Das liegt möglicherweise zum einen daran, dass die Bereitschaft Angehöriger, sich dieser Aufgabe anzunehmen, rückläufig ist. Zum anderen kann es aber auch daran liegen, dass sich seitens der Justiz nicht genügend darum bemüht wird, Familienangehörige für diese Tätigkeit zu gewinnen, und man stattdessen den einfacheren Weg wählt und sich unmittelbar eines hauptamtlichen Betreuers bedient.
Ich verdeutliche dies an einem Beispiel aus meinem Bekanntenkreis. Es geht um einen Sohn, der es abgelehnt hat, die Betreuerschaft für seine im Heim lebende Mutter zu übernehmen. Dies lag aber weniger an seiner vermeintlich nicht vorhandenen Bereitschaft, diese Aufgabe zu übernehmen, sondern daran, dass er insbesondere die Geld- und Vermögensangelegenheiten seiner Mutter aufgrund vorhandener Vollmachten ohnehin völlig problemlos erledigen und wahrnehmen konnte. Die Erledi
gung der Aufgabe als Betreuer wäre gegenüber den bisherigen Aufgabenerledigungen mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden gewesen, da er über seine Betreuertätigkeit entsprechend Rechenschaft hätte ablegen müssen.
Wie ging es nun weiter? Die Einrichtung, in der sich die Mutter befand, stellte von Amts wegen den Antrag, der Mutter einen Betreuer zur Seite zu stellen. Von diesem Antrag erfuhr der Sohn nichts. Erst nachdem das zuständige Gericht die Entscheidung über die Betreuerschaft getroffen hatte, wurde der Sohn darüber informiert, da es ihm von diesem Zeitpunkt an selbstverständlich untersagt war, sich weiter insbesondere den Geld- und Vermögensangelegenheiten seiner Mutter zu widmen. Erst nachdem er gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt und die Beweggründe für sein Verhalten erläutert hatte, wurde diese Entscheidung aufgehoben und stattdessen ihm die Betreuung wieder übertragen.
Dieses Beispiel macht, glaube ich, deutlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es mit etwas mehr Engagement auf beiden Seiten vielfach durchaus möglich wäre, die Zahl der durch hauptamtliche Betreuer unterstützten Menschen zu verringern. Damit könnte es zu einer Kostenreduzierung im Bereich der hauptamtlichen Betreuer kommen. Wie das vorgenannte Beispiel zeigt, wären auch in diesem Falle nicht unbeträchtliche Kosten für die hauptamtliche Betreuung angefallen, hätte es diese Intervention nicht gegeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kontrollmechanismen hat der Minister schon im Einzelnen aufgezählt, ebenso die Probleme mit der Haftpflichtversicherung, sodass ich nicht weiter darauf eingehen möchte. Außerdem sind diverse Ausschlussgründe der gesetzlichen Vertretung aufgeführt.
Wir schlagen die Überweisung federführend in den Rechtsausschuss und zur Mitberatung in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales vor. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Borgwardt. - Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Grimm-Benne. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Es ist richtig, bereits vor einem Jahr hat uns im Landtag das Thema Betreuung beschäftigt. Leider muss ich sagen, die Debatte hat damals auch zu einer solchen Uhrzeit stattgefunden wie heute Abend. Ich finde, es ist vielen noch gar nicht deutlich geworden, was für eine Brisanz in dem Thema Betreuungswesen steckt.
Das betrifft nicht nur die Sozialpolitiker und nicht nur uns Juristen, sondern es wird ein gesellschaftliches Problem werden; denn in Deutschland stehen bereits mehr als eine Million Menschen unter rechtlicher Betreuung und in den nächsten Jahren wird mit einem rapiden Anstieg dieser Zahl gerechnet. Die Ausgaben für Vergütung und Aufwendungsersatz betrugen im Jahr 2002 bundesweit rund 346 Millionen €.
Schon diese Zahl macht die Brisanz dieses Themas deutlich. Es besteht über alle Fraktionen hinweg weit
Inzwischen hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Abschlussbericht vorgelegt und in der Herbsttagung der Justizminister in diesem Monat wurde der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechtes beraten und verabschiedet. Am 6. November 2003 verständigten sich die Justizminister der Länder darauf, diesen Gesetzentwurf über den Bundesrat in den Bundestag einzubringen.
Unser Landesrechnungshof wies bereits in seinem Jahresbericht 2001 auf die erheblichen Ausgaben für die Vergütung in Sachen Betreuung hin und übte Kritik an dem bestehenden Vergütungssystem. All diese Kritikpunkte wurden in die Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe einbezogen.
Nun sorgt der Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe für Aufregung in der Öffentlichkeit. Hauptpunkt der Kritik an dem Bericht und auch an dem Gesetzentwurf ist die Pauschalierung der Vergütung. Ich bin der Auffassung, durch eine Pauschalierung wird das Abrechnungsverfahren wesentlich vereinfacht und es wird vor allen Dingen Zeit gewonnen.
Alles, was Frau Tiedge in ihrem Antrag dargestellt hat, war Gegenstand einer ausführlichen Beratung am 29. Oktober 2003 in Oschersleben. Dort haben uns die Betreuungsvereine im Zusammenhang mit der Behauptung, die Betreuungskosten seien aufgrund der Pauschalierung nicht mehr auskömmlich, gesagt: Was uns im Grunde kaputt macht und an den Rand der Insolvenz bringt, sind die langen Abrechnungszeiten. Es gibt Amtsgerichte - damit will ich gar nicht den Rechtspflegern einen Vorwurf machen - die jeden einzelnen Abrechnungsfall überprüfen. Dadurch kommt es in einigen Betreuungsvereinen dazu, dass sie Ausfälle von 60 000 € zu verkraften haben. Was das für die Betreuungsvereine bedeutet, brauche ich nicht zu sagen.
Ich habe mit den Vertretern einiger Betreuungsvereine gesprochen, die möglicherweise Insolvenz anmelden müssen, wenn sich in diesem Bereicht nicht etwas tut. Ich appelliere an das Justizministerium, in solchen Fällen wenigstens Abschläge zu zahlen, um die Situation der Betreuungsvereine zu verbessern.
Ich gehe aber davon aus, dass es Frau Tiedge gar nicht so sehr direkt um die Pauschalierung geht. Diesbezüglich ist sie einverstanden. Es geht um die Auskömmlichkeit. Darüber kann man sich streiten. Die vorgesehene Höhe der Pauschalierung der Vergütung beruht auf dem Ergebnis einer Untersuchung des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e. V., die vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegeben wurde.
Es wurden über 1 808 repräsentativ ausgewählte gerichtliche Betreuungsakten für diese Untersuchung ausgewertet. Nun melden sich verstärkt Betreuungsvereine in Sachsen-Anhalt, die sagen, dass die errechneten Pauschalen nicht auskömmlich seien und nur durch eine Erhöhung der Fallzahl kompensiert werden könnten, worunter die Qualität der Betreuung leiden würde. Wir können uns im Ausschuss - so hoffe ich - das Für und Wider der Höhe der Pauschalen darstellen lassen.
Ich möchte noch eine Ergänzung machen. Frau Wilhelm als Vertreterin des Justizministeriums hat auf der Tagung am 29. Oktober 2003 auch gesagt, dass sich das
Land zusätzlich die Mühe gemacht habe, im Raum des Amtsgerichtsbezirkes Bitterfeld eine Untersuchung durchzuführen. Die Bitterfelder Rechtspfleger haben, einschließlich des Amtsgerichtsdirektors Heidmann, bestätigt, dass sie die errechneten Pauschalen für auskömmlich erachten.
Ich weiß im Moment nicht, was ich dazu weiter sagen soll. Darum geht es im Wesentlichen. - Ich sehe gerade, dass meine Redezeit abläuft. - Bezüglich der gesetzlichen Vertretungsmacht hat es noch viele Veränderungen im Gesetzentwurf gegeben, sodass ich hoffe, dass inzwischen sämtliche Missbrauchstatbestände ausgeräumt sind, und den Entwurf auch in diesem Punkt unterstütze.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit Sie meinen Beitrag besser einordnen können, will ich gleich zu Beginn feststellen, dass ich selbst als ehrenamtlicher Betreuer arbeite und dass meine Frau als Berufsbetreuerin tätig ist. Ich nehme deshalb für mich in Anspruch, aus dem täglichen Umgang mit Betreuungen und Betreuten heraus zu argumentieren. Aufgrund dieser Situation ergeben sich natürlich andere Betrachtungsweisen als bei der häufig anzutreffenden Beurteilung nach der Aktenlage.
Meine Damen und Herren! Das Thema ist viel zu komplex, als dass man es, wie hier vorgesehen, in fünf Minuten ausreichend behandeln könnte. Deshalb plädiere auch ich für eine Überweisung des vorliegenden Antrages in den Ausschuss für Recht und Verfassung federführend und zur Mitberatung in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales.
In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit will ich mich deshalb auf wenige grundsätzliche Bemerkungen beschränken. Es können nur wenige sein. Mehr ist angesichts der Zeit nicht möglich.
Erstens. In der öffentlichen Diskussion stehen aus meiner Sicht viel zu häufig und zu vordergründig der Betreuer und seine Vergütung im Mittelpunkt. Dabei wird gern das Klischee bedient, der Betreuer verdiene zu viel und habe den Hang zum Betrügen. Das ist die Realität. Fragen Sie die Betreuer, was ihnen entgegenkommt, und fragen Sie auch, wo es ihnen entgegenkommt. Ich möchte an dieser Stelle nicht aus dem Nähkästchen plaudern. Problematisch ist es vor allem dann, wenn dies aus der Justizverwaltung heraus geschieht.
Schwierig wird es für mich auch, wenn die Rechtfertigung von Vergütungen am Vergleich mit anderen Berufsgruppen festgemacht wird. Die Krone dieser Diskussion ist es allerdings, wenn der Betreuungsvorgang durch Mitarbeiter der Justiz mit dem Ölwechsel am Auto
verglichen wird, wie das nach Berichten von Teilnehmern auf einer öffentlichen Veranstaltung passiert ist. Ich kann nur hoffen, dass das nicht zutrifft.
Von allen an der Diskussion bisher Beteiligten hat sich niemand grundsätzlich gegen eine Pauschalierung der Vergütung der Betreuer ausgesprochen, wohl aber muss gewährleistet sein, dass die Struktur und die Höhe der Vergütung sachgerecht sind. Ohne Zweifel kann mit der Pauschalierung der Verwaltungsaufwand erheblich reduziert werden. Ich denke, auf diesem Erkenntnisstand sind inzwischen alle angelangt, auch die Betreuer selbst.
Warum allerdings der tatsächliche Betreuungsaufwand nicht mehr wirklichkeitsgetreu abgebildet wird, wie manchmal zu hören ist, wenn die Extremwerte einbezogen werden, erschließt sich mir bisher noch nicht.
Zweitens. Ressortübergreifendes Denken findet in der Beurteilung der Wirksamkeit der Betreuung nur selten seinen Niederschlag. Die in der Begründung des Antrages aufgeführte Wirkung der Einsparungen in den Justizhaushalten auf Kosten der Sozialhaushalte der Länder und Kommunen wird von allen Praktikern vorausgesagt. Die Einsparungseffekte im Gesundheitsbereich durch Betreuungen werden hingegen kaum wahrgenommen.
Ein Antrag der Bundesländer Thüringen, Brandenburg und Bremen in der heute und morgen stattfindenden Konferenz der Arbeits- und Sozialminister stellt fest, dass die Finanzierung der neuen Beratungsaufgaben der Betreuungsbehörden und Betreuungsvereine noch offen sei und einer Regelung bedürfe.
Der Fortbestand der Betreuungsvereine sei bereits jetzt gefährdet, heißt es in diesem Antrag an einer anderen Stelle. Davon sind anscheinend auch einzelne Vereine in Sachsen-Anhalt betroffen. Nach den mir vorliegenden Informationen schließt der Betreuungsverein Gardelegen, der Betreuungsverein in Wanzleben beschäftigt sich ernsthaft mit diesem Gedanken.
Drittens schließlich sieht die Arbeits- und Sozialministerkonferenz Regelungsbedarf beim Datenschutz und beim Datentransfer. Dieser wird von den tätigen Betreuern ebenfalls gesehen. Den Betreuungsbehörden und den Betreuern ist überhaupt nicht wohl, wenn sie an die vielen Daten denken, mit denen sie im Berichts- und Abrechnungswesen gegenüber den Vormundschaftsgerichten ungeschützt hantieren müssen.
Meine Damen und Herren! Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Betreuungsrecht“ empfiehlt in ihrem Abschlussbericht, die weitere Diskussion im politischen Raum zu führen. Daran sollten wir uns in angemessener Form beteiligen, ohne uns auf die in dem Antrag formulierten Punkte einzuengen. - Ich bedanke mich.
Herr Rauls, Ihr Redebeitrag hat mir sehr gut gefallen, vor allen Dingen auch, weil er aus einem anderen Bereich gekommen ist. - Meine Frage hat folgenden Hintergrund. Ich habe im Augenblick den Eindruck, dass sich nur noch das Justizministerium um das Betreuungswesen kümmert, nicht jedoch das Sozialministerium. Wie könnten Sie sich vorstellen, dass diese beiden Ministerien bestimmte Bereiche miteinander verknüpfen? Im Augenblick sieht es nicht nur so aus, als ob die beiden Ministerien parallel arbeiteten. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass sich das Sozialministerium aus dieser Diskussion verabschiedet hat.
Wie Sie zu diesem Eindruck kommen, weiß ich nicht. Ich kann Ihnen nicht ganz zustimmen. Das ist natürlich auch eine Frage der Regelung der Zuständigkeit. Das Justizministerium ist für die Abwicklung der Betreuung zuständig, das Sozialministerium nur für den Teil, der die Betreuungsvereine betrifft. Insofern ist das Sozialministerium von der Zuständigkeit her eingebunden. Aber auch die Arbeit in der Arbeitsgruppe der überörtlichen Sozialhilfeträger macht deutlich, dass sich das Sozialministerium nicht aus der Materie verabschiedet hat. Das ist jedenfalls nicht meine Wahrnehmung.
Vielen Dank, Herr Rauls. - Nun hat noch einmal Frau Tiedge das Wort, wenn sie es denn möchte. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, ich habe in meinem Redebeitrag deutlich gemacht, dass auch wir in unserem Antrag davon ausgegangen sind, dass die Pauschalierung zu einer erheblichen Verringerung des Abrechnungsaufwandes sowohl für die Betreuer als auch für die Rechtspfleger führen wird. Das wurde auch bei der Veranstaltung in Oschersleben von den meisten Betreuern so gesehen. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen gibt es eine generelle Ablehnung der Pauschalierung. Aber dieser Argumentation haben wir uns nicht angeschlossen, weil wir das nicht so sehen.