Protokoll der Sitzung vom 13.06.2003

(Frau Ferchland, PDS: Genau!)

Das geht alles, wenn man möchte, vorausgesetzt, man hat gar kein Interesse daran, dass es in den Hochschulen wirklich vorwärts geht,

(Starker Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

sondern man hat Interesse daran, eine schwierige Situation, die ich überhaupt nicht politisch sehe, sondern eigentlich mit gesundem Menschenverstand einzurenken und in guter Weise zu steuern versuchen möchte - -

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten?

Nein, dazu bin ich nicht bereit. Dazu bin ich am Ende meiner Rede gern bereit.

Am Ende der Rede.

Ich sage noch einmal zu dem Stichwort „Visionen“: Die Aufgabe, vor die wir gemeinsam mit den Hochschulen gestellt sind, besteht darin, wissenschaftliche Qualität und Exzellenz stärker und dauerhafter als bisher mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit in Übereinstimmung

zu bringen; denn das ist die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen, übrigens auch für die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Das wird in dem Maße auch zum Anliegen der Hochschulen selbst werden, in dem wir die Vorraussetzungen dafür schaffen, dass die Hochschulen die verfügbaren Ressourcen nach ihren eigenen Schwerpunkten selbständig disponieren und bewirtschaften können und dass sie in die Lage versetzt werden, auch eigene Einnahmen zu erzielen.

Die in dem Antrag von der Landesregierung geforderten Grundsätze und Maßnahmen jedoch, insbesondere was die beiden ersten Punkte Ihres Antrages betrifft, klingen, als seien sie nicht von dieser Welt oder zumindest von der Gästetribüne aus formuliert; ich möchte unseren Gästen damit natürlich nicht zu nahe treten. Sie sind vor allem deswegen unbegründet und überflüssig, weil sie selbstverständliche Prozeduralien des Parlaments benennen, über die sowieso weder die Regierung noch die Opposition frei verfügen können.

Der unter Punkt 1 Ihres Antrages geforderte Zeitrahmen ist schon durch das parlamentarische Verfahren im Zuge der Einbringung und Beratung eines Hochschulgesetzes bzw. eines Hochschulstrukturgesetzes gegeben und gewahrt. In den Ausschüssen und im Rahmen von Anhörungen wird sowieso nach der Sommerpause eine breite Diskussion meiner Vorschläge stattfinden. Dazu muss ich sie aber erst einmal ausarbeiten und vorlegen. Und das mache ich keineswegs allein, wie Sie wissen.

Die Forderung unter Punkt 2 Ihres Antrages, vor einem Beschluss der Landesregierung zum Hochschulstrukturplan den Landtag, wie Sie sagen, „angemessen zu beteiligen“, klingt geradezu bescheiden. Das kann doch gar nicht anders sein; denn die Landesregierung beschließt keine Gesetze, sondern sie bringt sie allenfalls in den Landtag ein, der sich dann ohnehin regulär damit befasst.

Wesentliche Aussagen unter dem dritten Punkt Ihres Antrages teile ich. Zu dem Punkt 4 aber, in dem der Erhalt aller Standorte gefordert wird, sage ich Folgendes: Wir sollten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht a priori Standortgarantien formulieren; sehr wohl sollten wir aber Kriterien und Ansprüche festhalten, unter denen sich jeder - ich betone: jeder - der gegenwärtigen Standorte behaupten könnte.

Das ist ein Unterschied. Wenn ich a priori Standortgarantien ausspreche, dann kann ich anschließend nach Hause gehen und alles bleibt, wie es ist.

(Herr Daldrup, CDU: So ist es!)

Das kann man von mir schlecht erwarten, jedenfalls nicht seitdem ich in der Verantwortung hierfür stehe. Im Übrigen: Es ist natürlich keine Kunst, allen Positionen des öffentlichen Haushaltes Priorität einzuräumen. Das ist formallogisch ein wenig schwierig. Wenn ich Opposition wäre, dann würde ich das nach außen auch machen, aber dann sagen Sie es doch.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Das machen wir nun ge- rade nicht, Herr Olbertz!)

- Doch, Frau Kuppe, seien Sie mir nicht böse, das machen Sie.

(Herr Bischoff, SPD: Das ist doch Quatsch!)

Ich habe bisher nur gehört, wo Sie überall mehr Geld fordern ohne eine Konstanz der Budgets. Ich habe noch

nie gehört, dass Sie freiwillig gesagt haben: Da könnten wir es hernehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Bi- schoff, SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Im Übrigen nehmen wir es den Hochschulen auch nicht weg. Ich werde gleich noch dazu kommen, wie ich zu der These komme, dass den Hochschulen im Grunde genommen kein Geld weggenommen wird.

Übrigens gilt das Stichwort „Standortdebatte“, lieber Herr Heyer, auch für Stendal. Ich möchte das deshalb bewusst betonen, weil wir uns, glaube ich, in diesem Hohen Hause alle einig sind über die infrastrukturelle und regionalpolitische Bedeutung dieses Standorts. Allerdings muss sich dann auch die Muttereinrichtung in Magdeburg, die Hochschule Magdeburg-Stendal, die immerhin den Index „2“ in ihrem Logo führt, einmal offensiv zu diesem Standort bekennen. Ich habe nämlich festgestellt, dass das durchaus schwierig ist.

(Herr Daldrup, CDU: Ja!)

Die Forderung unter dem fünften Punkt Ihres Antrages ist erfüllt. Die Hochschulen haben für den Prozess der Umstrukturierung bis einschließlich 2006 sehr weitgehende Planungssicherheit. Allerdings ist diese Sicherheit an Voraussetzungen gebunden. Alle öffentlichen Bereiche befinden sich auf dem Prüfstand.

Nun kommt es: Aufgabenkritik und Situationsanalyse, die wir in der Arbeitsgruppe Hochschulstrukturen unter Leitung von Herrn Benz vorgenommen haben, haben inzwischen ziemlich eindeutig gezeigt, dass es ungeachtet vieler guter Beispiele eben auch erhebliche Effizienzreserven an den einzelnen Hochschulstandorten gibt, unter anderem in Gestalt zu vieler Mehrfachangebote bei gleichzeitiger Unterauslastung, vergleichsweise wenig hochschulübergreifender Kooperation, einer beträchtlichen Anzahl von Studiengängen mit sehr niedrigen Studentenzahlen, während die Ausstattung in nachgefragten Studiengängen oft eklatant zu wünschen übrig lässt.

Im Übrigen, Frau Kuppe - schade, dass Sie nicht zuhören -, ich habe mir gerade Zahlen geben lassen. Daraus geht hervor, dass die Ausgaben pro Student in unserem Hochschulsystem im nationalen Vergleich mit riesengroßem Abstand die höchsten sind. Es sind nämlich 26 413 €, es folgt dann Baden-Württemberg mit 22 000 €.

Das ärmste Land gibt am meisten aus. Das könnte mich erst einmal freuen. Als unabhängiger Experte habe ich mich darüber auch immer gefreut. Seitdem ich mitverantwortlich dafür bin, dieses Geld zu legitimieren, muss ich nach Effizienzreserven suchen und die Hochschulen ermuntern, sich so zu organisieren, dass nicht erhebliche Geldmengen durch strukturelle Mängel aufgesogen werden und auf der anderen Seite die Hochschulen nachgefragte, moderne Studienangebote nicht finanzieren können. Im Rahmen der Budgetierung wird das sowieso die Pflicht der Hochschulen, und damit ist das, glaube ich, auch eine gute Übung.

Mit der einfachen Forderung nach mehr Geld oder dem Versprechen konstanter Budgets, ohne Bedingungen daran zu knüpfen, kann man schnell Begeisterung hervorrufen, aber keine Änderungen herbeiführen. Vor allem aber kann man so nicht die Zukunft der Hochschulen sichern.

Der beste Schutz vor regelmäßigen Einsparbegehren gegenüber den Hochschulen ist ein plausibles Entwick

lungs- und Strukturkonzept, mit dem die Hochschulen die Verwendung der von ihnen benötigten öffentlichen Mittel dauerhaft legitimieren können. Sie müssen also in die Lage versetzt werden, höchste Ansprüche in Forschung, Lehre, Kooperation, Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit miteinander zu verbinden.

Ganz kurz zu den Punkten 6, 7 und 8 Ihres Antrages. Dem können wir, glaube ich, ohne weiteres zustimmen. Die hier formulierten Ansprüche - das ist ja glücklicherweise auch der Kern des Antrages - stehen von Anfang an auf der Agenda des Kultusministeriums. Insoweit freue ich mich über die Bestärkung aus dem Lager der Opposition. Ich nehme Ihre Hinweise immer noch als Signal, statt Polemik wirklich Kooperation anzubieten.

Nicht im Raum stehen lassen kann ich allerdings Ihre Behauptung in der Antragsbegründung, die Konsolidierungspläne der Regierung widersprächen eklatant dem Koalitionsvertrag, dem Versprechen einer Wissenschaftsoffensive. Das stimmt überhaupt nicht, denn in der Koalitionsvereinbarung steht nichts von einer Geldoffensive, sondern von einer Wissenschaftsoffensive, die mit der von der Landesregierung angestoßenen Reformdebatte nun wirklich in vollem Gange ist. Daran beteiligen Sie sich ja auch. Offensiver geht es gar nicht. Sie werden sehen, dass eine Menge guter Vorschläge dabei herüberkommt.

In den Diskussionen und in den Abstimmungen mit den Rektoren waltet nicht nur ein hohes Maß an Transparenz, es wird auch die Vielfalt der Aspekte - wie Regionalbezug, Bedarf, Forschungsleistungen, um nur einige zu nennen - dabei in Betracht gezogen.

Meine Damen und Herren! Für die Umsetzung gibt es genügend Zeit. Im Juni wird die Diskussion nicht beendet, sondern im parlamentarischen Raum überhaupt erst eröffnet, nachdem sich das Kabinett mit den Vorschlägen befasst hat. Dann wird der Entwurf eines Hochschulstrukturplans vorliegen, der sich auf eine solide Informations- und empirische Erhebungsbasis gründet und klare Vorschläge enthält. Was seine Umsetzung betrifft, sind den Hochschulen immerhin drei Jahre eingeräumt worden, ihre Strukturen langfristig auf neue Rahmenbedingungen und Erfordernisse einzustellen und gerade nicht in ein chaotisches Spargeschehen hineingezogen zu werden.

Dieser Weg ist konzeptionell durchdacht; der ist mir nicht einfach mal so eingefallen. Ich habe einigermaßen lange darüber gegrübelt, wie man das hinbekommt, und im Übrigen auch dafür gekämpft, was Sie, glaube ich, wahrgenommen haben.

(Zustimmung von Herrn Steinecke, CDU)

Insofern gibt es für die Befürchtung, dass Entwicklungschancen mit dem Rotstift zerstört werden - so Ihre Sprache -, überhaupt keinen Anlass. Im Gegenteil: Entwicklungschancen werden zerstört, wenn es den Hochschulen nicht gelingt, Qualität und Wirtschaftlichkeit entschieden und nachhaltig aufeinander einzustellen. Die Strukturdefizite in unserer Hochschullandschaft - das ist mir wichtig - sind das stärkste Hindernis für diese Entwicklungschancen und ihre Nichtantastung der schlechteste Schutz für die Hochschulen.

Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen daher vor, den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP zu unterstützen. Er greift wesentliche Anregungen aus dem Antrag der SPD auf - das ist mir wichtig - und sichert damit die konsensfähigen Punkte, die wichtig ge

nug sind, weil sie Ansprüche an die Hochschulstrukturreform formulieren. Zugleich verzichtet er aber auf Polemik und benennt den rationalen Kern verantwortlich gestaltender Hochschulpolitik in einer Zeit, in der es ohne Reformen beim besten Willen nicht weitergeht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Besten Dank, Herr Minister. Es gibt drei Anfragewünsche. Sind Sie bereit zu antworten? Sie haben es vorhin bereits signalisiert. - Herr Dr. Polte, Sie sind als Erster an der Reihe. Bitte sehr.

Herr Minister, der Anlass meiner Frage ist, dass Sie der SPD-Opposition im Zusammenhang mit unserem Antrag unehrenhafte Motive unterstellen.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Nein, das tut mir Leid, das weise ich sofort zurück! - Frau Budde, SPD: Das haben Sie erzählt!)

- Das habe ich herausgehört. Ich sage Ihnen für mich persönlich: Ich betrachte die Opposition im Sinne einer Äußerung von Herrn Becker als die Regierung von morgen. Was wir heute hier erörtern, muss zukunftsfähig sein, auch wenn wir wieder in der Regierung sind. Das ist das Ziel der Opposition; das ist klar.

Deswegen meine Frage: Würden Sie mir abnehmen, dass ich aus dem Motiv der Zukunftssicherung SachsenAnhalts heraus die Prioritäten für mich selbst - so versuche ich auch in der Fraktion zu wirken - setze und sage:

Erstens. Forschung und Bildung müssen die erste Priorität haben in den neuen Bundesländern und in SachsenAnhalt, weil nur dort zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen werden. Wir sollten uns davon verabschieden zu hoffen, dass durch Investitionen von West nach Ost hier eine Zukunft gesichert wird. Die Zukunft muss hier selbst generiert werden.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Bull, PDS)

Zweitens. Die Bestandspflege der inzwischen in großer Zahl existierenden Betriebe muss ein weiterer Schwerpunkt sein. Das ist ganz klar; denn nur wenn wir die Betriebe, die wir haben, am Leben erhalten, werden wir eine Zukunft haben.