Protokoll der Sitzung vom 04.07.2003

angepackt wird, sondern dass auch eine Lösung herbeigeführt wird, und freue mich, wie immer, und ich freue mich also auch auf diese dann gegebenenfalls vom Land Sachsen-Anhalt einzuleitende Bundesratsinitiative. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Als erstem Redner erteile ich nun für die PDS-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Kasten das Wort. Bitte sehr, Herr Kasten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der CDU-Fraktion nimmt ein Problem auf, das offenkundig ist. Lärm macht krank - das ist heute wissenschaftlich belegbar. Wer kann, zieht zum Beispiel aus Regionen bzw. aus Straßen, die hoch belastet sind, woanders hin. Die Lärmbelastung wird auch durch Gespräche mit Bürgern, Petitionen im Petitionsausschuss - der Herr Minister hat darauf hingewiesen -, Bürgerinitiativen, die sich gegen Umgebungslärm wenden, und anderen Aktionen belegt. Es ist eine deutliche Zunahme dieses Problems zu bemerken. Ich denke, die letzten zehn Jahre haben das massiv gezeigt. Als wir in den Jahren 1994 bis 1996 zu dem Thema Verkehrsprojekte geredet haben, spielte das eine untergeordnete Rolle.

Der Antrag der Regierungsfraktionen verengt aber die Thematik auf den Bereich Verkehrslärm und dort weiter auf Teile, die in der Bundesverantwortung liegen. Allerdings fehlen darin schon die Bundesstraßen, zum Beispiel die B 6n. Vielleicht sind diese auch nicht zufällig, sondern bewusst vergessen worden; denn gerade vor vier Tagen wurde dem Antrag des CDU-Landrates des Landkreises Wernigerode, Herrn Dr. Ermrich, das Tempolimit von 120 km/h auf der B 6n zwischen Landesgrenze und Benzingerode aufzuheben, stattgegeben. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus der „Volksstimme“:

„Als Sprecher des Magdeburger Verkehrsministeriums erläuterte Kreibich, dass bei so genannten Bundesfernstraßen ohne zwingende Gründe kein Tempolimit vorgesehen sei. Da entlang der neuen B 6 außerdem jetzt alle Restarbeiten erledigt wurden, besteht kein Grund, bei dieser sehr gut ausgebauten Straße die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h weiter aufrechtzuerhalten.“

Nun kann jeder rasen, was seine PS erlauben, und damit auch mehr Lärm machen. Das ist ein Widerspruch. Eigentlich unterscheidet die B 6n auch nur die Beschilderung von einer Autobahn. Aber das ist ein zweites Thema. Allerdings ist diese Bundesstraße in der Planung im Hinblick auf die gesamte Lärmbelästigung für die Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h ausgelegt worden. Ich will nur einmal das Beispiel weitertreiben. Sie können also sicher sein, dass Sie in vier bis sechs Wochen auch die B 6n in den Antrag hätten aufnehmen müssen. Aber wollen wir eine Verringerung des Straßenverkehrslärms um 3 dB - mal als Beispiel, die dB-Berechnung ist eine logarithmische Sache -, ver

langt das eine Verringerung der Fahrzeugdichte auf die Hälfte bzw. eine Reduzierung der Geschwindigkeit.

(Frau Fischer, Merseburg, CDU: Nicht alle, die schnell fahren, fahren laut, Herr Kasten!)

Der beste Lärmschutz ist - ich nehme das gleich auf -, den Lärm an der Entstehungsquelle zu verhindern bzw. zu minimieren. Das betrifft sowohl Kraftfahrzeuge als auch Bahnfahrzeuge und dort insbesondere Güterwagen.

In dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP wird auf nachsorgenden Lärmschutz in Bundesverantwortung abgestellt. Das ist allerdings - wie die meisten aller Nachsorgen - deutlich teurer und nie ganz zufrieden stellend. Herr Minister hat das Beispiel A 2 in Niedersachsen genannt. Das Problem ist, dass das in der Landschaft auch nicht ganz so gut aussieht. Wir brauchten eigentlich nur einen Deckel, dann hätten wir eine U-Straße.

Die fachliche Vertiefung sollte aber in dem zu benennenden Fachausschuss passieren. Ich würde sagen, die Ausschüsse für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr und für Umwelt sind die richtigen.

Die Art der Aufforderung an die Bundesregierung entspricht auch nicht mehr ganz dem aktuellen Sachstand. Den Rahmen hat inzwischen das Europäische Parlament gesetzt, und zwar einen Tag, bevor Ihr Antrag mit dem Datum versehen wurde. Jetzt gilt die Richtlinie 2002/49/EG vom 25. Juni 2002 „Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates über die Wertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“. Diese Richtlinie ist heute die Grundlage und darüber müssen wir uns natürlich auch vor den Ausschussberatungen - das würde ich den Fachleuten empfehlen - sachkundig machen; denn sie ist umzusetzen. Es stehen auch die Zeitpläne dazu drin. Ich bitte Sie, das also zu berücksichtigen.

Man kann sich natürlich - - Meine Redezeit ist sowieso gleich zu Ende. Ich werde Ihnen aber noch zwei Literaturhinweise dazu geben. Es gibt auch eine Richtlinie für Bundesfernstraßen. Da steht dazu: „Die Bedeutung der Umgebungslärmrichtlinie und ihre Umsetzung in nationales Recht für die Bundesfernstraßenverwaltung“, aus dem Bundesverkehrsministerium von Regierungsdirektor Holm.

(Herr Reck, SPD: Der Preis?)

Dann würde ich empfehlen, sich auch einmal „Anforderungen der Umgebungslärmrichtlinie an die Ermittlung und Darstellung der Geräuschemissionen im Bereich der Bundesfernstraßen“ von Regierungsdirektor Strick, auch vom Bundesverkehrsministerium, anzusehen.

Wenn wir das alles vorbereitet haben - wir haben jetzt zwei Monate Lesezeit -, ist es sehr günstig, uns mit profunder Sachkenntnis in den Ausschüssen mit diesem Thema zu beschäftigen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Herr Abgeordneter, haben ich richtig verstanden, dass Sie damit eine Ausschussüberweisung beantragt haben?

Ja. Die Ausschussüberweisung ist notwendig, weil zum Beispiel die EU-Richtlinie, die geltendes Recht ist, noch nicht in den Antrag der CDU eingearbeitet worden ist. Um das noch einmal zu begründen.

Vielen herzlichen Dank, Herr Kasten. - Meine Damen und Herren! Für die FDP-Faktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Ernst das Wort. Bitte sehr, Herr Ernst.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Wind jetzt Lärm. - Herr Minister Daehre, Sie haben mir eigentlich die Show gestohlen. Sie haben all das gesagt, was ich in meiner Rede auch habe. Deshalb - mit Ihrer Erlaubnis - gebe ich meinen Beitrag gern zu Protokoll.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

(Zu Protokoll:)

„Lärm macht krank“ - dies hat die Industriegesellschaft im Laufe der Zeit schmerzlich erkennen müssen. Diese Erkenntnis ist ein Prozess, der weitere Beachtung und Regelungen erfordert und erfordern wird.

Was ist Lärm? Lärm ist ein unerwünschter Schall, den der Mensch als störend oder belästigend empfindet. Dabei sind die höheren Töne die so genannten A-Werte, auf die der Mensch empfindlicher reagiert. Ich mochte Sie nicht mit den physikalischen Grundlagen des Schalls langweilen. Die Geräusche werden grundsätzlich in Dezibel angegeben und werden in 13 Stufen von der Hörschwelle bis zur Schmerzschwelle eingeteilt. Eine Veränderung von 3 Dezibel wird von menschlichem Ohr gerade noch wahr genommen. Erst eine Verringerung von 10 dB (A) empfindet der Mensch als Halbierung.

Seit 1937 gibt es Rechtsvorschriften für die von Kraftfahrzeugen ausgehenden Geräusche. Seit 1970 sind die Rechtsvorschriften zur Begrenzung der von Kraftfahrzeugen ausgehenden Geräusche in der EG einheitlich geregelt. In den Folgejahren wurden diese Geräuschgrenzwerte um 8 bis 12 dB (A) gesenkt.

Am 1. Oktober 1995 trat für die Erstzulassung von Motorrädern eine neue EG-Richtlinie in Kraft, sie verschärft die Grenzwerte um weitere 2 dB (A). 1984 wurde in die StVZO der Begriff des „lärmarmen Kraftfahrzeuges“ definiert und aufgenommen. Diese Definition wurde als Grundlage für die Einführung von Benutzervorteilen für lärmarme Lkw, inzwischen auf weitere Kfz-Arten außer Pkw erweitert.

Welche Lärmschutzmaßnahmen sind zur Verminderung der Belästigung unumgänglich? Eine spürbare Minderung der gesamten Geräuschbelastungen ist nur möglich, wenn zukünftig neben den Antriebs- auch die Rollgeräusche vermindert werden. Das bedeutet nicht nur weitere Anstrengungen zur Entwicklung leiserer Fahrbahnbeläge, sondern auch die Entwicklung geräuschärmerer Reifen.

Nicht anders ist es bei Schienenfahrzeugen. Eine wichtige Geräuschquelle ist auch das Rollgeräusch sowie die Geräusche der Antriebs- und Hilfsaggregate. Dies ist bereits heute durch schallvermeidende Maßnahmen an der

Quelle, wie Scheibenbremsen, Radabsorber, durch Kapselung der Antriebsaggregate zur Reflexionsschalldämpfung bei dieselgetriebenen Fahrzeugen, verringert worden. Eine weitere Verringerung wird durch den Einbau lückenlos verschweißter Gleise und durchgehende Schotterbetten auf Brücken erreicht.

Zu weiteren aktiven Lärmschutzmaßnahmen zählen:

das Abrücken des Verkehrsweges von der schutzbedürftigen Bebauung, das heißt Berücksichtigung schon bei der Planung - ortsferner Trassenverlauf,

Errichten von Lärmschutzwällen und Lärmschutzwänden,

Einschnitt- und Troglagen,

Teil- und Vollabdeckungen.

In günstigen Fällen bewirken Lärmschutzwände oder Lärmschutzwälle eine Pegelminderung zwischen 10 und 15 dB (A). Sollten vorgenannte Maßnahmen nicht die vorgeschriebenen Werte erreichen, die im Bundes-Immissionsschutzgesetz in Verbindung mit der Verkehrslärmschutzverordnung gefordert werden, sind diese durch passive Lärmschutzmaßnahmen, wie Lärmschutzfenster und -türen, Verstärkung an Außenwänden und Dächern zu minimieren. Diese Kosten sind durch den jeweiligen Baulastträger zu tragen.

Das Thema Lärmschutz bewegt uns ja schon seit Jahren. Aufgrund der fehlenden Umgehungstrassen sind viele Ortslagen und Innenstädte in den neuen Bundesländern sehr stark belastet. In den alten Bundesländern sind aufgrund der gewachsenen Infrastrukturen - Ortsumgehungen und Schallschutz an den Bundesautobahnen - in Größenordnungen errichtet worden. Nun, ich denke, in der Bundesrepublik Deutschland leben nicht zweierlei Menschen, und die Bürger in den neuen Bundesländern sind auch lärmempfindlich.

Aus dem Grund haben wir diesen Antrag in den Landtag eingebracht. Wir sind schon der Meinung, dass wir die Bundesregierung auf die Diskrepanzen und auf die zukünftigen Probleme, die auch die Osterweiterung der EU in Bezug auf den Schadstoffausstoß und die Lärmemission im Transitverkehr bringen, hinweisen sollten.

Lassen Sie mich zum Schluss zwei krasse Beispiele anführen. Das eine Beispiel ist Bad Kösen. Aufgrund der fehlenden Umgehung führt der gesamte Verkehr über die Bundesstraße B 87 durch den Kurort Bad Kösen. Damit nicht genug, führt eine der am höchsten frequentierten Eisenbahnstrecke Deutschlands, ja sogar Europas, durch Bad Kösen. Die damit einhergehenden Emissionen gefährden den Kurortstatus. Dort sind also zwei Probleme kurzfristig zu lösen: erstens eine Umgehungsstraße zur Entlastung des Kurortes und zweitens der Bau von Lärmschutzvorrichtungen im gesamten Bereich der Stadt an der Strecke der deutschen Bundesbahn - und hier bewegt sich meines Wissens nichts.

Das zweite Beispiel ist der Raum Beesedau. In einer Petition an den deutschen Bundestag und an das Land Sachsen Anhalt haben die Einwohner von Beesenlaublingen/Beesedau den fehlenden Immissionsschutz an der A 14 angemahnt. Die örtliche Nähe zur A 14 und die gemessenen Pegelwerte, hauptsächlich nachts, machen einen Immissionsschutz dringend notwendig, obwohl im Planfeststellungsverfahren und nach den berechneten Werten die zulässigen Werte nicht oder nur gering überschritten würden.

Der Deutsche Bundestag hat diese Petition am 22. Mai 2003 behandelt und aufgrund eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses den Anspruch der Petenten auf Realisierung der Forderungen abgelehnt.

Der Petitionsausschuss und das Ministerium für Bau und Verkehr Sachsen-Anhalt haben sich deshalb für einen Lärmschutz der Bürger von Beesenlaublingen/Beesedau ausgesprochen. Im Gespräch mit dem Bund soll die Finanzierung geklärt werden. Um aber eine kurzfristige Lösung zu erreichen, würde das Land Sachsen Anhalt in Vorleistung gehen, aber mit der Maßgabe, dass dieses Geld vom Bund an das Land zurückgezahlt wird.

Ich wollte Sie mit meinem Beitrag überzeugen, diesem Antrag zuzustimmen.

Vielen herzlichen Dank, Herr Ernst. - Damit können wir - - Eine Zwischenfrage, Herr Ernst, von Herrn Reck.

Ja.

Bitte sehr, Herr Reck.

Ich brauche den Rat eines Fachmanns und habe versäumt, Herrn Daehre zu erwischen. Weil er Salzwedel erwähnt hat: Salzwedel hat ja nun keine Autobahn und wird auch keine kriegen. Aber schon deshalb verlagert sich ein Großteil des Verkehrs, der Lkw-Verkehr, auf die B 71. Der Lärm, der dadurch entsteht - Herr Daehre, das wissen Sie -, ist natürlich jetzt auch auf den Bundesstraßen in unserer Region unerträglich hoch. Ist es nicht sinnvoll - das wäre eine Anregung und eine Frage -, in Ihren Antrag, Herr Schröder und Herr Ernst, auch dieses Problem aufzunehmen, damit auch die Bürgerinnen und Bürger in Regionen, in denen keine Autobahn, aber trotzdem Lärm ist, berücksichtigt werden?

(Herr Kasten, PDS: Herr Reck, zuhören! Habe ich doch gesagt!)

Ja, aber er will nun mal mit mir reden. Kein Problem. - Vielleicht sollten wir dazu - - Ich habe in meiner Rede dieses Beispiel auch gebracht und ich bin der Meinung, dass der Bau der Umgehungsstraßen vor allen Dingen vorangetrieben werden muss, damit die Ortschaften entlastet werden. Das ist das, was in den alten Bundesländern stark vorangetrieben worden ist. Wenn Sie einmal rüberfahren, sehen Sie, dass man dort fast nur auf Umgehungsstraßen fährt.

Bei uns fehlt das noch ganz krass. Unsere Innenstädte sind verstopft und werden durch die Emissionen stark belastet. Das ist natürlich auch ein ganz wichtiges Thema. - Danke schön.