Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

Unserer Fraktion wird in der Hoffnung, die tatsächlich notwendigen Veränderungen im Rahmen der parlamentarischen Beratung noch einbringen zu können, der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss zustimmen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Abgeordneter Herr Grünert. - Für die FDPFraktion erteile dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort. Bitte sehr, Herr Wolpert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes ist erforderlich geworden, weil zum einen das Kommunalwahlgesetz seit dem Jahr 1993 fast unverändert und unberührt von der kommunalen Entwicklung geblieben ist. Zum anderen ist durch die anstehende Kommunalreform eine begleitende Änderung erforderlich. Herr Grünert, in diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass es sich nicht um eine Gebietsreform, sondern um eine reine Verwaltungsreform handelt.

Es ist nunmehr möglich - das möchte ich auch an Ihre Adresse sagen -, aufgrund dieses Wahlgesetzes in Strukturen hineinzuwählen, die sich erst nach dem Wahltermin bilden werden. Das hat mit der Frist, die vorangesetzt wurde, nichts zu tun. Es gibt auch jetzt schon Gemeinden, die sich zu Einheitsgemeinden zusammen

finden. Dabei kann es allerdings passieren, dass deren Zusammenschluss zum Zeitpunkt der Wahlen noch nicht wirksam, aber unumkehrbar ist. Deshalb ist diese Regelung dringend notwendig. Für diese Fälle ist es aufgrund der Änderung des Gesetzes nunmehr möglich, in die entstehenden gemeindlichen Gebilde sozusagen hineinzuwählen.

Das Kommunalwahlrecht sieht nunmehr die technischen Sonderregelungen für die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen zu diesen Vertretungen vor.

Eine Besonderheit ist darin zu sehen, dass es jetzt auch für nicht kreisfreie Städte möglich ist, Wahlbereiche zu bilden. Dabei soll es insbesondere möglich sein, in der neu zu bildenden Einheitsgemeinde die ehemals selbstständigen Gemeinden als Wahlbereiche auszuweisen.

Damit werden zweierlei Effekte erzielt: Erstens wird in den Einzelgemeinden den Bürgern auf diese Weise gewährleistet, dass sie im Rahmen einer besonderen Identitätswahrung je nach regionaler Besonderheit einen direkten Einfluss auf die Bildung des neuen Gemeinderats behalten. Zweitens wird das ordnungspolitische Ziel, größere Einheitsgemeinden im Land Sachsen-Anhalt zu bilden, beachtet, weil der Angst der einzugemeindenden Kommunen vor dem totalen Verlust des Mitspracherechts der Boden entzogen wird.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sinnvoll sein kann, diese Regelungen eventuell auch nur als Übergangsregelungen vorzusehen; denn die Wahlkreise, die sich auf diese Art und Weise bilden, sind nicht unbedingt so angemessen, wie es bei den anderen Gemeinden möglich sein soll.

Einen weiteren Schwerpunkt bei der Änderung des Gesetzes kann man darin erkennen, dass die Verwaltungsgemeinschaften wesentlich stärker in die Mitwirkung einbezogen werden. So ist es für die Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft nunmehr möglich, insbesondere bei der Bildung der Wahlorgane Aufgaben zu übertragen.

Die Gemeinden können sich dafür entscheiden, die Aufgaben des Wahlleiters dem Leiter des gemeinsamen Verwaltungsamtes zu übertragen und für alle Mitgliedsgemeinden gleichzeitig wahrnehmen zu lassen sowie einen gemeinsamen Wahlausschuss einzurichten, der für alle übertragenden Mitgliedsgemeinden tätig ist.

Darüber hinaus soll es möglich sein, die Besetzung der Wahlorgane variabler zu gestalten. Neben der Mitverantwortung der Verwaltungsgemeinschaften besteht auch die Möglichkeit, die notwendige Anzahl der Beisitzer im Wahlausschuss des Wahlvorstandes zu reduzieren. Das mag in Ihrem Sinn kritikwürdig sein. Allerdings erleichtert es die Wahlvorbereitungen enorm und kann letztlich auch zu einer Kostenersparnis führen. Ich bin gespannt darauf, wenn Sie im Innenausschuss darlegen werden, wie dadurch ein Demokratieverlust entsteht.

Darüber hinaus gibt es auch Änderungen hinsichtlich der Handhabung der Fristen im Wahlkalender. Dieser wird eindeutig verlängert und letztlich vereinheitlicht, sodass den Verantwortlichen im Wahlvorbereitungszeitraum ein erweiterter Spielraum zur umfassenden Wahrnehmung der Aufgaben verschafft wird. Des Weiteren werden dadurch Fehlerquellen ausgemerzt und letztlich auch Kosten gespart.

Bei der Zusammenlegung von Wahlen wird insbesondere das Zusammenspiel der Wahlorgane neu geregelt.

Hierdurch wird eine Klarstellung erreicht, die die Handhabung des Gesetzes transparenter gestalten soll.

Auch die Anregungen von Wahlleitern und der Kommunalaufsicht führten zu Änderungen. Hierbei ist hervorzuheben, dass insbesondere die Klarstellung erfolgt ist, zu welchem Zeitpunkt die Unterstützung eines Kandidaten mit einer Liste noch zu gelten hat. Hierbei ist eindeutig auf den Tag der Wahl abzustellen, nicht auf den Tag der Unterschriftsleistung, was auslegungsmäßig möglich gewesen wäre.

Insgesamt wird mit diesem Gesetz den erfolgten und absehbaren Änderungen im kommunalen Bereich Rechnung getragen. Gleichzeitig wird eine Kostenersparnis und eine Vergrößerung der Rechtssicherheit erreicht. Über die genaue Ausgestaltung mag in den Ausschüssen weiter diskutiert werden. Ich bitte Sie, dem Antrag auf Überweisung in den Ausschuss für Inneres zuzustimmen. - Danke.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Dr. Polte das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Polte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDFraktion begrüßt die Einbringung dieses Gesetzentwurfs dem Grunde nach, weil wir durchaus einen Novellierungsbedarf erkennen. Aber nach einer ersten Durchsicht des Gesetzentwurfs sehen wir auch die Notwendigkeit eines weitergehenden Regelungs- und Qualifizierungsbedarfs, zum einen in Bezug auf § 21 und zum anderen hinsichtlich der neu eingefügten §§ 58 bis 65.

Darüber hinaus sind für uns noch zwei völlig offene Flanken erkennbar. Wir wissen noch nicht, wie die Gesetze zur Qualifizierung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungsarbeit tatsächlich aussehen werden. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass etwas anderes dabei herauskommt als das, was den Inhalt dieser Gesetze bei der Einbringung ausmachte.

Ich möchte noch einmal an den Standpunkt der kommunalen Spitzenverbände sowie vieler Leute aus der Praxis erinnern. Sie sagten, dass das nicht die Lösung des Problems sein kann. Auch stellt sich die Frage, wie das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit am Ende des Gesetzgebungsprozesses aussehen wird. Beide Gesetze, wie sie auch immer aussehen mögen, stehen in Korrespondenz zu diesem Kommunalwahlgesetz und haben gewisse Auswirkungen. Es wäre schön, wenn man das rechtzeitig berücksichtigen würde.

Daraus ergibt sich auch die Frage nach einer praktikablen Zeitschiene; denn der 13. Juni 2004 ist ein magisches Datum. Deshalb soll all dies noch abgewickelt werden. Das ist fast so schwer wie die Quadratur des Kreises.

Nun gab es erfreulicherweise auch weitsichtige kommunale Verantwortungsträger, die trotz der Blockade des Verwaltungsreformprozesses im Sommer 2002 daran festgehalten haben, zukunftsfähige Verwaltungsstrukturen auf kommunaler Ebene zu schaffen. Das haben sie auch getan. Es waren viel zu wenige, aber einige. Dies

bezüglich besteht auch ein erkennbarer Bedarf, im Kommunalwahlgesetz bestimmte Modalitäten zu präzisieren.

Ich möchte einen Fall anführen. Es ist völlig unzureichend berücksichtigt worden, was passiert, wenn sich eine große Trägergemeinde mit kleineren Gemeinden zu einer Einheitsgemeinde zusammengeschlossen hat. Ich spreche aus Erfahrung und nenne als Beispiel Burg, die Stadt Burg mit 20 000 Einwohnern und fünf Gemeinden mit 3 500 Einwohnern. Nun ist die Frage: Wie soll die Wahlbereichsbildung garantieren, dass jede Gemeinde in dem zu bildenden Stadtrat mit mindestens einem Vertreter vertreten ist?

Hintergrund unserer Eingemeindungsverhandlungen war, dass uns das von der größeren, aufnehmenden Gemeinde im Interesse eines harmonischen Miteinanders zugesichert wurde und sich die kleineren Gemeinden sozusagen nicht außen vor fühlen. Es kann nicht so sein, dass nur noch bei der großen Stadt die Musik spielt. Das ist für den Integrationsprozess nicht förderlich.

Folglich muss neu darüber nachgedacht werden. Unser Ansatz ist - dazu werden wir einen entsprechenden Antrag stellen -, im Interesse eines harmonischen Miteinanders eine Übergangsregelung zumindest für die erstmalige Wahl in einer neuen Gebietskörperschaft zu schaffen.

Niemand, meine Damen und Herren, sollte die subjektiven Aspekte der Veränderung von kommunalen Verwaltungsstrukturen an dieser Stelle außer Acht lassen. Ich plädiere dafür, dass die Großzügigkeit und das Entgegenkommen der aufnehmenden oder der größeren Einheit - von mir aus zeitlich befristet auf die erstmalige Wahl - ermöglicht wird.

Inwieweit es sinnvoll ist, Vertretungen für noch nicht existierende Gebietskörperschaften wählen zu lassen, muss, Herr Wolpert, zumindest hinterfragt werden. Dass bis zum Wahltag massenhaft freiwillige Zusammenschlüsse zu neuen kommunalen Gebietskörperschaften im Lande entstehen, ist wohl nach dem Hin und Her um die Kommunalreform eher unwahrscheinlich.

Zur Erinnerung: Nach dem Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit geht es immerhin um 143 Verwaltungsgemeinschaften mit 985 Gemeinden, darunter 21 Verwaltungsgemeinschaften nach dem Modell der Trägergemeinde. Das ist eine gigantische Zahl. Jede Gemeinde muss sich bis zum 30. März auf freiwilliger Basis in dieser Frage positionieren. Die Gesetze dazu liegen noch nicht vor. Wie das funktionieren soll, ist mir, ehrlich gesagt, ein Rätsel.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bin noch nicht am Ende, aber ich höre auf, Herr Präsident, weil ich Respekt vor Ihrem Amt habe.

Ich habe es im Jahr 1990 erlebt. Am 6. Mai waren Kommunalwahlen. Niemand wusste, in welche Situation er gewählt würde, weil die Volkskammer erst am 10. Mai 1990 die Kommunalverfassung der letzten DDR-Phase be

schlossen hat. Dementsprechend sah dann auch die Struktur in den Kommunen aus. Jeder hat gemacht, was er wollte, auch wir in Magdeburg haben unsere eigenen Pirouetten gedreht. Das darf nicht wieder passieren. Es müssen klare Linien erkennbar sein.

Herr Präsident, mit Ihrer freundlichen Genehmigung will ich nur einen Satz hinzufügen.

(Frau Bull, PDS: Und aus Respekt vor dem Amt! - Heiterkeit bei der PDS)

Die eben angesprochenen Gesetzentwürfe in Korrespondenz mit dem Kommunalwahlgesetz in Gänze - ich sage das nicht hämisch, sondern mit Bedauern - generieren keinen Optimismus auf der kommunalen Ebene. Es ist dringend nötig, dass wir im 13. Jahr der deutschen Einheit im Interesse der Gesundung des Landes diese Probleme nun endlich hinter uns lassen.

Die SPD-Fraktion beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht und Verfassung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Polte, für den Respekt, den Sie meinem Amt gezollt haben. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Borgwardt das Wort. Bitte sehr, Herr Borgwardt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Polte, ein Wort vorweg: Dass das Kommunalwahlgesetz angemessen reagiert, ist die eine Sache, aber ob das unbedingt eine derartige Heiterkeit erzeugen muss, ist eine andere Frage.

(Zurufe von der SPD)

Es hat sich mir nicht ganz erschlossen.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes liegt ein weiterer Baustein für unsere Reformvorhaben in diesem Land vor. Zum einen wird damit das gegenwärtig gültige Kommunalwahlgesetz auf den neuesten Stand gebracht, zum anderen bietet der Entwurf für die kommunalen Reformbestrebungen praktikable Lösungen an.

Die Vorredner erwähnten es schon: Das aus dem Jahre 1993 stammende Kommunalwahlgesetz genügt den Anforderungen nicht mehr und kann künftigen Entwicklungen nicht mehr gerecht werden. Insbesondere die anstehenden Reformen im kommunalen Bereich verlangen nach rechtssicherer Umsetzung. Darüber hinaus greift die Novellierung Forderungen aus der Praxis auf und setzt die Erfahrungen der Wahlleiter aus der letzten Kommunalwahl um.

Besonders hervorzuheben sind die Sondervorschriften für die Wahl in neu zu gründenden Landkreisen und Gemeinden. Im Zuge der Kommunalreform kommt ihnen erhebliche Bedeutung zu. Die neuen Vorschriften sollen es ermöglichen, gleich in die neuen Organisationsformen hineinzuwählen. Die Bürger wie die Verantwortlichen werden damit direkt in den Umstrukturierungsprozess einbezogen und können unmittelbar mitbestimmen,

wie und mit wem es in ihrer neuen Gemeinde oder Verwaltungsgemeinschaft weitergeht.

Dadurch wird sichergestellt, dass sich jeder in dem neuen Gefüge angemessen repräsentiert und vertreten fühlen kann. Das schafft Vertrauen und Akzeptanz.