Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

Da wir schon einmal bei der Sachlichkeit sind: Sachlichkeit ist auch geboten, wenn die wirtschaftliche Lage eines Forstbetriebes bewertet wird, der gerade einmal als „Einjähriger“ das Laufen lernt. In dieser Situation diesem Unternehmen gegenüber eine Verlustrechnung in Höhe von 14 Millionen € aufzumachen, obwohl Sie, Frau Wernicke, wissen, dass der Forstwirtschaftsbetrieb auf eine eindeutig positive Entwicklung verweisen kann - -

(Zuruf von Frau Weiß, CDU)

Aber davon unbenommen sieht man die 14 Millionen € einfach nur als Zuschuss für ein Unternehmen, der nicht länger gezahlt werden darf - garantiert nach der Lesart unseres Finanzministers.

Aus meiner, unserer Sicht sind diese 14 Millionen € aber vor allem auch ein Tribut, den die Gesellschaft, die Steuerzahler, aufbringen sollen und müssen für die wohlfahrtspflegerischen Leistungen im Wald und für den Wald.

Es ist eine Einmaligkeit in dieser Gesellschaft: Während überall Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, ist es hier wie in dem gesamten landschaftspflegerischen Bereich anders. Die Nachfrage nach Natur, nach einem frei zugänglichen Wald, nach Entspannung und Erholung im Grünen wird immer größer.

Doch der Forstbetrieb kann die steigende Nachfrage anders als ein Betrieb in der übrigen Wirtschaft nicht ohne weiteres in klingende Münze umsetzen. Den Wald als Faktum des Klimaschutzes, als Wasserspeicher, als Biotop im weitesten Sinne, als Zufluchtsort für Pflanzen und Tiere zu erhalten, alles das kann dem Forstbetrieb keinen wirtschaftlichen Vorteil bringen. Im Gegenteil: Das bereitet Kosten. Zu diesen Kosten müssen wir uns bekennen. Diese dürfen wir den Forstleuten vor Ort nicht um die Ohren hauen.

(Zustimmung bei der PDS)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich muss es auch darum gehen, dass durch eine straffe und kluge Unternehmensführung eine optimale Wirtschaftlichkeit erreicht wird und die Kosten für die Gesellschaft, für die Steuerzahler so gering wie möglich gehalten werden. Ich sehe hierbei einen äußerst interessanten Zusammenhang zwischen Waldbewirtschaftung im Sinne von Landschaftsgestaltung und aktivem Klimaschutz auf der einen Seite und Waldbewirtschaftung unter produktiven und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auf der anderen Seite.

Die Möglichkeit, eine solche wahrhaft produktive Umweltpolitik zu betreiben, haben wir nicht in vielen Bereichen. Diese einmalige Chance, einen Großteil der Mittel, die wir zum Erlangen unserer Naturschutz- und Umweltziele benötigen, selbst zu erwirtschaften, haben wir so unmittelbar nur noch in der Landwirtschaft.

(Zuruf von Herrn Hacke, CDU)

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wir wiederum unmittelbar beim Thema. Im Landeswaldgesetz vom 13. April 1994 aus der Feder der CDU-FDPLandesregierung der ersten Wahlperiode - das darf ich erwähnen, ohne ein Schmunzeln verbergen zu können - ist festgeschrieben: Der Staatswald dient neben den Zielen nach Absatz 1 in besonderem Maße der forstwirtschaftlichen Forschung und der Vermittlung praktischer Ergebnisse und Erkenntnisse für alle Eigentumsarten sowie der forstlichen Aus- und Weiterbildung. Im Rah

men dieser Zielsetzung ist der Staatswald nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu bewirtschaften usw.

Mit dem Verkauf von Landeswald wird nicht nur diese Zielsetzung infrage gestellt; vielmehr wird damit dem jetzigen, aber auch einem künftigen Forstwirtschaftsbetrieb - egal, welcher Eigentumsform - die ökonomische Grundlage für die Erfüllung dieses gesetzlich festgeschriebenen Auftrags entzogen.

(Zustimmung bei der PDS)

Jeder weiß, dass es sich bei den zum Verkauf angebotenen Waldflächen längst nicht mehr um Splitterflächen handelt; denn hier steht netterweise geschrieben: auch interessante Objekte mit einer Größe von mehr als 75 ha. Das ist mehr, als eine Splitterfläche hergibt. Es sind kompakte Waldflächen, die aus meiner bereits aufgezeigten Sichtweise eigentlich auch für das Land von Vorteil sind. Heute Morgen auf dem Domplatz wurde folgendes Bild aufgezeigt: So würde die Kuh geschlachtet, die uns stets und ständig Milch liefern könnte.

Dass es sich bei den Größenordnungen von mehr als 75 ha um Eigenjagden vom Feinsten handelt, gibt der Sache eine extra pikante Note. Insofern, Frau Wernicke, ist die Übernahme der Naturschutzflächen von der BVVG zwar gut und richtig, sie ist aber kein Ausgleich für die Filetstücke, die jetzt verscherbelt werden sollen. Die Wirtschaftskraft des Forstbetriebes wird damit nicht gestärkt, sondern eher zusätzlich belastet. Deshalb ist es wichtig, dass mit dem Anwachsen der Naturschutzfläche mindestens auch die produktive Fläche erhalten bleibt. „Mindestens“ heißt für mich, möglichst mehr.

Worauf ich bisher noch nicht zu sprechen kam, ist, dass mit der Privatisierung von Landeswald das gesamte sinnvolle Netz der Waldpädagogik gefährdet wird. Ich nenne im Telegrammstil folgende Stichworte: Jugendwaldheime, Waldklassenzimmer, Waldkindergarten, Schulpatenschaften, Waldjugendspiele. Hierbei ist der Landeswald Ausgangspunkt für die Wahrnehmung sozialer Verantwortung.

Viele Kinder aus Familien, die nicht ins Ausland oder an die Ostsee fahren können, finden hier - jetzt noch - kostenlos oder zu günstigen Konditionen Ausgleich und Erholung. Außerdem ist dies eine ausgezeichnete Möglichkeit, der nachfolgenden Generation, unseren Kindern und Jugendlichen, die Natur nahe zu bringen. Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, schlägt sich letztlich in Kosten nieder, die in die Gesamtbilanz des Landesforstbetriebes eingehen.

Mögen Sie es mir nachsehen, aber ich frage: Sind das wirklich Kosten im Sinne von roten Zahlen, die dem Forstbetrieb zum Vorwurf gemacht werden dürfen oder müssen? - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Czeke. - Nun bitte Frau Ministerin Wernicke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS will die Landesregierung per Landtagsbeschluss auffordern, die Waldprivatisierung und die damit im Zusammenhang stehende Veränderung der Forststruktur unverzüglich zu stoppen, da nach der Auffas

sung der PDS beide Maßnahmen auf einen Verstoß gegen das Waldgesetz von Sachsen-Anhalt hinauslaufen.

Ich nehme diesen Antrag gern zum Anlass, zu den Themen Waldverkäufe und Forststrukturreform umfassend zu informieren, aber sicherlich auch einiges klarzustellen. Zunächst zu den Waldverkäufen. Der Landtag hat mit Mehrheit mit dem Haushaltsgesetz 2003 die Einnahme in Höhe von 14,5 Millionen € durch Verkäufe von Forstimmobilien, Splitterflächen und Landeswald beschlossen. Nur diese Zahl habe ich heute genannt, Herr Czeke. Von einer Fläche von 7 000 ha war heute Vormittag nicht die Rede. Es gilt, die Einnahmen in Höhe von 14,5 Millionen € zu erzielen. Das ist ein eindeutiger Auftrag an die Landesregierung und an die Verwaltung.

Schon in der damaligen Haushaltsdebatte im Landtag wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund einer parallel zum Verkauf von Landeswald laufende kostenlose Übertragung von Naturschutzflächen auf der Grundlage des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes der im PDS-Antrag wiederum angesprochene § 22 unseres Landeswaldgesetzes unberührt bleibt.

Ich möchte betonen: Das Land übernimmt Naturschutzflächen von knapp 10 000 ha in seinen Vermögensbestand. Von diesen sind etwa 80 % bewaldet. Im Rahmen der Privatisierung des Landeswaldes ist für den Verkauf insgesamt zwar eine Waldfläche von 8 500 ha vorbereitet, die Frage, ob diese gesamte Fläche verkauft werden muss, hängt jedoch vom Preisangebot und auch vom Geschick der Forstämter ab. Aber wie gesagt: 8 500 ha stehen zu 10 000 ha, die übernommen werden. Ich denke, diese Rechnung geht auf und der Wald wird in seinem Bestand erhalten, so wie es der erwähnte Paragraf des Landeswaldgesetzes vorgibt.

Wie gesagt, die Frage, eine wie große Fläche letztlich verkauft werden muss, um das vom Haushaltsgesetzgeber vorgegebenen Ziel zu erreichen, bleibt abzuwarten. Das hängt vom Preis - das sagte ich ebenfalls schon -, aber auch vom Engagement der Forstämter ab.

Eines muss ich deutlich sagen: Die Mitarbeiter der Forstämter und der Leitung des Landesforstbetriebs sind Bedienstete dieses Landes. Sie haben den Auftrag der Landesregierung zu erfüllen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe die Forstverwaltung angewiesen, die Waldverkäufe so zu steuern, dass das Haushaltsziel 2003 unter allen Umständen erreicht wird. Für 2004 ist vorgesehen, weitere Immobilien zu verkaufen. Sicherlich wird hier und da auch eine Fläche zu verkaufen sein, um Einnahmen in einer Größenordnung von 4,5 Millionen € zu erzielen. Das ist im Haushaltsplanentwurf 2004 nachzulesen.

In Bezug auf die Immobilien, meine sehr verehrten Damen und Herren, holen wir ein Versäumnis der Vorgängerregierung nach; denn Forsthäuser und Liegenschaften, die der Betrieb nicht braucht, gibt es mehr, als ich ursprünglich geahnt habe. Splitterflächen von einigen Morgen, mitten in fremdem Gebiet liegend, belasten den Wirtschaftsbetrieb völlig unnötig mit Unterhaltungs- und Pflegekosten, bringen aber nichts. Das haben im Prinzip auch der SPD-Finanz- und der SPD-Landwirtschaftsminister der Vorgängerregierung gewusst. Sie haben nichts unternommen. Ich denke, dies zeigt ein Mal mehr, wie sehr sie unter Kuratel der PDS standen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Oh! bei der SPD - Herr Dr. Höppner, SPD, lacht)

Die PDS versucht jetzt wieder, Diskussions- und Denkverbote aufzustellen und notfalls die öffentliche Meinung mit ins Spiel zu bringen. Ich denke, dieses Spielchen wird nicht aufgehen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Auch die Waldarbeiter werden - wer heute Vormittag dabei war, der weiß es -, auch wenn sie emotional und mit Trillerpfeife ausgestattet waren, dem Klassenkampfgebaren der IG BAU - diesbezüglich bin ich mir sicher - nicht auf den Leim gehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Begriffe wie Ausbeutung, Kapitalismus, Profitgier erinnern mich an meinen Staatsbürgerkunde-Unterricht zu DDR-Zeiten.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Herr Czeke hat sich mit einer solchen Wortwahl heute Vormittag eindeutig mit diesem Klassenkampfgebaren identifiziert.

(Zuruf von Herrn Czeke, PDS - Unruhe bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute Vormittag auf der Demonstration darauf hingewiesen, dass unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern derzeit überlegt wird, ob man den Wirtschaftsteil der Forstwirtschaft in eine Anstalt des öffentlichen Rechts überführt und ob man die hoheitlichen Aufgaben kommunalisiert. - Hört, hört, Rot-Rot regiert Mecklenburg-Vorpommern.

(Herr Gürth, CDU: Das gibt’s doch gar nicht! - Herr Dr. Püchel, SPD: Nicht gewusst? - Herr Gürth, CDU: Nee!)

Es ist bekannt, dass auch in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Niedersachsen, aber auch in Thüringen, über großflächige Waldverkäufe nachgedacht wird, um einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushaltes zu leisten.

Möchten Sie eine Frage von Herrn Dr. Köck beantworten?

Zum Schluss. - Über Nachhaltigkeit wird viel diskutiert; Nachhaltigkeit wird auch mit forstwirtschaftlichen Begriffen begründet. Nachhaltigkeit muss auch nachhaltig finanzierbar sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie kennen die Haushaltssituation und sie kennen die Notwendigkeit der Konsolidierung. Davon ist dieser Bereich nicht auszunehmen, und ein Verkauf von von mir aus 7 000 bis 8 000 ha Waldfläche bedeutet doch nicht den Untergang des Abendlandes, wie es einige Interessengruppen so gern an die Wand malen. Es gibt gesetzlich garantierte Rechte für jedermann, den Wald, egal ob staatlichen oder privaten, zu betreten. Es gibt ein Kahlschlagsverbot, das auch für Private gilt, und es gibt Instrumente für eine geordnete überbetriebliche Schädlingsbekämpfung, die auch für Private gelten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS, aber auch die Gewerkschaft heute Vormittag haben Stimmung mit Horrorszenarien ohne eine tatsächliche Grundlage nach dem Motto gemacht: Da reitet jemand hoch auf dem Ross durch den Wald, der nur Interesse an der Jagd hat, und hinter ihm geht der Schlagbaum zu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind wirklich Horrorszenarien. Ich bitte Sie darum, von solchen Argumenten Abstand zu nehmen. Das schadet der Akzeptanz der Waldbewirtschaftung insgesamt und schadet dem Berufsstand der Waldarbeiter mehr, als es ihm nützt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin fest gewillt, den Nachweis dafür zu erbringen, dass es sich für das Land nicht nur aus den bekannten Gründen des Gemeinwohls, sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchaus lohnt, Wald im Landeseigentum zu behalten. Aber nur wenn es uns gelingt, eine realistische Perspektive aufzuzeigen, haben wir durchschlagende Argumente gegenüber allen Kritikern für den Erhalt des Landeswaldes.

Ich betone auch an dieser Stelle: Ein scheibchenweiser Verkauf des Waldes löst die Probleme des Landesforstbetriebes nicht - da haben Sie Recht - und erschwert dessen Betrieb eher. Aber dieser LHO-Betrieb hat es in den eineinhalb Jahren eben nicht geschafft, zu beweisen, dass er sich auf dem Weg der wirtschaftlichen Gesundung befindet.