Protokoll der Sitzung vom 20.11.2003

In diesem Zusammenhang hat auch das Bundesverfassungsgericht ausgeführt - ich verzichte darauf, das erneut zu zitieren -, dass in der Abwägung darüber, ob

man auf eine abschließende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes warten könne oder ob eine einstweilige Anordnung getroffen werden müsse, der Aspekt des Schutzes der Allgemeinheit überwiege und es deshalb eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten gelte. Diese Auffassung machen wir uns zu Eigen.

Erst wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vorliegt, wie es auch immer aussehen mag - wir meinen, dass das Land keine Gesetzgebungskompetenz hat -, können wir zu der Bewertung der materiell-rechtlichen Fragen kommen. Diesbezüglich habe ich darauf hingewiesen, dass aus unserer Sicht die beiden Instrumente der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB und der nachträglichen vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB Vorrang vor einer gefahrenabwehrrechtlichen Regelung haben sollten. Darüber können wir uns, sofern es notwendig sein sollte, zu gegebener Zeit noch unterhalten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kosmehl. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Gäste von der Landeszentrale für politische Bildung sowie Gäste von der Bundeswehr Sondershausen.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir setzen die Debatte fort mit dem Beitrag der SPDFraktion. Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Rothe. Bitte sehr, Herr Rothe.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz, über dessen Verlängerung wir reden, steht in Karlsruhe auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts. Wir sind uns in diesem Haus sicherlich darüber einig, dass mit der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung nicht beabsichtigt ist, das Gericht in der Phase seiner Entscheidungsfindung nach der mündlichen Verhandlung in irgendeiner Weise zu beeindrucken. Der Minister ist zu der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe gewesen und hat dies vorhin erwähnt.

Es geht allein darum, dass die Verlängerung des vorhandenen Gesetzes zeitgerecht vor dem Ende seiner Geltungsdauer beschlossen werden kann, wenn nicht zuvor das Bundesverfassungsgericht zu einer der Verfassungsbeschwerde stattgebenden Entscheidung kommen sollte. Ich verzichte in diesem Stadium des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht bewusst auf eine inhaltliche Auseinandersetzung, wie wir sie, Frau Kollegin Tiedge, in der Plenardebatte am 14. Dezember 2001 geführt haben. Ich versage es mir auch, auf die Äußerungen des Kollegen Kosmehl einzugehen, obwohl seine Rede sehr dazu provoziert.

Stattdessen nehme ich Bezug auf die Ausführungen der Vertreter der SPD-Fraktion bei der Einbringung unseres Entwurfes und bei der abschließenden Beratung am 22. Februar des letzten Jahres. Unsere Position hat sich seitdem nicht verändert. Das heißt, Frau Tiedge und Herr Kosmehl, wir teilen Ihre Bedenken im Ergebnis nicht. Zu dem vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren habe ich während der Landtagssit

zung am 6. Februar dieses Jahres als Berichterstatter des Ausschusses für Recht und Verfassung inhaltlich Stellung genommen.

Meine Damen und Herren! Wir werden einer Ausschussüberweisung zustimmen. Wie Sie der Drucksache entnehmen können, liegt die Federführung regierungsseitig beim Innenministerium. In der Tat geht es bei diesem Gesetz um den Schutz potenzieller Opfer vor Übergriffen Dritter. Es handelt sich also um ein Gesetz, das der Gefahrenabwehr dient. Ich denke, der Landtag kann entsprechend der Ressortzuständigkeit verfahren. Deshalb beantrage ich die Überweisung des Gesetzentwurfs federführend in den Innenausschuss und mitberatend in den Ausschuss für Recht und Verfassung. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rothe. - Für CDU-Fraktion erhält nunmehr der Abgeordnete Herr Stahlknecht das Wort. Bitte sehr, Herr Stahlknecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist viel Juristisches gesagt worden. Die Positionen wurden auch schon am 14. Dezember 2001 dargelegt. Die CDU-Fraktion hält ebenso wie die SPD-Fraktion - das hat Herr Rothe eben dargestellt - das Gesetz für verfassungsgemäß. Wir sind der Meinung, das Land hat eine Gesetzgebungskompetenz. Ich möchte das an dieser Stelle nicht wiederholen.

Insofern sind wir für eine Verlängerung des Gesetzes - nicht nur aus juristischen, sondern auch aus politischen Gründen. Ich möchte aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu der genannten Verfassungsbeschwerde im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens kurz zitieren. Darin hat das Gericht festgestellt:

„Im Hinblick auf die konkrete Gefahr, dass es erneut zu gewalttätigen Straftaten gegen das Leben oder gegen die körperliche Unversehrtheit Dritter durch den Beschwerdeführer (ein Mörder) kommen könnte, wäre mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung ein erheblicher Nachteil für das Wohl der Allgemeinheit zu besorgen.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Für mich ist der Schutz der Allgemeinheit wichtiger als der Schutz irgendwelcher Täter.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Stahlknecht.

Wir beantragen wie die SPD-Fraktion ebenfalls eine Überweisung federführend in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Rechtsausschuss.

Ihrer Geste, Herr Kosmehl, entnehme ich, dass Sie sich diesem Antrag anschließen können. - Damit ist die Antragslage klar.

Wenn Sie dazu bereit sind, können wir die Abstimmung zusammenfassen. - Wer also der Überweisung in den Innenausschuss, federführend, und in den Ausschuss für Recht und Verfassung, mitberatend, seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP. Gegenstimmen? - Bei der PDS-Fraktion. Enthaltungen? - Keine. Damit ist die Überweisung angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt 2 ist somit erledigt.

Wir treten nun ein in die Behandlung des Tagesordnungspunktes 4:

Fragestunde - Drs. 4/1144

Entsprechend unserer Geschäftsordnung findet, wie Sie wissen, auf Antrag monatlich eine derartige Fragestunde statt. Es liegen Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Drs. 4/1144 insgesamt neun Kleine Anfragen für diese Fragestunde vor.

Ich rufe zu Frage 1 die Abgeordnete Frau Bianka Kachel, SPD-Fraktion, zu dem Thema Tourismusverband „Mitteldeutsches Saaleland“ auf. Bitte sehr, Frau Abgeordnete Kachel.

Vielen Dank. - Die „Mitteldeutsche Zeitung“ hat in ihrer Ausgabe vom 4. November 2003 berichtet, dass der Tourismusverband „Mitteldeutsches Saaleland“ Insolvenz angemeldet hat.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Folgen hat nach Ansicht der Landesregierung die Anmeldung der Insolvenz des Tourismusverbandes „Mitteldeutsches Saaleland“ für die Tourismuswirtschaft und die Entwicklung des Tourismus in der Region?

2. Welche Möglichkeiten der Vermarktung oder der Unterstützung der Vermarktung der Tourismusdestination südliches Sachsen-Anhalt sieht die Landesregierung, nachdem der regionale Tourismusverband Insolvenz angemeldet hat?

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kachel. - Die Antwort der Landesregierung wird durch den Minister für Wirtschaft und Arbeit Herrn Dr. Horst Rehberger erteilt. Bitte, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Kachel beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt.

Zu 1: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der südliche Teil des Landes, das Saale-Unstrut-Gebiet im engeren Sinne, wie bisher auch durch den Verband „SaaleUnstrut-Tourismus e. V.“ gut vertreten und in die Vermarktungsarbeit der Landesmarketinggesellschaft einbezogen ist.

Was das Gebiet des Tourismusverbandes „Mitteldeutsches Saaleland“ anbetrifft, arbeitet die Landesmarke

tinggesellschaft aufgrund der schon sei langem bestehenden Schwäche des Verbandes mit den wichtigsten Leistungsträgern aus dem Verbandsgebiet direkt zusammen, zum Beispiel mit dem Goethe-Theater und den Kuranlagen Bad Lauchstädt, mit Hotels in Merseburg, Querfurt und Halle und vielen anderen mehr. Diese Zusammenarbeit wird fortgesetzt. An dieser Stelle entstehen also keine Defizite.

So bereitet die Landesmarketinggesellschaft in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Merseburg das tausendjährige Bistumsjubiläum vor. Außerdem wirkt sie, um ein weiteres Beispiel zu nennen, an der Vorbereitung der Landesausstellung „Der geschmiedete Himmel“ im Herbst 2004 in Halle mit.

Zu 2: Die soeben genannten Beispiele machen deutlich, dass das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und die Landesmarketinggesellschaft die touristische Arbeit im südlichen Sachsen-Anhalt trotz der Insolvenz des Tourismusverbandes „Mitteldeutsches Saaleland“ wirkungsvoll unterstützen. Wir erwarten allerdings, dass sich die kommunalen Gebietskörperschaften und die auf eine gute touristische Entwicklung angewiesenen Gewerbebetriebe sowie alle touristisch relevanten Organisationen möglichst bald in einem neuen Tourismusverband organisieren und damit auch für den Großraum Halle ein leistungsfähiger Verband die weitere touristische Entwicklung mitgestaltet.

Vielen Dank, Herr Dr. Rehberger. - Damit ist die Antwort der Landesregierung erteilt worden.

Zu Frage 2 rufe ich den Abgeordneten Herrn Frank Radschunat zu dem Thema Haftungspflicht bei Insolvenz kommunaler Wohnungsunternehmen auf. Bitte sehr, Herr Radschunat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Wirksamwerden des Altschuldenhilfegesetzes sah sich die Landesregierung 1994 veranlasst, mithilfe eines Runderlasses (RdErl. des MI vom 23. August 1994) die Behandlung der Altschulden in der kommunalen Wohnungswirtschaft zu regeln.

Trotz Altschuldenentlastung nach § 6a AHG ist es nicht gelungen, die finanzielle Situation besonders existenzgefährdeter Wohnungsunternehmen zu verbessern. Entsprechend dem oben genannten Runderlass und den Regelungen nach dem Aktiengesetz stellt sich die Frage der Haftungspflicht der Kommunen im Falle der Insolvenz kommunaler Wohnungsunternehmen. Eine Haftungspflicht würden die desolaten Haushalte der Kommunen nicht mehr verkraften.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Haftungspflicht der Kommunen im Falle der Insolvenz kommunaler Wohnungsunternehmen?

2. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung zur finanziellen Unterstützung der Kommunen im Falle der Insolvenz kommunaler Wohnungsunternehmen?

Besten Dank, Herr Radschunat. - Die Antwort der Landesregierung wird durch den Minister des Innern Herrn Klaus-Jürgen Jeziorsky erteilt. Bitte, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Abgeordneten Radschunat namens der Landesregierung wie folgt.

Zu 1: Eine Haftung der Kommunen im Falle der Insolvenz kommunaler Wohnungsunternehmen wird infolge vertraglicher Vereinbarungen, zum Beispiel durch die Übernahme einer Bürgschaft, oder allein durch gesetzliche Regelung begründet. So erhielten die Kommunen zum Beispiel aufgrund von Regelungen des Einigungsvertrages mit dem Wohnungsvermögen auch die darauf lastenden Verbindlichkeiten.

Der Umfang der Haftung ist allerdings von der Organisationsform des jeweiligen Unternehmens abhängig. Im Land Sachsen-Anhalt werden die Unternehmen der Kommunen, so auch die kommunalen Wohnungsunternehmen, überwiegend als Eigenbetriebe oder als Gesellschaften mit beschränkter Haftung geführt. Eigenbetriebe sind als Sondervermögen der Kommunen Betriebe ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Da die Verbindlichkeiten somit den Kommunen unmittelbar zuzurechnen sind, haften die Kommunen für die Verbindlichkeiten ihrer Eigenbetriebe unbeschränkt.

Gesellschaften mit beschränkter Haftung, also die GmbHs, sind dagegen Betriebe mit eigener Rechtspersönlichkeit. Das Haftungsrisiko für GmbHs, an denen Kommunen beteiligt sind, beschränkt sich auf das eingesetzte Stammkapital.

Zudem ist noch Folgendes zu berücksichtigen: Viele Kommunen haben nach der politischen Wende ihre als Regie- und Eigenbetriebe geführten Wohnungsbaubetriebe nach Maßgabe des Umwandlungsgesetzes in GmbHs umgewandelt. In diesen Fällen haften die Kommunen für die Verbindlichkeiten, die zum Zeitpunkt der Umwandlung bestanden, die so genannten Altschulden, für einen in Abhängigkeit vom Einzelfall bestimmten Zeitraum neben der neu entstandenen Gesellschaft gegenüber dem Gläubiger.