Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

Meine Damen und Herren von der Opposition, gestatten Sie mir noch eine Frage. Frau Kollegin Grimm-Benne, wenn der Sachverhalt nicht aufgeklärt war, wie es von Ihnen gesagt wurde, warum forderten Sie dann in unseriöser Weise vor dem Hintergrund eines nicht aufgeklärten Sachverhaltes den Rücktritt eines ehrwürdigen Ministers?

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sehen allein an diesem Punkt, dass Ihre Argumentation in sich nicht schlüssig ist.

Zur Besetzung der Notarstelle. Ausweislich der Ausführungsbestimmungen zur Bundesnotarordnung - das kann man im Ministerialblatt des Landes Sachsen-Anhalt vom 21. Dezember 1998 nachlesen - wird die Bewerbung für Notarstellen vom Ministerium der Justiz ausgeschrieben. Der Notar oder die Notarin wird durch eine Bestallungsurkunde - das heißt so - durch das Ministerium der Justiz ernannt.

Das ist vorliegend geschehen. Zutreffend ist, dass bei einem Fall die Ausschlussfrist übersehen worden ist. Das ist nachträglich korrigiert worden. Es handelt sich um eine handwerkliche Ungenauigkeit, die eingeräumt worden ist.

Wir haben jetzt den Genuss, dass wir einen Sachverhalt aufklären, der gesetzlich normiert ist. Herzlichen Glückwunsch!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Hinblick auf Punkt 3, nach dem Sie alles aufgeklärt wissen wollen, was mit der Amtsführung des Herrn Justizministers zusammenhängt, darf ich Ihnen § 2 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes vorhalten. Darin steht:

„Der Untersuchungsausschuss wird jeweils für einen bestimmten Untersuchungsauftrag eingesetzt.“

Nun frage ich mich, wo Ihr Antrag genau genug bestimmt ist. Es ist ein unzulässiger Ausforschungsantrag, und er ist in sich als Einzelteil - davon bin ich felsenfest überzeugt - verfassungswidrig.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir werden Ihnen nicht den Gefallen tun, Ihnen den Weg vor das Verfassungsgericht zu eröffnen, und das aus zwei Gründen. Erstens wollen wir Sie an Ihrer eigenen Verantwortung, die Verfassung einzuhalten, messen. Zweitens möchte ich nicht, dass meinen Kollegen und Kolleginnen Richtern durch solche unsachgemäßen Anträge von Ihnen vor dem Hintergrund der ohnehin schon hohen Pensen noch weitere Arbeit zugemutet wird.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Oh! bei der SPD)

Es bleibt abschließend festzustellen: Die Opposition beantragt einen Untersuchungsausschuss für einen aufgeklärten Sachverhalt und würzt ihn mit einem Stück Verfassungswidrigkeit. Das ist am heutigen Morgen festzustellen.

(Zustimmung bei der CDU)

Noch eines: Sie sagen, das sei von Ihnen nicht politisch gewollt. Das Ziel ist aus meiner Sicht eindeutig, ein Minderheitenrecht auf Kosten des Steuerzahlers in unzulässiger Weise zu instrumentalisieren,

(Herr Dr. Püchel, SPD: Frechheit!)

um einen politischen Rummel zu veranstalten.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Budde, SPD: Unmöglich!)

Nun könnten Sie meinen, wir stimmen dagegen. Das werden wir nicht tun, weil wir das Recht dieses Hohen Hauses akzeptieren. Wenn wir dagegen stimmen würden, dann würden wir Ihr Minderheitenrecht unterlaufen. Deshalb werden wir uns der Stimme enthalten. Aber seien Sie sicher, im Geiste stimmen wir dagegen. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Stahlknecht. - Für die PDS-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Tiedge das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind das wichtigste Instrument des Parlaments, um die Regierungen und Verwaltungen zu kontrollieren und Missstände aufzudecken. Sie sind das wichtigste Kontrollinstrument der Legislative gegenüber der Exekutive.

Das Parlament erhält die Möglichkeit, mit hoheitlichen Mitteln, wie es ansonsten nur Gerichten zusteht, das Handeln der Regierung selbständig zu untersuchen. Unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems ist das Instrument des Untersuchungsausschusses ein wesentliches Recht der Opposition auf Sachverhaltsaufklärung unabhängig von den jeweiligen Parlamentsmehrheiten. Es stellt somit eine wichtige die Minderheit schützende Vorschrift dar.

Allerdings gibt es einen ganz gravierenden Unterschied zwischen Gerichten und Untersuchungsausschüssen. Während Gerichte mit unabhängigen Richtern besetzt sind, müssen die im Untersuchungsausschuss vertretenen Parlamentarier die Interessen ihrer Fraktionen berücksichtigen. Sie können auch nicht dazu gezwungen werden, sich neutral wie Richter zu verhalten. Somit sind Untersuchungsausschüsse keine autonomen gerichtsähnlichen Gremien zur objektiven Wahrheitsermittlung. Zwar kann eine Minderung die Einsetzung eines derartigen Ausschusses beantragen; sie kann aber auch durch eine aufklärungsunwillige Mehrheit kaltgestellt werden.

Jedoch keine Oppositionspartei wird nur aus politischtaktischen Gründen einen Untersuchungsausschuss beantragen.

(Herr Gürth, CDU, lacht)

Wer aber eine solche Steilvorlage bekommt wie die Vorwürfe und Geschehnisse um den Justizminister Becker

und die daraufhin nicht erfolgten Reaktionen seitens seiner Person und des Ministerpräsidenten des Landes, muss folglich von seinem Recht Gebrauch machen und einen Untersuchungsausschuss zu beantragen.

(Herr Gürth, CDU: Es ist doch ganz klar! Es geht überhaupt nicht um Aufklärung! Sie wünschen den Rücktritt!)

Die Hoffnungen, den Sachverhalt um den Justizminister im Ausschuss für Recht und Verfassung aufklären zu können, haben sich leider nicht erfüllt. Im Gegenteil: Diese Ausschusssitzung brachte aus unserer Sicht mehr Fragen als Antworten.

(Zuruf von der CDU: Wo leben Sie denn?)

Herr Stahlknecht, zum Beispiel die Frage, ob es sich, wie Sie es auffassen, um einen handwerklichen Fehler handelt oder um einen gravierenden politischen und verfassungsrechtlichen Fehler.

(Herr Kosmehl, FDP: Das ist eine Bewertung!)

Meine Fraktion erschreckt sich dabei immer wieder über das mangelnde Rechtsbewusstsein bei einer ganzen Reihe von Abgeordneten bis hin zum Ministerpräsidenten, die verharmlosen und bagatellisieren. Es ist eben keine Bagatelle, wenn ein Justizminister in ein laufendes Gerichtsverfahren eingreift. Eigentlich ist es das Schlimmste, was ein für die Justiz und damit für die Unabhängigkeit der Judikative verantwortlicher Minister machen kann.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Das ist falsche Unterstellung! Das wissen Sie auch!)

Es bleibt in der Öffentlichkeit der fade Beigeschmack, dass ein Landtagsabgeordneter anders behandelt werden soll als jeder andere Bürger in Sachsen-Anhalt. Wie viele Selbständige oder Gewerbetreibende in SachsenAnhalt gibt es, die ebenfalls durch Ablösegebühren in Schwierigkeiten geraten sind und bei denen keine Ausnahmeregelungen praktiziert worden sind. Das riecht nach Vetternwirtschaft und wird von der Bevölkerung auch genau so gesehen.

Noch ein Aspekt muss angesprochen werden. In den vergangenen Wochen und Monaten wurden in den Kommunen und kreisfreien Städten die Haushaltspläne aufgestellt, wobei viele Kommunen feststellen mussten, dass sie ihren Haushalt nicht ausgleichen können. Vielfach wurden die Haushaltspläne aber auch durch die Kommunalaufsicht nicht genehmigt, weil Städten und Gemeinden vorgeworfen wurde, dass sie ihre Satzungsrechte nicht ausgeschöpft hätten, um ihre Einnahmesituation zu verbessern.

In dieser Situation fordert der Justizminister einen Bürgermeister auf, seine Satzung zugunsten eines Parteifreundes mehr als großzügig auszulegen und von dem Satzungsrecht nicht in vollem Umfang Gebrauch zu machen.

(Herr Gürth, CDU: Das ist ein Vorschlag des Ge- richtes gewesen! - Herr Stahlknecht, CDU: Das ist eine politische Bewertung!)

Das ist mehr als fragwürdig. Da sowohl die Landtagsdebatte als auch die Sitzung des Ausschusses für Recht und Verfassung

(Frau Feußner, CDU: Sie waren bestimmt in ei- ner anderen Veranstaltung!)

das berechtigte Interessen der Öffentlichkeit an der vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes im Zusammenhang mit der Amtsführung des Justizministers nicht befriedigen konnte, kann eine umfassende Aufklärung nur im Rahmen eines Untersuchungsausschusses erfolgen.

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Kosmehl zu beantworten?

Im Ausschuss.

Im Ausschuss, Herr Kosmehl.

(Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

Meine Bitte an die Damen und Herren der Koalitionsfraktionen: Erweisen Sie sich nicht im Untersuchungsausschuss als aufklärungsunwillige Abgeordnete und unterstützen Sie unsere Bemühungen um eine vollständige Aufklärung der Sachverhalte.

(Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Der Antrag auf eine Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird in bezeichnender Weise nicht von allen Mitgliedern der beteiligten Fraktionen unterstützt.