Protokoll der Sitzung vom 12.06.2003

Es hat sich in der Vergangenheit bzw. in den letzten Jahren gezeigt, dass viele Regelungen des SOG in der Praxis zu kurz greifen und dass deshalb ein dringender Änderungsbedarf besteht. Der Gesetzentwurf, auf dessen Kernpunkte ich im Folgenden kurz eingehen werde, nimmt sich dieser Defizite an.

Meine Damen und Herren! Ein Kernpunkt ist die Einführung eines ausdrücklichen Wegweisungsrechtes in Fällen häuslicher Gewalt. Die in § 36 Abs. 3 SOG vorgesehene Regelung verbessert den Schutz der von häuslicher Gewalt betroffenen Personen erheblich. Gewalttätige Personen sollen in den Fällen, in denen es erforderlich ist, vorübergehend aus der Wohnung entfernt werden, um die Gewaltspirale, in der sich die Betroffenen oftmals befinden, wirksam zu unterbrechen.

Meine Damen und Herren! Wir weisen damit den Täter vor die Tür und nicht das Opfer, das aus der Wohnung geflüchtet ist.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle sei der Zickzackkurs der SPD dieses Landes aufgezeigt. Zu Ihrer Regierungszeit, Herr Püchel - er ist nicht da -, präsentierte man ein Programm gegen

häusliche Gewalt, das als greifbare Substanz im Wesentlichen die Feststellung enthielt, das Polizeirecht müsse um ein Wegweisungsrecht ergänzt werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf meiner Fraktion, der CDU, lehnte die SPD aber ab unter dem fadenscheinigen Vorwand, die Zeit wäre noch nicht reif.

Die Ursachen dafür pfiffen die Spatzen von den Dächern. Man war sich innerhalb der SPD uneinig. Kaum trat der neue Landtag zusammen, beeilte sich dieselbe SPD darum, die CDU mit ihrem wenig ausgereiften Gesetzentwurf noch zu überholen. Jetzt war wahrscheinlich die Zeit reif. Die Koalitionsaussage war da; man war aber in der Opposition. So, meine Damen und Herren von der SPD, kann man keine Politik für innere Sicherheit in unserem Land machen.

(Beifall bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Genau!)

Eine weitere Änderung des § 36 betrifft den so genannten erweiterten Platzverweis. Der bislang in § 36 Abs. 2 aufgeführte Straftatenkatalog und die Befristung auf vier bzw. 14 Tage werden gestrichen. Diese Neuregelung ist erforderlich, weil die im Jahr 2000 unter der Vorgängerregierung eingeführte Befugnis zum erweiterten Platzverweis nur halbherzig gegeben wurde und weil sich gezeigt hat, dass die Beschränkung auf die bislang aufgeführten Katalogstraftaten und die Befristung der Maßnahme den Anforderungen in der täglichen Praxis nicht gerecht wurden, dass diese Beschränkungen geradezu missbraucht wurden.

Hier greift der Gesetzentwurf ebenso in dem erforderlichen Umfang korrigierend ein wie bei den lagebildabhängigen Kontrollen, deren Anwendungsbereich in § 14 Abs. 3 eine maßvolle Erweiterung auf Autohöfe und deren Verbindungsstraßen zur Autobahn erfährt.

Eine weitere zielführende Änderung betrifft die Befugnis der Polizei nach § 16 Abs. 2, an den so genannten gefährlichen Orten Bildaufnahmen und -aufzeichnungen anzufertigen. Insbesondere die Möglichkeit von Videoaufzeichnungen wird nicht nur von den Polizeipraktikern - das hat die Anhörung im Innenausschuss eindrucksvoll belegt - als ein äußerst zweckdienliches Instrument der Gefahrenabwehr angesehen.

Soweit Straftaten beobachtet werden, stellen Videoaufzeichnungen ein äußerst qualifiziertes Beweismittel für die Strafverfolgung dar, auch in den Fällen, in denen dem vor dem Bildschirm sitzenden Beamten ein Geschehen entgangen ist oder in denen dieser aufgrund der gänzlich praxisfremden bisherigen Regelungen zu spät auf den Aufzeichnungsknopf gedrückt hätte. In unserem Änderungsantrag zu § 16 Abs. 3 wird eindeutig klargestellt, dass auf den Einsatz von Aufzeichnungsgeräten hinzuweisen ist.

Es geht hierbei also - anders als es von den Oppositionsfraktionen gern dargestellt wird - um die grundsätzlich sichtbare Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten. Abgesehen davon dürfte allein schon der sichtbare Hinweis auf Aufzeichnungsgeräte eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Straftäter haben. Es betrifft eben nicht die gesetzestreuen und friedfertigen Bürger, die dadurch, wie es die PDS wiederholt behauptet hat, in Massen ins Visier der Polizei geraten. Es betrifft die kriminellen Elemente, denen wir damit das Handwerk legen wollen.

(Oh! bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich auf einen Kernpunkt der Novelle des SOG eingehen, auf die Rasterfahndung. Diese Änderung des § 31 SOG hat nicht nur in den Ausschüssen für teilweise lebhafte Diskussionen gesorgt, was letztlich zu der vorliegenden Beschlussempfehlung des Ausschusses geführt hat, sie hat auch breiten Raum in der öffentlichen Diskussion eingenommen.

Der entbehrliche Richtervorbehalt entfällt künftig, wie es bereits in einer Reihe von Polizeigesetzen anderer Länder der Fall ist. Dies ist nicht nur verfassungsrechtlich unbedenklich, sondern verschafft auch dem Grundsatz wieder Geltung, dass Gerichte Eingriffsmaßnahmen im Regelfall nicht selbst anordnen, sondern im Nachhinein gegebenenfalls einer unabhängigen Rechtmäßigkeitskontrolle unterziehen sollen.

Herr Reichert, möchten Sie eine Frage von Herrn Gallert beantworten?

Nein, das möchte ich jetzt nicht. - Auf diesen Grundsatz ist von Vertretern der Justiz in der Anhörung hingewiesen worden. Das Landeskriminalamt hat - -

Herr Reichert, möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Reck beantworten?

Machen Sie das Spielchen ruhig weiter; das ist in Ordnung.

(Frau Budde, SPD: Ja oder nein? - Frau Bull, PDS: So ist es, wenn man sich nicht im Griff hat, Herr Reichert! - Unruhe)

Ich habe Ihre Antwort nicht verstehen können.

Bitte zum Schluss.

Zum Schluss, gut.

Das Landeskriminalamt kann unter engen Voraussetzungen die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen. Erforderlich ist die schriftlich begründete Anordnung durch den Behördenleiter oder seinen Stellvertreter und die Zustimmung des Ministers des Innern, im Fall seiner Verhinderung die des Staatssekretärs.

Wichtiger erscheint mir die ausdrückliche Regelung, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz unverzüglich von der Maßnahme zu unterrichten ist. Ich bin der Meinung, dass wir in diesem Punkt im Innenausschuss zu einer Beschlussempfehlung gefunden haben,

die einerseits die Voraussetzungen der präventiv-polizeilichen Rasterfahndung den aktuellen Erfordernissen anpasst und die andererseits die Rechte Betroffener auf informationelle Selbstbestimmung in dem gebotenen Maße beachtet.

Wichtig ist - das zeigen die Geschehnisse nach dem 11. September 2001 -, dass dieses Mittel rechtlich anwendbar gestaltet wird. Ideologische Scheuklappen wie bei der Opposition stehen den Belangen der öffentlichen Sicherheit entgegen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses sowie unserem Änderungsantrag zuzustimmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Reichert. - Nun zu den Fragen. Bezog sich Ihre Zustimmung auch auf den Fragesteller Herrn Gallert? - Dann bitte, Herr Gallert, Sie dürfen fragen.

Herr Reichert, können Sie mir bitte sagen, wie der Polizist am Bildschirm den friedfertigen, ehrlichen Bürger vom kriminellen Element unterscheiden soll?

(Unruhe bei der CDU)

Herr Gallert, so wie Ihre Frage ist, sind auch Ihre polemischen Diskussionen in der Öffentlichkeit. Wissen Sie, die Polizei hat nicht die Absicht, friedliche Bürger zu filmen, sondern direkt bei einem kriminellen Delikt rechtzeitig auf den Knopf zu drücken, um für die Strafverfolgung geeignetes Beweismaterial sicherzustellen.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun dürfen Sie fragen, Herr Reck.

Wir schauen doch nicht in die Schlafzimmer hinein. Was denken Sie sich überhaupt?

(Herr Gallert, PDS: Ich denke noch, Herr Rei- chert! - Heiterkeit bei der PDS)

- Was Sie sich denken, ja.

Kollege Reichert, ich werde nicht fragen, wie Sie sich fühlen, weil ich zu wissen glaube, dass Sie sich gut fühlen werden, nachdem Sie diesem Gesetz zugestimmt haben werden. Meine Frage geht in eine andere Richtung.

Ich frage Sie: Ist es nicht ein Widerspruch, dass Sie auf der einen Seite mit einem neuen SOG für mehr Sicherheit streiten und glauben, das durch dieses Gesetz erreichen zu können, dass Sie auf der anderen Seite aber zulassen, dass es in der Fläche einen eklatanten Abbau bei den Vollzugsbeamten geben wird?

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Herr Reck, wie ich mich fühle, das brauche ich nicht zu sagen. Ich fühle mich wohl, wenn wir dieses Gesetz zur öffentlichen Sicherheit beschließen.

Eines muss ich ganz deutlich sagen: In den anderen Bundesländern haben wir bei dem Personal der Polizei auch eine Dichte von etwa 21,6. Ich muss mich fragen: Sind unsere Polizeibeamten nicht in der Lage, mit dieser Polizeidichte, die von anderen Bundesländern übernommen wird, ihre Aufgaben zu erfüllen? Mit diesem Gesetz, das wir den Polizeibeamten an die Hand geben, werden wir im Bereich der inneren Sicherheit einen wesentlich besseren Beitrag dazu leisten, dass sie ihre Aufgaben wahrnehmen können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Reichert. - Zum Abschluss der Debatte erteile ich Herrn Rothe das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem, was der Kollege Reichert auf die letzte Frage hin gesagt hat, Folgendes anmerken: Nicht ein lasches Polizeigesetz gefährdet die innere Sicherheit, sondern das Fehlen eines Personalkonzepts für die Polizei.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der PDS)

Die Frage, ob wir Personal für die Polizei in ausreichendem Maße rekrutieren, ausbilden und motivieren, wird uns heute Nachmittag beschäftigen.

Meine Damen und Herren! Seit die SPD-Fraktion im Juli vergangenen Jahres ihren Entwurf eines Gesetzes zur Rasterfahndung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus einbrachte, hat dieses Thema nichts von seiner Brisanz verloren. Der Anlass war für uns der Anschlag von Djerba. Ein deutscher Mitwisser dieser Tat ist vor zwei Wochen in Paris gefasst worden und steht jetzt dort vor Gericht.

Auf verschiedenen Kontinenten hat es weitere Anschläge gegeben, die von islamistischen Terroristen begangen wurden. Herr Kosmehl hat zu Recht auf den Anschlag in Kabul hingewiesen, bei dem vier deutsche Mitglieder der internationalen Schutztruppe ums Leben gekommen sind. 29 weitere deutsche Soldaten wurden zum Teil schwer verletzt. Zwei der Verletzten sind in Sachsen-Anhalt zu Hause, und zwar in Schönebeck bzw. in Aschersleben. Den Soldaten ist zu wünschen, dass sie von ihren Verletzungen genesen, die sie im Dienst für unsere Sicherheit erlitten haben.