Vokabeln wie „Nachhaltigkeitsstrategie“ oder „Agenda 21“ tauchen in der Koalitionsvereinbarung nicht einmal auf. Seit der im Oktober des vergangenen Jahres erfolgten Verkündung der Absicht der Landesregierung, in einem dreistufigen Prozess ein Leitbild „Agenda 21“ für Sachsen-Anhalt entwickeln zu wollen, hat man davon nichts wieder vernommen. Das gehört aber ebenso in die Zukunftsdebatte.
Der Ministerpräsident hat nun die Volksbegehrenden nochmals darauf hingewiesen, dass das Geld nicht vom Himmel fällt. - Stimmt. - Sollten diese also uneinsichtig darauf bestehen, dann würden sie schon sehen, was sie davon haben; denn dann stünden die Stärkung des Wirtschaftsstandortes und der Abbau der Arbeitslosigkeit infrage. - Ich habe extra den Wortlaut des Interviews noch einmal nachgelesen.
Abgesehen davon, dass wir es als skandalös empfinden, auf welche Weise der Ministerpräsident Interessengruppen gegeneinander ausspielt, ist der hergestellte Bezug nicht einmal zwingend. Daher haben wir uns im Gesamtsystem des vorliegenden Haushalts umgesehen und geprüft, ob die Forderungen der Initiatoren des Volksbegehrens tatsächlich zum Ruin führen, wie Herr Paqué es darlegte, ohne es allerdings in seiner Rede bewiesen zu haben.
Wir sind zu einer anderen Einschätzung gekommen, die auf realistischen Vorschlägen zur Gegenfinanzierung beruht. - Herr Scharf, wir haben die Lösungen in diesem Haushalt gefunden und eben nicht auf fehlende Einnahmen vom Bund oder von sonst wem verwiesen.
Unsere Vorschläge betreffen Bereiche wie Sachkostenansätze, Personalkostenansätze, überhöhte Gehälter von Geschäftsführern bei Landesgesellschaften, Ausgaben des Landesinformationszentrums, Mittel aus dem Titel zur Sanierung der Abwasserzweckverbände, Dienstleistungen Außenstehender und letztlich auch Mittel für Kommunikationstechniken. Darüber kann man im Finanzausschuss sicher reden. Ich hoffe es wenigstens.
Meine Damen und Herren! Die Mobilisierung von Mitteln für die Kinderbetreuung führt nach unserer Einschätzung zu einer der wichtigsten Zukunftsinvestitionen. Deshalb haben wir eben an dieser Stelle eine andere Priorität gesetzt, auch wenn sie sich in der Geschichte schmerzvoll entwickelt hat. Dies belegt auch ein Vergleich mit Ländern, die in den Studien zur Leistungsfähigkeit von Elementar- und Sekundarstufensschülern erfolgreich sind, zum Beispiel die Niederlande, Schweden und Finnland. Gerade diese Länder haben ein sehr gut ausgebautes System der vorschulischen Förderung.
Mit unseren Vorschlägen sind wir den Forderungen von Fragestellern sowohl inner- als auch außerhalb des Landtages gerecht geworden. Dass der Finanzminister uns dabei, wie zu lesen war, Zahlenspielereien unterstellt, soll verunsichern - ganz klar - bzw. mangelnde Sachkenntnis unterstellen. So richtig wundert uns das natürlich nicht.
Im Übrigen hat hier Herr Paqué fehlende Einnahmen als Grund für die Finanzmisere des Landes vorgebracht, Herr Scharf. Nicht wir haben damit angefangen, sondern Herr Paqué hat das zum Ausgangspunkt seiner Erläuterungen gemacht.
Als der Ministerpräsident noch Oppositionsführer war, hat er an dieser Stelle immer betont, sich um die Finanzierung von inhaltlichen Forderungen der Opposition zu kümmern sei Sache der Regierung. Jetzt gehört er zur Regierung und kümmert sich nicht einmal ernsthaft um die inhaltlichen Vorschläge der Opposition, geschweige denn um deren Finanzierung.
Aber er kümmert sich genau genommen nicht einmal um Gegenstrategien, mit denen die von ihm beklagten engen finanziellen Spielräume erweitert werden können. Wir sehen in diesem Handeln nur Widersprüche.
Ein Schimpfen auf die Entscheidungen der Bundesregierung, das durchaus seine Berechtigung hat - in dem Punkt haben wir Übereinstimmung -, geht nicht damit einher, wirklich konsistente Gegenvorschläge zu unterbreiten. Er zerrt, wie man so schön sagt, nicht einmal an den Ketten. Die Entscheidungen aus dem Bundesrat zulasten der Ostländer belegen das. Herr Paqué sollte also nicht unbedingt so laut klagen. Angesichts der Mehrheiten hätten die CDU und die FDP in den letzten zwei Jahren längst dagegen vorgehen können.
Die Entscheidungen des Bundestages und des Bundesrates haben in den letzten Jahren gewaltige Steuergeschenke für Großverdiener und Großunternehmer gebracht. Die Begründung dafür war, dass damit Investitionen und neue Arbeitsplätze finanziert werden sollen. Dann kam das Leben daher und hat etwas ganz anderes gezeigt. Die Wirtschaft stagniert - nur bei Herrn Rehberger im Ministerium nicht - und die Arbeitslosigkeit steigt.
Würden diese Gesetze revidiert, könnte nicht nur die Kinderbetreuung bezahlt werden, sondern das Land müsste auch kaum noch neue Schulden machen. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen für Einnahmeverluste aus Anteilen, die dem Land jährlich verloren gehen. Das realisiert sich etwa als geringere Bundeszuweisung und über den Länderfinanzausgleich.
Durch die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53 % auf 42 % verliert das Land in dem Zeitraum 1999 bis 2004 zwischen 80 und 100 Millionen €. Durch die geänderte Körperschaftsteuer der Kapitalgesellschaften hat das Land 1999 200 bis 250 Millionen € eingebüßt. Letztlich brächte eine Vermögensteuer, berechnet auf der Basis der Zahlen des Jahres 1997, zusätzliche Einnahmen in Höhe von 40 bis 60 Millionen €.
Allein diese wenigen Beispiele für Steuergeschenke, die die Landesregierung mitträgt, machen ein Minus von 320 bis 410 Millionen € im Haushalt aus. Es ist klar, dass dieses Geld unter anderem für die Kinderbetreuung, im Jugend- und Bildungsbereich, bei den Hochschulen, bei der Mittelstandsförderung und für die Senkung der Arbeitslosigkeit fehlt.
Nach dem Abschluss von Vermittlungsverfahren im Frühjahr waren die sich abzeichnenden Mehreinnahmen der öffentlichen Haushalte im Grunde genommen kaum noch der Rede wert und wurden dann - es ist erwähnt worden - durch die Steuerschätzung im Mai schon fast wieder erschlagen. Allein für das Land Sachsen-Anhalt ergab sich für das Jahr 2003 nochmals ein Steuerminus von 180 Millionen €.
Das wiederum war nun so verheerend, dass selbst die CDU und die FDP eine verbale Umkehr zu einzelnen, vorher heftig kritisierten Punkten vollzogen. Minister Paqué war nun doch für die Streichung der Eigenheimzulage und für eine Kürzung der übrigen Subventionen um jeweils 20 %.
Zu diesem Zeitpunkt - das ist völlig klar - blieb das als verpuffte Luft stehen. Das Papier für die Pressemitteilung hätte man sich ebenso gut sparen können, wenn man nur wenige Wochen vorher die Vorschläge der Bundesregierung abgewogen und nicht nur abgelehnt hätte. Die PDS wollte übrigens die Mittel aus der Streichung der Eigenheimzulage in den Stadtumbau Ost lenken.
Auch in puncto Erbschaftsteuer gab es ein Geschenk des Ministerpräsidenten. Im November 2002 stellte die PDS-Fraktion im Rahmen der Haushaltsberatungen einen Entschließungsantrag, der unter anderem die Reformierung der Erbschaftsteuer enthielt und die Landesregierung aufforderte, diesbezüglich im Bundesrat initiativ zu werden. Das alles war natürlich „einheitssozialistisches Teufelszeug“.
Umso erstaunlicher allerdings ist der Sinneswandel des Ministerpräsidenten, der, wie im „Handelsblatt“ vom 21. August dieses Jahres nachzulesen ist, über die Erhöhung der Erbschaftsteuer diskutieren will, wenn sich daran eine entsprechende Bundesratsinitiative anschließen würde.
Wenn sich also die Landesregierung in die Bundespolitik einbringen will - Herr Scharf, wir haben überhaupt nichts dagegen -, dann auch mit belastbaren Positionen.
So bleibt nämlich nur zu sagen, dass das alles hier etwas ratlos ankommt. Ähnliche Widersprüche werden wir dann wohl auch in den Positionen der Landesregierung zur Gemeindefinanzreform zu erwarten haben.
Die Situation der Kommunen bezüglich ihrer finanziellen Ausstattung im Verhältnis zum Umfang ihrer Aufgaben ist katastrophal und zwingt sie zunehmend, Investitionen und freiwillige Ausgaben aus dem Haushalt zu streichen, um wenigstens noch die gesetzlich fixierten Aufgaben ausführen zu können. Selbst das gelingt den Kommunen immer weniger, wie es die Konsolidierungsprogramme von 18 Landkreisen zeigen.
Um diese Situation zu beenden und die Probleme einer langfristig haltbaren Lösung zuzuführen, wurde von der Bundesregierung eine Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen eingesetzt, deren Bericht zwar Anfang Juli dieses Jahres vorlag, die aber mit Blick auf die Reform der Gewerbesteuer kein klares Ergebnis brachte.
Nunmehr hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zum Umbau der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer vorgelegt. Die Entscheidung zur Reformierung der Gewerbesteuer als Bindeglied zwischen den Kommunen und den örtlichen Unternehmen ist durchaus richtig. Allerdings spiegelt der Gesetzentwurf der Bun
desregierung nicht die Interessen der Kommunen wider, sondern einseitig die der Wirtschafts- und Unternehmerverbände, die das ihrerseits ganz eindeutig bestätigen.
Von den anfänglichen Vorschlägen ist lediglich die Aufnahme der Freiberufler in die Gewerbesteuer übrig geblieben. Verbunden ist das aber mit einer Erhöhung des Gewerbeertrags, ab dem eine Steuer gezahlt werden muss, und mit einer gleichzeitigen Verrechnung mit der Zahlung der Einkommensteuer.
Damit entsteht eigentlich nichts weiter also ein riesiger Verschiebebahnhof von der Einkommensteuer zur Gewerbesteuer. Aus der Erfahrung heraus ist zu befürchten, dass sich die Länder die erlittenen Verluste über den kommunalen Finanzausgleich wieder zurückholen. Gleichzeitig sinkt durch die Erhöhung des Freibetrags generell der gesamte Gewerbeertrag.
Auch die Erhöhung des Umsatzsteueranteils von 2,2 % auf 3,6 % zugunsten der Kommunen wird eine erneute Verschiebung der Steueranteile bringen, aber letztlich nicht zu mehr Steuern führen. Das hätte aber die Einbeziehung von gewinnunabhängigen Kennziffern wie Mieten, Pachten oder Zinsen erbracht, die sowohl in dem Modell der kommunalen Spitzenverbände enthalten waren, als auch von uns gefordert worden sind. Im Kabinettsentwurf der Bundesregierung sind sie nun nicht mehr vorhanden, was sicherlich auch der CDU und der FDP entgegenkommt.
Der Wahltermin in Bayern hat für eine weitere Verzögerung gesorgt, sodass eine vernünftige Gemeindefinanzreform immer mehr infrage gestellt wird. Niemand glaubt mehr daran, dass ein entsprechendes Gesetz zum 1. Januar 2004 in Kraft treten kann. Aus der Sicht der PDS wäre in einer solchen Situation ein Soforthilfeprogramm für die Kommunen dringend notwendig, damit sie im Jahr 2004 überhaupt Investitionen ausführen können.
Selbst wenn es geringe Mehreinnahmen aus der Reform für die Kommunen geben sollte, so kompensieren sie bei weitem nicht die Verluste. Eine Entlastung wurde bisher immer wieder von der Konsequenz begleitet, dass den Kommunen dann mehr Aufgaben übergeholfen wurden.
Diesem Prinzip folgt offensichtlich auch der vorliegende Haushaltsplanentwurf. Es ist schon moniert worden: Die 193 Millionen €, die nach dem FAG mehr zur Verfügung stehen, resultieren aus Umverteilungen aus Einzelplänen und Umwidmungen. Höhere allgemeine Zuweisungen, beispielsweise aus der Jugendpauschale und aus der Musikschulförderung, drohen in Konsolidierungsprogrammen zu versacken, weil der Kommunalaufsicht unter den gegebenen Bedingungen gar nichts anderes übrig bleibt, als derartige Einnahmen abzulehnen.
Der Spielraum der Kommunen erweitert sich dann eben nicht, wie von der Landesregierung ursprünglich behauptet, erhofft oder was auch immer; er wird unter diesen Bedingungen noch kleiner. Das heißt, Herr Paqué, Sie stabilisieren damit die Kommunalfinanzen nicht.
Aber nun gibt es vorsichtige Andeutungen - ich will nicht so viel Gewese darum machen -, die besagen, man wolle sich das noch einmal überlegen. Das finden wir auch richtig. Wenn man den Kommunen wirklich mehr Handlungsspielräume in einer solchen Situation geben wollte, sollte man auch darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, Kulturpauschalen, Sozialpauschalen und Jugendpauschalen einzuführen. Dann würde das Geld in diesen Bereichen bleiben und die Kommunen hätten innerhalb dieser Bereiche weitestgehend freie Hand. Aber
Es sollte noch Folgendes bedacht werden: Der in das FAG integrierte Betrag der Jugendpauschale von 6,3 Millionen € entspricht zwar der Höhe des Vorjahres. Da jedoch die Kommunen jetzt nicht mehr komplementär finanzieren müssen, kann das von Fall zu Fall bedeuten, dass bis zu 50 % weniger Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung stehen.
An Herrn Püchel gerichtet muss ich unbedingt noch eines loswerden: Die Zuweisungen der Kommunen waren in den letzten Jahren deshalb so hoch, weil wir damals die Kürzungspläne der SPD verhindert haben.
Ich weiß, das freut jetzt wieder die CDU. Sie hat dafür keinen Grund. Aber ich weiß, warum wir uns haben verprügeln lassen müssen. Sie waren damals Innenminister, und ich bin angesichts dieser Situation überhaupt nicht bereit, auf diese Leistung zu verzichten und hinzunehmen, dass Sie sich mit dieser Blume schmücken.
Viele Kürzungen, die in diesem Haushalt auf Landesebene angestrebt werden, landen also letztlich doch auf dem Tisch der Kommunen. Wegfallende Projekte bringen nicht nur Begleiterinnen dieser Projekte in die Arbeitslosigkeit, sondern sie nehmen vor allem Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten.
Einige Beispiele dafür. Die Förderung des Kinder- und Jugendringes um fast 50 % zu senken hat nicht nur zur Folge, dass es dort am Ende nur eine einzige Personalstelle geben wird, sondern auch, dass die Vernetzungsarbeit zwischen Jugendverbänden stark geschwächt wird und dass eine Lobby für Kinder und Jugendliche verloren gehen wird. Gewachsene Infrastrukturen sind finanziell nicht zu stützen, und die Pluralität der Angebote durch die Erhaltung einer Trägervielfalt gerät in Gefahr.
Im Jahr 2004 findet im Sozialhaushalt nun die endgültige Beerdigung der Schulsozialarbeit statt. Fachleute warnen bereits davor, dass sich unter Kindern und Jugendlichen eine Amerikanisierung der Gesellschaft vollzieht. 10 bis 15 % - so sagen diese Fachleute - könnten zu der so genannten New Under Class gehören. Kennzeichen dafür ist die dauerhafte Ausgrenzung und die Tatsache, dass diese Personen von überhaupt keinem sozialen Sicherungssystem mehr erreicht werden.
Zur Streichung von Schulsozialarbeit kommen Kürzungen in der Jugendsozialarbeit und im Bereich erzieherischer Kinder- und Jugendschutz sowie bei Investitionen, bei freien Trägern und Kindertagesstätten. Dabei mag der Eindruck entstehen, dass manche Kürzungen in diesem Haushalt gar nicht so dramatisch ausfallen. Aber wie ich neulich schon einmal gesagt habe, ist dem entgegenzuhalten, dass die Kürzungen des Vorjahres zum Teil noch wesentlich umfangreicher waren.
Gerade in der Kombination dieser Arbeitsfelder lägen wichtige Potenziale, im Übrigen auch Einsparpotenziale. Ich will gar nicht bestreiten, dass man dadurch effektiver werden kann. Schulsozialarbeit war im Aufbruch, war außerordentlich erfolgreich und nachgefragt. Dennoch
muss ich im Rückblick auf die zurückliegenden Jahre auch kritisch sagen, dass Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit im Land Sachsen-Anhalt die geringste Dichte in der Bundesrepublik aufwiesen.
Erst recht liegt also nun kein Grund vor, solch drastische Kürzungen bzw. eine gänzliche Streichung vorzunehmen. Sachsen-Anhalt wird hochqualifizierte Arbeiterinnen und Arbeiter aus diesem Bereich verlieren. Diese gehen in andere Länder, werden dort untergruppiert beschäftigt, und wir haben im Land ohne Effekt Leute ausgebildet. Das passt auch ein wenig zur Hochschulstrukturreform.