Protokoll der Sitzung vom 13.03.2003

Die Forderungen in Ihrem Antrag wirken angesichts einer Terminkette, die zumindest im Verkehrsministerium Sachsen-Anhalts bekannt sein sollte, geradezu lächerlich. Danach soll der Referentenentwurf des kompletten Bundesverkehrswegeplans 2003 in der nächsten Woche den Ländern zugehen. Danach wird der Bundesrat seine Stellungnahme dazu abgeben. Dann ist für Mai/Juni, auch in Anhängigkeit der Stellungnahme des Bundesrates, ein Beschluss des Bundeskabinetts geplant. Dieser soll bereits eventuelle Änderungen berücksichtigen. Noch vor der Sommerpause soll die Einbringung in den Bundestag erfolgen. Weitere Verzögerungen über einen Vermittlungsausschuss ausgeschlossen, könnte zum Anfang 2004 der Bundesverkehrswegeplan in Kraft treten.

Eines wird dabei deutlich: Über Ihr Agieren im Bundesrat können Sie in nicht unerheblicher Weise zu einer Beschleunigung beitragen.

Meine Damen und Herren! Einige Worte zur Lkw-Maut und der Verwendung der dadurch erzielten Einnahmen. Zunächst einmal hoffe ich, dass die Prüfung der Europäischen Kommission bezüglich der beihilferechtlichen Aspekte so ausfällt, dass der Start zum 31. August 2003 nicht verzögert wird. Die geplanten Einnahmen von ca. 3,4 Milliarden € jährlich sollen zum überwiegenden Teil direkt in die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur fließen. Sachsen-Anhalt wird an verschiedenen Stellen davon profitieren.

Wenn Sie der Meinung sind, dass umgesteuert werden muss, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, dann nutzen Sie Ihre Mehrheit im Bundesrat und bewegen Sie die westlichen B-Länder zum Verzicht.

Meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht verwundern, dass wir beide vorliegenden Anträge ablehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Felke. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Qual sprechen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, unverzüglich einen Beschluss über einen neuen Bundesverkehrswegeplan mit den Bedarfsplänen für Straßen, Schienen- und Wasserwege herbeizuführen. Nachdem alle über Jahre angekündigten Termine verstrichen sind, fordern wir, den Referentenentwurf nunmehr endgültig noch im März dieses Jahres

vorzulegen, damit die Länder dazu ihre Stellungnahmen abgeben können.

Eine längst überfällige Bringepflicht hat die Bundesregierung endlich zu erfüllen. Die Fortschreibung der Bundesverkehrswegeplanung muss in ihrer Konkretheit den besonderen und veränderten Anforderungen an die Verkehrsströme in den neuen Bundesländern im Zuge der EU-Osterweiterung Rechnung tragen. Da gibt es einen für uns alle wahrnehmbaren Nachholbedarf.

Die fehlende Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes ist Ausdruck der Stagnation in der Verkehrspolitik dieser Bundesregierung und verantwortlich für weitgehend fehlende Planungs- und Investitionssicherheit mit den entsprechenden negativen Folgen für die Entwicklung der Infrastruktur, ganz abgesehen von dem fehlenden Kenntnisstand, welche Projekte den Kategorien vordringlicher Bedarf oder weiterer Bedarf zugeordnet werden, auch unter der Einbeziehung der entsprechenden Nachforderungsmeldungen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir fordern die Wahrnehmung der grundsätzlichen Verantwortung des Bundes ganz konkret auch für das gesamte Bahnstreckennetz ein. Unsere Bedenken in dieser Hinsicht ergeben sich aufgrund der Auswertung der vorläufigen Bewertungsergebnisse für die angemeldeten Schienenprojekte, wonach Strecken, die vorrangig dem Nahverkehr dienen, im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans nicht mehr weiter verfolgt werden sollen. Wir wissen, dass die Länder mit den Schienenpersonennahverkehrsleistungen schon einen erheblichen Teil der Kosten für die Infrastruktur tragen müssen.

Ferner möchte ich konkret das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Bahn, die Bahnstrecke Erfurt - Halle - Leipzig benennen. Die Aufnahme in den dringenden Bedarf, aber eine Realisierung erst vielleicht in 15 Jahren, das heißt nahezu erst 30 Jahre nach der deutschen Einheit, ist doch wohl unvertretbar. Was soll das denn?

Die FDP-Fraktion erwartet, dass nicht nur der Bundesverkehrswegeplan durch die Bundesregierung per Kabinettsbeschluss noch vor der Sommerpause verabschiedet wird, und zwar im Jahr 2003, sondern dass auch die für unseren mitteldeutschen Raum besonders bedeutsamen Projekte mit der entsprechenden Dringlichkeit in den Plan aufgenommen und schnellstmöglich realisiert werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Qual. - Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kasten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Erläuterung und damit wir von dem gleichen Erkenntnisstand ausgehen können, einige Vorbemerkungen.

Die Bundesverkehrswegeplanung setzt in ihrer Funktion als Rahmenplanung für langfristige Verkehrsinvestitionsstrategien des Bundes auf zwei Ebenen an:

Erstens bei einer Verteilung der Verkehrsinvestitionsmittel bis zum Jahr 2015 auf die Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasserstraße und deren Aufteilung auf die Bestandsstandsanierung und Ausbau sowie Neubau. Das

heißt, diese Aspekte sind bis jetzt nicht auseinander genommen worden. Ich denke aber, gerade das ist unter den Bedingungen einer auskömmlichen Finanzierung notwendig.

Zweitens bei einer Prioritätensetzung für Infrastrukturprojekte auf der Grundlage von Projektanmeldungen der Länder. Hinzu kommen die DB AG - aus heutiger Sicht dürfte dort eigentlich nur noch „DB Netz AG“ stehen -, der VDV sowie die Bundeswasserstraßenverwaltung.

Die Bundesverkehrswegeplanung ist in ihrer bisherigen Grundstruktur auf den sektoralen Ausbau der Verkehrsnetze bei knappen bzw. teilweise sogar fehlenden finanziellen Ressourcen ausgerichtet. Herr Schröder hat es schon erwähnt. Ich glaube, das brauche ich nicht auszuführen. Das Problem haben wir seit Jahren. Von einer integrierten Gesamtverkehrsplanung, die zum Aufbau eines zukunftsfähigen Mobilitätssystems beitragen kann, ist die Bundesverkehrswegeplanung jedoch weit entfernt.

Die Diskussion und Verabschiedung des neuen Bundesverkehrswegeplans muss nach unserer Ansicht dazu genutzt werden, die Planungs- und Finanzierungsstruktur den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Dazu gehören erstens die Sicherung und Optimierung des Bestandsnetzes. Hierbei sind vorrangig die Erträge der Lkw-Maut einzusetzen, die übrigens in der derzeit bekannten Höhe keine Steuerungsfunktion haben wird. Dazu gehören zweitens die Optimierung des Verkehrssystems in Deutschland insgesamt und eine Konzentration der Investitionsmittel auf Maßnahmen, die zum Aufbau eines nachhaltigen Mobilitätssystems beitragen. Das schließt die Entwicklung von Investitionsstrategien für Ballungsräume, suburbane und ländliche Räume insbesondere Ostdeutschlands - man kann auch sagen, der neuen Bundesländer - und die Hauptkorridore des Güterfernverkehrs ein.

Dazu gehört drittens die Stärkung der integrierten Verkehrsplanung auch auf regionaler Ebene mit Verkehrsträger übergreifenden Lösungen statt isolierter Betrachtung von Projekten.

Die Fortschreibung der Bundesverkehrswegeplanung ist seit 1999 - Herr Schröder, ich habe fast die gleiche Zahl - kaum über Absichtserklärungen der Regierung Schröder hinausgekommen. Wir unterstützen eine verbindliche Zeitplanung. Allerdings gibt es einen eklatanten Fehler in Ihrem Antrag, Herr Schröder. Die Bundesregierung muss diesen Bundesverkehrswegeplan nach einem Kabinettsbeschluss als Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. In der Reihenfolge haben Sie den Fehler in Ihrem Antrag. Im Bundestag wird das Gesetz letztlich doch beschlossen.

Aus diesen Gründen haben wir, um die Dinge, die ich kurz angerissen habe, zusammenzustricken, unseren Änderungsantrag eingebracht. Dieser Änderungsantrag umfasst all das, was wir als Ansätze im 21. Jahrhundert aufgrund der Erkenntnisse der letzten Jahre - bei mir sind es neun Jahre Verkehrspolitik im Parlament - erarbeitet haben und was inzwischen auch bei Fachleuten vorliegt.

Eine Fortschreibung der Bundesverkehrswegeplanung auf der Basis 1992 führt in eine Sackgasse. Innovative Ansätze habe ich bis jetzt bei der Bundesregierung nicht gesehen. Insbesondere die Verzögerungen bringen - das möchte ich unterstützen - deutliche Verunsicherung auf Landesebene. Ich denke, wir sollten diese Dinge aufgrei

fen und in einer gemeinsamen Erklärung, wie vorgesehen, dann auch einbringen.

Wir könnten, wenn wir uns über die Änderungen verständigen könnten, dem Antrag zustimmen, würden uns aber, wenn Sie die Korrekturen nicht einbringen wollen und die kleinen Differenzen, die wir als nicht ganz korrekten Ansatz sehen, stehen lassen wollen, nur der Stimme enthalten können. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Kasten. - Für die CDU-Fraktion hat noch einmal Herr Schröder das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Felke, zunächst zu Ihnen. Den Anfang der Rede lasse ich jetzt einmal weg. Dazu könnte ich auch noch einiges sagen.

Worüber wir uns im Grunde einig sind, ist die Frage des Gebotes der Überarbeitung des jetzigen Verkehrswegeplans. Möglicherweise aus unterschiedlichen Motiven, aber die Überarbeitung ist dringend geboten. Das ist die Bringschuld der Bundesregierung, die das seit Jahren ankündigt. Wenn wir uns hinsichtlich des Überarbeitungsgebots einig sind, dann frage ich, Herr Felke - das ist die Intention unseres Antrages gewesen -: Wie lange wollen wir auf diese Überarbeitung noch warten? Das ist die Frage.

(Herr Felke, SPD: Vier Wochen! Sechs Wochen!)

Sie sprechen von dieser Terminkette. Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat diese Terminkette selbst nicht eingehalten, sondern sie mehrfach neu justiert bzw. verschoben. Das ist das Problem, das wir damit haben, weil wir die Terminkette, wie sie sich jetzt darstellt, für nicht mehr geeignet halten, die Mittelzusagen im Jahr 2003 auch für die Projekte, die bereits Baurecht haben, die man beginnen kann, für dieses Jahr noch zu erhalten. Das ist nicht mehr möglich, insbesondere nicht mehr mit der Terminkette, die der Bund uns jetzt vorgibt, nachdem er schon mehrfach Termine verschoben hat.

Bei der Frage der Mautgelder sind wir auch völlig d’accord im Hinblick darauf, dass es die Maut geben soll. Wir können uns über die Frage des Verfahrens der Einnahme und die Frage der Kompensation für das Fuhr- und Speditionsgewerbe trefflich streiten. Die Maut kommt in der zweiten Jahreshälfte. Das ist beschlossene Sache. Aber es gibt eben keine klare Aufteilung, was die Verwendung der Mittel anbetrifft, bzw. gibt es dazu widersprüchliche Aussagen.

Wir können uns sehr gut auf Folgendes verständigen: Wenn Sie uns sagen, wir sollten den Bundesrat bewegen, dann sage ich Ihnen, okay, wir versuchen, darauf Einfluss zu nehmen, dass wir den Bundesrat bewegen, und Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sorgen bitte schön dafür, dass Sie die Bundesregierung bewegen.

Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag der PDS umfasst im Wesentlichen die Forderungen, die wir auch in unserem Antrag stellen. Ich habe allerdings das Gefühl, während wir sehr stark auf die Frage des Tempos und der Mittelzusagen in diesem Jahr rekurrieren,

stehen bei Ihnen die Fragen der Qualifizierungskriterien stärker im Vordergrund.

(Zuruf von Herrn Dr. Köck, PDS)

Insbesondere der letzte Punkt Ihres Antrages bereitet uns Probleme, weil es wichtig ist, dass die Bundesregierung uns erst einmal sagt, was im Topf ist, welche Schwerpunkte sie hat, welche Mittel dem Land SachsenAnhalt zur Verfügung stehen und was mit der Bewertung der nachgemeldeten Maßnahmen ist. Solange das nicht der Fall ist, sehe ich nicht ein, warum wir von angemeldeten Projekten abrücken sollten.

Deswegen - das möchte ich Ihnen sagen - haben wir mit dem letzten Punkt die meisten Probleme. Wenn Sie eine Prioritätenliste des Landes wollen, dann gucken Sie sich die 170 angemeldeten Projekte an. Das ist die Prioritätenliste Sachsen-Anhalts zum jetzigen Zeitpunkt.

Was den formalen Fehler betrifft: Es ist sehr wohl wahr, den Beschluss über den Bundesverkehrswegeplan trifft der Deutsche Bundestag und der Bundesrat muss zustimmen. Das wissen wir auch. Uns geht es aber vor allen Dingen darum, dass der Kabinettsbeschluss, der Voraussetzung für die Einbringung in den Bundestag ist - wir wissen doch, dass die Bundesregierung bereits den Referentenentwurf hat -, früher gefasst wird als Ende Juni, wie es jetzt in Aussicht gestellt wurde. Möglicherweise wird der Termin noch einmal verschoben. Uns ging es also um die Vorgabe einer verbindlichen Zeitplanung zur Behandlung im Deutschen Bundestag

Deswegen haben wir die Formulierungen in unserem Antrag so gefasst. Unsere Intention ging in die Richtung von mehr Tempo. Die Qualifizierungskriterien, von denen Sie sprechen, und die Frage der Abstriche, die das Land durch eigene Prioritätensetzung schon selbst vornehmen muss, das sind unsere größten Probleme mit Ihrem Antrag. Deswegen bitte ich noch einmal recht herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag.

Danke, Herr Schröder. - Für die Landesregierung hat der Minister für Bau und Verkehr Herr Dr. Daehre um das Wort gebeten.

(Herr Dr. Köck, PDS: Frau Präsidentin, ich hatte noch eine Frage an Herrn Schröder! Ich kann sie aber auch dem Herrn Minister stellen!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Köck, war das schon eine Frage, bevor ich angefangen habe?

(Heiterkeit bei der CDU - Herr Dr. Köck, PDS: Ich frage nach Ihrer Rede!)

- Ich versuche dann zu antworten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe absichtlich erst den Fraktionen die Möglichkeit gegeben, über dieses Thema zu reden, weil ich davon überzeugt bin, dass ein Signal von diesem Landtag ausgehen muss, dass wir nicht in Parteiengezänk verfallen. Das ist die letzte Chance für Ostdeutschland und für Sachsen-Anhalt, die Verkehrsinfrastruktur zeitnah zu verbessern. „Zeitnah“ heißt bis 2015, was schon ein relativ langer Zeitraum ist. Herr Schröder hat zum Ausdruck gebracht, dass viele das dann von zu Hause

vom Sofa aus beobachten werden - ich auch. Ich möchte aber wenigstens die eine oder andere Autobahn noch befahren.