Protokoll der Sitzung vom 23.10.2003

Wenn wir nun die Kommunalfinanzen und die Vorstellungen der Landesregierung für das Jahr 2004 ansehen, wobei man wiederum 100 Millionen € von den kommunalen Zuweisungen wegspart, können wir heute schon sagen, dass Investitionen in die sächliche Ausstattung der Einrichtungen nicht mehr erfolgen können.

Ein letzter Satz: Reformwille ist nicht erkennbar; die PDS-Landtagsfraktion stimmt diesem Gesetz nicht zu.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Polte, SPD)

Danke, Frau Abgeordnete Theil. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Kolze sprechen. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Bereits im Juli dieses Jahres bei der Einbringung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit ist herausgearbeitet worden, dass auf kommunaler Ebene die Strukturen gestärkt und weiterentwickelt werden müssen. Wir stehen nun vor der Verabschiedung dieses Gesetzes.

Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Kommunalreform im Gesamtkontext der laufenden allgemeinen Verwaltungsreform zu sehen ist. Auch auf kommunaler Ebene schaffen wir nun die Voraussetzungen für eine effektive und leistungsfähige Verwaltungsstruktur. Dabei halten wir uns nach wie vor an das, was wir vor den Wahlen versprochen haben: Wir setzen auf Freiwilligkeit.

Die Selbstverwaltung ist ein grundgesetzlich verbrieftes Recht der Gemeinden, das wir achten. Nur indem wir die Selbstverwaltung stärken und unterstützen, tragen wir auch zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit bei.

Im Gegensatz zur Vorgängerregierung trauen wir den Gemeinden zu, im Rahmen des Rechts auf Selbstverwaltung und der sich hieraus ergebenden Selbstverantwortung selbständig zu vernünftigen und tragfähigen Lösungen zu gelangen. Auf dieser Basis haben schon jetzt, wie der Minister bereits ausführte, viele Gemeinden mit ihren Nachbarn Vereinbarungen über größere und leistungsfähigere Verwaltungseinheiten getroffen oder sind zumindest in entsprechende Verhandlungen eingetreten.

Bereits mit der Einbringung des Gesetzentwurfs wurden auf der kommunalen Ebene Bemühungen unternommen, zu kleinteilige Strukturen zu reformieren und Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften zukunftsfähig zu machen. Damit sehen wir uns bestätigt.

Freiwillig sollen die Kommunen bestimmen, in welcher Form und mit wem sie sich zusammenschließen wollen. Dabei setzen wir auf die beiden Verwaltungsmodelle, die eine unmittelbare demokratische Legitimation gewährleisten: die Einheitsgemeinde und die Verwaltungsgemeinschaft. Das Verbandsgemeindemodell lehnen wir ab, um keine zusätzliche Verwaltungsebene einzuziehen.

Natürlich ist uns bewusst, dass speziell die Verwaltungsgemeinschaften gegenüber den Einheitsgemeinden eine besondere Stärkung erfahren mussten. Mehr als einmal wurde in dem Anhörungsverfahren zu diesem Gesetzentwurf die gesetzliche Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Verwaltungsgemeinschaftsebene diskutiert. Auf die juristischen Unwägbarkeiten, die mit einem solchen Vorgehen verbunden gewesen wären, möchte ich nicht vertieft eingehen. Dies ist meines Erachtens auch nicht erforderlich.

Was die Aufgabenübertragung anbelangt, haben wir in dem vorliegenden Gesetz nämlich die Möglichkeit geschaffen, dass Mitgliedsgemeinden Aufgaben aus dem Bereich des eigenen Wirkungskreises auch dann auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen können, wenn nicht alle Mitgliedsgemeinden hierbei mitziehen. Diejenigen, die Selbstverwaltungsaufgaben von der Verwaltungsgemeinschaft erledigen lassen wollen, erhalten mit dem neuen Gesetz die Möglichkeit, dies auch dann tun, wenn andere dies nicht wollen. Gemeinden, die die Aufgaben lieber bei sich behalten möchten, können dies auch dann tun, wenn alle anderen diese Aufgaben übertragen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Wir setzen auch an dieser Stelle ganz bewusst auf Freiwilligkeit. Im Vertrauen auf die gemeindliche Verantwortung und Entscheidungsfähigkeit überlassen wir es den Kommunen, zu entscheiden, was sie für richtig halten. Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit und Effektivität wird es den Kommunen durch das vorliegende Gesetz ermöglicht, ihre Verwaltungsarbeit kostengünstiger wahrzunehmen und Synergieeffekte zu nutzen, ohne die eigene Struktur und die Identität preiszugeben und ohne bevormundet zu werden.

Gemeinsam mit den Größenvorgaben erreichen wir damit eine deutliche Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit und unterstützen die Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften.

Wie genau die kommunalen Entscheidungsträger die ihnen nun eröffneten Möglichkeiten nutzen, haben wir ihnen bewusst selbst überlassen. Ob sich Gemeinden zur Einheitsgemeinde oder zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammenfinden, können sie selbst entscheiden. Wir vertrauen darauf, dass Selbstverwaltung auch Selbstverantwortung bedeutet und dass sich die kommunalen Entscheidungsträger dessen bewusst sind.

Mit diesem Gesetz respektieren wir also das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Dass man auch hierbei an Grenzen stoßen kann, ist jedem bewusst. Die vom Minister bereits angesprochene Zuordnungsermächtigung betrachten wir daher als Ultima Ratio. Bereits jetzt ist abzusehen, dass die weitaus meisten Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften allein und ohne Zwang zu einer vernünftigen Lösung kommen können. Hierin dürfen wir uns durchaus in dem von uns eingeschlagenen Kurs bestätigt sehen. Ein staatliches Eingreifen wird die Ausnahme bleiben. Unser Vertrauen in die kommunale Ebene ist also gerechtfertigt.

Sehr verehrte Damen und Herren! Daneben haben wir das Ziel der Aufgabenkritik nicht aus dem Auge verloren. Das vorliegende Gesetz enthält einen Katalog von Aufgaben aus dem übertragenen Wirkungskreis, die von den Landkreisen auf die Gemeinden übertragen werden sollen. Hierzu ist insbesondere hervorzuheben, dass auch im Laufe der Ausschussberatungen noch Aufgaben gefunden wurden, um die der Katalog ergänzt werden

konnte. Insbesondere sei auf die Aufgaben der unteren Straßenverkehrsbehörde verwiesen, soweit sie Straßen betreffen, die sich in der Baulastträgerschaft der Gemeinde befinden.

Auch mit dieser Kommunalisierung von Aufgaben wird die Rolle der Verwaltungsgemeinschaft unterstrichen. Indem die Verwaltungsgemeinschaft die Aufgaben aus dem übertragenen Wirkungskreis für die Gemeinden erfüllt, wird sie in ihrer Bedeutung gestärkt. Gleichzeitig erreichen wir eine größere Effizienz bei der Aufgabenerfüllung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zusammenfassend kann man also allen Kritikern zum Trotz sagen, dass uns ein Gesetz gelungen ist, das durchaus geeignet ist, Verwaltungsgemeinschaften und Gemeinden in ihrer Tätigkeit zu stärken und effektivere und leistungsfähige Strukturen zu schaffen.

Gemeinsam mit der Reform der Landesverwaltung setzen wir also den von uns eingeschlagenen Weg der Verwaltungsmodernisierung konsequent fort. Unser selbst gestecktes Ziel heißt: Weniger Staat!

Mit dem vorliegenden Gesetz stärken wir die Ebene, die dem Bürger am nächsten ist. Gleichzeitig respektieren wir aber die kommunale Identität und achten gewachsene Strukturen. Die vom Minister bereits aufgezeigten Entwicklungen werden uns in der näheren Zukunft Recht geben. Bereits jetzt ist landauf, landab Bewegung zu spüren - und das eben auf freiwilliger Basis. Damit halten wir Wort: Die Selbstverwaltung ist ein elementares Recht der Gemeinden, das wir stärken und in dem wir die Kommunen unterstützen und nicht einschränken wollen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Kolze. - Als letzter Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Dr. Polte für die SPDFraktion sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das heute zur Verabschiedung stehende Gesetz hat im Zuge des Beratungsganges so gut wie keine substanzielle Veränderung gegenüber der eingebrachten Fassung erfahren. Weder die Hinweise, Anregungen und Kritiken aus den Anhörungen - hierbei weise ich auf die verheerende Kritik der kommunalen Spitzenverbände hin -

(Zustimmung von Herrn Czeke, PDS)

noch gar die Anträge der Opposition konnten an der beratungs- und änderungsresistenten Koalitionsmehrheit irgendetwas bewirken.

(Herr Dr. Püchel, SPD: So sind Sie eben!)

Das heißt: So schlecht das Gesetz am Anfang der Beratung war, so schlecht ist es nun am Ende.

(Starker Beifall bei der SPD)

Auf einige Punkte des Gesetzes - jetzt ist es ja noch ein Entwurf - möchte ich eingehen und möchte nochmals auf die Defizite und Widersprüchlichkeiten aus der Sicht der SPD-Fraktion hinweisen und diese hier auch zu Pro

tokoll geben - zum Nachlesen, wenn es dann nicht funktioniert.

Erstens. Eine logische Schrittfolge für die Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit wäre, zunächst die Aufgaben zu definieren und dann die Größe der Gemeinden zu bestimmen. Der Gesetzentwurf legt einerseits als Maß für die Verwaltungskraft die Einwohnerzahl zugrunde, er bleibt andererseits in ihm angeführte Hilfskriterien für die Bestimmung der Verwaltungskraft schuldig. Stattdessen flüchtet er sich in unbestimmte Rechtsbegriffe - sinnvolle Zuordnung, weiter unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte - für vorgesehene Ausnahmeregelungen.

Dabei muss man wissen, dass die CDU-Fraktion noch vor wenigen Jahren in diesem Zusammenhang von Zahlenfetischismus gesprochen hat. Noch im Sommer 2002 lehnten sowohl der Herr Justiz- wie auch der Herr Innenminister Einwohnerzahlen als Maß für die Verwaltungskraft einer Gemeinde vehement ab, und es hieß: Kein Zwang! Keine Zeitvorgaben! Bis zum Jahr 2006 sollte beim Thema Gemeindereform Ruhe an der Front sein - so sagte es der Herr Innenminister.

Wie glaubwürdig ist man eigentlich noch? Sind Sie noch so richtig froh, Herr Minister Jeziorsky, wie im Juni 2002 nach der Blockade des Verwaltungsreformprozesses? Mit Stimmungsmache gegen das Püchel’sche Leitbild haben Sie Stimmen gewonnen. Die Glaubwürdigkeit aber, die geht jetzt schrittweise wieder in die Binsen.

(Zustimmung bei der SPD)

Übrigens, die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Verordnungsermächtigung wird uns mit Sicherheit auch nicht die noch ausstehenden Kriterien als Maß der kommunalen Verwaltungskraft quasi auf dem Verordnungswege liefern.

Zweitens. Den Gemeinderäten von Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft wird es nach dem Gesetz freigestellt, wie viele, welche und für wie lange - es besteht auch die Rückholmöglichkeit - Aufgaben des eigenen Wirkungskreises an die Verwaltungsgemeinschaft übertragen werden. Wie soll da die Verwaltung der Verwaltungsgemeinschaft sinnvoll strukturiert sein und wie soll sie da ein vernünftiges Verwalten gewährleisten, wenn man sich zum Beispiel Verwaltungsgemeinschaften vorstellt mit einer Größe von bis zu 30 Mitgliedsgemeinden? Das ist nicht aus der Luft gegriffen. Bei einer Grenze von 10 000 Einwohnern ist das denkbar. Es gibt ja auch schon durchgespielte Beispiele dafür.

Wie soll da ein Gemeinschaftsausschuss ohne direkte demokratische Legitimation seine Arbeit wahrnehmen? Man muss sich einmal vorstellen, in diesem Verwaltungsausschuss sind Vertreter aus den Mitgliedsgemeinden, und die einen haben etwas übertragen, andere gar nichts und wieder andere fast alles von den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises. Wie soll denn angesichts dessen die Arbeit im Gemeinschaftsausschuss mit ganz unterschiedlichen Interessenlagen funktionieren? - Das kann nicht funktionieren. Das prophezeie ich Ihnen.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

Nur die Maßstabsvergrößerung der Verwaltungsgemeinschaften allein, ohne eine umfassende interkommunale Funktionalreform, wird nicht zu den angestrebten größeren, leistungsfähigeren und effizienteren gemeindlichen Strukturen führen.

Möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Dr. Püchel beantworten?

Am Schluss dann bitte.

Gut.

Daran ändern auch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Neuregelungen der Zuständigkeiten auf kommunaler Ebene nichts.

Drittens. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, eine Einheitsgemeinde zwangsweise zur Trägergemeinde zu machen, lehnt die SPD nachdrücklich ab. Von der Einheitsgemeinde zurück zur Verwaltungsgemeinschaft ist objektiv ein Schritt zurück,

(Zustimmung bei der SPD)

und Gemeinden, die sich freiwillig und aus Einsicht für die Notwendigkeit bereits zu einer Einheitsgemeinde zusammengeschlossen haben, ist es schlechterdings nicht zuzumuten, sich nun womöglich in einer Verwaltungsgemeinschaft wiederzufinden. Trägergemeinden halten wir sowieso für ein Auslaufmodell.

Viertens. Erst wenn die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises aller Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen würden, könnte eine der Einheitsgemeinde vergleichbare Leistungsfähigkeit erreicht werden. Da aber politisch eine Präferierung der Einheitsgemeinde offenbar nicht gewollt ist und der Gesetzentwurf auch nicht die unmittelbare demokratische Legitimation des Gemeinschaftsausschusses vorsieht, werden wir keinen Qualitätssprung im Verwaltungsreformprozess erreichen.

Fünftens. Den durch das Gesetz vorgesehenen Zeitkorridor für die Bildung von einheitsgemeinden- und kreisgrenzenüberschreitenden Verwaltungsgemeinschaften halte ich schlechterdings für eine Zumutung für die Kommunen;

(Zustimmung von Herrn Oleikiewitz, SPD, und von Herrn Rothe, SPD)