Vielen Dank, Herr Minister. - Ich begrüße zunächst Damen und Herren der Begegnungsstätte des Deutschen Roten Kreuzes Kroppenstedt auf der Zuschauertribüne.
Nun folgen die Beiträge der Fraktionen. Es spricht für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Herr Dr. Volk.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An dieser Stelle sagte ich schon einmal, dass sich die Frage der Schulentwicklungsplanung nicht für populistische Parteipolitik eignet. Ich verband damit die Hoffnung, dass insbesondere die Bildungspolitiker aller Parteien auf die dramatisch zurückgehenden Schülerzahlen gemeinsam reagieren und nicht versuchen, auf spitzfindige Art und Weise politisches Kapital aus einer Entwicklung zu schlagen, für die weder die jetzige
Bereits im April 2003 befassten wir uns mit zwei Anträgen der Opposition, mit denen versucht wurde, die Kriterien aufzuweichen, auf denen die Schulentwicklungsplanung fußt.
Nachdem bereits damals beide Anträge jeweils mit drei Vierteln der Stimmen abgelehnt wurden, befassen sich nunmehr die Landkreise in ihrer originären Verantwortung mit der Gestaltung der Schulentwicklungsplanung. Die Landespolitik ist für den schulfachlichen Rahmen und damit für die Festlegung von Mindestschülerzahlen
zuständig, während die konkrete Entscheidung über einen Schulstandort in den Landkreisen gefällt wird.
Diese Arbeitsteilung macht Sinn, da man aus meiner Sicht auch für eine funktionierende Schule eine bestimmte Mindestgröße benötigt, die im gesamten Land vergleichbar sein sollte. Wo diese Schule dann steht, können am besten die Kommunalpolitiker in den Landkreisen entscheiden. Die Schulentwicklungsplanung ist in vielen Kreisen bereits im Gange und wird auf der Grundlage der aktuellen Verordnung am Jahresende abgeschlossen sein.
Mit dem Antrag, den wir als FDP-Fraktion ablehnen, wird versucht, durch eine falsche Interpretation einen Dissens zwischen dem Runderlass zur Mindestschülerzahl für die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern an Schulen und der Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung aufzumachen.
Der Antrag nimmt Bezug auf einen Teilsatz des Runderlasses. Ich möchte nicht die Diskussion beginnen, ob wir einen Runderlass interpretieren und die Auslegung der Exekutive verbindlich vorschreiben sollten. Problematisch ist aber, dass es überhaupt zu vermeintlichen Diskrepanzen bezüglich der einzelnen Bezugstexte kommen kann.
Nicht nur an dieser Stelle scheint mir, dass das ein Ergebnis eines immer stärker verklausulierten Sprachduktus ist, der weit von der Standardsprache entfernt ist. Ich bitte darum, dass die untergesetzlichen Regelungen, die vom Kultusministerium erlassen werden und den Schulbetrieb steuern sollen, zukünftig verstärkt auf die Verständlichkeit für Nichtjuristen geprüft werden. Deshalb meine Bitte: Formulieren Sie in Zukunft untergesetzliche Regelungen so, dass sie von Lehrern und auch von Eltern verstanden werden können.
Aber zurück zu dem Antrag. Dieser wird unter anderem damit begründet, dass ab dem übernächsten Jahr wieder mehr Schüler die Grundschulen verlassen und damit die Schülerzahlen an den Sekundarschulen wieder steigen würden. Damit wird suggeriert, dass die niedrigen Schülerzahlen nur eine kurzzeitige Erscheinung sind. Das ist schlichtweg falsch.
Wenn man die Einschulungszahlen zugrunde legt, dann stellt man fest, dass in diesem Schuljahr 11 000 Schüler weniger als im Jahr 1997 und immer noch 1 000 Schüler weniger als im Jahr 1999 eingeschult wurden. Auch die Geburtenzahlen sind wieder gesunken. Das bedeutet für die Folgejahre, dass die Schülerzahlen allenfalls auf dem aktuellen niedrigen Niveau verharren, wenn sie nicht wegen der großen Abwanderung im Land Sachsen-Anhalt sogar noch weiter fallen.
Nun hat die aktuelle Schulentwicklungsplanung das Ziel, Schulstandorte festzulegen, die langfristig Bestand haben. Nur damit lässt sich Unsicherheit bei Schülern, Eltern und Lehrern vermeiden und eine verlässliche Grundlage für Investitionsentscheidungen der Schulträger schaffen.
Man muss dabei auch bedenken, dass nicht jede Sekundarschule, die die erforderliche Mindestschülerzahl nicht erreicht, geschlossen wird. Wo heute zwei Schulen
mit je 30 Schülern in ihrer Existenz gefährdet sind, wird künftig eine Schule über lange Jahre hinweg Bestand haben.
Wir müssen uns also die Frage stellen: Provozieren wir mit exzessiven Ausnahmeregelungen über Jahre hinweg Unsicherheit an nahezu allen Sekundarschulen des Landes oder schaffen wir auch mithilfe einer schmerzhaften Entscheidung die Basis für eine bestandsfähige Schulstruktur im Land?
Deshalb denke ich, dass wir jetzt nicht ausschließlich auf Betroffenheit reagieren sollten, sondern uns vor allem an der pädagogischen Qualität an unseren Schulen und auch an der Qualität der Ausbildung unserer Schüler orientieren sollten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 22 Abs. 2 des Schulgesetzes des Landes sagt aus, dass die Landkreise und kreisfreien Städte Träger der Schulentwicklungsplanung sind. Sie sind es, die den mittel- und langfristigen Schulbedarf sowie die Schulstandorte ausweisen. In Absatz 5 wird auf die Mitwirkungsrechte im Zuge der Aufhebung von Schulstandorten Bezug genommen. - So viel zum Schulgesetz. Dazu ist bereits einiges gesagt worden.
Durch den Runderlass des Kultusministeriums vom 10. März 2003 wird jedoch eine Reihe von Planungsträgern letztlich um das primäre Recht gebracht und in verschiedenen Fällen vor vollendete Tatsachen gestellt; es geht bei diesem Erlass eben nicht nur um die Regelung des Schulbetriebes. Nicht der Kreistag, meine Damen und Herren, - das muss man sich einmal überlegen - entscheidet damit über die Zukunft der Schulstandorte, sondern die Schulaufsicht. Ich will das einmal näher erläutern.
Durch die strikte Vorgabe von Mindestjahrgangsstärken bereits für das kommende Schuljahr, also das Schuljahr 2003/2004 ab August dieses Jahres, können an verschiedenen Schulen keine Anfangsklassen mehr gebildet werden. Somit werden nicht per Kreistagsbeschluss, sondern per Erlass bereits Vorentscheidungen für die Zukunft von Schulstandorten getroffen, ohne dass das dafür demokratisch legitimierte Gremium, nämlich der Kreistag, die Möglichkeit hatte, sich damit ausgiebig zu befassen und über Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren. - Als Kreistagsfraktionsvorsitzende im Ohrekreis weiß ich, wovon ich rede.
Sicherlich könnte der Kreistag im Hinblick auf den Planungszeitraum der mittelfristigen Schulentwicklungsplanung ab dem Jahr 2004 immer noch beschließen, Schulstandorte, die für das Jahr 2003 keine Eingangsklasse gebildet haben, weiterzuführen; aber, meine Damen und Herren, jeder weiß doch, dass dann psychologische Aspekte eine Rolle spielen. Eine Schule, an der einmal keine Eingangsklasse gebildet wurde, steht über kurz oder lang vor dem Aus. Da hilft auch kein schönes
So gesehen, meine Damen und Herren, ist das jetzige Vorgehen eine Missachtung der Planungsrechte und -pflichten der Kreistage und ist somit undemokratisch; denn das Überleben einer Schule hängt tatsächlich von der Bildung einer Eingangsklasse ab. Dass dabei auch die Mitwirkungsrechte der Eltern und Schüler, Lehrkräfte und Gemeinden verletzt werden, auch darüber sollte sich das Hohe Haus einmal bewusst werden.
Meine Damen und Herren! Bei der Landtagsdebatte zur Schulentwicklungsplanung im April 2003 haben Sie, Herr Kultusminister, zugesichert, dass in Regionen, in denen es besondere Schwierigkeiten gibt, Lösungen gefunden werden, die trägfähig sind. Nun: Es gibt vielerorts Probleme, jedoch fehlen die tragfähigen Lösungen, wie die Demonstration der Eltern und Schüler heute vor dem Landtag durchaus beweist.
Ich habe ebenfalls nur zu gut die Worte des Kultusministers auf die Nachfrage des Kollegen Heyer zum Gymnasium Havelberg im Ohr. Ich zitiere:
„Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir in diesem Fall an einer, wenn ich so sagen darf, originellen Einzelfalllösung, die unter Umständen sogar bildungsgangübergreifend sein wird, arbeiten, um diesen Standort zu sichern und dann zu versuchen, dort eine Entwicklungsbasis zu bekommen, damit dieses Gymnasium nicht durch die besondere Situation, die dort eingetreten ist, in Schwierigkeiten kommt. Dies sage ich ausdrücklich.“
Unbenommen des Wusts der Rede kann ich nur sagen: Das klingt theoretisch gut, in der Praxis, zumindest nach den uns bekannten Informationen, sind jedoch die bisher angedachten Lösungen weder originell noch mittelfristig tragfähig. Und die „originelle“ Lösung würde ich dann doch bitte gern einmal hören oder vor Ort sehen.
Meine Damen und Herren! Wir sehen uns jedenfalls in unserer damaligen Prognose bestätigt, dass die infolge der von den Fraktionen der CDU und der FDP vorgenommenen Schulgesetzänderung ausgelöste notwendige Anpassung der mittelfristigen Schulentwicklungspläne insbesondere zu einem verstärkten Sterben von Sekundarschulstandorten führen wird.
Ich erspare es mir, an dieser Stelle lange über Schulkonzepte und -reformen zu reden, sondern ich will lediglich sagen, wir werden etliche Sekundarschulen los. Insbesondere die Unsicherheit im Hinblick auf die zukünftigen Übergangsquoten ab Klasse 5 an das Gymnasium hat uns schon im Monat April veranlasst, die Schaffung von Übergangsregelungen zu fordern. Diese Forderung greifen wir wieder auf.
Die Übergangsregelungen sollen den Entscheidungsträgern die notwendigen Spielräume lassen und sie sollen es den Landkreisen und kreisfreien Städten ermöglichen, für einen Zeitraum bis zum Jahr 2006 die Mindestschülerzahl unterschreiten zu können bzw. bis zum Jahr 2005 von der vorgegebenen Mindestzügigkeit zur Klassenbildung des 5. Schuljahrgangs an Sekundarschulen abzuweichen.
Das ist der Änderungsantrag, den wir schon einmal eingebracht haben. Das bedeutet bei weitem nicht, wie immer behauptet wird, dass die Ausnahme die Regel wird,
sondern es geht tatsächlich um eine äußerst befristete Angelegenheit, die auf der von Ihnen geforderten „guten“ Prognostik fußt. Diese ist vorhanden, weil all diese Kinder, die für die Planungszeiträume einkalkuliert werden, bereits geboren sind.
Meine Damen und Herren! Auch wenn die Erarbeitung bzw. Modifizierung von Runderlassen sowie die Verfügung von Durchführungsbestimmungen nicht zum Aufgabenfeld des Parlaments gehören, unterstützt unsere Fraktion den Antrag der PDS bzw. das damit verbundene politische Anliegen, um für die Schulen etwas zu tun. Entscheidend sind die Auswirkungen des genannten Runderlasses, und diese tragen in der Tat nicht zur Lösung der bereits dargestellten Probleme bei, ganz im Gegenteil. Ich glaube auch nicht, dass wir fahrlässig oder verantwortungslos handeln, wenn wir auf der Grundlage einer guten Prognostik vernünftige, befristete Übergangsregelungen fordern. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die demografische Entwicklung in unserem Land stand, steht und wird auch zukünftig immer wieder im Blickpunkt von Diskussionen und Debatten stehen. Das haben wir, wie gesagt, auch heute Morgen erleben dürfen. Fest steht aber, dass die Schulen aufgrund des dramatischen Schülerrückgangs - um mehr als die Hälfte seit 1990 - davon unmittelbar betroffen sind und dass keine wesentliche Veränderung in Sicht ist.
Die mittelfristige Schulentwicklungsplanung vom November 1999 war also eine erste Reaktion auf diese Entwicklung. Schon damals - ich möchte daran erinnern - schlugen die Wogen sehr hoch, zum Teil aus nachvollziehbaren Gründen. Das debattierten wir aber bereits, wie auch schon gesagt worden ist, in der letzten Landtagssitzung.
Der Antrag der PDS-Fraktion bezieht sich wiederum auf die geänderte Verordnung sowie auf den Runderlass des Kultusministeriums „Mindestschülerzahlen für die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern“. Der Runderlass zu den Mindestjahrgangsstärken in den einzelnen Schulformen, das heißt zur Größe der Klassen, ist aber rechtlich - das sagte auch der Minister - von der Schulentwicklungsplanung zu trennen - allein aufgrund des Tatbestandes, dass die Kreistage mit dem Träger über den Fortbestand einer Schule entscheiden.
Die Größe der Klassen aber wird von der obersten Schulbehörde festgelegt. Natürlich kann ein solcher Klassenbildungserlass nicht einer Schulentwicklungsverordnung widersprechen. Das tut er auch nicht. Im Gegenteil, für das kommende Schuljahr wird aus nachvollziehbaren Gründen der Schulgesetznovellierung Rechnung getragen, indem eine Ausnahme von der bisherigen Regelung geschaffen wurde.