Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

Die Befunde einer enormen Kleinteiligkeit der hochschulischen Angebotsstrukturen im Land, der entsprechenden Zersplitterung der Ressourcen, der zahlreichen Doppel- und Mehrfachangebote mit zugleich oft sehr schmalem Angebotsprofil und der damit zusammenhängenden Auslastungsprobleme liegen seit Jahren auf dem Tisch. Sie lagen übrigens auch schon auf dem Tisch meines Vorgängers; denn die Analysen und Empfehlungen, die wir verarbeitet haben, sind von der Arbeitsgruppe „Wissenschaftsstruktur“ des Kultusministeriums im Jahr 2001 erarbeitet worden und nach wie von hoher Aktualität. Nicht ohne Grund hat die von mir eingesetzte Benz-Arbeitsgruppe die meisten dieser Empfehlungen erneut aufgegriffen, natürlich auch kritisiert und variiert - das haben Sie im Ergebnis gesehen -, aber im Wesentlichen bekräftigt.

Mit ist es sehr wichtig, noch Folgendes zu sagen: Die heftig kritisierte Bemessungsgrundlage hat diese Strukturprobleme nicht etwa erzeugt, sondern für die einzelnen Hochschulen und einzelnen Fachbereiche nur quantitativ sichtbar gemacht. Das ist ein großer Unterschied.

Bei aller Kritik an den errechneten Auslastungsquoten sind die Befunde übrigens in der Sache nicht angezweifelt worden. Natürlich gibt es jetzt Streit über die Wege. Frau Dr. Sitte, ich finde es schon stark, dass Sie sagen, wir würden die Zielvereinbarungen einseitig aufkündigen. Die Zielvereinbarungen sichern jetzt gerade, in diesen Tagen, die Hochschulen ab gegen Personalstopp, Einstellungssperre, Haushaltssperre und dergleichen mehr.

(Beifall bei der CDU)

Die Universitäten sind der einzige Bereich, der im Moment von diesen Dingen ausgenommen ist, weil sie sich auf eine Verabredung eingelassen haben, die für den Finanzminister kalkulierbar ist. So herum muss man das nämlich sehen. Denn ich kann tatsächlich Berufungen aussprechen, ohne mich an den Ministerpräsidenten zu wenden und eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken, weil wir eine Verhandlungsgrundlage haben. Uns vorzuwerfen, wir würden mit dem Strukturplan die Zielvereinbarung aufkündigen, das ist wirklich grenzwertig.

Also, Abwehr- und Vermeidungsstrategien sind da ganz wenig hilfreich. Auch die politische Ausschlachtung dieses schwierigen Problems wird das Problem nur schwieriger machen.

Lieber Herr Oleikiewitz, wenn ich das sagen darf: Wenn ich Student wäre und Ihrer Rede zugehört hätte, dann hätte ich anschließend, wenn ich Landwirtschaft studieren wollte, entschieden, das nicht in Halle zu tun,

(Zustimmung bei der CDU)

und zwar aufgrund der Szenarien, die Sie in die Welt setzen, die gedruckt werden usw.

(Zuruf von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Die Zusammenhänge lassen sich ganz selten mit vermitteln.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Der Anspruch, diese Probleme zu reflektieren, müsste uns eigentlich auferlegen, damit sorgfältiger und politisch verantwortlicher umzugehen. Von mir kommen solche Äußerungen in der Öffentlichkeit jedenfalls nicht, weil ich eines verhindern will: dass die jungen Leute, die die Zusammenhänge dieser Diskussion überhaupt nicht reflektieren und rezipieren können, abgestoßen werden und sagen: Hier kann man nicht studieren. Das ist nämlich der Effekt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer den Niedergang prognostiziert und Untergangsszenarien aufstellt, muss sich gar nicht wundern.

Letzter Satz - hier leuchtet schon die Lampe, ich habe sie mal eben überdeckt -:

(Heiterkeit)

Ich habe gestern im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft ausführlich über den Stand des Strukturreformprozesses berichtet, so wie im Moment eben darüber zu berichten ist. Ich warte jetzt auf die Reaktion der Hochschulen. Sie arbeiten wirklich ernsthaft und intensiv daran, nebenbei bemerkt, da haben Sie völlig Recht, Frau Dr. Sitte. So erübrigt sich - jedenfalls im Moment - ein Antrag, der darauf abzielt, eine solche Unterrichtung praktisch zu wiederholen.

Gegen eine Übergabe der Berechnungsgrundlagen, die wir verwenden, auch an den Finanzausschuss, hätte ich überhaupt keine Einwände. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind angewiesen, jede Verständnishilfe und Erläuterung zu leisten, weil das die Strukturdiskussion eigentlich nur qualifizieren kann.

Die Hochschulstrukturdebatte wird den Ausschuss ohnehin noch ausführlich und mehrfach beschäftigen, wenn die nächsten Schritte der Umsetzung der neuen Hochschulstrukturplanung anstehen, was noch in diesem Herbst der Fall sein wird. Deswegen kann ich im Moment nur empfehlen, mangels unmittelbaren Anlasses diesem Antrag nicht stattzugeben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Die Debatte der Fraktionen beginnt die FDP-Fraktion. Es spricht Herr Dr. Volk.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man den vorliegenden Antrag betrachtet, so drängt sich der Eindruck auf, hier hinterfragt eine Oppositionspartei politische Handlungen der Koalitionsregierung. Das ist legitim und insoweit hat der Antrag eine gewisse Berechtigung. Es ist das Recht einer parlamentarischen Opposition, sich durch Befragung der Landesregierung über aktuelle und zukünftige politische Entwicklungen in Kenntnis zu setzen. Dafür gibt es eine Reihe von Fachausschüssen, die als fachpolitisch fokussierte Plattformen dieses Informationsbedürfnis befriedigen können. So auch in diesem Fall.

Im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft wurde am gestrigen Tage auch ohne Antragstellung über den Landtag das Thema vom Kulturminister ausführlich vorgestellt und von Ihnen, Frau Sitte, auch intensiv hinterfragt. Es ist keine Frage offen geblieben

(Frau Dr. Sitte, PDS: Für mich schon!)

und Minister Olbertz hat dankenswerterweise das gesamte Thema noch einmal vor dem Plenum ausgebreitet. Damit kann man das vorhandene oder auch nur vorgegebene Informationsbedürfnis als befriedigt ansehen und den Antrag, ohne ignorant zu sein, als erledigt erklären und ablegen.

Ein zweites mögliches Anliegen der Antragstellerin besteht darin, eine wissenschaftlich fundierte Diskussion über die Berechnungsgrundlagen der Hochschulplanung in diesem Hause anzuregen. Ich glaube aber, dafür haben Sie sich das falsche Podium gesucht, denn derlei Betrachtungen über Entscheidungsgrundlagen gehen den parlamentarischen Diskussion voraus und bilden die Grundlage einer letztlich zur Diskussion stehenden politischen Entscheidung. Das notwendige Vorwissen kann Ihnen der parlamentarische Betrieb nicht vermitteln.

Die dritte Variante: Sie wollen sich in der Diskussion zur Hochschulpolitik als weißer Ritter präsentieren. Aber dafür sind der Anlass und der Zeitpunkt falsch gewählt. Ja, wir sind mitten in einer Diskussion über Veränderungen im Hochschulbereich, einer Diskussion, der Sie sich als PDS in der vergangenen Phase Ihrer Quasi-Regierungsbeteiligung, in Ihrer Duldungsphase, verantwortungslos verweigert haben. Das klarzustellen ist leider immer wieder notwendig; denn vieles, was wir jetzt diskutieren, wurde in den letzten zwei Legislaturperioden verschleppt.

Wir als FDP übernehmen gemeinsam mit der CDU Verantwortung für eine leistungsfähige Hochschullandschaft und werden in den nächsten Monaten in diesem Hohen Haus noch genügend Zeit haben, über die Hochschulentwicklung zu reden, und das ist gut so. Deshalb lehnen wir als FDP hier und heute diesen Antrag ab. - Danke.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Für die SPD-Fraktion erteile ich nun Frau Dr. Kuppe das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Gestern erhielten die Abgeordneten im Bildungsausschuss als Tischvorlage Berechnungsmodelle und Vorstellungen zu Kapazitätsbemessungen aus dem Kultusministerium. Es handelte sich um ein Papier vom 25. August 2003, das von den Hochschulen bereits seit rund drei Wochen diskutiert wird. Da das seit Monaten überhaupt die erste aktuelle Unterrichtung zur Neuordnung der Hochschulstrukturen in Sachsen-Anhalt war, die uns im Ausschuss erreichte, kritisierte ich an dieser Stelle und an diesem Beispiel noch einmal die mangelhafte Informationspolitik seitens des Kultusministeriums.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Professor Olbertz, Sie haben gestern mit Augenzwinkern Besserung zugesagt. Darauf verlassen wir uns jetzt erst einmal ein bisschen.

Der Diskussion im Ausschuss und der Tischvorlage lässt sich hinsichtlich der Entwicklung der Studienplätze das nun schon sattsam bekannte Muster entnehmen: Reduzierte Budgets begründen eine verminderte Anzahl von Personalstellen und, daraus abgeleitet, eine sinkende Anzahl von Studienplätzen. Nach den Berechnungen

des Kultusministeriums wird auf der Basis der neuen Planungsdaten die so genannte Betreuungsrelation, also das Verhältnis von Studierenden zu wissenschaftlichem Personal, vor allem an den beiden Universitäten weit unter das Niveau der anderen ostdeutschen Bundesländer sinken und sich an das Niveau der alten Bundesländer anpassen.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das stimmt nicht!)

- Das ist der Anlage zu entnehmen. - Mögliche negative Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit unserer Hochschulen lassen sich leicht ausmalen. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille.

Wenn es um die Attraktivität einer Hochschule für junge Leute und für hochkarätiges wissenschaftliches Personal geht, spielen neben der Qualität der Betreuung selbstverständlich auch andere Aspekte eine Rolle, wie zum Beispiel der Fächerkanon insgesamt, die wissenschaftlichen Schwerpunkte, das Forschungsprofil und das Umfeld der jeweiligen Hochschule. Deshalb ist die Debatte um die zukünftigen Hochschulstrukturen so elementar wichtig.

Wenn nun allerdings das Planungs- und Berechnungsmaterial aus dem Kultusministerium als „Kontrollzahlen“ einen nahezu unverrückbaren Rahmen vorgibt, wird der Gestaltungsspielraum der Hochschulen bei der Hochschulstrukturplanung zur Farce.

Hinzu kommt ein von der Landesregierung und von den Koalitionsfraktionen zu verantwortendes zeitliches Chaos.

Die Hochschulen haben derzeit den Auftrag, die Daten und Berechnungsgrundlagen aus dem Kultusministerium, zuletzt die vom 25. August 2003, als Matrix zu nehmen, um mit diesem Rahmen ihre zukünftigen Schwerpunkte und Profile zu beschreiben. Parallel dazu gilt aber die Festlegung, gilt der Beschluss der Landesregierung zur Hochschulstrukturplanung vom 19. August 2003, in dem die Hochschulen unter der Überschrift „Flankierende Maßnahmen“ wie folgt angewiesen werden - ich zitiere -:

„Bis zur Verabschiedung des Haushaltsplans 2004 haben die Hochschulen ihre Hochschulentwicklungspläne gemäß § 116 Abs. 4 Satz 3 Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt den neuen Erfordernissen anzupassen und einen Zeit- und Maßnahmenplan für die Umsetzung vorzulegen. Bis zur Verabschiedung des Haushaltsplanes 2004 sind die Zielvereinbarungen zu aktualisieren bzw. ist durch Anlagen zu präzisieren, dass die Umsetzungsmaßnahmen des Hochschulstrukturplanes des Landes aufgenommen werden. Die Anlage zur Zielvereinbarung sollte bis zur Erzielung der für die jeweilige Hochschule zu erbringenden Reduzierungssumme zumindest folgende Maßnahmen enthalten:

Prioritätensetzung von Berufungen, keine Neubesetzung der durch Ruhestand frei werdenden Professuren, Immatrikulationsstopp für auslaufende Studiengänge, genereller Einstellungsstopp, genereller Investitionsstopp, Installation von Anreizsystemen, Anpassung der HBFG-Planung, Freigabe - -“

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Sie können doch nicht die Klammern weglassen!)

- Ich lese sie gern mit vor, wenn das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Aber das muss sein! Sie können doch nicht nur die Hälfte vortra- gen!)

Wie lang sind denn die Klammerbemerkungen?

Sie entsprechen jeweils der Hälfte der nicht in Klammern gesetzten Bemerkungen.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Aber das ist doch das Entscheidende!)

Da der Minister seine Redezeit überzogen hat und ich ihn daran nicht hindern konnte, gebe ich Ihnen ebenfalls etwas Zeit dazu.