Protokoll der Sitzung vom 14.03.2003

„Wenn die Leistungen gleich gut sind, bekommt der private Anbieter den Auftrag.“

Das heißt im Klartext, dass jetzt die Beweislast, es besser machen zu können, nicht mehr bei den privaten Bewerbern liegt, sondern bei den Kommunen. Das mögen Sie gut finden; ich finde es nicht gut.

(Zustimmung bei der SPD)

Das widerspricht all dem, was vernünftig ist, was kommunalfreundlich ist, und das widerspricht vor allem dem, was Sie selbst jahrelang verkündet haben, als Sie noch Opposition waren: Die Kommunen müssen gestärkt werden! Die Kommunen müssen gestärkt werden!

(Herr Gürth, CDU: Werden sie auch! Aber nicht in Form einer ausufernden Staatswirtschaft!)

- Herr Gürth, Sie haben schon einmal vorgebeugt, um den Widerspruch in den eigenen Reihen sozusagen in die richtigen Bahnen zu lenken, indem Sie festgestellt haben - ich darf auch Sie zitieren, Herr Gürth -:

„Das werden wir auch gegen die Widerstände in den eigenen Reihen durchsetzen.“

(Herr Gürth, CDU: Ja!)

Ich darf vielleicht an dieser Stelle einmal Herrn Professor Herrmann vom Umweltbundesamt zitieren, der sich mit diesen Fragen sehr ausführlich beschäftigt. Er sagt:

„Es ist eine trügerische Hoffnung, die kolportierte Vermutung, private Unternehmer seien grundsätzlich effizienter und kundennäher als öffentliche, und zwar selbst dann, wenn letztere privatrechtlich organisiert sind.“

Also ein Trugschluss, möglicherweise.

(Herr Gürth, CDU, lacht)

- Sie werden es erleben, wenn Sie das durchsetzen, was Sie wollen.

Das alles lässt also nichts Gutes ahnen; denn Schnellschüsse, meine Damen und Herren, sind wir inzwischen von Ihnen gewöhnt, sie sind an der Tagesordnung. Es wäre allerdings dramatisch, wenn Sie das, was Sie in der Antwort auf unsere Anfrage andeuteten, tatsächlich

realisierten. Das betrifft die Frage der Pflichtaufgabe ebenso wie das Thema Liberalisierung.

So heißt es dann auch, derzeit plane man keine Initiative zur Liberalisierung der Trinkwasserversorgung. Gerade dabei, meine Damen und Herren, werde ich hellhörig, macht doch die Diskussion um das Thema Liberalisierung im Rahmen der GATS-Verhandlungen unterschwellig oder auch öffentlich vor der Sparte Trinkwasserversorgung nicht Halt, obwohl sich der Bundestag im letzten Jahr zu dieser Frage eindeutig geäußert hat.

Wie ist unsere Position dazu? - Die SPD-Fraktion vertritt die Auffassung, dass die Trinkwasserversorgung trotz aller gegenwärtigen Probleme bei der Schaffung neuer Strukturen - ich denke dabei insbesondere an die ins Stocken geratenen Verhandlungen für eine Verbundlösung Trinkwasser in unserem Lande - bei den Kommunen in guten Händen ist.

(Herr Kühn, SPD: Richtig!)

Es ist natürlich auch uns klar, dass auch unter dieser Voraussetzung - nämlich unter der Voraussetzung, dass die Kommunen dafür verantwortlich sind - alle Möglichkeiten der Effizienzsteigerung und der Sicherung von Qualität und Menge genutzt werden müssen. Aber, meine Damen und Herren von der CDU, das geht auch unter der Verantwortung der Kommunen.

Auch die Übertragung bestimmter Aufgaben an Privatunternehmen ist bisher durchaus nicht ungewöhnlich. In unserem Lande, in anderen Ländern der Bundesrepublik, sozusagen europaweit ist es nicht ungewöhnlich, dass Private ins Boot hineingenommen werden,

(Herr Gürth, CDU: Warum haben Sie dann so ei- ne Angst davor?)

zur Geschäftsbesorgung, zur Wahrnehmung verschiedener Aufgaben, aber immerhin unter der Regie der Kommunen selbst.

(Herr Gürth, CDU: Warum muss das sein?)

Das ist überhaupt nicht abzulehnen, wenn entsprechende Vertragsgestaltungen den Kommunen und den Verbrauchern eine gewisse Sicherheit bieten. Das hat auch damit zu tun, dass diejenigen, die ins Boot geholt werden, praktisch dazu in der Lage sind und keine bösen Absichten, will ich einmal sagen, verfolgen.

Einen vollständigen und endgültigen Rückzug der Gemeinden aus der Pflichtaufgabe Trinkwasserversorgung betrachten wir zurzeit weder als rechtlich möglich noch als Entscheidung im Interesse der Bürger. Das hat übrigens auch die Innenministerkonferenz im Mai 2001 so gesehen, die ausdrücklich den Fortbestand der Trinkwasserversorgung als kommunale Aufgabe festgeschrieben hat.

Lassen Sie mich - die rote Lampe leuchtet - diesen ersten Komplex zusammenfassen; den zweiten bringe ich nachher.

(Herr Gürth, CDU: Noch einen?)

Erstens. Wir wollen, dass die Trinkwasserversorgung in gemeindlicher Verantwortung bleibt. Ein vollständiger Rückzug der Gemeinden aus der Pflichtaufgabe Trinkwasserversorgung ist aus unserer Sicht bedenklich und nicht im Interesse der Nachhaltigkeit und nicht im Interesse der Bürger.

Zweitens. Wir lehnen die mehrheitliche Beteiligung von privaten Unternehmen an der Trinkwasserversorgung ab.

Drittens. Wir sind dafür, dass sich die Kommunen privatwirtschaftlicher Modelle bei der Wahrnehmung ihrer Pflichtaufgabe Trinkwasserversorgung oder der Mitwirkung privater Unternehmen bedienen können, soweit diese fachlich dazu in der Lage sind, eine Effizienzsteigerung zu erwarten ist und eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse in der Unternehmensstruktur nicht zu befürchten ist.

Viertens. Wir fordern die Landesregierung auf, mit Nachdruck auf die Verhandlungen zur Herstellung einer Verbundlösung bei der Trinkwasserversorgung Einfluss zu nehmen.

Fünftens. Wir erwarten, dass die Landesregierung keinerlei Initiativen zur Liberalisierung der Trinkwasserversorgung ergreift oder solche unterstützt.

(Zustimmung bei der SPD, von Frau Dr. Paschke, PDS, und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Wenn Sie diese von mir genannten Punkte mittragen, meine Damen und Herren, steht aus meiner Sicht einer sachlichen und zukunftsfähigen Zusammenarbeit in der Frage der Trinkwasserversorgung in diesem Land mit uns, mit der SPD, nichts im Wege. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Oleikiewitz. - Bevor ich nun Frau Ministerin Wernicke das Wort erteile, habe ich die Freude, auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler des MüntzerGymnasiums aus der schönen Stadt Halle an der Saale begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Sie sind so zahlreich hierher gekommen, dass auf der Tribüne nur der erste Teil dieser Gruppe Platz nimmt; der zweite Teil kommt noch. - Nun bitte Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die Trinkwasserversorgung in Sachsen-Anhalt wird gegenwärtig umfassend diskutiert. Insofern ist die Aussprache über die Große Anfrage gerade auch im Internationalen Jahr des Wassers sehr aktuell.

Ja, die Landesregierung plant derzeit umfangreiche Privatisierungen, unter anderem auch im Wasserbereich. Zunächst möchte ich auf den Stand der Trinkwasserversorgung im Lande kurz eingehen und einen Ausblick auf die folgenden Jahre vornehmen, bevor ich angesichts der aktuellen Entwicklungen im Bereich von Privatisierungen auf die begrifflichen Unterscheidungen zwischen Liberalisierung und Privatisierung eingehe. Anschließend stelle ich Ihnen die konkreten Überlegungen der Landesregierung zur Privatisierung zum Wassergesetz und zur Privatisierung wasserwirtschaftlicher Ressourcen in der Fernwasserversorgung vor.

Meine Damen und Herren! Sprechen wir zunächst über den Stand und über den Ausblick in die Zukunft der Trinkwasserversorgung in Sachsen-Anhalt. Die derzeitigen Versorgungsstrukturen der Trinkwasserversorgung sind im Grundsatz zukunftsfähig. Dennoch sieht aber die

Landesregierung den Bedarf der Optimierung der unternehmerischen Strukturen.

Die Lokalversorger sind zurzeit hoch verschuldet; denn seit 1990 ist der Trinkwasserabsatz drastisch zurückgegangen. Aufgrund des hohen Fixkostenanteils sind die Trinkwasserversorger vor große Probleme gestellt. Trotz des Rückgangs des Wasserbedarfs wurden die Kapazitäten nicht in dem Maße abgebaut, wie sich die Absatzmengen reduziert haben.

Neben dem Problem der zu geringen Größen bei abnehmendem Trinkwasserbedarf sind aufgrund der hohen Erneuerungsinvestitionen insbesondere in den frühen 90er-Jahren im nationalen und internationalen Vergleich hohe Gebühren in den neuen Bundesländern entstanden. Auf die Debatte über Fehlinvestitionen, die es gegeben hat, möchte ich nicht weiter eingehen. Diese Diskussionen sind allen bekannt.

Die Landesregierung geht davon aus, dass die Auslastung der Wasserversorgungsanlagen zukünftig tendenziell weiter sinken wird, aber nicht mehr in dem Ausmaß der letzten zwölf Jahre. Gleichzeitig werden die Fixkosten weitgehend gleich bleiben. Im Übrigen stehen nach wie vor hohe Ersatzinvestitionen im Wasserversorgungsbereich an. Deshalb sind viele Trinkwasserversorger gezwungen, beispielsweise unrentable Anlagen stillzulegen und ihre Strukturen zu optimieren. Hierzu können auch private Investoren und Gesellschafter beitragen.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, möchte ich auf die auch im politischen Raum geführte Diskussion und auf die Rede von Herrn Oleikiewitz über Liberalisierung und Privatisierung eingehen. Diese Begriffe werden meines Erachtens häufig durcheinander gebracht bzw. verwechselt und führen deshalb auch zu Irritationen, wie man am Antrag der SPD nachvollziehen kann.

Wenn von Liberalisierung die Rede ist, dann ist darunter im Wesentlichen die Aufhebung der noch bestehenden Gebietsmonopole zu verstehen, um einen so genannten Wettbewerb im Markt zu ermöglichen. Danach wären Demarkationsverträge, die die Versorgungsgebiete abgrenzen, sowie Konzessionsverträge nicht mehr zulässig. Die Landesregierung strebt dazu keine Initiative im Bundesrat an. Vielmehr orientiert sich die Landesregierung an dem, was landesgesetzlich möglich ist, um den Markt stärker für Private zu öffnen. Es geht um den so genannten Wettbewerb um den Markt. Darunter ist Privatisierung zu verstehen.

(Herr Gürth, CDU: Das müsste einmal erklärt werden!)

Mit den vorgesehenen Änderungen in § 146 des Wassergesetzes, der bisher vorsieht, dass die Trinkwasserversorgung eine kommunale Pflichtaufgabe ist, beabsichtigt die Landesregierung keineswegs, wie teilweise behauptet und eben auch gehört, dass die Trinkwasserversorgung zukünftig privatisiert werden muss. Die Privatisierung der Trinkwasserversorgung ist ein Weg, den die Kommunen gehen können, um einen eigenen Beitrag zur Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit leisten zu können.

Herr Oleikiewitz, Ihre Haltung bzw. die Haltung der Sozialdemokraten wundert mich nicht; denn die sozialdemokratische Politik in diesem Land ist von einem

Grundmisstrauen gegenüber allem, was privates Engagement beinhaltet, geprägt.