Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Der Antrag auf eine Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird in bezeichnender Weise nicht von allen Mitgliedern der beteiligten Fraktionen unterstützt.

(Herr Gallert, PDS: Da waren welche krank, Herr Wolpert!)

- Zwölf Stück.

(Heiterkeit bei der CDU)

Die Damen und Herren Kollegen, die sich nicht namentlich als Unterstützer des Antrags präsentieren wollen, sind sich wohl über den Sinn oder Unsinn eines solchen Ausschusses mehr im Klaren als die Unterzeichner.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Sinn und Zweck einen Untersuchungsausschusses ist es, wie es der Name bereits besagt, Sachverhalte zu untersuchen, aufzuklären und letztlich zu versuchen, die Wahrheit zu finden. Dazu sind dem Untersuchungsausschuss Instrumente in die Hand gegeben worden, die denen der Judikative entsprechen.

Was hier aber geschehen soll, dient offensichtlich nicht vorrangig der Wahrheitsfindung, sondern es ist mehr der Versuch, den politischen Gegner mit den Mitteln der Justiz unter Druck zu halten. Es geht nicht um die Untersuchung eines bestimmten Vorkommnisses, sondern um die dauerhafte Ermittlung gegen eine Person. Dazu ist ein Untersuchungsausschuss nicht gedacht.

Bei einer nüchternen Betrachtung ist von einem Ereignis auszugehen, nämlich dem Brief des Justizministers vom

März dieses Jahres an die Stadt Naumburg. Die Umstände der Erstellung und der weiteren Verwendung des Briefes wurden im Rechtsausschuss ermittelt und im Anschluss von den beteiligen Fraktionen bewertet - mit Ausnahme der SPD-Fraktion. Die hat erst den Rücktritt gefordert und ist dann eine Woche später in die Anhörung gegangen, um den Sachverhalt zu ermitteln.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zu- ruf von der CDU: Genauso war es!)

Dann erfolgte eine erneute Bewertung und diese endete mit der Feststellung, dass sich der Verdacht auf einen Versuch der Beeinflussung erhärtet habe.

Die PDS war etwas schlauer. Sie hat gleich behauptet, es sei ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Von einem Eingriff in ein Gerichtsverfahren hat sie zumindest damals nicht gesprochen.

Es stellt sich schon die Frage, welche Fakten der Untersuchungsausschuss zutage bringen soll, um eine neue Bewertung seitens der Antragsteller zu ermöglichen. Abgesehen davon, dass ich nicht erwarte, neue gewichtige Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss zu erhalten, wird die Vorverurteilungsmentalität von Teilen der Opposition nicht gebrochen werden. Das ist den Antragstellern wohl selbst aufgefallen, weshalb der Untersuchungszweck auf alle Vorgänge rund um den Minister und um die kommunale Selbstverwaltung erweitert wurde, ganz nach dem Motto: Irgendetwas muss sich doch finden lassen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Dass ein so ausgeweiteter Untersuchungsgegenstand selbst zur Verfassungswidrigkeit führen könnte, ist egal; denn wenn man nichts finden würde, könnte man sich ja selbst in seiner Vorverurteilung blamieren, und das muss auf alle Fälle verhindert werden, wenn nötig auch mit den Mitteln, die man gerade den Gegnern als Missbrauch vorwirft.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Sieht man sich den Einsetzungsantrag an, fällt auf, dass er dem Bestimmtheitsgebot nicht entspricht. Abschnitt I des Antrages bezieht sich für den Kenner der Verhältnisse offensichtlich in den Nrn. 1 und 2 auf den Vorgang Brief und Stellplätze und bei der Nr. 3 wohl auf die Notarstellenbesetzung in Zeitz. Für einen neutralen Außenstehenden erschließt sich das aber nicht. Es könnte auch so verstanden werden, als ob alle Stellenbesetzungen geprüft werden sollen.

Dabei ist aber der Untersuchungsgegenstand noch nicht einmal auf die Zuständigkeit der Justiz beschränkt, sondern auf alle Bereiche ausgedehnt, die einen Amtsmissbrauch ermöglichen. Das beträfe also nicht nur die Landesverwaltung, sondern sämtliche Stellenbesetzungen auch in der kommunalen Ebene.

Auch die Prüfung der Einflussnahme auf gerichtliche Verfahren dürfte die Leistungsfähigkeit eine Untersuchungsausschusses bei weitem übersteigen; denn der Auftrag enthält keinerlei Beschränkung außer der zeitlichen, nämlich die Amtszeit des Ministers, und, ich denke, einer örtlichen, denn er bezieht sich allenfalls auf die Zuständigkeit der Gerichte des Landes Sachsen-Anhalt.

Die Einschränkung des Untersuchungsauftrages in Abschnitt II soll wohl eine sein, ist aber gar keine. Das Wort „insbesondere“ in Satz 1 weist darauf hin, dass den ge

nannten Vorgängen um die Stellplätze und die Notarstellenbesetzung ein gewisser Vorrang eingeräumt werden soll. Tatsächlich beinhaltet die Formulierung allerdings die Möglichkeit, das auch auf jeden anderen Vorgang - das steht dort ausdrücklich - auszuweiten.

Ich will das an einem Beispiel kurz darlegen. Der Minister könnte einen Hund haben und ein Hund ist unter Umständen hundesteuerpflichtig. Das ist ein Kernpunkt in der kommunalen Selbstverwaltung. Sollten wir mal prüfen, ob er einen hat und ob er versucht hat, mit seinem Amt dort Missbrauch zu treiben?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weiter wäre zu fragen, in welcher Gemeinde er diesen Hund angemeldet hat, wenn nicht im Burgenlandkreis - das wäre zuerst zu prüfen -, dann woanders. Vielleicht hat er irgendwo einen Hund.

Meine Damen und Herren! Hier wird offensichtlich, dass die Bestimmtheit nicht gegeben ist.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

- Herr Püchel, ich weiß, dass es schwierig ist, zurzeit in der SPD zu sein, aber lassen Sie mich bitte ausreden.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Um es kurz zu machen: Die FDP kann sich einem solchen Untersuchungsausschussantrag nicht anschließen. Er ist nicht bestimmt genug und deswegen werden wir ihm nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Wolpert, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Gallert zu beantworten?

Selbstverständlich.

Bitte sehr, Herr Gallert.

Es ist keine Anfrage, sondern eine Zwischenintervention.

Herr Wolpert hat den Eindruck erweckt, dass sich nicht alle Mitglieder der Fraktionen der SPD und der PDS mit dem Untersuchungsausschuss einverstanden erklärt haben. Herr Wolpert, ich kann Ihnen vonseiten der PDSFraktion sagen, dass alle Mitglieder der PDS-Fraktion diesen Untersuchungsausschuss unterstützen. Es war ein technisches Problem. An dem Tag, als wir die Unterschriften eingesammelt haben, waren naturgemäß nicht alle anwesend.

Danke sehr, Herr Gallert. Danke sehr, Herr Wolpert.

Meine Damen und Herren! Für den Einbringer erteile ich nochmals der Abgeordneten Frau Grimm-Benne das Wort. Bitte sehr, Frau Grimm-Benne.

Meine Damen und Herren Kollegen! Wenn Sie so sicher wären, wie Sie es gerade vorgetragen haben, würden Sie zum Landesverfassungsgericht gehen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Ich hoffe, Herr Kollege Wolpert, dass die Formulierung „zwölf Stück Abgeordnete“ nur eine sprachliche Unkorrektheit, ein Versprecher war.

Sie, Kollege Stahlknecht, haben bezüglich des Untersuchungsausschusses die Verfassung von England zitiert. Kennen Sie auch die deutsche Verfassung und ist es mit Ihrem Demokratieverständnis vereinbar, wenn Sie die Einsetzung des Untersuchungsausschusses deswegen für unnötig erachten, weil er Steuergelder kostet? Wenn Sie die Rechte der Minderheit deshalb schmälern, weil es sonst Geld kostet, haben Sie ein merkwürdiges Demokratieverständnis.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Grimm-Benne. - Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache beendet. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Wir treten in den Abstimmungsprozess ein. Ich lasse abstimmen über den Antrag in der Drs. 4/1139. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der PDS und bei der SPD. Gegenstimmen? - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Enthaltungen bei der CDU und bei der FDP.

Damit, meine Damen und Herren, ist die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beschlossen und wir können zum zweiten Teil dieser Prozedur kommen.

Meine Damen und Herren! Es geht um die Besetzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dazu verweise ich auf die §§ 4 und 5 des Untersuchungsausschussgesetzes, nach welchen der Landtag zugleich mit der Einsetzung den Vorsitzenden und dessen Vertreter sowie die weiteren von den Fraktionen benannten Mitglieder und persönlichen Stellvertreter bestätigt.

In Drs. 4/1181 liegt ein interfraktioneller Antrag vor, über den jetzt abzustimmen ist. Wer diesem interfraktionellen Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei PDS, SPD, CDU und FDP. Gegenstimmen? - Keine Gegenstimme. Enthaltungen? - Keine Enthaltung. Damit ist dieser interfraktionelle Antrag so beschlossen und die Voraussetzungen für die Bildung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind gegeben. Gemäß § 5 Abs. 3 des Untersuchungsausschussgesetzes haben mit der Bestätigung durch den Landtag die Mitglieder des Untersuchungsausschusses ihre Rechtsstellung erworben. Damit, meine Damen und Herren, ist der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

Wir treten ein in die Behandlung des Tagesordnungspunktes 2:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Unterbringung besonders rückfallgefährde