4/547. Wer stimmt zu? - Wer stimmt dagegen? - Gleiches Abstimmungsverhalten, also angenommen.
Darf ich über die drei Änderungsanträge der PDS-Fraktion zusammen abstimmen lassen oder wünschen Sie getrennte Abstimmungen?
- Dann stelle ich die Anträge in den Drs. 4/555, 4/556 und 4/557 zur Abstimmung. Wer stimmt zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Zustimmung von der PDS-Fraktion, Ablehnung durch die Koalitionsfraktionen, überwiegend Stimmenthaltungen bei der SPD-Fraktion.
Nun stimmen wir über die so geänderte Beschlussempfehlung in den einzelnen Abschnitten insgesamt ab. Wer stimmt zu? - Wer stimmt dagegen? - Die PDS-Fraktion stimmt dagegen, die anderen stimmen zu. Enthaltungen? - Einige Enthaltungen in der SPD-Fraktion. Das wird sich ja dann noch einmal so ergeben. Die Beschlussempfehlung ist angenommen worden.
Wir stimmen jetzt über die Abschnittsüberschriften und über die Gesetzesüberschrift ab. Wer stimmt den Überschriften zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Es gab eine Gegenstimme und bei der SPD-Fraktion einige Stimmenthaltungen. Das bedeutet überwiegend Zustimmung.
Jetzt kommen wir zur Abstimmung über das Gesetz in seiner Gesamtheit. Dazu war von der PDS-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.
Frau von Angern Nein Herr Becker - Herr Bischoff Ja Herr Bönisch Ja Herr Borgwardt Ja Frau Brakebusch Ja Herr Brumme Ja Frau Budde Enthaltung Frau Bull - Herr Bullerjahn Ja Herr Czeke - Herr Dr. Daehre Ja Herr Daldrup Ja Frau Dirlich Nein Herr Doege Ja Herr Dr. Eckert Nein Herr El-Khalil Ja Herr Ernst - Herr Felke Enthaltung Frau Ferchland Nein Frau Feußner Ja Herr Dr. Fikentscher Ja Frau Fischer (Naumburg) Ja Frau Fischer (Merseburg) Ja Frau Fischer (Leuna) Ja Herr Gallert Nein Herr Gärtner Nein Herr Gebhardt Nein Herr Geisthardt Ja Frau Grimm-Benne Ja Herr Grünert Nein Herr Gurke Ja Herr Gürth Ja Herr Hacke Ja Frau Hajek Ja Herr Hauser Ja Frau Dr. Hein Nein Herr Dr. Heyer - Herr Höhn Nein Herr Dr. Höppner - Frau Dr. Hüskens - Frau Jahr Ja Herr Jantos Ja Frau Kachel Ja Herr Kasten Nein Herr Kehl Ja Frau Dr. Klein Nein Herr Kley Ja Frau Knöfler Nein
Herr Koch Ja Herr Dr. Köck Nein Herr Kolze Ja Herr Kosmehl Ja Herr Krause Nein Herr Kühn Ja Frau Dr. Kuppe Ja Herr Kurze Ja Herr Laaß Ja Frau Liebrecht Ja Herr Lienau Ja Herr Lukowitz Ja Herr Madl Ja Herr Maertens Ja Herr Metke Enthaltung Frau Mittendorf Enthaltung Herr Oleikiewitz Ja Herr Prof. Dr. Paqué Ja Frau Dr. Paschke Nein Herr Dr. Polte Ja Herr Poser Ja Herr Dr. Püchel Ja Herr Qual Ja Herr Radke Ja Herr Radschunat - Herr Rauls Ja Herr Reck Enthaltung Herr Dr. Rehberger - Herr Reichert Ja Frau Röder Ja Frau Rogée Nein Herr Rothe Ja Frau Rotzsch Ja Herr Ruden Ja Herr Sänger Ja Herr Scharf Ja Herr Dr. Schellenberger Ja Herr Scheurell Ja Herr Schlaak Ja Frau Schmidt Enthaltung Herr Scholze Ja Herr Schomburg Ja Herr Dr. Schrader Ja Herr Schröder Ja Herr Schulz Ja Herr Schwenke Ja Frau Seifert Ja Frau Dr. Sitte Nein Herr Dr. Sobetzko Ja Herr Prof. Dr. Spotka Ja Herr Stadelmann Ja Herr Stahlknecht Ja Herr Steinecke Ja Frau Theil Nein Herr Dr. Thiel Nein Frau Tiedge Nein
Herr Tögel Ja Herr Tullner Ja Frau Vogel Ja Herr Dr. Volk Ja Frau Dr. Weiher Nein Frau Weiß Ja Frau Wernicke Ja Herr Wolpert Ja Frau Wybrands Ja Herr Zimmer Ja
Meine Damen und Herren! Ist jemand unter den anwesenden Abgeordneten, der seine Stimme nicht abgeben konnte? Möge er, möge sie es jetzt anzeigen. - Das ist nicht der Fall. Dann ist der Namensaufruf abgeschlossen. Ich bitte, die Stimmen auszuzählen.
Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen das Abstimmungsergebnis bekannt geben: Mit Ja gestimmt haben 78 Abgeordnete, mit Nein 22 Abgeordnete. Der Stimme enthalten haben sich sechs Abgeordnete, nicht anwesend waren neun Abgeordnete. Das Gesetz ist somit beschlossen.
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass wir zu diesem Tagesordnungspunkt eine Situation zu verzeichnen haben, die es in diesem Landtag und auch in den Landtagen seit 1990 noch nicht gegeben hat: dass es nämlich einen Antrag aller Fraktionen gibt, der vom Landtagspräsidenten eingebracht wird. Auf diese Besonderheit am Anfang hinzuweisen wollte ich doch nicht versäumen.
Ich bitte nun Herrn Landtagspräsident Professor Spotka, den Antrag einzubringen, und bitte Sie, wenn es möglich ist, die Reihen zu füllen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einer der Gründe für die Stabilität und Stärke der Bundesrepublik und ihrer Bundesländer ist und war ihre föderale Ordnung. Nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes haben die Bundesländer nicht den Rang bloßer Provinzen oder regional geordneter Verwaltungsbezirke, sondern Staatsqualität. Die Länder sind Glieder des Bundesstaates mit eigener, wenn auch gegenständlich beschränkter, nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht.
Es ist erwiesen, dass die föderale Struktur - wie unser gemeinsamer Antrag auch betont - ein Mehr an demokratischer Partizipation ermöglicht, staatliches Handeln
an eine ortsnahe Aufgabenerfüllung bindet, den Ländern die Möglichkeit gibt, nach ihren Bedingungen die angemessenste Problemlösung unter der Voraussetzung ausreichender Kompetenzen, Gestaltungsräume und Chancengleichheit zu finden, sowie Experimentierfreude in der Politik fördert.
Die Gliedstaaten einer Föderation, betonte die Internationale Föderalismuskonferenz 2002 in St. Gallen, seien Laboranlagen für bessere Lösungen. Sie zögen ihre Kraft aus dem Wettbewerb unterschiedlicher Problemlösungskonzepte. Der Föderalismus sei, kurz gesagt, das Pendant zur Demokratie und in gewisser Weise auch zur sozialen Marktwirtschaft. Gerade unter den Bedingungen der Globalisierung vermittelten dezentrale Staatsstrukturen den Bürgern Geborgenheit und erlaubten die Erhaltung der Vielfalt. Deshalb sei der Föderalismus, so die Feststellung des Internationalen Föderalismuskonvents, auch weltweit auf dem Vormarsch.
Meine Damen und Herren! Der deutsche Föderalismus hat sich zu einem verfassungsrechtlichen Exportschlager entwickelt und verdient daher auch, dass seiner bedrohlichen Erosion zu Hause entgegengetreten wird. Die Vitalität dieses Föderalismus zu erhalten ist in Deutschland ausdrückliches Verfassungsgebot. Das heißt, es ist geboten, auf die Beibehaltung dieser Staatsqualität besonderen Wert zu legen.
Essenziell für das Vorhandensein der Staatsqualität der deutschen Länder aber ist die Existenz von Landesparlamenten, die den Anspruch an ein vom jeweiligen Landesvolk frei gewähltes Parlament auch erfüllen können, das heißt, die über jene Gesetzgebungskompetenzen nicht nur im Verhältnis zum Bund, sondern auch zur Europäischen Union verfügen, welche die spezifischen regionalen Angelegenheiten auf Landesebene betreffen und für deren Regelung auf übergeordneter Ebene es keine zwingenden Gründe gibt.
Ansonsten kommt es dazu, worauf schon der große Verfassungshistoriker Georg Waitz hingewiesen hat - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident -:
„Der Einzelstaat dagegen, welcher regieren und administrieren soll nach Gesetzen, die ein anderer vorgibt, verkommt im kleinlichen Detail und versinkt in einen Zustand, wo er gar nicht mehr Staat heißen kann.“
Dieser Ausspruch, meine Damen und Herren, gebietet auch, nicht nur Ansprüche an andere staatliche Körperschaften zu stellen. Es geht auch darum, durch Verfahrens- und Verhaltensänderungen im eigenen parlamentarischen Geschehen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wieder erlebbar zu gestalten und den Anspruch glaubwürdig zu erhalten, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt nicht nur die legitime, sondern auch eine wirksame Vertretung des Volkes des Landes Sachsen-Anhalt ist.
Mittlerweile aber, meine Damen und Herren, hat sich die Bundesrepublik von ihrer zunächst dualistischen Prägung, welche die Eigenständigkeit der Verfassungsräume von Bund und Ländern und die Eigenständigkeit der Länder selbst betonte, unter dem Einfluss der Unitarisierung, also einer Übervereinheitlichung, Europäisierung und Globalisierung, zu einer Staatsform gewandelt, bei der die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen auf drei Ebenen - Bund, Länder und Europa - so verteilt und zugleich auf vielfältige Art und Weise miteinander verzahnt und verstrickt sind, dass Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten verschwimmen und bei
Unser Bundespräsident Johannes Rau beklagte deshalb zutreffend in St. Gallen den Zustand des deutschen Föderalismus wie folgt: Anstelle einer klaren Kompetenzverteilung im europäischen Mehrebenensystem - - Also: Anstelle einer Schichttorte ähnele der deutsche Föderalismus einem Marmorkuchen.
Aus dem Verbund der drei Ebenen von EU, Bund und Ländern ist ein hoch differenziertes und zugleich vielfältig verwobenes System von Politik und Rechtsetzung entstanden, wobei Kompetenzen und Verantwortlichkeiten nicht mehr zutreffend zugeordnet werden können. Diese Politikverflechtung mit ihren Kompromisszwängen und Blockademöglichkeiten hat die Wirkung einer stagnativen Selbstverstrickung und damit Selbstblockade der Politik und würde und wird zum entscheidenden Hemmnis für die Steuerungs- und Reformfähigkeit des Staats selbst.
Der Politologe Fritz Scharp bezeichnete dies als „Politikverflechtungsfalle“, worunter er - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident - „eine mehrere Ebenen umfassende Entscheidungsstruktur“ verstand, „die aus ihrer institutionellen Logik heraus systematisch ineffiziente und problemunangemessene Entscheidungen erzeugt und zugleich unfähig ist, die institutionellen Bedingungen ihrer Entscheidungslogik selbst zu verändern.“
Deshalb ist die Föderalismusdebatte auch angesichts des EU-Konvents, von dem eine Neujustierung des Kompetenz- und Institutionengefüges in Europa erwartet wird, neu entbrannt und dringend notwendig. Es geht letztendlich um die entscheidende Frage, wie die Handlungsfähigkeit der Politik zurückgewonnen werden kann.
Die eigentlichen Verlierer dieser Entwicklung sind die Länderparlamente, sodass man durchaus von einer Krise des Länderparlamentarismus sprechen kann. Die schleichende Aushöhlung der eigenstaatlichen Gestaltung der Länder selbst dort, wo Kernzuständigkeiten der Länder berührt werden, hat vor allem zu einer Entparlamentarisierung der Landespolitiken, zu einer Entmachtung der Landesparlamente geführt. Mittlerweile kann eine Vielzahl von Funktionsverlusten und Kompetenzeinbußen der Landesparlamente zu einem Gesamtverlust und damit zu einem Bedeutungsverlust addiert werden, welcher unsere föderale Struktur ins Mark trifft.
Angesichts dieser Entwicklung, meine Damen und Herren, haben sowohl der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof in seinem FAZ-Artikel „Wider die Parlamentarismusaushöhlung“ als auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Professor Papier in seiner kürzlich gehaltenen Rede gegen die Selbstentmachtung der Parlamente dazu aufgerufen, diesem verhängnisvollen Trend bei der Bundesstaatlichkeit entgegenzuwirken, weil er eben die Steuerungs- und Reformfähigkeit des Staates im Kern gefährdet und eine am Status quo orientierte Politik zementiert.
Die Bundesregierung und die Landesregierungen haben deshalb am 20. Dezember 2001 eine Föderalismuskommission gebildet, in der Vorschläge zur Reform des nach oben entleerten Föderalismus erarbeitet werden, allerdings - ich betone dies - unter Ausschluss der Landesparlamente. Aber es kann nicht Aufgabe der Regierungen des Bundes und der Länder allein sein, die Weichen
für eine Reform des Föderalismus in Deutschland zu stellen, zumal die Interessenlagen von Landesregierungen und Landtagen zum Teil unterschiedlich sind.