Protokoll der Sitzung vom 23.10.2003

Das wirtschaftliche Interesse wird sich danach bemessen, welche Handlungsfähigkeit besteht. Die Handlungsfähigkeit ist aufgrund der rechtlichen Konstruktion der Fernwasserversorgung jedoch entscheidend von den kommunalen Wasserwerken der Stadt Leipzig abhängig.

Mit den KWL scheint die Landesregierung aber, wie wir lesen konnten, kein vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut zu haben. Wie sollte man sich sonst erklären, dass dieselben vor dem Landgericht in Magdeburg eine einstweilige Verfügung gegen den Formwechsel beantragt haben und der Landesregierung Vertragsbruch vorwerfen? So etwas bleibt den potenziellen Erwerbern natürlich nicht verborgen. Solche Vorfälle sind nicht geeignet, den Preis für ein solche Ware nach oben zu treiben.

Wir wissen, dass Sie unter Druck stehen, weil Sie Einnahmen aus Privatisierungen in Höhe von 90 Millionen € in den Haushalt eingestellt haben. Bisher waren Sie aber an dieser Stelle relativ erfolglos. So geschickt, wie Sie sich verhalten, haben wir Zweifel daran, dass sich das ändern wird.

Natürlich wissen auch wir, dass Sie darauf setzen, dass Global Player wie RWE und andere Ihnen aus der Patsche helfen könnten. Das wäre, wenn die Beteiligungen vielfältig sind und auch bis nach Leipzig reichen, möglich. Aber glauben Sie nur nicht, meine Damen und Herren, dass diese Ihnen, weil Sie eine so nette Landesregierung sind, noch einen Aufpreis zahlen.

Wir werden als Opposition dieses Umwandlungsgesetz nicht verhindern können. Möglicherweise - das gebe ich zu - hätten wir in der Regierungsverantwortung eine ähnliche Konstruktion gewählt, um diese beiden verschiede

nen Aufgaben zu teilen. Aber das, was sich um dieses Vorhaben herum abspielt, die mangelnde Transparenz und insbesondere der ungeschickte Umgang mit den Vertragspartnern, zeugt doch von relativ viel Dilettantismus in dieser Regierung.

Wir werden das Ergebnis Ihrer Bemühungen, wenn das Bieterverfahren jetzt laufen kann, an den von Frau Wernicke verkündeten 122 Millionen € messen.

Meine Damen und Herren! Trotz teurer Beratungsfirmen gibt es mehr offene als beantwortete Fragen. Deshalb fordere ich Sie auf: Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück, überarbeiten Sie ihn oder lassen Sie es ganz; denn Sie scheinen es nicht zu können. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Oleikiewitz. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Kehl das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Frau Wernicke hat bereits über die komplizierte Vorgeschichte der Fernwasserversorgung berichtet. Ich beschränke mich daher auf die für uns relevanten Themen.

Der vorliegende Gesetzentwurf gliedert die hoheitlichen Aufgaben des Talsperrenbetriebes in einen neu zu gründenden Talsperrenbetrieb aus. Er überführt die verbleibenden Aufgaben in eine privatrechtlich organisierte Rechtsform. Dabei werden - das befürwortet die FDP ausdrücklich - die im neuen Talsperrenbetrieb gebündelten hoheitlichen Aufgaben ausdrücklich aufgezählt. Dazu gehören die Regelung des Wasserabflusses, die Bereitstellung und der Vertrieb von Roh- und Brauchwasser. Ferner ist der neue Talsperrenbetrieb zuständig für die Stauanlagendokumentation und für die Baubestandswerke.

Alles andere soll privatrechtlich organisiert werden und folgt damit der liberalen Forderung, dass der Staat nur das machen soll, was er auch tatsächlich machen muss. Das bringt Arbeitsplätze in der Wirtschaft und spart dem Land mittel- und langfristig auf jeden Fall Geld.

Herr Oleikiewitz, es ist aber nicht so, wie Sie es darstellen, dass es hierbei um die Privatisierung der Versorgung des Endverbrauchers mit Trinkwasser geht. Hierbei geht es - das muss man ganz klar sagen - um die Privatisierung von Rohwasser in Fernleitungen und den damit zusammenhängenden Anlagen. Soweit begrüßen wir den Gesetzentwurf.

Trotzdem sind auch für die FDP noch Fragen offen. Muss beispielsweise die Wasserkraftnutzung an Stauanlagen, wie das in § 3 vorgesehen ist, wirklich primär hoheitlich erfolgen und nur sekundär privat? Das wäre ein klassischer Fall für die Wahrnehmung im privaten Sektor. Das können nämlich Private mindestens genauso gut.

Warum darf der neue Talsperrenbetrieb sich an anderen Unternehmen der Wasserwirtschaft beteiligen? Sollten wir nicht das Anliegen verfolgen, dass Aufgaben eingeschränkt werden, und nicht ein Einfallstor für weitere aufmachen? Der Gesetzentwurf ist insoweit nicht ganz konsequent zu Ende gedacht.

Wir, die FDP, sind jedenfalls für eine Diskussion offen und freuen uns auf eine Diskussion im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Kehl. - Nun bitte Herr Dr. Köck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Prinzip stellen sich die Grundfragen schon seit der Einbringung des Zweiten Investitionserleichterungsgesetzes in der 15. Sitzung des Landtages und haben sich vier Wochen später im Zusammenhang mit der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Zukunft der Trinkwasserversorgung wiederholt. Der Umweltausschuss hat sich mit der Problematik bereits am 26. März dieses Jahres ausführlich befasst.

Die Landesregierung will das selbst gesteckte und mit einem Haushaltsbeschluss untersetzte Ziel in diesem Jahr unbedingt erfüllen: 123 Millionen € sollen durch die Privatisierung des Fernwasservermögens eingenommen werden. Damit sollen Altkredite in Höhe von rund 100 Millionen € abgelöst und ca. 20 Millionen € zum Stopfen des Haushaltsloches erwirtschaftet werden.

Da der Wasserverbund aus kommunal beherrschten Wasserversorgungsunternehmen gescheitert war, hat das Kabinett im März dieses Jahres endgültig die Privatisierung beschlossen. Seitdem hat die Landesregierung, wie angekündigt, alle Verfahrensfragen geklärt und ein renommiertes Institut - wir haben es schon gehört -, die KPMG, mit der Verfahrensdurchführung beauftragt.

Von der ursprünglichen Auffassung, dass in dem gesamten Prozess der Privatisierung der Vermögenswerte die Vergabebestimmungen einzuhalten seien, ist die Landesregierung offensichtlich abgerückt. Das gesamte Verfahren soll unbedingt bis zum Jahresende abgewickelt werden. Deshalb drückt die Landesregierung auf die Tube.

Potenzielle Anbieter sind sehr kurzfristig zur Abgabe einer Interessenbekundung aufgefordert worden. Am vergangenen Montag um 18 Uhr war bereits Deadline. Vielleicht könnte die Frau Ministerin den Kreis der Interessenten kurz charakterisieren, ohne die Firmen und die Geschäftsdetails zu nennen.

(Ministerin Frau Wernicke: Ich werde mich hüten!)

Bis Ende November 2003 sollen jedenfalls schon die verbindlichen Angebote abgegeben werden. Während in den anderen Ministerien die Räucherkerzchen angezündet werden, brennt im Finanz- und im Umweltministerium die Luft; denn bis Weihnachten sollen die abgegebenen Angebote geprüft werden; die Transaktion soll bis zum Jahresende abgeschlossen sein.

Doch der Markt gibt nicht das her, was sich Herr Professor Paqué erträumt hat. Dem ursprünglich angestrebten Erlös in Höhe von 123 Millionen € steht ein Buchwert der zur Disposition stehenden Anlagen von höchstens einem Fünftel der Summe gegenüber. Angesichts der Absatzrückgänge wegen demografischer Fragen und anderer Dinge dürfte der Ertragswert noch weit darunter liegen und gegen Null tendieren.

Die Leipziger Wasserbetriebe, die seinerzeit 200 Millionen DM für die Anteile an der Fernwasser Elbe-Ostharz GmbH hingeblättert haben, sehen sich deshalb nicht zu Unrecht auf den Plan gerufen.

Wenn man einen Blick auf die Landkarte wirft und die Geschäftspolitik und die Ausweichmöglichkeiten zum Beispiel der Magdeburger Wasserbetriebe und der Halleschen Wasserbetriebe berücksichtigt, dann kann es doch nur darum gehen, einem kommunalen Wasserverbund noch einmal eine Chance einzuräumen. Privatrechtliche Organisation - ja; gegenständliche Privatisierung - nein.

Weshalb nicht auch ein Fernwasserpflichtverband? Wir wollen ja demnächst die Möglichkeit schaffen. In Thüringen zum Beispiel ist eine Zweckverbandslösung für das Fernwasser gefunden worden.

Übrigens wäre auch der Landeshaushalt von dramatischen Rückgängen der Rohwasserabnahme in Wienrode betroffen, wenn im Ergebnis der Privatisierung Grundwasservorräte stärker in Anspruch genommen würden als heute.

Es ist nicht egal, wenn durch eine Reduzierung der Zumischung von Harzwasser Qualitätsstandards nur noch nach den Vorgaben des Gesetzes erfüllt und nicht, wie heute, weit überboten werden oder wenn sich diejenigen Anbieter, die direkt aus den Fernwasserrohren beliefert werden, wegen einer verlängerten Aufenthaltsdauer des Wassers im Netz einem erhöhten hygienischen und gesundheitlichen Risiko ausgesetzt sähen. Gleichzeitig würde hervorragendes Trinkwasser aus der RappbodeTalsperre ungenutzt die Bode herab fließen.

So sehr ich das den Wasserorganismen gönne, sehe ich doch auch die erheblichen Aufwendungen für den vorsorglichen Trinkwasserschutz im Oberharz, der bisher von der öffentlichen Hand und den im Einflussgebiet lebenden Menschen erbracht worden ist und weiter erbracht werden muss. Dieser erfordert zum Beispiel auch in der Zukunft kostspielige technische Lösungen. Eine Kapitalvernichtung oder eine Entwertung des Kapitals, das aus öffentlicher Hand gebildet worden ist, in großem Umfang ist nicht auszuschließen.

Bei einer alle Aspekte berücksichtigenden Abwägung liegt eine nachhaltige Variante nicht im Erzielen eines einmaligen und weit unter den Erwartungen liegenden Erlöses. Wir fordern die Landesregierung nachdrücklich auf, eine große kommunale Lösung zu ermöglichen. Unter diesen Voraussetzungen würde das Gesetzesvorhaben für die PDS-Fraktion in ein ganz anderes Licht gerückt. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Dr. Köck. - Abschließen wird diese Debatte Herr Hacke für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuordnung der wasserwirtschaftlichen Betätigung des Talsperrenbetriebes ist ein weiterer richtiger und notwendiger Schritt, um in der Trinkwasserversorgung des Landes zukunftsfähige Strukturen zu schaffen.

Die klare Trennung von hoheitlichen und wirtschaftlichen Aufgaben wird dazu beitragen, dass sich die in der Vergangenheit geschürten Ängste und Vorbehalte gegenüber Privatisierungsbestrebungen der Landesregierung und in diesem speziellen Fall gegenüber einem Verkauf des Vermögens und der Geschäftsanteile des Landes an der Fernwasserversorgung als unbegründet erweisen werden.

Ministerin Frau Wernicke hat die Ziele dieser Neuordnung bereits ausführlich und, wie ich meine, sehr verständlich zum Ausdruck gebracht. Aus diesem Grund möchte ich bei meinen Ausführungen auf eine Wiederholung dieser Fakten verzichten.

Ich denke, auch die heutige Diskussion zur Trinkwasserproblematik hat wie alle vergangenen deutlich gemacht, dass wir uns in dem Ziel, eine qualitativ und quantitativ hochwertige und flächendeckende Trinkwasserversorgung zu angemessene Preisen zu sichern, einig sind. Nur in einigen Grundsatzfragen - was soll dabei die staatliche Aufgabe sein, was muss in öffentlicher Hand bleiben, was kann durch beauftragte Dritte übernommen werden und inwieweit sollte sich der Staat auf seine hoheitlichen Aufgaben zurückziehen? - sind wir unterschiedlicher Auffassung.

Die PDS-Fraktion nahm in der Vergangenheit und nimmt, wie wir hörten, auch heute zu einer möglichen Veräußerung der Landesanteile an der Fernwasserversorgung die wohl härteste Gegenposition ein. In der Diskussion über die Neuordnung der Trinkwasserversorgung am 14. März in diesem Hause - Herr Dr. Köck hat das schon erwähnt - äußerte sich Herr Dr. Köck wie folgt - ich zitiere -: „Die Veräußerung des Fernwasservermögens ist ein enteignungsgleicher Tatbestand; denn die Kommunen haben nur der Not gehorchend ihr gesamtes gegenständliches Anlagevermögen einst an das Land abgegeben.“

Es ist schon ein ziemlich starker Tobak, was Sie einer Landesregierung vorwerfen und - das sage ich bewusst - auch einer SPD-Landesregierung vorgeworfen haben. Mich wundert sehr, dass Sie vorhatten, eine solche „skrupellose“ Landesregierung, die sich am Vermögen der Kommunen schamlos zu bereichern wusste, weitere Jahre zu tolerieren.

Meine Damen und Herren! Was ist damals wirklich geschehen? Das Land hat den Kommunen, um deren durch die Midewa-Pleite entstandene finanzielle Belastung zu mindern, 102 Millionen € Bankverbindlichkeiten abgenommen und sich im Gegenzug Vermögen und Aufgaben übertragen lassen, die nicht zu den originären Aufgaben eines Landes gehören. Die von der damaligen Landesregierung zu Vertuschungszwecken vorgenommene Übertragung dieser Schulden an den TSB und nicht die vorgenommene Planung und Sicherung zur Refinanzierung dieser Schulden sind das eigentlich zu Kritisierende und zugleich Dilettantische am Vorgehen der alten Landesregierung.

(Zustimmung von Herrn Ruden, CDU)

Diese Erblast haben wir heute zu schultern. Wie es im Vorblatt zum Gesetzentwurf richtig heißt, gibt es keine sinnvolle Alternative zur Veräußerung der Fernwasseraktivitäten des TSB.

Sehr geehrter Herr Oleikiewitz, die Vorwürfe, die Sie hier vorgetragen haben, sind meines Erachtens unberechtigt und - gestatten Sie mir, auch dieses Wort zu verwenden - überheblich. Wenn Sie richtig gelesen hätten, hät

ten Sie festgestellt, dass die Landesregierung bisher nur ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt hat und dass noch keine öffentliche Ausschreibung zum Verkauf stattgefunden hat. Das sind doch erhebliche Unterschiede und deshalb war Ihre Kritik unberechtigt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz auf einen in der „Leipziger Volkszeitung“ vom 15. Oktober 2003 erschienenen Artikel eingehen. Frau Ministerin hat das schon erwähnt. Unter der Überschrift „Leipzig rüstet sich für Wasserkrieg mit Nachbarland SachsenAnhalt“ wird dort geschrieben, dass die kommunalen Wasserwerke Leipzig die Anteile Sachsen-Anhalts an der Fernwasserversorgung Elbe-Ostharz gern erwerben würden, allerdings unter Ausnutzung eines angeblichen Vorkaufsrechtes und möglichst zum Spottpreis.

Wenn man, wie in diesem Artikel beschrieben, zugrunde legt, dass die Leipziger 50 % der Geschäftsanteile an der Fernwasserversorgung einst für 200 Millionen DM erstanden haben, dann ist es schwer nachzuvollziehen, warum die anderen 50 % nicht mindestens ebenso viel wert sein sollen.

Herr Hacke, möchten Sie eine Frage von Herrn Oleikiewitz beantworten?

Ich bin gleich fertig und werde das dann gern tun. - Dies könnte praktisch nur der Fall sein, wenn das Unternehmen in den letzten Jahren voll auf Verschleiß gefahren worden wäre und die Erträge erheblich eingebrochen wären. Beides ist meiner Kenntnis nach nicht der Fall, sodass ich der Landesregierung rate, sich auf keinen Fall unter Druck setzen zu lassen und die Ernsthaftigkeit der Verkaufsabsichten deutlich zum Ausdruck zu bringen, unabhängig davon, wer der Erwerber sein wird.