Protokoll der Sitzung vom 23.10.2003

Im März 2003 hat sich die GbR Poser/Graf von Wedel an den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Naumburg und jetzigen Naumburger Landtagsabgeordneten Curt Becker gewandt. Er sollte sich dafür verwenden, dass die Anzahl der von der Stadt Naumburg vorgesehenen Stellplätze für ein Gebäude in der Stadt Naumburg reduziert wird. Das wurde begründet mit der sich abzeichnenden Gesetzesänderung bezüglich der Anzahl der Stellplatzpflicht.

Dieses Schreiben wurde vom Anwalt des Klägers in das laufende Gerichtsverfahren eingeleitet ohne die Absicht des Kollegen Becker, dass das tatsächlich geschieht; denn das Schreiben war, wie richtig berichtet wurde, an die Stadt Naumburg gerichtet und nicht an das Gericht. Deshalb ist nach unserer Auffassung das Schreiben, wie es auch die Anhörung eindeutig ergeben hat, weder dazu bestimmt noch dazu geeignet gewesen, auf das gerichtliche Verfahren Einfluss zu nehmen. Das wurde auch in der Ausschussberatung eindrücklich bestätigt.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ein falscher Briefkopf verwendet worden ist. Das ist klargestellt, das ist bedauerlich, das ist aber auch geschehen.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Ich will aber nur jeden davor warnen, zu hochnäsig zu sein im Hinblick darauf, dass keine falschen Briefköpfe verwendet werden und dass sich nicht das eine Verfassungsorgan mit dem Versuch an das andere Verfassungsorgan wendet, Einfluss zu nehmen.

Mir ist zufällig ein Schreiben unserer Abgeordnetenkollegin Ria Theil aus dem Burgenlandkreis zugegangen, in dem sie sich auf einem Abgeordnetenkopfbogen, aber gleichzeitig auch als Bürgermeisterin der Gemeindeverwaltung Droyßig an das Oberlandesgericht wendet. Sie interveniert in einem Verfahren zu einem Antrag auf Prozesskostenhilfe und bittet inständig das Gericht, doch in dem Sinne zu entscheiden, wie sie meint, dass die Angelegenheit dargelegt ist.

(Oh! und Hört, hört! bei der CDU)

Man kann sich auf die Gerichte in Deutschland verlassen. Das Gericht schreibt: „Dass die Äußerungen von Frau Theil keinen Einfluss auf die Entscheidung in dieser Sache haben werden, bedarf keiner Begründung.“ Selbstverständlich bedarf es keiner Begründung. Aber, bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, nun urteilen Sie nicht mit unterschiedlichen Maßstäben.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir werden als Abgeordnete alle gebeten, uns für Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Wir werden als Abgeordnete alle gebeten, uns für Firmen einzusetzen, die in Schwierigkeiten kommen. Wir führen diese Gespräche. Wir führen diese Gespräche auch mit den Ministern und bitten die Minister, wenn es verantwortbar ist, sich einzusetzen. Das ist unsere Aufgabe, es ist unsere Aufgabe als Abgeordnete. Wir müssen nur aufpassen, dass wir bei diesen Interventionen auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit bleiben. Dazu kann ich uns nur alle aufrufen.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Dr. Pü- chel, SPD)

Meine Damen und Herren! Angesichts dessen einen gewählten Briefkopf bzw. Briefbogen als alleinigen Maßstab des Handelns zu nehmen, das kann doch wohl

nicht der Maßstab sein, den wir im Land Sachsen-Anhalt an uns selber anlegen sollten.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Lassen Sie mich zu der zweiten Angelegenheit kommen, die die „Mitteldeutsche Zeitung“ entdecken zu müssen meint. Bezeichnenderweise wertet die „Volksstimme“ den Vorgang ein bisschen anders.

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS)

Aber das ist in einer pluralen Presselandschaft gut und richtig. Das ist nämlich - -

(Herr Gallert, PDS: Die hat auch den Konrad- Adenauer-Preis bekommen!)

- Also, wenn Sie über den Konrad-Adenauer-Preis philosophieren und wenn Sie als PDS jetzt meinen, damit ein Gutes zu tun, um die Freiheit der Presse zu verteidigen, dann würde ich an Ihrer Stelle ein bisschen eigene Geschichtsforschung betreiben.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Es ist so, dass wir alle froh sind, eine freie Presse zu haben, und die Meinung der Presse ist auch kein Gerichtsurteil.

(Zuruf von Herrn Gebhardt, PDS)

Der Bürger ist aufgefordert, wenn er die Zeitung liest, sich selber ein Urteil zu bilden. Wir als Abgeordnete sind auch aufgerufen, uns ein eigenes Urteil zu bilden. Dabei helfen natürlich Pressemitteilungen und Berichte, aber sie sind nicht die letzte Wahrheit. Wir müssen entscheiden, wie wir letztlich die Angelegenheiten beurteilen.

Weil mir die Zeit langsam davonläuft, will ich ganz kurz noch die Angelegenheit bezüglich der Besetzung einer Notarstelle bewerten. Es ist Aufgabe und Pflicht des Ministers, sich darum zu kümmern, dass die Notarstellen im Land Sachsen-Anhalt gleichmäßig besetzt werden und dass möglichst Not leidende Notarstellen eingezogen werden. Das hat der Herr Minister auch gemacht. Ihm ist nur ein Fehler unterlaufen, und zwar ist ihm ein Fehler dahin gehend unterlaufen, dass es seit 1999 eine andere Rechtsgrundlage gibt und dass die Bewerbungsfristen bei der Ausschreibung von Notarstellen Ausschlussfristen sind. Jetzt frage ich einmal in diesen Raum hin: Wer weiß das?

(Zurufe von der SPD und von der PDS - Unruhe)

Herr Scharf, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Grimm-Benne zu beantworten?

Am Ende. - Es ist so, dass der Minister in seinem Hause leider nicht rechtzeitig auf den Irrtum hingewiesen worden ist, Gespräche zu einem Zeitpunkt zu führen, zu dem die Gespräche von der Sache her keinen Sinn mehr gemacht haben.

Als dies aber dem Ministerium bewusst wurde, sind die Gespräche sofort eingestellt worden. Der Fehler, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre erst entstanden, wenn im Ministerium unter Missachtung der abgelaufenen Ausschlussfrist über die Besetzung dieser Stelle entschieden und vielleicht sogar falsch entschieden worden wäre. So weit ist es gar nicht gekommen.

Jetzt frage ich Sie: Wenn wir solche Vorgänge in den Verwaltungen, zu denen jemandem die Rechtslage im Moment nicht bis zum letzten I-Tüpfelchen präsent ist, dazu verwenden, dass derjenige sofort von seinem Posten zurücktreten muss, dann sagen ich Ihnen, meine Damen und Herren: Wir können doch nicht unsere Verwaltungen entblättern.

Diese Fehler sind in meinen Augen ärgerlich. Aber sie sind nicht schwerwiegend und sie bieten schon gar keinen Anlass, eine Rücktrittsforderung an einen Minister zu richten.

Herr Scharf, sind Sie bereit, Fragen der Abgeordneten Frau Grimm-Benne und der Abgeordneten Frau Theil zu beantworten?

Ich will zunächst meine Rede zu Ende bringen und dann bin ich gern dazu bereit.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass Sie Ihre Redezeit bereits um zweieinhalb Minuten überschritten haben.

(Heiterkeit)

Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Sie wollten keine längere Redezeit, habe ich gehört!)

Eine Schlussbemerkung. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur beim Mikado gewinnt derjenige, der nichts bewegt. Mit solchen Leuten bauen wir aber das Land Sachsen-Anhalt nicht auf. Kollege Becker ist einer, der sich bewegt, der sich dreht, der rotiert und dem das eine oder das andere passiert. Aber genau solche Menschen haben das Land Sachsen-Anhalt aufgebaut.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Nun sind zwei kleine Fehler passiert, die ich bewertet habe.

Von diesem Minister, meine Damen und Herren, fordern wir nicht den Rücktritt. Mit uns nicht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Frau Grimm-Benne, Sie können jetzt Ihre Frage stellen. Bitte sehr.

Herr Scharf, ist es zutreffend, dass es sich bei dem Naumburger Notar, für den sich Minister Herr Becker verwendet hat, um einen Unionsfreund handelt, wie heute die „TAZ“ berichtet?

(Zurufe von der CDU: Nein!)

Wirft das nicht ein neues Licht auf die versuchte Notarbesetzung?

Zur zweiten Frage. Ich habe gestern an einer Veranstaltung des Deutschen Richterbundes im Justizministerium teilgenommen. Dort hat der Abteilungsleiter Isensee gegenüber Kollegen mehrfach beteuert, dass er keinen Fehler begangen habe, sondern dass er den Minister mehrfach darauf aufmerksam habe, dass es für Notare sehr wohl eine Ausschlussfrist gebe. Ist Ihnen das bekannt? Wie wollen Sie das verwenden?

Liebe Kollegin, wir könnten manche Peinlichkeit in diesem Raume vermeiden, wenn Sie uns rechtzeitig fragen würden. Nach meiner Kenntnis - ich kenne nicht alle 10 000 CDU-Mitglieder im Lande Sachsen-Anhalt - ist der besagte Notar kein CDU-Mitglied.

(Frau Feußner, CDU: Richtig!)

Aber dies könnte man auf dem kurzen Dienstweg klären. Wie die „TAZ“ zu dieser Auffassung kommt, weiß ich nicht. In Berlin können wir das wahrscheinlich viel schlechter dementieren. In Berlin bleibt diese Lüge bestehen und sie soll offenbar auch so wirken. Das ist schädlich.

Die zweite Frage kann ich nur so beantworten: Nach meiner Kenntnis ist Minister Becker, nachdem er angefangen hat, die Gespräche mit dem möglichen Notarbewerber in Naumburg zu führen, darauf hingewiesen worden, dass die Bewerbungsfrist eine Ausschlussfrist ist. Danach sind die Gespräche eingestellt worden. Das heißt, zu dem Zeitpunkt, zu dem Herr Becker auf die zu beachtende Rechtslage hingewiesen worden ist, hat er die Gespräche, die nicht zu einem Erfolg führen konnten, nicht mehr geführt. Das ist in meinen Augen überhaupt kein Widerspruch.

(Zuruf)