Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der PDS-Fraktion, Sie erweckten in Ihrem Antrag den Eindruck, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II akzeptiert zu haben und diesen Prozess konstruktiv zu begleiten. Wenn man den Antrag aber genauer betrachtet, dann erkennt man sehr schnell, dass er eher auf ein eingeschränktes Weiterleben der Arbeitslosenhilfe abzielt. Sie wollen, dass die Empfänger des Arbeitslosengeldes II mehr Geld bekommen, als es eigentlich vorgesehen ist.
Sie wollen auch, dass, wenn man aus dem Arbeitslosengeld in das Arbeitslosengeld II fällt, über einen noch längeren Zeitraum einen degressiven Zuschlag gezahlt bekommt.
Das geht durchaus in die Richtung der heutigen Arbeitslosenhilfe und das wollen wir eben gerade nicht. Wir wollen, dass diese Systeme zu einem einheitlichen System zusammengefasst werden. In diesem Punkt gehen wir mit den Hartz-Konzepten und den Konzepten der Bundesregierung konform.
Was Sie allerdings vergessen haben, ist Folgendes: Wenn Sie von der Landesregierung fordern, sich in den Verhandlungen für diese Dinge einzusetzen, dann müssen Sie auch wissen, dass die Einsparungen, die in den jetzigen Planungen berechnet wurden, schon in die Finanzplanungen der öffentlichen Haushalte eingeflossen sind.
Wenn die Landesregierung sich für diese Punkte, wie Sie es jetzt fordern, einsetzen würde, müsste sie auch entsprechende Gegenfinanzierungsvorschläge bringen. Das ist schlicht nicht möglich. Vor allem vermisse ich diese Finanzierungsvorschläge ganz besonders in Ihrem Antrag. Das kann die Landesregierung nicht leisten, das wird sie nicht leisten. Wie gesagt, wir stehen in diesem Punkt auch zu den Plänen der Bundesregierung; wir halten die Zusammenlegung in dieser Form für sinnvoll.
Zu dem Vorschlag, das hessische Gesetz abzulehnen: Diesen Vorschlag lehnen wir ebenfalls ab, da wir das hessische Gesetz in weiten Teilen besser finden als „Hartz III“ und „Hartz IV“ der Bundesregierung. Die FDPFraktion ist der Auffassung, dass das hessische Konzept das Konzept des Förderns und Forderns mehr berücksichtigt. Wir halten es für richtig, dass die kommunale Ebene viel weitergehend eingebunden wird. Wir halten es auch für richtig, dass es mehr Möglichkeiten für Zuverdienste gibt, bevor diese angerechnet werden, dass es mehr Möglichkeiten gibt, Ersparnisse zur Alterssicherung anzurechnen. Das alles spricht für den hessischen Entwurf.
Aber, wie gesagt, auch das ist nur eine Beratungsgrundlage. Was am Ende herauskommt, können wir noch nicht sagen, das wird im Vermittlungsausschuss entschieden werden.
Wir als FDP-Fraktion lehnen diesen Antrag deshalb inhaltlich komplett ab. Ich habe mich mit Frau Fischer gerade noch abgesprochen. Wir lehnen diesen Antrag auch als Beratungsgrundlage im Wirtschaftsausschuss ab, weil wir ihn eben inhaltlich für verfehlt halten. Wir würden aber befürworten, dass sich der Wirtschaftsausschuss im Rahmen der Selbstbefassung im Allgemeinen mit diesem Thema befasst - das ja, aber nicht auf der Grundlage dieses Antrages.
Herr Minister Rehberger, im ersten Teil Ihrer Rede hatte ich den Eindruck, dass Ihnen das jemand aufgeschrieben hat, der lange nicht im Parlament war. Dass diese Reform stattfinden muss, das haben wir hier hundert Mal miteinander beredet. Wenn ich allerdings gewusst hätte, dass Ihnen so viel daran liegt, hätte ich den Vortrag noch einmal gehalten. So ist es nicht.
(Minister Herr Dr. Rehberger: Wenn Sie das ma- chen wollen, kann ich es nicht verhindern! - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)
Ja, Frau Fischer, es ist richtig, es geht um die Höhe der Leistungen. Einfach deshalb, weil die Zusammenführung notwendig ist. Sie wird damit vollzogen. Das ist in Ordnung. Wir halten auch die Trägerschaft der Bundesanstalt für Arbeit für vernünftig. Auch die Versicherungsleistungen im Bereich der Sozialhilfe sind einfach eine vernünftige Angelegenheit, gar keine Frage. Man kann im Zusammenhang mit den Leistungen der Betroffenen auch über Zumutbarkeitsregeln nachdenken. Das ist für mich auch keine Frage.
Aber ich sage ich Ihnen auch ganz deutlich: Der Preis für die Betroffenen ist einfach unverhältnismäßig hoch und deshalb unser Antrag. Wenn man hier im Parlament nur Anträge stellte, die Aussicht auf Erfolg hätten, dann könnte die Opposition ihre parlamentarische Arbeit einstellen.
So kann ich die Argumente durchaus nachvollziehen. An dieser Stelle sind wir einfach in verschiedenen Rollen.
Ihr Eindruck, Frau Röder, täuscht Sie nicht. Allerdings ist mir Ihr Ruf nach der Refinanzierung des Landes nicht ganz klar. Das können wir aber vielleicht noch einmal bilateral klären. - Danke.
Danke, Frau Bull. - Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 4/999 ein. Zunächst werden wir über eine Überweisung an sich abstimmen. Wer einer Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist die Überweisung abgelehnt.
Es ist für die Abstimmung über den Antrag selbst von der SPD-Fraktion eine Einzelabstimmung zu den Punkten verlangt worden. Wir treten also in diese Einzelabstimmung über die Punkte ein. Wir stimmen aus der Drs. 4/999 über Punkt 1 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die PDS-Fraktion. Wer ist dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? - Die SPD-Fraktion. Damit ist der Punkt abgelehnt.
Punkt 2: Wer stimmt Punkt 2 zu? Diejenigen bitte ich um das Kartenzeichen. - Die PDS-Fraktion. Wer ist dagegen? - Die übrigen Fraktionen. Damit ist der Punkt abgelehnt.
Punkt 3: Wer stimmt dem Punkt 3 zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen.
Punkt 4: Wer ist dafür? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist auch der Punkt 4 abgelehnt und gleichzeitig der Antrag in Gänze.
Meine Damen und Herren! Eines der größten Strukturprobleme des deutschen Gesundheitswesens ist wohl die starre sektorale Trennung zwischen ambulantem
Sektor auf der einen Seite und stationärem Sektor auf der anderen Seite. So manche Innovation, die wir aus den westlichen Bruderländern genießen durften, war tatsächlich eine. Diese gehörte allerdings nicht dazu. Doppelte Strukturen, doppelte Ressourcen, doppelte Leistungen sind die Quittung. Darin sind sich in steigendem Maße viele einig.
Dennoch haben integrative Versorgungsformen oder gar versorgungsintegrative Strukturen bislang nicht aus den Kinderschuhen heraus gefunden. Selbst der § 140 im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 war ein Ladenhüter und wurde kaum genutzt. Es gab und gibt eine Reihe von Sonder- und Einzelregelungen, die zu Modellprojekten geführt haben. Von unten wachsen quasi Alternativen, die oben an ihre Grenzen stoßen.
Dort liegt das Problem und der Grund sind tatsächlich die sektoralen Budgets, die nach wie vor nicht wie kommunizierende Röhren miteinander funktionieren, weil eben die Verbindung fehlt. Es fehlen finanzielle Anreize und eine zusätzliche Hürde sind die verkrusteten Strukturen in unserem Gesundheitswesen. Die angekündigte Strukturreform war die eigentliche Substanz - dort findet die eigentliche Ressourcenverschwendung statt und dort liegen unter anderem Qualitätsmängel des deutschen Gesundheitssystems begründet - und genau die ist wesentlich zu kurz gekommen.
Eine Frage, die auch wesentlich mit Qualitätsdefizit und Ressourcenverschwendung zu tun hat, ist die Frage der Versorgung mit Arzneimitteln. Strukturell bedingt, gibt es hier einen echten Interessenkonflikt, auf der einen Seite die Interessen Pharmaindustrie, ihre Erzeugnisse möglichst Gewinn bringend am Markt zu verkaufen, und auf der anderen Seite die Beiträge der Versicherten, die tatsächlich nicht in erster Linie dazu da sind, Gewinnmaximierung zu erzielen. Vielmehr sollen sie nur in medizinisch notwendigem Maße in private Taschen fließen.
Keine Frage, wer am Markt agiert, dem geht es um Gewinn. Das ist nicht verwerflich, sondern das ist schlichtweg normal. Deshalb wäre die Pharmaindustrie, denke ich, hoffnungslos überfordert, sich aus freien Stücken an die Grundsätze von Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Sinne des SGB V zu halten. Das, denke ich, bleibt schon Sache der Politik.
Es ist nämlich keinesfalls so, dass neu erfundene Arzneimittel, die erheblich mehr kosten, auch erheblich besser wirken oder gar erheblich weniger Nebenwirkungen verursachen, und die Besuchsfrequenz von Pharma-Vertretern steht nicht zwangsläufig in einem proportionalen Verhältnis zur Qualität des Medikaments, das sie vertreiben. Dafür - genau dafür - ist die Positivliste erfunden worden und in den meisten westeuropäischen Ländern gibt es sie seit längerem.
Die Basis ist evidenzbasierte Medizin. Das heißt, der Therapieerfolg muss tatsächlich in belastbaren Studien nachgewiesen werden.
Ausgeschlossen bleiben dabei Medikamente, die nur einen geringen therapeutischen Nutzen haben, oder Medikamente, die ohne deutlich eingeschränkte Nebenwirkungen auf den Markt drängen. Von ungefähr 45 000 Medikamenten in Deutschland wären dann möglicherweise noch ca. 20 000 erstattungsfähig. Welche das sind, das denkt sich keinesfalls die Politik aus, wie man manchmal meinen möchte. Vielmehr beschäftigen sich damit tatsächlich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit kann man weitere interessante Fragen und Antworten dazu finden. Allerdings ist die Internetseite bei der Antwort auf eine Frage nicht ganz ehrlich. Es wurde gefragt, warum es die Positivliste noch nicht gibt. Eigentlich hätte die Antwort lauten müssen: Weil die CDU zwar keine Podiumsdiskussion auslässt, in der sie den Einfluss der Pharmaindustrie beklagt, aber auf der anderen Seite den Schwanz einzieht, wenn deren Vertreter auf der Matte stehen.
(Zustimmung bei der PDS - Herr Tullner, CDU: Hauptsache, man hat ein klares Feindbild! Mein Gott, wie primitiv!)
Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund solcher Fehlstellen ist es, denke ich, nicht angebracht, die Mittel in derart unverhältnismäßiger Weise aus den Taschen der Versicherten bzw. der Patientinnen zu holen. Das ist weder mutig noch einfallsreich. Das bedeutet lediglich, mehr Geld in ein System zu pumpen, ohne eine wirkliche Strukturreform vorzunehmen. Das ist schlichtweg einfallslos und feige.
Vielen Dank, Frau Bull. - Bevor wir in die Debatte durch die Fraktionen eintreten, hat Minister Herr Kley um das Wort gebeten. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liest man die Überschrift dieses Antrages, so meint man zunächst, man könnte ihm zustimmen. Mehr Strukturreform - das ist, glaube ich, ein Thema, das sich jeder wünscht.
Doch betrachtet man die Möglichkeiten - vorausgesetzt, dass die Landesregierung gewillt wäre, hierüber noch weiter zu verhandeln -, die uns offen stehen, dann merkt man, dass wir derzeit eigentlich gar keine Möglichkeiten haben; denn der ausgehandelte Kompromiss als solcher gilt als beschlossen.
Auch das Land Sachsen-Anhalt, das an den Verhandlungen beteiligt war, hätte noch eine ganze Reihe von Punkten, die aus seiner Sicht durchaus einbezogen werden sollten. Aber die Verhandlungspartner haben sich dahin gehend geeinigt, dass ein nochmaliges Öffnen des Paketes einem Scheitern der Verhandlungen gleichzusetzen wäre und damit das alte GMG der Bundesregierung sofort wieder in den Bundestag kommen würde.
Wir alle wissen, was darin stand - das war Staatsmedizin übelster Ausprägung, das war Enteignung und Entmündigung von Ärzten. Ich denke, niemand in Deutschland kann ernsthaft bereit sein, Derartiges mitzumachen.
Das war eine Überbordung mit weiterer Bürokratie. Das war eine Kochbuchmedizin, die sich vom Patienten abwendet. Wir sind sehr dankbar dafür, dass die Möglichkeit bestand, in langwierigen und schwerwiegenden Verhandlungen ein Resultat zu erzielen, das natürlich den Makel eines jeden Kompromisses trägt, das heißt, letztlich sind alle etwas unzufrieden, aber trotzdem kann man wahrscheinlich damit leben.
Nach den vorliegenden Vorschlägen der PDS soll es wieder eine Positivliste geben. Das bedeutet, die ärzt